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Schurkenstaat Irak? (II)

Wo sind die Massenvernichtungswaffen des Irak? "Die Uhr läuft ab" wurde im Jänner 2003 von der US-amerikanischen Regierung verlautbart. Gemeint war, dass man mit dem "Katzund-Maus-Spiel" der irakischen Regierung, hinsichtlich deren Offenlegung der Programme zur Produktion von Massenvernichtungswaffen, Schluss machen wollte. Nach dem Waffengang der Alliierten stellen viele die Frage: Wird die Suche nach den irakischen Massenvernichtungswaffen überhaupt Erfolg haben?

Iraks Biologiewaffenprogramm

Biologische Waffen (B-Waffen, Krankheitserreger und Toxine - biologische Gifte) wurden durch die Genfer Konvention 1925 und den Bio-Toxin-Waffenvertrag (BTWK) 1972 verboten. Der BTWK sollte künftig so verbessert werden, dass eine Kontrolle (Verifikation und Inspektion) möglich wird, wogegen sich jedoch die USA gewehrt haben. Ein Kontrollregime im Sinn einer Überwachungsbehörde gibt es nicht.

Früheste Dokumente über ein Biologiewaffenprogramm im Irak stammen aus dem Jahr 1985. Die Leiterin dieses Programms war Dr. Rihab Rashid Taha, eine Mikrobiologin der Universität Bagdad, die im Westen den Spitznamen "Dr. Death" erhielt.

Der Irak gab vorerst nicht zu, ein B-Waffenprogramm zu unterhalten. Erst als der Schwiegersohn Saddam Husseins, General Hussein Kamel Hassan, im Jahr 1995 nach Jordanien floh und der UNSCOM (United Nations Special Commission on Iraq) eine Hühnerfarm nannte, in der das geheime Dokumentationsmaterial über das irakische B-Waffenprogramm lagern sollte, konnte davon ausgegangen werden, dass der Irak über biologische Waffen verfüge.

So fand UNSCOM heraus, dass der Irak folgende biologische Kampfstoffe besaß: Botulinustoxin (Agent "A", 19 000 l konzentriertes Toxin, davon 10 000 l in Munition abgefüllt), Anthrax (Milzbrand, Agent "B", 8 500 l, davon 6 500 l in Munition abgefüllt), Aflatoxin (Agent "C", 2 200 l konzentriertes Toxin, davon 1 580 l in Munition gefüllt), Weizenbrand ("Wheat Smut", Agent "D", in bedenklichen Mengen), Toxin von Clostridium perfringens (Agent "G", 340 l konzentriert) sowie Quantitäten des Toxins Rizin, von Mycotoxinen und Viren (humanes Rotavirus, Kamelpocken, Gelbfieber u. a.). Die Forschung über bzw. die Produktion von Pockenviren, die dem Irak gelegentlich vorgeworfen wurde, konnte nicht nachvollzogen werden. Der Irak hätte hierfür den Krankheitserreger seit dem letzten Ausbruch in den 70er-Jahren isolieren und lagern müssen. Das Forschungsprogramm über biologische Kampfstoffe stützte sich größtenteils auf so genannte Oldie Moldies, also altbekannte, nicht weiterentwickelte Krankheitserreger.

1988 wurde die B-Waffenanlage Al-Hakam zur Produktion von biologischen Kampfstoffen in Industriemengen fertig gestellt und unter dem Namen "Projekt 324" betrieben. Die Zerstörung von Al-Hakam und anderer Produktionsstätten (z. B. Daura und Salman Pak) samt 22 t Nährmedien durch die UNSCOM galt als großer Erfolg.

