Bundesheer Bundesheer Hoheitszeichen

Bundesheer auf Twitter

Der Kampf um Nassiriyah am 23. März 2003

Der verlustreichste Tag des Irak-Krieges

Die Opferzahlen der Soldaten im Irak-Krieg wurden gegenüber der Öffentlichkeit stets heruntergespielt. Liest man heute in der offiziellen Opferliste der Gefallenen des US-Verteidigungsministeriums nach, so waren am 23. März bereits 60 alliierte Soldaten tot und sechs in irakische Gefangenschaft geraten. Von diesen 60 Soldaten starben am 23. März alleine 29 US-Soldaten im Kampf um Nassiriyah.

Das taktische Vorgehen

Am 20. März 2003, um exakt 1738 Uhr (MEZ), wurde von den ersten Verbänden der Koalitionsstreitkräfte die irakisch - kuwaitische Grenze überschritten bzw. der Raum der "Demilitarized Zone (DMZ)" überwunden und mit dem Vormarsch in Richtung Bagdad begonnen. Der Vorstoß erfolgte in drei Stoßkeilen: Die 3rd US Infantry Division stieß mit der 3rd Squadron 7th Cavalry Squadron als Spitze von der westlichen irakisch - kuwaitischen Grenze in Richtung Najaf vor, während rechts von ihr eine Divisionskampfgruppe der 1st Marine Expeditionary Force (1st US Marine Division sowie weitere US Marine Corps- [USMC] Einheiten) in Richtung Nassiriyah vordrang. Als dritter Stoßkeil überschritten britische Verbände der 1st UK Armored Division mit der 7th UK Mechanized Brigade als Spitze die irakische Grenze Richtung Basra. Unterstützt wurden diese vorstoßenden Keile der alliierten Kampfverbände (hinter den amerikanischen Verbänden) einerseits von der 101st Airborne Division, welche mit ihren in hohem Maß lufttransport- bzw. luftlandefähigen Kräften eingesetzt war und Teile der Division in der Nacht vom 21. auf den 22. März im Westirak absetzte. Andererseits unterstützten britische Royal Marines in Zusammenarbeit mit USMC-Kräften, welche zum britischen Vorstoß nach Basra auf der Halbinsel Al Fao anlandeten.

Betrachtet man ein Satellitenbild des Irak, zeigen die Geographie und die Vegetation des Irak rasch den Zweck dieser drei Vorstöße:

Der Vorstoß in Richtung Najaf erfolgte ausschließlich durch die Wüste entlang des südlichen Euphrat-Ufers und ließ einen widerstandslosen Vormarsch in Richtung Bagdad zumindest bis in die Gegend südlich von Karbala erhoffen. Auf Höhe Najafs sollte von den angreifenden Verbänden des V. US Corps das Zwischenziel "Rams" genommen werden, um von dort nach Bereitstellung die Voraussetzungen für den entscheidenden Stoß über Karbala in Richtung Bagdad zu schaffen. Der Stoß des USMC in Richtung Nassiriyah hatte den Zweck, rasch die ersten wichtigen Brücken über den Euphrat zu nehmen und so weiter in Richtung Norden, sprich in die Stadt Kut und unter Nutzung der dortigen Brücke über den Tigris vormarschieren zu können. So umfasste man einerseits alle irakischen Verbände im Raum Amarah und Basra und konnte von Südosten entlang des Tigris weiter in Richtung Bagdad vorstoßen. Während dieser Operationen wurden die irakischen Truppen im Südirak, welche sich hauptsächlich um die irakische Stadt Basra konzentriert hatten, von den britischen Truppen in einem dritten Stoß zusätzlich umfasst und somit gebunden.

Im Westirak begnügte man sich mit der Anlandung von Luftlandetruppen und Special Forces Einheiten, welche einerseits mögliche Gefahren für Israel (z. B. mobile Raketenabschussrampen) ausschalten sollten bzw. ein Absetzen von Teilen irakischer Kräfte Richtung Syrien zu verhindern suchten. Der Norden schien fest in kurdischer Hand zu sein. Die kurdischen Kämpfer sollten gemeinsam mit den Special Forces den Weg für einen möglichen Einsatz von US-Bodentruppen aus der Türkei (geplant durch Teile der 4th US Infantry Division) über das Kurdengebiet Richtung Süden nach Tikrit und Bagdad vorbereiten.

Die Strategie der Koalition schien wohl überlegt zu sein, und auch die überwältigende Luftmacht der Koalition traf vorerst weder bei Bodenangriffen noch bei ihren Einsätzen über den irakischen Städten auf einen nennenswerten Widerstand. In den ersten drei Tagen (20. bis 22. März) überschlugen sich die Meldungen über den raschen Vormarsch in Richtung Bagdad und die "kampflosen Raumgewinne". Die kuwaitischirakische Grenze wurde reibungslos überschritten. Der kaum vorhandene irakische Widerstand, der sich tatsächlich nur auf einige wenige besetzte Grenzstellungen beschränkt hatte, war ohne Schwierigkeiten gebrochen worden.

Die Opferliste hinkt nach

Die Verluste der Koalition beschränkten sich bis zum 21. März noch ausnahmslos auf zwölf bei einem Hubschrauberabsturz getötete US-Soldaten sowie zwei im Gefecht getötete US Marines. Am 21. März deckte sich die vom amerikanischen Verteidigungsministerium (Department of Defense - DoD) bzw. in weiterer Folge von den Medien (z. B. CNN) offiziell bekannt gegebene Verlustzahl von vierzehn Toten noch mit der tatsächlich an diesem Tag eruierten Zahl an toten Soldaten. Doch bereits am nächsten Tag begann die offizielle Verlustzahl "nachzuhinken".

