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Aktuelles Weltgeschehen

Deutschland und die neue Verteidigungspolitik

In Deutschland hat Verteidigungsminister Dr. Peter Struck die Weichen für seine Politik völlig neu gestellt. "Weg von der herkömmlichen Landesverteidigung, hin zur aktuellen Verteidigung, die ‚auch am Hindukusch‘ stattfinden kann", sagte er. Das klare Ziel ist jedoch die "Schaffung von Freiraum für Investitionen" durch Auflösung von nicht aktuellen Strukturen und Geräten. Die Not im Staatshaushalt und die seit vielen Jahren stets deutlich zu geringen Mittel für die Bundeswehr haben zu einer radikalen Neuformulierung und geänderten Prioritätensetzung geführt.

Zeitgemäße Verteidigung

"Verteidigung heute umfasst weit mehr als die herkömmliche Verteidigung an der Landesgrenze. Die Sicherheit wird auch an anderer Stelle dieser Erde verteidigt. In der heutigen Welt gibt es keine Friedensoasen mehr. Verteidigung lässt sich geografisch nicht mehr begrenzen", formulierte der Verteidigungsminister die neuzeitlichen Thesen für die Bundeswehr. Der Generalinspekteur zur "Zeitgemäßen Verteidigung": "Ein zeitgemäßes Verständnis von Sicherheit und Verteidigung hat zum Ziel, Bedrohungen und Krisen durch gemeinsames Handeln auf Distanz zu halten".

Neue Prioritäten

In den von der Bundeswehrführung erarbeiteten "Verteidigungspolitischen Richtlinien" wurde "aufgrund der veränderten Sicherheitslage" in Europa der Auftrag für die Bundeswehr bestimmt, deren Aufgaben "neu gewichtet" und "Vorgaben für die Fähigkeiten der Streitkräfte der Zukunft" gemacht. Unverändert bleibt dabei die multinationale Einbindung Deutschlands und der Bundeswehr. Weil derzeit und auf absehbare Zeit "eine Gefährdung deutschen Staatsgebietes durch konventionelle Streitkräfte nicht zu erkennen ist", setzt man andere Prioritäten. Denn die Gefahren durch regionale Krisen und Konflikte innerhalb und außerhalb Europas, Formen der Informationskriegführung, den internationalen Terrorismus sowie durch die Proliferation von Massenvernichtungswaffen und weitreichenden Trägersystemen sind größer als je zuvor. Eine Neugewichtung der Aufgaben der Bundeswehr sieht deshalb folgende Prioritäten vor: "Die herkömmliche Landesverteidigung im Bündnisrahmen gegen konventionelle Angriffe als die bisher strukturbestimmende Aufgabe der Bundeswehr entspricht nicht mehr den sicherheitspolitischen Erfordernissen. Die internationale Konfliktverhütung und Krisenbewältigung, einschließlich des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus, stehen an erster Stelle des Aufgabenspektrums. Danach sollen sich vor allem die Fähigkeiten, das Führungssystem, die Verfügbarkeit und die Ausrüstung richten." Als nächste wichtige Aufgaben folgen die "Unterstützung der Bündnispartner", der "Schutz des Landes und seiner Bürger und Bürgerinnen", "Rettung und Evakuierung", "Partnerschaft und Kooperation" sowie "Hilfeleistungen". Unter dem Begriff "Schutz des Landes und seiner Bürger und Bürgerinnen" werden die bisher übliche Landesverteidigung samt der Fähigkeit zu ihrer "Rekonstitution", der Schutz vor terroristischer und asymmetrischer Bedrohung sowie die Überwachung des See- und Luftraumes verstanden. Eine Befähigung zur "Rekonstitution", also zur Wiedererrichtung der herkömmlichen Verteidigung innerhalb eines überschaubaren längeren Zeitrahmens, erscheint den Planern erforderlich, weil man jene "ausschließlich für die herkömmliche Landesverteidigung gegen einen konventionellen Angreifer dienende Fähigkeiten und Kapazitäten angesichts des neuen internationalen Umfelds nicht mehr benötigt" und deshalb auflöst: umfangreiche Materialdepots, nicht aktive Truppenteile, personalintensive Verfahren in Truppe und Verwaltung sowie zu treffende Mobilmachungsvorbereitungen.

Genügt dieser "Mut zur Lücke"? Für die Bundeswehrführung war dieser Schritt nach dem Motto "Mut zur Lücke" ganz wichtig. Es war klar, dass Auftrag, Aufgaben und Mittel endlich in Übereinstimmung zu bringen waren, wollte man den endgültigen Substanzverlust auch nur halbwegs vermeiden. An Substanz hat diese an finanzieller Auszehrung leidende Armee beträchtlich verloren: das Gerät veraltete, neue Investitionen waren kaum noch zu tätigen und das Personal resignierte zunehmend angesichts des politischen Unvermögens, die an Überforderung leidenden Streitkräfte zu sanieren. Deshalb entschloss man sich, zumindest die Befähigungen für die international geforderten Beteiligungen anzupassen: bei Konfliktverhütung und Krisenbewältigung. Ob die massiv vorzunehmenden Veränderungen die benötigten Investitionsmittel bringen werden, wird man sehen. Von Experten wird dies bezweifelt: Der Modernisierungsrückstand gegenüber den USA beträgt inzwischen 15 Milliarden Euro. Die "Lücke" allerdings erscheint nicht ungefährlich. Denn erst an dritter Stelle der Prioritätenliste steht der "Schutz des Landes und seiner Bürger" und diese Aufgabe ist nicht strukturbestimmend für die Bundeswehr. Man will zwar ein "Dispositiv" dafür bereithalten, ob aber diese nachrangige Aufgabe dem Heimatschutz genügen kann? So sehr man dann Truppen in jeden Erdteil dieser Welt entsenden können wird, so sehr scheint man den Schutz vor Terroraktionen im eigenen Land trotz verbaler Betonung - auch strukturell - zu vernachlässigen. Die Optik der "Nachrangigkeit" ihres Schutzes dürfte die Bundesbürger wenig beruhigen. Nicht zufällig hat der Ministerpräsident eines Bundeslandes eine "Nationalgarde" nach dem Vorbild der USA gefordert, die "im Rahmen der Terrorabwehr eingesetzt werden" soll, "vor allem zum Schutz von Flughäfen oder Bahnhöfen". Denn genau für diese Aufgabe des militärischen Schutzes im Inneren scheint der Mut zur Lücke den Gefahren nicht gerecht zu werden. Und dieses Dilemma könnte sich noch verstärken, sollte trotz der beschwörenden Forderungen nach Beibehaltung der Wehrpflicht diese dem politischen Populismus geopfert werden.

Brigadier i.R. Prof. Dr. Horst Mäder

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