Als Einsatzmittel für die biologischen Kampfstoffe wurden die Gefechtsköpfe der taktischen Boden-Boden-Rakete Al-Hussein, Fliegerbomben R-400, 122-mm-BM-21-Mehrfachraketenwerfer, und vier Sprühtanks vorgesehen und erprobt. Der Irak verfügte jedoch nicht über effiziente Verteilungssysteme. Bei der Detonation der R-400-Bomben oder der Al-Hussein-Sprengköpfe verteilte sich der verbleibende Kampfstoff im Normalfall im Bereich einiger Meter um den Detonationspunkt, weil durch die Detonationsenergie der größte Teil des biologischen Materials zerstört worden war. Auch das aus der Landwirtschaft modifizierte Zubaidy-Sprühsystem (Versprühen von chemischen und/oder biologischen Kampfstoffen per Hubschrauber) war für den Einsatz biologischer Kampfstoffe kaum zu gebrauchen.

UNSCOM und UNMOVIC (United Nations Monitoring, Verification and Inspection Commission) überprüften auch zahlreiche Hinweise auf unterirdische und getarnte B-Waffenlabors - keiner davon konnte bestätigt werden. Der Verdacht auf angebliche mobile B-Labors in Renault-Lastkraftwagen und der daraus resultierende Bericht, der auch vom US-Außenminister am 5.Februar 2003 als Beweis vorgelegt wurde, hat nach dessen Veröffentlichung viel Aufsehen erregt. Die Quelle hierfür wurde - aus gutem Grund - verschwiegen: Ein anonymer Überläufer gab diese Informationen in einem Exklusivinterview dem amerikanischen Boulevard-Blatt "Vanity Fair" weiter.

Alle Analysen bis zum Abbruch der UNSCOM-Inspektionen im Jahr 1998 stimmen dahingehend überein, dass das B-Waffenprogramm des Irak hinsichtlich biologischer Kampfstoffe und Waffentechnik sehr rudimentär war. Unklarheiten bestanden lediglich bei der Materialbalance der importierten Nährmedien, der Menge an Restbeständen von Agent "B" und bei den mit B-Kampfstoff gefüllten R-400-Bomben, die der Irak für einseitig abgerüstet und vernichtet erklärt hatte. UNMOVIC konnte diesbezügliche offene Fragen zum Teil einer Klärung zuführen.

Falls überhaupt noch ein biologisches Waffenprogramm vorhanden war, dürfte es hinsichtlich biologischer Kampfstoffe und Einsatzmittel für eine moderne Armee keine besondere militärische Bedrohung dargestellt haben.

Iraks Chemiewaffenprogramm

Chemische Waffen (C-Waffen, Chemikalien - chemische Kampfstoffe) wurden durch die Genfer Konvention 1925 und den Chemiewaffenvertrag (CWK) 1993 verboten. Chemiewaffen besitzende Länder haben ihre Bestände vernichtet oder arbeiten zur Zeit daran. Ein Kontrollregime ist die OPCW (Organisation for Prohibition of Chemical Weapons).

Bagdad initiierte sein Chemiewaffenprogramm in den 70er-Jahren. Die Produktionskapazitäten wurden vorwiegend aus dem Westen (USA, Frankreich, Deutschland, Großbritannien) importiert. Der Irak hatte das größte und am weitesten fortgeschrittene Chemiewaffenprogramm im Nahen Osten. Bis 1990 baute das irakische Regime Anlagen zur Produktion chemischer Kampfstoffe. Im Zentrum des Programms stand das Muthanna State Establishment, eine Produktionsstätte für chemische Kampfstoffe und Abfüllanlage für B- und C-Munition. Der Irak hatte effektive, wenngleich sehr einfache chemische Kampfmittel in Fliegerbomben (LD-250, BR 250, AALD-500, BR 500, Type 250), Bomben (R-400, DB 0, DB 2), 122-mm-Raketen, 155-mm-Artilleriegranaten, Mörsergeschossen und Al-Hussein-Raketengefechtsköpfen abgefüllt. Nach irakischer Angabe wurden etwa 200 000 Stück chemischer Spezialmunition hergestellt, und davon etwa 100 000 im Irak-Iran-Krieg eingesetzt.

Die Anwendung chemischer Munition im Irak-Iran-Krieg (1980 bis 1988) und im Kampf gegen die kurdische Zivilbevölkerung (1988) bestätigten Bagdad den Wert chemischer Waffen. Deren Besitz und Gebrauch wurden von der Regierung als legitim und essentiell zum Erhalt des Regimes angesehen.