Nach dem Absturz zweier britischer Helikopter, bei dem sieben Soldaten getötet wurden, meldete man am 22. März bereits 21 Soldaten als tot, tatsächlich waren es jedoch bereits 23. Der Unfalltod zweier weiterer Soldaten schien bereits nicht mehr auf und wurde erst mehrere Tage später nachgemeldet. Noch handelte es sich bei der Masse der Toten um Unfallopfer und nur bei den beiden bereits genannten US Marines um Soldaten "Killed in Action". Die Lücke zwischen den offiziell bekannt gegebenen und den tatsächlich erlittenen Verlusten sollte jedoch in Folge immer größer werden.

Wie viele Soldaten tatsächlich an dem jeweiligen Tag zumindest im Nachhinein offiziell als Verluste bekannt gegeben wurden, ließ sich erst Tage, Wochen oder Monate später feststellen, als die "Casualty list (Opferliste)" des "Department of Defence - DoD" immer länger wurde. Erst nach und nach wurden die Namen der Soldaten veröffentlicht. So entstand während der gesamten Zeit der Kampfhandlungen der Eindruck, dass es zwar Verluste gab, diese aber äußerst gering und daher dementsprechend vertretbar waren. Eklatant kam dies im Kampf um Nassiriyah zum Ausdruck.

Der Kampf um Nassiriyah

Am Boden schien der Plan der US-Strategen zunächst aufgegangen zu sein. Samawah wurde am 22. März von den Teilen der 3rd US Infantry Division planmäßig rechts liegen gelassen und der Vormarsch Richtung "Rams" vorangetrieben. Gleichzeitig wurde in Samawah von Einheiten der 101st Airborne Division erstmals eine wichtige Brücke über den Euphrat eingenommen und gesichert. Mit dem frontalen Stoß der 1st US-Marine Division auf die Stadt Nassiriyah änderte sich die Situation jedoch schlagartig. Bereits beim Vorbeimarsch der 3rd US Infantry Division bei Nassiriyah waren die vor den Spitzen der angreifenden Verbände fliegenden OH-58 "Kiowa Warrior" (Aufklärungshubschrauber der 3rd US Infantry Division) von den Irakern beschossen worden. Drei OH-58 waren so am 21. März durch Fliegerabwehrfeuer bei Nassiriyah beschädigt worden, was die Amerikaner zu einem Angriff mit mehreren Kampfhubschraubern und einem Beschuss der in Nassiriyah vermuteten irakischen Kräfte veranlasste.

Am 23. März geriet eine Instandsetzungseinheit der US Army in Nassiriyah in einen Hinterhalt, und noch am selben Tag trafen auch die vorrückenden US Marines in Nassiriyah auf einen ersten äußerst verbissenen Widerstand. Es gelang ihnen nicht, die in der Stadt gelegenen Brücken über den Euphrat und den Saddam-Kanal in ihre Hand zu bekommen. Die Soldaten lieferten sich schwere Gefechte mit den am nördlichen Ufer des Saddam-Kanals verschanzten irakischen Soldaten und versuchten vergeblich, die Brücken zu erobern. Der Kampf um Nassiriyah forderte im Zuge des gesamten Konfliktes die höchste Verlustzahl amerikanischer Soldaten an einem einzigen Tag, nämlich 27 Tote und sechs Gefangene. Diese außerordentlich hohe und in dieser Form nie in den Medien genannte Zahl bedarf einer näheren Betrachtung.

Schwere Verluste in Nassiriyah?

Am 23. März meldete CENTCOM (Central Command) bei der morgendlichen Pressekonferenz die Einnahme der Brücken über den Fluss Euphrat sowie über den Saddam-Kanal in der Stadt Nassiriyah, doch im Laufe der nächsten Stunden überschlugen sich die Ereignisse. Bereits am Nachmittag verkündete der irakische Informationsminister Mohammed Saeed al Sahhaf, dass es den irakischen Truppen gelungen sei, US-Truppen in Nassiriyah zurückzuschlagen sowie mehrere amerikanische Soldaten gefangen zu nehmen. CENTCOM dementierte dies vorerst, doch noch am selben Tag sendete Al-Jazeera ein Video, welches fünf gefangene sowie vier bis sechs getötete US-Soldaten (offensichtlich in einem Raum befindlich) und einen weiteren US-Soldaten auf einer Straße, neben seinem Fahrzeug liegend, zeigte. In weiteren Aufnahmen erkannte man ein zerstörtes gepanzertes Fahrzeug, welches sich bei näherer Betrachtung eindeutig als AAVP-7 (Assault Amphibian Vehicle Personnel - 25 Mann Transportkapazität; siehe Titelbild und Bild rechts) des USMC identifizieren ließ. Ein US-Armeesprecher erklärte schließlich am späten Nachmittag, man vermisse ca. zwölf US-Soldaten im Raum Nassiriyah. Zählt man die von Al-Jazeera gezeigten Gefangenen und Getöteten zusammen, kommt man auf eine Zahl von zehn bis zwölf Soldaten, also genau auf jene Zahl, welche der Armeesprecher genannt hatte. Tatsächlich war die Situation in Nassiriyah aber dramatischer, als offiziell bekannt gegeben wurde.

