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Führung im Gefecht auf Ebene Gruppe (II)

Die Auswirkungen des Gefechtsablaufes am modernen Gefechtsfeld auf das Führungsverfahren der unteren Ebenen haben großen Einfluss auf die Ausbildung. Ein so genanntes Führungsdreieck verkürzt das Führungsverfahren und hilft, die Fragenflut am Ende von Befehlsausgaben zu reduzieren.

Wie im ersten Teil bereits angesprochen, entspricht die Aufgabenstellung bei der Ausbildung häufig nicht der Realität. Als Beispiel wurde der Angriff aus der Bewegung im Rahmen des gesicherten Marsches herangezogen. Die Anwendung einzelner Verfahren wird nur isoliert betrachtet und der aufgrund des Ablaufes von Gefechtshandlungen notwendige Wechsel eben dieser Verfahren wird zu wenig berücksichtigt. Die Anwendung von Verfahren darf jedoch nicht Selbstzweck werden, sondern muss Mittel zum Zweck sein.

Realistische Aufgabenstellung im Gefecht

Der Sinn eines Angriffes aus der Bewegung im Gruppenrahmen gegen einen bis zwei Schützen in Stellung (als unterlegener Feind angesprochen), ist ernsthaft zu hinterfragen. Selbst wenn dadurch angeblich die Führungsfähigkeit eines angehenden Kommandanten überprüft werden könnte, ist die geschilderte Gefechtsaufgabe unrealistisch. Es ist daher zu prüfen, ob die Führungsfähigkeit von angehenden Gruppenkommandanten nicht eher durch realitätsbezogene Gefechtshandlungen beurteilt werden kann, wie z. B. durch das Beziehen einer Riegelstellung aus der Bewegung unter Feindeinwirkung.

Ebenso lässt sich die Zweckmäßigkeit eines oft kilometerlangen Fußmarsches in einen Verfügungsraum mit subversiver Bedrohung, wobei die Fahrzeuge anschließend nachgezogen werden, hinterfragen. Der Marsch als Selbstzweck? Am modernen Gefechtsfeld hat er keinen Platz mehr, das bewegliche Gefecht wird nicht durch Ortsveränderungen mittels langen Fußmärschen gewonnen.

Fußmarsch als Mittel zum Zweck (als Verfahren zur Sicherstellung des Gefechtes Marsch) hat hingegen sehr wohl seine Berechtigung und muss unter Anwendung von Gefechtstechnik geübt werden. Als Beispiele gelten der Angriffsverlauf vor dem eigentlichen Angriffsziel oder das rasche Verlegen auf kürzeste Distanz beim Beziehen von Riegelstellungen (auch nach dem Absitzen nach einem motorisierten Marsch). Dabei sollen, durch realistischere Gefechtsaufgaben, das Hineindenken in den Gefechtsablauf gefördert und ein Mitdenken in der Sache erst möglich gemacht werden.

Das "Ausbilden" vor dem "Befehlen"

In Anwendung des Führungsver­fahrens sind die Möglichkeiten von Feind (Konfliktparteien) und Eigenen im Bezug auf das Gelände und unter Berücksichtigung von z. B. Umwelteinflüssen zu beurteilen. Dabei wird beim Verfahren Marsch der Marschweg hinsichtlich gefährlicher Geländeteile, wie Lichtungen, Gebäudegrup­pen, Ortschaften etc. beurteilt und geeignete Maßnahmen gedanklich bereitgelegt. Das vorliegende Problem bzw. dessen Maßnahmen, werden im Anlassfall befohlen (und nicht schon vor Marschantritt) bzw. mit Hilfe von Gefechtstechnik gelöst.

Somit können in der Ausbildung, gemeinsam mit den zukünftigen Kommandanten, geeignete Maßnahmen zur Problemlösung entlang des Marschweges erarbeitet werden. Diese Maßnahmen werden in Verhaltensmuster umgesetzt, die anschließend in der praktischen Ausbildung in Form von Normsituationen und -stationen einzuüben sind. Diese Gefechtstechnik wird somit beherrscht; sie braucht daher im Rahmen der Befehlsgebung vor Marsch­antritt nicht mehr befohlen werden. Sie wird im Bedarfsfall auf Befehl oder nach Eintreten einer bestimmten Situation (Reiz) angewendet.

Das Verhalten der einzelnen Soldaten innerhalb der Gruppe und jenes der Gruppe innerhalb des Zuges ist in Normübungen so zu verankern, dass sie die Verhaltensweisen als Gefechtstechnik anwenden. Dies ist ein Weg zur Verkürzung der Befehlsgebung auf das unbedingt notwendige Ausmaß - Ge­fechtslyrik wird dadurch vermieden.