Der Irak besaß folgende chemische Kampfstoffe:

Senfgas (Lost, Yperit, HD) wurde nach eigenen Angaben mit einer guten Qualität und einer Reinheit von mehr als 80 Prozent produziert. Die Produktionsanlagen reichten für etwa 900 t jährlich. Der Irak deklarierte den Besitz von 2 850 t Senfgas. Tabun (GA) wurde in geringer Qualität mit einer Reinheit von etwa 60 Prozent in einer Quantität von 210 t hergestellt. 790 t Sarin und Cyclosarin (GB, GF) standen in einer Reinheit von etwa 60 Prozent zur Verfügung.

Fraglich waren der Produktionsumfang und Entwicklungsstand des Nervenkampfstoffes VX. Der Irak deklarierte, 3,9 t VX zwischen 1988 und 1990 produziert zu haben, fügte aber hinzu, dieses samt einigen Vorstoffen (Precursors) in der Wüste ausgeschüttet und damit vernichtet zu haben. Die Bestätigung dieser Angabe blieb bis zum Ende der UN-Inspektionen fraglich.

Von Juli 1992 bis Juni 1994 vernichteten UNSCOM-Inspektoren der Chemical Destruction Group etwa 40 000 Stück befüllte und unbefüllte Spezialmunition, ca. 600 t chemische Kampfstoffe sowie 3 000 t Precursorchemikalien und zerstörten 600 Stück Schlüsselausrüstung zur Produktion chemischer Waffen. Darüber hinaus konnte UNSCOM bestätigen, dass 48 000 Stück Munition, etwa 1 000 t Precursorchemikalien und 80 Ausrüstungsstücke zur Produktion chemischer Kampfstoffe während des Golf-Krieges (bzw. in Befolgung der UN-Resolution 687) einseitig durch den Irak zerstört wurden.

Das irakische Chemiewaffenprogramm war damit im Kern zerstört worden, es blieben aber einige Lücken: Der Verbleib von etwa 600 mit Senfgas gefüllten Artilleriegeschossen, 6 000 Bomben und etlichen Stück Spezialmunition ist ungewiss. Außerdem gab es Unklarheiten in der Abgleichung der angegebenen Mengen an Precursorchemikalien und hergestellten Kampfstoffen. Auch hinsichtlich der Produktion des Kampfstoffes VX gab es eklatante Informationslücken und teilweise auch bewusste Fehlinformationen seitens des Irak.

Nach Beendigung der Inspektionen 1998 konnte davon ausgegangen werden, dass die wichtigsten Chemieanlagen im Irak zerstört waren. Aufgrund der ständigen Kontrollen und der Verfolgung importierter Chemikalien bzw. ihrer Verwendung war es unwahrscheinlich, dass der Irak erneut mit der Produktion chemischer Waffen beginnen würde.

Nach dem Abbruch der UNSCOM-Mission ist möglicherweise etliche Spezialmunition im Irak verblieben. Allfällig zurückbehaltene Nervenkampfstoffe sind mit hoher Wahrscheinlichkeit inzwischen zerfallen, einzig die Senfgasbestände könnten noch eine brauchbare Qualität aufweisen. Die Expertise im technischen und militärischen Bereich hingegen verblieb im Irak, so dass die Möglichkeit bestand, die Produktion von chemischen Kampfstoffen wieder aufzunehmen.

Inwieweit dieses Potenzial an chemischen Waffen eine Bedrohung darstellte, wurde von Fachleuten auf unterschiedlichste Weise interpretiert. Das Londoner International Institute for Strategic Studies kam 2002 zur Meinung, dass "... das derzeitige Chemiewaffenarsenal des Irak keine maßgebliche Bedrohung für gegnerische Kräfte darzustellen scheint …".