Versorgungslinien

Nassiriyah war das erste wichtige Zwischenziel des Stoßkeils der Verbände der 1st US-Marine Division. Während der Stoß der 3rd US Infantry Division noch südlich der Stadt, entlang der beiden Highways 1 und 8 in der Wüste vorbeigeführt hatte, sollten am 23. März Verbände des USMC die Stadt und ihre Brücken einnehmen. Südlich von Nassiriyah waren von den vorstoßenden Verbänden der 3rd US Infantry Division bereits zwei erste wichtige Versorgungslinien entlang der Highways 1 und 8 von Kuwait Richtung Samawah und weiter Richtung Najaf eingerichtet worden. Mehrere tausend Fahrzeuge mit Nachschub- und Versorgungsgütern sowie Kampffahrzeuge folgten auf den Versorgungslinien "Jackson" (Highway 1) und "Blue" (Highway 8) den bereits auf Najaf vorgestoßenen Verbänden der 3rd US Infantry Division. Da man eine Gefährdung der Versorgungskolonnen durch irakische Kräfte vermeiden wollte, wurde der Marschweg für die Versorgungseinheiten wie folgt festgelegt: Von Kuwait kommend entlang "Blue", dann südlich von Nassiriyah ein Wechsel auf "Jackson" und im Westen der Stadt erneut der Wechsel von "Jackson" auf "Blue" in Richtung Samawah. Dieser "Sprung" von einer Main Supply Route (MSR - Hauptversorgungsstraße) auf die andere war als notwendig erachtet worden, da "Blue" gefährlich nahe an der offensichtlich noch vom Feind besetzten Stadt Nassiriyah lag. Bis zur Einnahme und Sicherung von Nassiriyah sollten die Nachschubkonvois dementsprechend umgeleitet werden. Um die Einhaltung der Marschroute zu gewährleisten, wurden an den beiden Schnittpunkten von "Blue" mit "Jackson" Traffic Control Points (TCP - Verkehrskontrollpunkte) eingesetzt.

Nassiriyah selbst musste nun, da sich der Vormarsch der 3rd Infantry Division wie geplant erfolgreich darstellte, von Einheiten des USMC eingenommen werden. In Nassiriyah hatte zumindest eine der beiden, mitten in der Stadt gelegenen Brücken über den Euphrat und eine der beiden nördlich der Stadt gelegenen Brücken über den Saddam-Kanal, besetzt zu werden. Nur so könnte den US-Verbänden der geplante Vorstoß der Verbände des USMC über Ash Shatrah in Richtung Kut ermöglicht werden. Doch vorerst kam alles anders.

Marsch durch die Wüste

Bereits am 20. März setzte sich um 1400 Uhr (MEZ) ein Marschpaket, bestehend aus 34 Fahrzeugen und 64 Soldaten der 507th Army Maintenance Company von Kuwait (Camp Virgina) aus in Bewegung. Bei dieser Einheit handelte es sich um eine Instandsetzungseinheit der US Army, welche der 52nd Air Defense Artillery Brigade unterstellt und für die Wartung und Instandsetzung von "Patriot"-Fliegerabwehrlenkwaffen zuständig war. Zum besagten Zeitpunkt sollte die Einheit jedoch die kämpfenden Teile der 3rd US Infantry Division mit Transportraum unterstützen. Dazu war die Einheit dem 3rd Forward Support Battalion (3rd FSB) der 3rd US Infantry Division unterstellt. Nach dem Überschreiten der irakischkuwaitischen Grenze durch die Versorgungseinheiten der 3rd US Infantry Division am 21. März um 1100 Uhr sollte nun rasch den angreifenden Verbänden gefolgt werden. Dabei musste man möglichst schnell sein; Der Marschweg hatte, wie bei den mechanisierten Verbänden, auf dem kürzesten Weg vom Bereitstellungsraum (für die Versorgungseinheiten "Dawson" genannt) in Kuwait durch die Wüste in Richtung der nach Westen verlaufenden MSR (Marschroute) "Blue" zu führen. Zur zeitlichen Koordination der einzelnen Marschkolonnen waren dabei in der Wüste die Zwischenziele "Bull" und "Lizard" festgelegt worden. Vom letzten Zwischenziel "Lizard" sollten die Nachschubkonvois schließlich auf die MSR "Blue", den entsprechend leicht zu befahrbaren Highway 8, wechseln und diesem entlang des befohlenen Marschweges folgen.

Doch der Marsch durch die Wüste war für die Nachschubfahrzeuge mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, die aufgrund von Ausfällen und notwendigen Bergungen zu Verzögerungen führten. Captain Troy King, der Kommandant der 507th Army Maintenance Company, bat nach Erreichen des Zwischenziels "Lizard" beim Kommando des 3rd FSB um einen Marschhalt, um mehrere festgefahrene Fahrzeuge bergen zu können. Dies wurde ihm jedoch verweigert und auf Einhaltung des Zeitplans ("Lizard" sollte bereits um 1400 Uhr planmäßig wieder in Richtung "Blue" verlassen werden) gedrängt. Captain King entschloss sich daraufhin, den Fahrzeugkonvoi der 507th Army Maintenance Company in zwei Marschpakete zu teilen. 1st Lieutenant Jeff Shearin, der Executive Officer der 507th Army Maintenance Company, wurde um 1400 Uhr mit 17 Fahrzeugen und 32 Soldaten weiter in Richtung "Blue" geschickt, während Captain King mit den restlichen Fahrzeugen und Soldaten vor Ort verblieb. Bei den Bergungen wurde die 507th Army Maintenance Company von einem Bergefahrzeug des 3rd FSB, besetzt mit zwei Soldaten, welches sich nach der Bergung den restlichen Fahrzeugen der 507th Army Maintenance Company anschließen sollte, unterstützt. Schließlich gelang es, alle Fahrzeuge zu bergen. Um 1930 Uhr erfolgte der Abmarsch, und am 23. März um ca. 0100 Uhr, also 38 Stunden nach Überschreiten der irakischkuwaitischen Grenze, erreichten sie endlich MSR "Blue". Der Konvoi umfasste nun insgesamt 33 Soldaten und 18 Fahrzeuge (davon zwei aufgrund von Schäden im Schlepp).