Das Verhalten bei Gefahrenstellen ist im Vorfeld des Einsatzes auszubilden. Es ist keineswegs Kommandantenverantwortung, wenn erst bei der Befehlsausgabe das Verhalten bei Gefahrenstellen, Sperren, am Marschziel etc. befohlen wird. Es entstünde der Eindruck, dass diese Verhaltensweisen vorher noch nie ausgebildet worden sind und dass die Gruppe/das Team nicht eingespielt wäre. Ein nicht eingespieltes Team in den Einsatz zu schicken ist unverantwortlich!

Kritiker meinen, diese Art von Be­fehlsgebung diene im Rahmen der Ausbildung einer Überprüfung, ob der Aspirant die Punkte des Befehlsschemas zum jeweils möglichen Anlassfall berücksichtigt habe. Und ob er in der Lage sei, sich zu den einzelnen Unterpunkten zu artikulieren. Widerspricht diese Methode aber nicht dem Grundsatz "Vorausdenken, aber nicht Vorausbefehlen!"?

Es muss gelingen, Lückenbüßer aus der Befehlssprache zu entfernen; Beispiel:

Mir kommt es besonders darauf an, dass

  • die Gefechtsstreifen lückenlos überwacht werden (No-Na-Aussage und außerdem eine Frage der Ausdehnung des Gefechtsstreifens und des Personals; Verhältnis: Auftrag zu Personal und Material),
  • die Stellungen geräuschlos bezogen werden (Wie sonst?),
  • in der Nacht Lichtdisziplin herrscht (Nein wirklich?) und
  • die Soldaten immer ordentlich adjustiert sind (Aber wie?).

Besonderheiten verschiedener Einsätze sind in der Ausbildung zu berücksichtigen. Die Gefechtstechniken zum Thema Marsch sind in einem PSO (Peace Support Operation - Friedensunterstützende Operation)-Einsatz anders als beim Gefechtsmarsch im Rahmen eines Gegenangriffes im Inland. Die Soldaten müssen die ROE (Rules of Engagement - Richtlinien für Gewaltanwendung) für den jeweiligen Einsatz im Rahmen der Ausbildung anhand von Beispielen einüben. Um eine Über- oder auch Unterreaktion zu verhindern, ist eine gediegene Einsatzvorbereitung notwendig. So schließt sich der Kreis wieder zur realistischen Aufgabenstellung. Es macht eben einen Unterschied, ob man auf einen Schießkrieg oder auf einen friedenssichern­den Einsatz vorbereitet wird, es muss also auf- oder abtrainiert werden.

Methoden und Hilfsmittel bei der Ausbildung

Hilfreich bei der Befehlsschulung ist die Verwendung von Diktaphonen (je Teilnehmer eines) als Ersatz für Funkgeräte. Der Übende kann den gesprochenen Befehl im Rahmen der Nachbereitung auf mögliche Kürzungen durcharbeiten. Er kann Selbstverständlichkeiten im Text entfernen, umformulieren und straffen und so einen für seine jeweilige Ebene entsprechenden Befehl erstellen. Ungereimtheiten bzw. Unklarheiten, die zum Zeitpunkt der Befehlsausgabe oft gar nicht auffallen, können so ebenfalls nachgebessert, Auftragserteilungen an unmittelbare Teile nochmals überdacht und ausgefeilt werden. Weitere Vorteile für den Lehrer sind das Abhören verschiedener Lösungen vor Ort, ohne dass nach einigen Lösungsvarianten Teilnehmer die richtige Lösung bereits nachplappern. Der Teilnehmer selbst kann die schriftliche Nachbearbeitung (z. B. im Zuge einer Geländeschulung) nach Rückkehr in die Unterkunft durchführen.

Die vermehrte Anwendung von Vorbe­fehlen und das Anordnen von Sofortmaßnahmen in allen Phasen des Gefechtsablaufes sind wichtig, da diese den Inhalt von Gefechtsbefehlen weiter verkürzen und den Ablauf bzw. die Umsetzung beschleunigen. Die goldene Mitte der Anwendung von Einzelbefehlen und Gesamtbefehlen, je nach zur Verfügung stehender Zeit und Zusammensetzung des Teilnehmerkreises, ist anzustreben. Als günstig hat sich auch die Unterteilung in mehrere Befehle nach taktischen bzw. gefechtstechnischen Notwendigkeiten herausgestellt. Oft können (und sollen) nicht alle Details, z. B. Einzelheiten der Versorgung, im ersten Einsatzbefehl angeordnet werden. Vieles ist auch aus Zeitgründen (Zeitdruck!) zu einem späteren Zeitpunkt anzusprechen, bzw. dann zu regeln, wenn es notwendig wird. Die Durchführung der Siegesparade muss nicht bereits im Einsatzbefehl Nr. 01 geregelt sein.