Weitreichende Einsatzmittel des Irak

Um Massenvernichtungswaffen einzusetzen, bedarf es weitreichender Waffensysteme als Trägermittel. Dem Irak war es unter den Sanktionen verboten, Raketen und Geschosse mit einer Reichweite von mehr als 150 km zu besitzen.

Für gegnerische Streitkräfte stellten die im Irak verfügbaren Trägersysteme keine signifikante Bedrohung dar, wohl aber für die Zivilbevölkerung, die sich gegen Massenvernichtungswaffen kaum oder nur mit einfachen Mitteln schützen kann (z. B. im nahen Israel).

Ursprünglich verfügte der Irak über Raketen sowjetischen Ursprungs vom Typ SCUD-B. Diese Rakete konnte einen etwa 1000-kg-Gefechtskopf 300 km weit transportieren und dabei das Ziel mit einer Genauigkeit von 300 m treffen. Laut UNSCOM besaß der Irak in den 80er-Jahren 819 Stück der SCUD-B; der Verbleib von 817 Stück konnte geklärt werden.

Irakische Techniker verbesserten dieses Trägersystem durch Halbierung des Gefechtskopfes derart, dass die Raketen eine Reichweite von 600 bis 650 km besaßen und damit auch gegen Israel gerichtet werden konnten. Die Abschussvorrichtungen wurden dabei in der SCUD-Box (Gebiet westlich der Stadt Ar Rutbah beiderseits der Autobahn Amman-Bagdad), also im westlichsten Teil des irakischen Staatsgebietes, nahe der jordanischen Grenze, aufgestellt. Diese "Al-Hussein"-Raketen trafen ihr Ziel mit einer Gefechtskopflast von 500 kg mit einer Abweichung von 1,6 bis 3,2 km. Da die genauen Produktionszahlen nie bekannt waren, wusste man auch nicht, wie viele Raketen zuletzt noch im Irak übrig waren, da etliche im Golf-Krieg I zum Einsatz gebracht wurden. Unterschiedliche Schätzungen gehen von etwa fünf bis 20 verbliebenen Raketen aus.

Der Irak hatte zwei weitere Raketenprojekte: die "Ababil"-100 und die "Al-Samoud"-Raketen basieren auf der russischen "Wega"-Rakete (SAM-2, Guideline). Beide Raketen tragen einen Gefechtskopf mit 200 bis 300 kg. Die Reichweite der "Ababil"-100 beträgt an die 140 km, die der "Al-Samoud" etwa 150 km. Diese 150-Kilometerplus waren im Februar 2002 ein strittiger Punkt im Rahmen der Berichte an den UN-Sicherheitsrat.

Der Irak verfügte auch über UAVs (Unmanned Aerial Vehicles - unbemannte Fluggeräte): die Aufklärungsdrohne "Al Yammah-A" und die Zieldrohne "Sarab-B" als Trägermittel für biologische und chemische Kampfstoffe. Auch Flugzeuge, wie z. B. das tschechische Schulflugzeug L-29 "Delfin", wurden zu unbemannten Fluggeräten umgebaut und als Einsatzmittel für B- und C-Kampfstoffe mit Sprühtanks versehen.

UNSCOM lokalisierte und zerstörte 140 Raketen der verschiedenen SCUD-Varianten, 30 chemische Gefechtsköpfe, etwa 15 mobile und 60 ortsfeste Abschussvorrichtungen sowie mehrere relevante Fabrikanlagen.

Vielfach wurden die irakischen Raketen eher als Terror- oder Einschüchterungswaffen denn als signifikantes militärisches Einsatzmittel betrachtet.

Die Rolle der Inspektionen im Irak

Aufgrund der UN-Resolution 687 (UN-Security Council Resolution) wurde im Jahr 1991 die UNSCOM ins Leben gerufen. Ihre Aufgabe war es, alle biologischen und chemischen Waffen, Waffenbestandteile sowie Anlagen und Stoffe zu deren Herstellung zu zerstören, zu entfernen oder untauglich zu machen.