"Blue" oder "Jackson"?

Südlich von Nassiriyah traf dieses zweite Marschpaket der 507th Army Maintenance Company in den frühen Morgenstunden des 23. März auf dem TCP am Schnittpunkt von "Blue" und "Jackson" ein. Captain King hatte vor dem Abmarsch aus Kuwait vom Operations Officer des 3rd FSB eine CD-Rom mit den entsprechenden Befehlen und Karten für den Vormarsch erhalten. Beim nun durchgeführten Vormarsch verwendete er eine Karte mit dem Maßstab 1:100 000, auf der jedoch nur MSR "Blue" eingezeichnet war, woraus er schloss, dass diese auch seinem befohlenen Marschweg entspräche. Seit dem Erreichen von "Blue" war es ihm nicht mehr gelungen, eine Funkverbindung zum 3rd FSB herzustellen. Am TCP wurde ihm von den anwesenden Soldaten zwar bestätigt, dass die allgemeine Marschrichtung Nordwesten war, jedoch erfolgte kein Hinweis auf den erforderlichen Routenwechsel auf "Jackson". Der Weitermarsch auf "Blue" schien für Captain King durchaus seine Richtigkeit zu haben, da auch das verwendete GPS-Gerät (im Marschpaket waren sechs Geräte vom Typ "Garmin eTrex Vista" vorhanden) in Richtung des nächsten, westlich von Nassiriyah an der Kreuzung von "Blue" und "Jackson" gelegenen "Waypoint" wies.

Bei der Weiterfahrt Richtung Nordwesten wurden um ca. 0530 Uhr die ersten erleuchteten Häuser von Nassiriyah ausgemacht. Captain King hielt diese jedoch für ein Industriegelände oder eine Ölraffinerie und nicht für die Außenbezirke der Stadt Nassiriyah. Nach Absprache mit Master Sergeant Robert Dowdy, dem ranghöchsten Unteroffizier im Marschpaket, wurde entschieden, weiter Richtung Norden zu fahren.

Unmittelbar vor Nassiriyah

Ab der Kreuzung von Highway 8 wurde auf der aus Nassiriyah kommenden Hauptraße, nicht wie vorgesehen weiter Richtung Westen entlang von "Blue", marschiert. Das Marschpaket verließ den Highway 8 und befand sich nun endgültig auf dem Weg nach Nassiriyah. Die Stadt wurde vorerst ohne Gegenwehr durchquert, und es wurde sogar ein Checkpoint (CP) der irakischen Armee ohne Vorfälle passiert. Zirka drei Kilometer nördlich der Stadt wurde realisiert, dass man falsch abgebogen war. Auch das GPS-Gerät wies nun in Richtung Südwesten. Nachdem offensichtlich keine Straße Richtung Südwesten führte, beschloss Captain King umzukehren, um wieder auf "Blue" südlich von Nassiriyah gelangen zu können. Den Soldaten wurde erstmals befohlen, die Waffen zu laden und zu sichern.

Nach der Kehrtwendung der Fahrzeuge sowie einem kurzen Tankstopp (Kanisterbetankung eines Fahrzeuges) bewegte sich der Konvoi um ca. 0700 Uhr erneut in Richtung Nassiriyah. Das Herumirren des Konvois war mittlerweile auch von den Irakern entdeckt worden, welche nun erstmals die Fahrzeuge des Konvois mit leichten Infanteriewaffen beschossen. Der im hinteren Drittel des Konvois fahrende Sergeant Dowdy funkte daraufhin Captain King an der Spitze der Fahrzeugkolonne an, informierte ihn über den Beschuss und schlug vor, entsprechend der von der US Army bei Hinterhalten empfohlenen "Emergency Procedures" die Marschgeschwindigkeit zu erhöhen. Durch diese Maßnahme war es jedoch nicht mehr möglich, eine entsprechende Marschordung einzuhalten, da die schweren Lastkraftwagen (LKW) bereits beim ersten Umkehren zurückgefallen waren und den schnelleren Kleinfahrzeugen nun kaum folgen konnten.