Kopf frei

Wenn es gelingt, durch Weglassen aller unnötigen Details (wiederholtes Befehlen von Verhaltensweisen) Befehle zu erteilen, die inhaltlich im richtigen Verhältnis zum Zeitfaktor stehen, wird der Kopf des Befehlsempfängers freigehalten für das Wesentliche. Der eigentliche Kernauftrag muss wieder im Vordergrund stehen. Das taktische Ziel, im Auftrag vorgegeben, ist die Richtlinie für das Wesentliche der Durchführung. Die Idee des Gefechtes, die dahintersteckt, gilt es zu vermitteln, um im Sinne des Vorgesetzten handeln zu können. Zu klären ist, was der Kommandant von mir will und wie die Vorgehensweise zur Zielerreichung sein wird. Der Befehlende kann sich auf die Phasenbildung mit Auftragserteilung beschränken; was im jeweiligen Zeitabschnitt die Schwergewichtsaufgabe ist, gilt als roter Faden. Es sind keine Selbstverständlichkeiten oder Verhaltensweisen als Mittel zum Zweck zu befehlen. Um die Kernaufgabe zu erkennen, die in weiterer Folge anzuordnen ist, muss im Führungsverfahren zwei Ebenen unter der eigenen die Durchführbarkeit als Grundlage der Befehlserteilung beurteilt werden.

Das Führungsdreieck

Das neue Führungssystem und ein international angepasstes Befehlsschema verlangen, in der Absicht von zwei übergeordneten Führungsebenen zu handeln, zwei Ebenen darunter zu beurteilen, eine Ebene unter der eigenen zu führen und direkt zu befehligen.

Das Verhältnis in dieser Dreiecksbeziehung ist wie folgt zu sehen:

Es sollen nur solche Aufträge erteilt werden, die untergeordnete Führungsebenen mit deren Ressourcen in personeller und materieller Hinsicht erfüllen können. Stellt man als vorgesetzter Kommandant fest, dass dies nicht möglich ist, so muss beurteilt werden, ob dies durch Änderung der Ressourcen möglich sein könnte. Eine Verstärkung mit Personal (Ausfluss auf die Trup­peneinteilung) oder die Verstärkung mit Gerät sind Folgerungen. So könnte eventuell der Einsatz von zusätzlichem technischen Überwachungsgerät bei einem Überwachungsauftrag ein Manko an Personal ausgleichen. Sind weder Verstärkungen mit Personal noch mit Material möglich, ist der Auftrag abzuändern, z. B. durch das Verkleinern des zu überwachenden Raumes. Diese Möglichkeiten werden oft wegen mangelhafter Beurteilung übersehen oder geflissentlich übergangen. Eine Ausnahme zu obiger Regel bietet das Modell "Kalkuliertes Risiko", das anhand der nachfolgenden Skizze näher erläutert werden soll. Hiezu bedarf es jedoch des Gedankensprunges auf Kompanie- bzw. Ba­taillonsebene (siehe Skizze rechts).

Befehlsarmee contra "Ausbildung-für-den-Einsatz-Armee"?

Es ist Mode geworden, zu viel zu befehlen, aber zu wenig konkret für das Gefechtsfeld auszubilden. Bis zur Ebene Einheit ist aber, aufgrund der Anforderungen des modernen Ge­fechtsfeldes, vermehrt nur mit Hilfe von Gefechtstechniken zu führen! Dieser Umstand ist anscheinend fast in Vergessenheit geraten. Zunächst kann dem durch realistischere Aufgaben in der Ausbildung gegengesteuert werden. Dann, vor allem auf Trupp-, Gruppen- und Zugs-Ebene sind Ge­fechtstechniken drillmäßig zu üben. So schafft man die Voraussetzung für eine angepasste Befehlsgebung, und die Ursache vieler Fragen am Ende wird beseitigt. Klare Befehle regeln den Dienstbetrieb, diese müssen jedoch kurz und prägnant sein.


Autor: Major Bernhard Schulyok, Jahrgang 1967. Nach der Ausmusterung an der There­sianischen Militärakademie 1992 Verwendungen als Zugskommandant und Ausbildungsoffizier beim Landwehrstammregiment 21 in Wien. Lehrgruppenoffizier an der Militärakademie 1993/94; 1995 bis Ende 1999 Kompaniekommandant der 1. Jägerkompanie des Jägerregiments Wien. Seit Jänner 2000 an der Heeresunteroffiziersakademie, derzeit Kommandant des Lehrstabes und Hauptlehroffizier für Unteroffiziersweiter- und -fortbildung.

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