Gleichermaßen war der Auftrag der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zu sehen. Freilich hatten es die Inspektionsorganisationen nicht leicht. Während beispielsweise die Befürworter einer militärischen Lösung den Inspektionen jeglichen Erfolg absprachen und diese ständig hinterfragten, bevorzugten deren Gegner den diplomatischen Weg mittels kosten- und zeitintensiver Inspektionen. Auch seitens des Irak wurde enormer Druck auf die Inspektoren ausgeübt. Sie wurden in ihrer Arbeit behindert, mit Fehlinformationen oftmals in die Irre geleitet oder hatten gar physische Gewalt zu erleiden.

1991 bis 1998 führte UNSCOM mehr als 250, die IAEA etwa 500 Inspektionen durch. Zum Scheitern der Inspektionen trugen viele Faktoren bei, mitunter auch der teilweise berechtigte Vorwurf Bagdads, dass die Inspektoren Informationen an die Geheimdienste ihrer Herkunftsländer liefern würden.

Als UNSCOM zu arbeiten begann, glaubte man, dass die geplanten Vorhaben in etwa einem Jahr abgeschlossen sein würden. Der Irak hatte seine Massenvernichtungswaffen, relevante Produktions- und Forschungseinrichtungen in den Full, Final and Complete Disclosures zu erklären. Das Mandat von UNSCOM und später UNMOVIC bestand in der Verifikation dieser Angaben.

Die Frage nach der Leistungsfähigkeit internationaler Rüstungskontrollinspektionen hätte andernorts geklärt werden müssen, UNSCOM und UNMOVIC haben trotz Problemen, Einschränkungen und Hindernissen unbestritten wesentliche Erfolge erbracht: die Aufdeckung des irakischen Massenvernichtungswaffen-Programms, die Zerstörung relevanter Potenziale und Kapazitäten sowie die Verhinderung der Fortsetzung derartiger Rüstungsprojekte im Irak.

Nachdem UNSCOM 1998 den Irak verlassen musste, wurde UNMOVIC ins Leben gerufen, die, nach vier Jahren Abwesenheit, die Inspektionstätigkeit basierend auf den Erfahrungen von UNSCOM weiterführte. Eine lange Tätigkeit war ihr nicht beschert: Im März 2003 mussten die Inspektoren, wiederum unvollendeter Dinge, den Irak in Anbetracht des bevorstehenden Krieges verlassen.

Die Kriegsgewinner, die zu den schärfsten Kritikern der UNO-Inspektoren zählten, konnten jedoch bis heute auch keine handfesten Beweise erbringen. Dem Irak konnte kein Besitz von militärisch signifikanten Mengen an Massenvernichtungswaffen bis zum Redaktionsschluss der vorliegenden Ausgabe des TRUPPENDIENST nachgewiesen werden.

UNSCOM, UNMOVIC und die IAEA berichteten über Fortschritte und Probleme der Waffeninspektionen direkt an den Sicherheitsrat. Dieser Bericht war, wie alle Reports internationaler Rüstungskontrollen, ein technischsachlicher Bericht. Die politische Bewertung blieb dem UN-Sicherheitsrat überlassen.

Die irakischen Verantwortlichen schienen alles unternommen zu haben, um einen drohenden Krieg zu vermeiden. Dies zeigte sich vor allem auch darin, dass bis zum Februar 2003 keine massiven militärischen Verteidigungsanstrengungen im Irak zu erkennen waren. Die Inspektionen liefen bis zuletzt in funktionierender Zusammenarbeit mit den irakischen Behörden ab. Einige offene Fragen aus den UNSCOM-Tagen konnten geklärt werden, manches blieb infolge von Druck und Zeitmangel unerledigt. Dennoch hätte die Frage nach den irakischen Massenvernichtungswaffen mit etwas mehr Zeit durch die UN-Inspektionen beantwortet werden können. Ob die Suche nach den verbliebenen irakischen Massenvernichtungswaffen eines Tages doch noch Erfolg haben wird bleibt jedenfalls offen.