In dem entstehenden Chaos des erstmaligen Beschusses durch irakisches Flachfeuer und der schnelleren Fahrt wurde von Captain King die bereits vorher befahrene Abzweigung Richtung Nassiriyah übersehen, und der Konvoi bewegte sich statt nach Süden weiter Richtung Osten. Nachdem Captain King von Sergeant Dowdy auf den Orientierungsfehler aufmerksam gemacht worden war, erfolgte eine erneute Kehrtwendung des Konvois. Als die Besatzungen verzweifelt versuchten, die schweren Fahrzeuge auf und neben der schmalen Straße zu wenden, wurden sie abermals mit Infanteriewaffen beschossen. Dies führte dazu, dass in Folge ein LKW ausfiel und in der aufkommenden Hektik ein weiterer LKW (das Bergefahrzeug des 3rd FSB) sich mit einem dritten Fahrzeug im Schlepp im Wüstensand festfuhr. Bei dem Versuch der Besatzungen der liegen gebliebenen Fahrzeuge, sich an Bord der noch fahrtüchtigen Fahrzeuge zu retten, wurde erstmals ein US-Soldat des Konvois durch Infanteriewaffenbeschuss getötet. Sergeant Dowdy meldete Captain King, dass es ihm gelungen sei, zwei Soldaten des 3rd FSB aufzunehmen, und dass sie versuchen sollten, schnellstens dem Flachfeuer zu entkommen. Captain King befahl daraufhin, so rasch wie möglich in Richtung "Blue" durchzubrechen. Während sich Captain King aufgrund der hohen Geschwindigkeit seines HMMWVs (High Mobility Multipurpose Wheeled Vehicle) zunehmend von der Masse seines Konvois entfernte, versuchte Sergeant Dowdy am Ende des Konvois die zurückbleibenden schweren LKWs zusammenzuhalten. So fuhren die verbliebenen 15 Fahrzeuge, nach der erneuten Kehrtwendung, zersplittert in drei verschieden große Gruppen, zum zweiten Mal in Nassiriyah ein.

Rückzug

Inzwischen waren auf den Straßen von den Irakern mittels Autos provisorische Sperren errichtet worden. Was nun folgte, war die endgültige Zerschlagung des Konvois. Verzweifelt versuchte man, das Feuer zu erwidern und von den schwer zu manövrierenden und bald darauf liegen bleibenden LKWs in die Kleinfahrzeuge umzusteigen, um so zwischen den Straßensperren und Wracks aus der Stadt ausbrechen zu können. Dazu kam, dass die M-16-Sturmgewehre der Soldaten zum Teil versagten, da der Sand Hemmungen verursachte.

Der ersten Gruppe unter dem Kommando von Captain King, bestehend aus drei Fahrzeugen und sechs Soldaten, gelang es, aus der Stadt auszubrechen. Südlich von Nassiriyah trafen sie auf die heranrückenden Einheiten der 2nd Marine Expeditionary Brigade (2nd MEB), die eigentlich den Auftrag hatten, die Brücken in der Stadt einzunehmen. Nachdem Captain King den US Marines die Situation geschildert hatte, sandten diese eine Einheit der 507th Army Maintenance Company in Richtung Nassiriyah. Inzwischen war es einer zweiten Gruppe, bestehend aus fünf Fahrzeugen und zehn Soldaten, gelungen, die Stadt zu durchqueren. Mehrere Fahrzeuge waren ausgefallen, die Soldaten mussten absitzen und den Feuerkampf abgesessen führen, bis sie schließlich von den US Marines gerettet wurden. Auch diese Soldaten klagten über Hemmungen an ihren Waffen. Bis zu ihrer Aufnahme durch die US Marines waren bereits neun der zehn Soldaten verwundet worden.

Der letzten Gruppe, bestehend aus sieben Fahrzeugen und 16 Soldaten, gelang es nicht mehr, aus der Stadt auszubrechen. Innerhalb kurzer Zeit wurden sechs Soldaten bei den Feuergefechten - auch durch RPG- (Panzerabwehrrohr-) Beschuss getötet. Beim Versuch, zwischen den Wracks durchzubrechen, wurde der HMMWV, besetzt mit Sergeant Dowdy, den beiden Frauen Private First Class Lori Piestewa und Private First Class Jessica Lynch sowie zwei weiteren Soldaten des 3rd FSB von einer RPG-Granate getroffen, der Wagen rammte ein Fahrzeug und überschlug sich. Während die drei männlichen Soldaten sofort tot waren, überlebten die beiden Frauen und wurden von den Irakern aus dem Fahrzeug geborgen und in ein Spital gebracht. Dort verstarb Private First Class Piestewa, während Private First Class Lynch mit mehreren Knochenbrüchen überlebte. Die verbliebenen fünf Soldaten der dritten Gruppe unter dem Kommando von Sergeant James Riley ergaben sich schließlich den Irakern.

Von den 33 Soldaten der 507th Army Maintenance Company, welche in Nassiriyah in einen Hinterhalt geraten waren, hatten 16 (darunter neun Verwundete) die Angriffe überlebt, während elf tote Soldaten und sechs Gefangene in der Stadt zurückgeblieben waren.

Der Kampf um die Brücken

Nachdem die Einheiten der 2nd MEB die verbliebenen Soldaten der 507th Army Maintenance Company aufgenommen hatten, gingen sie daran, ihren eigentlichen Auftrag durchzuführen, nämlich die Brücken in der Stadt einzunehmen. Die rund 11 000 Soldaten der 2nd MEB waren 30 Kilometer südostwärts von Nassiriyah in der Wüste in Bereitschaft gehalten worden und sollten nun, am 23. März, den Angriff auf die Stadt Nassiriyah führen.

Das 1st Battalion 2nd Marine Regiment der 2nd MEB, bestehend aus drei Kompanien, bekam dazu den Befehl, eine Brücke über den Euphrat sowie eine weitere über den Saddam-Kanal unverzüglich einzunehmen und zu sichern. Hiezu setzte der Bataillonskommandant eine Kompanie auf die Brücke über den Euphrat und zwei auf die Brücke über den Saddam-Kanal an.

Um ca. 0500 Uhr hatten die US Marines ihren Bereitstellungsraum fünf Kilometer südwestlich der Stadt erreicht und warteten auf den Angriffsbefehl. Vorerst wurde dieser jedoch nicht gegeben, da die Feuergefechte in der Stadt für einige Verwirrung sorgten, bis man nach der Aufnahme der zersplitterten Reste der 507th Army Maintenance Company erkannte, wem die Feuergefechte gegolten hatten. Nachdem die Situation geklärt worden war, begann um ca. 0900 Uhr der Vorstoß.