__________________________________ _________________________________ Autor: Amtsdirektor Erwin Richter, Jahrgang 1962. 1981/82 Einjährig Freiwilliger beim Landwehrstammregiment 33 in Mautern. 1985 bis 1989 Ausbildung zum ABC-Abwehroffizier; Major des Milizstandes seit 1999. Seit 1991 an der ABC-Abwehrschule in Wien bzw. Korneuburg. 1996 bis 1997 Zusatzfachausbildung für ABC-Abwehroffiziere am Österreichischen Forschungszentrum Seibersdorf. Derzeit Referent für ABC-Bedrohung; Mobbeorderung als Kommandant Melde- und Auswertezentrale im Militärkommando Niederösterreich. Amtsdirektor Richter absolvierte eine Vielzahl internationaler Kurse, publizierte mehrere Facharbeiten im Bereich ABC-Abwehr und war 1994 und 2002/03 als Biologiewaffeninspektor (UNSCOM und UNMOVIC) im Irak.

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Biologische Kampfstoffe

Toxine sind organische Substanzen, die im Stoffwechsel von Lebewesen (z. B. Bakterien, Pflanzen, Pilze und Tiere) gebildet werden und eine schädliche oder tödliche Wirkung auf die Zellen anderer Organismen haben. Toxine werden von Bakterien im Wirtsorganismus ausgeschieden oder mit Nahrungsmitteln aufgenommen. Da sie sehr empfindlich gegenüber chemischen und physikalischen Einflüssen sind, lassen sie sich nur schwer isolieren.

Beispiele: Atropin (Gift der Tollkirsche), Rizin (Gift der Rizinusbohne).

Was ist Botulinustoxin?

Das "Botox" ist eine Substanz, die in ihrer Wirkung Muskelkontraktionen blockieren kann. Es wirkt daher ähnlich wie Nervenkampfstoffe störend auf das Nervensystem des Menschen und kann bei entsprechender Menge zum Tod führen. "Botox" wird auch in der plastischen Chirurgie als Mittel zur Muskelstraffung verwendet.

Was ist Anthrax?

Milzbrand ist eine Erkrankung, die durch Infektion mit bestimmten Bakterien (Bacillus anthracis) entsteht. Dabei kann die Milz braunschwarz ("brandig") verfärbt sein - daher der Name "Milzbrand". An der Haut können knotige, bläschenartige, später schwarze und schwarzkrustige Hautveränderungen (Nekrose, absterbendes Gewebe) entstehen (daher der Name "Anthrax" = griechisch für Kohle). Eine Infektion mit Milzbrandbakterien kann beim Menschen in drei verschiedenen Formen auftreten: Hautmilzbrand, Lungenmilzbrand und Magen-Darmmilzbrand. Lungenmilzbrand gilt als der "klassische biologische Kampfstoff" schlechthin.

Was ist Aflatoxin?

Es ist eine Zusammensetzung einer Toxin-Gruppe, die durch Schimmeln erzeugt wird. Diese Schimmel vermehren sich bei günstiger Wärme und Feuchtigkeit an manchen Lebens- und Schimmelmitteln und bilden daran Aflatoxin. Es sind 18 verschiedene Arten von Aflatoxinen definiert. Aflatoxin verursacht beim Menschen akute Nekrose, Zirrhose (Verhärtung von Gewebe) und Leberkrebs.

Brandkrankheiten

Weltweit gibt es fünf Brandpilzkrankheiten im Weizen. Der Weizenstinkbrand (Tilletia caries, bzw. Tilletia tritici, engl. common bunt) und der Weizenflugbrand (Ustilago tritici, engl. loose smut) kommen z. B. auch in der Schweiz vor. Der Stinkbrand entwickelt seine Verbreitungseinheiten in den Weizenkörnern, die dann anstelle des Mehlkörpers Millionen von schwarzen Brandpilzsporen enthalten. Bei der Ernte platzen die infektiösen Körner auf und die Pilzsporen verteilen sich im Saatgut auf die gesunden Körner. Bei der Keimung infizieren die Sporen den Keimling. Die Pilzhyphen wachsen dann in der Pflanze zwischen den Zellen den Halm herauf, zunächst ohne Schaden anzurichten oder Symptome zu zeigen. Erst wenn der Pilz die Blüten erreicht, beginnt er sein zerstörerisches Werk. Dann bildet er seine Sporen in den reifenden Körnern. Kühle, feuchte Witterung beschleunigt das Wachstum des Pilzes in der Pflanze.

(Aus: Sautter at al., 2000, Agrarforschung 7, 545-547.) Ist beispielsweise eine Ernte mit mehr als drei Prozent Weizenbrand infiziert, wird das Korn für den Menschen ungenießbar.

Clostridium perfringens ...

... Typ A ist eine der Hauptursachen menschlicher Lebensmittelvergiftungen und kann die Ursache von Gasbrand bei Wundinfektionen sein. Clostridium perfringens Typ C verursacht nekrotisierende Enteritiden (infektiöse Darmerkrankung).

Was ist Rizin?

Rizin ist ein Gift, das aus dem Abpressrückstand bei der Verarbeitung von Rizinusbohnen (Ricinus Communis; Wunderbaum) hergestellt werden kann. Es kann in Puderform, in der Luft vernebelt oder als Pillen-Kügelchen vorliegen oder in Wasser oder schwacher Säure gelöst sein. Es ist eine stabile Substanz. Rizin wird kaum durch extreme Bedingungen, wie große Hitze oder Kälte, beeinflusst.

Mycotoxine ...

... sind sekundäre Stoffwechselprodukte von Schimmelpilzen, die bei übermäßiger Vermehrung auf sehr nährstoffreichen Substraten gebildet werden, nicht jedoch im Erdboden. Sie sind für Tiere, zum Teil aber auch für Pflanzen und Mikroorganismen giftig, lösen in der Regel aber keine Antikörperbildung aus.

Was sind Rotaviren?

Rotaviren sind schnell ansteckende Erreger, die zu Erbrechen, Fieber und Durchfall führen können. Rotaviren kommen weltweit vor. Sie sind mit Abstand der häufigste Erreger für Darminfektionen bzw. lösen weltweit mehr als 70 Prozent der schweren Durchfallerkrankungen bei Kindern aus. In den westlichen Industrieländern erkranken am häufigsten Säuglinge und Kinder im Alter von sechs Monaten bis zu zwei Jahren.

Sarin

Sarin ist ein Phosphorsäureester und gehört damit zur großen Gruppe der Pflanzenschutzmittel (Nervenkampfstoffe). Der Stoff ist wasserklar und geruchlos. Sarin und seine Zerfallprodukte sind bei Temperaturen unter 49°C und Sonnenlicht stabil. In basischen Lösungen hydrolisiert Sarin schnell. Die Halbwertszeit beträgt bei einem pH-Wert von 11 und 25°C nur 30 Sekunden.

Kamelpocken (Camelpox)

Nur für Altwelt-Kamele pathogen (Asien, Ost-Afrika), normalerweise gutartig bei ausgewachsenen Kamelen, bei Jungtieren häufig tödlich, da durch die Erosionen im Maulbereich das Saugen eingestellt wird. Zyklische Erkrankung - tritt alle 2-3 Jahre auf, immer wenn wieder eine genügend große, sensible Population aufgebaut ist. Wirtschaftliche Bedeutung: verschlechterte Kondition, Gewichtsverlust, reduzierte Milchleistung (Erblindung, Abort). Da Milch der wichtigste Grund der Kamelhaltung ist und durch einen Abort bzw. Tod des Jungtieres bis zu zwei Jahren kein Nachwuchs und damit keine Milchproduktion vorhanden ist, stellen die Kamelpocken für Nomaden ein echtes Problem dar.