Den US Marines war erklärt worden, die in Nassiriyah stationierten Soldaten der irakischen 11. Infanterie Division wären nur mangelhaft ausgerüstet und nicht sehr motiviert, und trotz der Berichte der zuvor aufgenommenen Soldaten der 507th Army Maintenance Company schien sich dies auch zu bestätigen. So trafen die drei vorrückenden Kompanien des 1st Battalions vorerst auf keine Gegenwehr, sondern wurden von den Irakern mit weißen Fahnen empfangen. Der als Spitze fahrenden Alpha-Kompanie unter dem Kommando von Captain Mike Brooks gelang es, ohne Probleme die erste Brücke über den Euphrat zu nehmen und zu sichern. Die Bravo-Kompanie stieß gemeinsam mit dem Bataillonskommando darüber hinweg und marschierte weiter Richtung Brücke über den Saddam-Kanal vor. Beim Vormarsch trafen sie auf die noch brennenden Fahrzeuge der 507th Army Maintenance Company, welche nur Stunden zuvor zerstört worden waren. Zirka zwei Kilometer vor der Brücke bog die Bravo-Kompanie von der Straße Richtung Angelände ab, um dort weiter in Richtung der Brücke vorzumarschieren und vorgestaffelt den entsprechenden Feuerschutz für die auf die Brücke angesetzte Charlie-Kompanie einzusetzen. Doch die AAVP-7 der Bravo-Kompanie blieben plötzlich im schlammigen Boden stecken und fuhren sich fest. Bei der Zielaufklärung stützten sich die US Marines auf Satellitenbilder und Aussagen eines Exil-Irakers, der vor 15 Jahren in Nassiriyah gelebt haben soll. Er gab an, das Gelände südwestlich des Saddam-Kanals sei fest genug, um mit schweren Fahrzeugen passieren zu können.

In der Zwischenzeit überschritten auch die Soldaten der Charlie-Kompanie unter dem Kommando von Captain Dan Wittnam die von der Alpha-Kompanie gesicherte Euphratbrücke. Doch augenblicklich eröffneten die Iraker das Feuer auf die US Marines. Unter dem Feuerschutz der Alpha-Kompanie gelang es trotzdem, die Brücke zu überwinden und weiter in Richtung Norden vorzumarschieren. Es gelang jedoch nicht, eine entsprechende Funkverbindung zur Bravo-Kompanie bzw. zum Bataillonskommando herzustellen. Währenddessen geriet die vorrückende Charlie-Kompanie mehr und mehr unter Beschuss, erreichte aber trotzdem die Brücke über den Saddam-Kanal. Kurz vor dem Überqueren der Brücke wurde ein AAVP-7 des Spitzenzuges unter dem Kommando von 2nd Lieutenant Mike Seely von einer RPG-Granate in Brand geschossen, und fünf US Marines wurden verletzt. Brennend rollte das Fahrzeug über die Brücke und blieb schließlich 500 Meter nördlich davon stehen. Die beiden restlichen Züge überquerten nun ebenfalls die Brücke und fuhren links und rechts des Spitzenzugs mit dem nach wie vor brennenden Fahrzeug in Stellung. Die Besatzung des abgeschossenen AAVP-7 suchte mit ihren Verwundeten Schutz bei den anderen Fahrzeugen. Gerade noch rechtzeitig, denn das Abwehrfeuer der Iraker wurde aufgrund des Einsatzes schwerer Granatwerfer immer heftiger. Eine Granate traf das kurz zuvor verlassene brennende AAVP-7, welches nun explodierte. Durch den Einsatz von RPG und Granatwerfern schalteten die Iraker in Folge drei weitere AAVP-7 der Kompanie aus, wobei Soldaten getötet sowie schwer verletzt wurden; sie mussten vom Rest der Besatzungen im Kugelhagel auf die anderen Fahrzeuge umgeladen werden. Zusätzlich erschwert wurde der Feuerkampf der US Marines durch den Umstand, dass den Soldaten vor dem Angriff befohlen worden war, unterhalb ihrer Uniform ihre ABC-Schutzanzüge anzulegen. Dies schränkte die Soldaten in ihrer Bewegungsfähigkeit erheblich ein.

Die US Marines versuchten verzweifelt, der Situation Herr zu werden. Captain Wittnam forderte "Close Air Support (CAS)" an, was schließlich dazu führte, dass zwei A-10 vermutete Feindstellungen beschossen. Dabei wurde jedoch auch ein AAVP-7 von den 30-mm-Geschossen einer A-10 getroffen, das Fahrzeug zerstört und zumindest ein Soldat sofort getötet sowie mehrere verwundet.

Als die Zahl der Verwundeten und Toten nach einer Stunde Kampf anstieg, befahl Captain Wittnam, die Verwundeten auf zwei AAVP-7 zu laden und mit diesen unter dem Schutz von zwei weiteren AAVP-7 in Richtung Euphratbrücke durchzubrechen. Beim Rückmarsch entlang der Straße in Richtung Euphratbrücke wurden die vier in Reihe fahrenden Fahrzeuge jedoch abermals von den Irakern beschossen. Das als drittes fahrende AAVP-7 wurde von einer Panzerabwehrrakete getroffen und explodierte. Nur dem Bordschützen und dem Fahrer gelang es, dem brennenden Fahrzeug zu entkommen. Das dahinter fahrende vierte AAVP-7 wurde ebenfalls von einer RPG-Granate getroffen, die Lenkung fiel aus. Das Fahrzeug rammte einen Telefonmast und fuhr sich schließlich fest. Den 16 Soldaten an Bord gelang es, sich trotz Beschusses und weiterer Ausfälle, gemeinsam mit den beiden Überlebenden des zuvor abgeschossenen Fahrzeugs in ein Haus zu retten, wo sie sich verschanzten. Den beiden vorderen Fahrzeugen war es inzwischen geglückt, bis zur Alpha-Kompanie durchzubrechen, wo die Verwundeten ausgeladen wurden und Entsatz für die Eingeschlossenen beantragt werden konnte. Nach weiteren drei Stunden vermochte schließlich ein Zug der Alpha-Kompanie die eingeschlossenen US Marines der beiden zerstörten AAVP-7 im Zuge eines weiteren Vorstoßes herauszuholen. Auch die Charlie-Kompanie konnte endlich nach zwei Stunden mit dem Bataillonskommando Verbindung aufnehmen. Dieses entsandte die zuvor festgefahrene Bravo-Kompanie zu einem Gegenangriff, bei dem es schließlich gelang, den verbliebenen Teilen der Charlie-Kompanie das Übersetzen der Brücke zu ermöglichen und das südliche Ufer des Saddam-Kanals zu sichern.

Verluste

Im Zuge dieser Kampfhandlungen in Nassiriyah verlor die 1st US Marine Division am 23. März innerhalb von drei Stunden 18 Soldaten sowie sieben AAVP-7, wobei alleine 16 US Marines vom 1st Battalion des 2nd Marine Regiment der 2nd MEB stammten. Weitere 14 Soldaten erlitten schwerste Verletzungen und mussten mittels MEDEVAC- (Medical Evacuation-) Helikoptern ausgeflogen werden. Offiziell spricht das Kommando des Marine Corps nach wie vor von 15 toten Soldaten, während jedoch Zeugen von 18 Gefallenen berichten und auch das US-Verteidigungsministerium die Namen von 18 am 23. März in Nassiriyah getöteten US Marines offiziell bekannt gegeben hat.

Weiteres Vorgehen

In Anbetracht der Situation in Nassiriyah waren die US Marines schließlich noch am 23. März gezwungen, westlich der Stadt eine Behelfsbrücke über den Euphrat zu schlagen, diesen zu überschreiten und die Stadt zu umgehen, um weiter in Richtung Kut vormarschieren zu können. Gleichzeitig wurden jedoch starke Kräfte in und um Nassiriyah belassen, um den dortigen Widerstand zu brechen bzw. die Iraker zu binden. Am 24. März wurde erneut versucht, mit massiver Luftunterstützung die Brücken über den Euphrat und den Saddam-Kanal einzunehmen, doch erneut scheiterten die US Marines. Nördlich der Stadt starben zwei Soldaten einer Pioniereinheit, als ihr Fahrzeug in den Saddam-Kanal stürzte. Erst am 31. März gab das CENTCOM offiziell bekannt, dass die Stadt Nassiriyah endgültig eingenommen sei.

"Update der Opferlisten"

Vergleicht man nun die vom 23. März von Al-Jazeera gesendeten Bilder aus Nassiriyah mit den heute vorliegenden Informationen, lassen sich eindeutige Übereinstimmungen erkennen. Das von Al-Jazeera gezeigte zerstörte AAVP-7 wies klar auf die Kämpfe zwischen den Irakern und den Einheiten des USMC hin. Die in einem Raum gezeigten toten US-Soldaten verfügten über Splitterschutzwesten und Ausrüstungsgegenstände, wie sie vornehmlich vom USMC bzw. zumindest von der US Army verwendet werden. Das Bild des auf der Straße am Boden liegenden Soldaten zeugt vom Gefecht mit der 507th Army Maintenance Company. So war neben ihm ein amerikanischer Armeelastwagen mit einem Bergekran zu erkennen, wie er im Konvoi der 507th Army Maintenance Company verwendet worden war. Die gefangenen fünf US-Soldaten wurden schließlich nach einigen Tagen von CENTCOM selbst als Angehörige der genannten 507th Army Maintenance Company identifiziert. Vorerst ging man auf US-Seite jedoch nur von fünf Gefangenen (nämlich die im Fernsehen gezeigten) der 507th Army Maintenance Company aus. Erst als die US-Truppen bereits vor Bagdad standen erfuhren sie über einen irakischen Mittelsmann, dass eine weitere Gefangene, nämlich die von den Irakern in einem Krankenhaus versorgte Private First Class Lynch, am Leben sei. In einer spektakulären, mittlerweile jedoch von mehreren Medien nachweislich als gestellte Militäraktion enttarnten "Sonderoperation" wurde diese schließlich in der Nacht vom 1. auf den 2. April "befreit".

Weitere zwei US-Soldaten starben am 23. März durch Unfälle, und zwei Offiziere der 101st Airborne Division wurden bei einem Handgranatenanschlag von einem eigenen Soldaten getötet. Erstmals wurde auch ein Flugzeug durch "Friendly fire" abgeschossen: zwei britische Piloten kamen beim Abschuss ihres Tornado GR-4 Kampfflugzeuges durch eine amerikanische "Patriot"-Fliegerabwehrrakete ums Leben. Auch die britische Armee verlor an diesem Tag ihre ersten beiden Soldaten im Kampfeinsatz bei einem Gefecht bei Basra. Die britische Armee dementierte vorerst diesen Verlust und meldete nur, dass zwei Mann vermisst seien. Am 26. März wurden vom Sender Al Jazeera Bilder ausgestrahlt, die zwei offensichtlich getötete Personen in britischen Uniformen zeigten. Das britische Militär bestätigte schließlich nach einigen Dementis den Tod der Soldaten, merkte jedoch an, dass man davon ausgehe, dass die beiden Soldaten, ähnlich wie vorerst vom CENTCOM bei den US-Soldaten der 507th Army Maintenance Company in Nassiriyah vermutet, entwaffnet und dann gezielt hingerichtet wurden. Tatsächlich zeigten die Bilder zwei tote Männer in britischen Tarnuniformen, die offensichtlich ohne Kampfgeschirr am Boden lagen. Da es sich bei den beiden um Angehörige eines EOD- (Explosive Ordnance Disposal-) Teams des 33rd Royal Engineer Regiments handelte, wie sich im Nachhinein aus der Opferliste herauslesen ließ, dürften die beiden tatsächlich in einen Hinterhalt geraten und getötet worden sein. Für eine "Hinrichtung", wie von US- und britischen Medien kolportiert, gibt es jedoch weder im Fall der beiden Briten noch bei den Soldaten der 507th Army Maintenance Company bis heute Bestätigungen. Im Fall der 507th Army Maintenance Company wurde dieser Verdacht mittlerweile sogar durch die offiziell vorliegenden Autopsieberichte, welche an die Angehörigen der getöteten Soldaten übermittelt wurden, entkräftet.

Insgesamt wurden am 23. März, dem vierten Tag der Kampfhandlungen am Boden, 37 alliierte Soldaten getötet und sechs gefangen genommen, was einen Verlust von 43 Personen ergibt. Von den 37 getöteten Soldaten (33 Amerikaner und vier Briten) starben 31 im Gefecht und sechs bei Unfällen bzw. Anschlägen. Dies ist heute bekannt, doch wie erfolgte die Darstellung der erlittenen Verluste unmittelbar am 23. März bzw. in den folgenden Tagen in den Medien?

Die offiziell am 23. März bekannt gegebenen Verluste betrugen vier getötete Soldaten (zwei US-Soldaten der 101st Airborne Division und zwei britische "Tornado"-Piloten) und vierzehn vermisste Soldaten (zwölf amerikanische und zwei britische Soldaten). Insgesamt also 18, womit der Verbleib der restlichen 25 Soldaten zu diesem Zeitpunkt nirgends aufschien. Zwar berichteten US-Reporter noch am Abend des 23. März von weiteren zehn toten US Marines bei Nassiriyah, dies wurde jedoch vorerst vom CENTCOM nicht bestätigt. Lieutenant General John Abizaid gab bei einem Briefing zu, dass es in Nassiriyah bei der Zerstörung eines gepanzerten Transportfahrzeuges einige Verluste gab, doch gehe er von weniger als zehn US Marines aus, welche zusätzlich zu den zwölf vermissten US-Soldaten getötet worden waren.

Selbst wenn man dem entgegenhält, dass die getöteten Soldaten aufgrund der Gefechte und eines etwaigen kurzfristigen Rückzugs der US-Truppen nicht geborgen werden konnten bzw. sich sechs US-Soldaten in Gefangenschaft befanden, so hätte sich der Verlust von weiteren 25 Soldaten, zumindest in der Anzahl der vermissten Soldaten, widerspiegeln müssen. Dies war jedoch erst Tage später (und dann auch nur annähernd) der Fall, als die Anzahl der Vermissten bis auf 21 (mit Stichtag 29. März) stieg. Erst am 27. April, also einen Monat später, wurde der letzte in Nassiriyah vermisste US-Soldat offiziell für tot erklärt und von der Vermisstenliste genommen. Ingesamt jedoch wurde die Gesamtverlustzahl vom 20. bis zu diesem 23. März mit 25 toten sowie 14 vermissten amerikanischen und britischen Soldaten angegeben. Am nächsten Tag, dem 24. März, wurden bereits 39 Tote, 14 Vermisste und fünf Gefangene in der offiziellen "Casualty list" des DoD geführt. Die in Nassiriyah erlittenen Verluste waren nun erstmals annähernd erkennbar. Liest man jedoch heute in der offiziellen "Casualty list" des US-Verteidigungsministeriums nach, so waren am 23. März bereits 60 alliierte Soldaten tot sowie sechs in irakischer Gefangenschaft. Und von diesen 60 Soldaten starben alleine 29 US-Soldaten am 23. März im Kampf. Welche Reaktionen hätten diese Tatsachen in der Öffentlichkeit ausgelöst, wären sie zum damaligen Zeitpunkt bereits bekannt gewesen?

Autor: Leutnant Mag. (FH) Markus Reisner, Jahrgang 1978. 1997 Einjährig-Freiwilligen-Ausbildung in Amstetten; Absolvierung des Vorbereitungssemesters 1998 in Allentsteig; 1998/99 Praxissemester beim Jägerbataillon 18 in St. Michael. 2002 Ausmusterung an der Theresianischen Militärakademie, Jahrgang Sachsen-Coburg, Waffengattung mechanisierte Aufklärung; versetzt zum Aufklärungsbataillon 2 in Salzburg; derzeit als stellvertretender Kompaniekommandant und Zugskommandant der gepanzerten Aufklärungskompanie.

Eigentümer und Herausgeber: Bundesministerium für Landesverteidigung | Roßauer Lände 1, 1090 Wien
Impressum | Kontakt | Datenschutz | Barrierefreiheit

Hinweisgeberstelle