Gelbfieber

Das Gelbfieber ist eine akute, fieberhafte Virusinfektionserkrankung. Sie gehört zu den hämorrhagischen Infektionskrankheiten; die Erkrankung geht mit inneren und äußeren Blutungen einher. Sie war ursprünglich nur in Afrika zu finden bzw. nachzuweisen. Im Zuge der Kolonisation ist das Gelbfiebervirus mit Handels- und Sklavenschiffen nach Amerika transportiert worden und hat dort zu großen Epidemien geführt, die bekanntesten waren die Gelbfieberausbrüche beim Bau des Panama-Kanals (1881-1914). Walter Reed wies 1900 das Virus im Blut Infizierter nach und entdeckte die Gelbfiebermücke (Aedes aegypti) als Überträger. In den Jahren 1985 bis 1996 wurden weltweit 23 540 Fälle von Gelbfieberinfektionen registriert. Von diesen Erkrankten starben 6 420. Dabei muss allerdings von einer großen Zahl an nicht gemeldeten Fällen ausgegangen werden. Seit dem Jahre 1946 ist in Deutschland Anfang August 1999 der erste Fall einer Gelbfieberinfektion bekannt geworden. Es handelte sich um den Kameramann Olaf Ullmann, der sich im Rahmen einer Dienstreise zur Elfenbeinküste angesteckt hatte. Ullmann verstarb am 6. August 1999 unter großer öffentlicher Anteilnahme in der Charité in Berlin. Eine Gelbfieberepidemie wurde im Oktober des Jahres 2001 aus der Elfenbeinküste in Afrika gemeldet. 203 Menschen waren erkrankt, von denen bis zu diesem Zeitpunkt 21 verstorben waren. Eine größere Epidemie wurde durch eine Massenimpfung von 2,6 Millionen Menschen innerhalb weniger Tage verhindert.

Pockenviren

Die größte Gefahr für die Bevölkerung könnte von einem Anschlag mit Pockenviren ausgehen. Wie Nagel- oder Nietköpfe graben sie sich fast flächendeckend in die Hautoberfläche ein. Der ganze Körper wird übersät. Es besteht enorm hohe Ansteckungsgefahr. Allerdings bleiben nach der Ansteckung immer noch mehrere Tage Zeit, um erfolgreich zu impfen. Da die Pockenviren als weltweit ausgerottet gelten, besteht in der Bevölkerung praktisch kein Impfschutz mehr. Ein Heilmittel gibt es nicht. Die tödlichen Viren breiten sich rasend schnell durch einfachen Kontakt von Mensch zu Mensch aus. (Siehe auch TRUPPENDIENST 1/2003, Seiten 28 bis 31, "Die Pocken".) ___________________________________ __________________________________

Chemische Kampfstoffe

Senfgas (Schwefellost)

Im reinen Zustand handelt es sich um eine farblose, geruchlose und ölige Flüssigkeit. Das technische Produkt ist in organischen Lösungen gelöst. Hier handelt es sich um eine gelblichbraune Flüssigkeit, die einen Geruch nach Senf (Namensgebung), Gummi, Knoblauch oder Zwiebeln hat. Das stabile Produkt kann ohne Probleme in Alu- oder Stahlkanistern gelagert werden und ist in organischen Lösungsmitteln gut lösbar. Es durchdringt Beton, Gummi, Holz, Leder und Ziegel. Schwefellost ist gut fettlöslich und kann deshalb innerhalb von Minuten über die Haut in den Körper eindringen Tabun ...

... gehört zu den so genannten G-Stoffen (der Nervenkampfstoffe) und wurde 1936 von dem deutschen Wissenschafter Gerhard Schrader entdeckt und ab dem Jahr 1942 industriell hergestellt. Es ist der älteste der drei, damals entwickelten Nervenkampfstoffe (Tabun, Sarin und Soman).

Nervenkampfstoff VX

Der hoch toxische Nervenkampfstoff VX wurde durch Zufall in schwedischen Labors im Jahre 1958 entdeckt. Die VX-Produktion in den USA ist 1961 eingeleitet worden. Erst 11 Jahre später gaben die amerikanischen Streitkräfte zu, im Besitz des binären VX-Kampfstoffes zu sein, nachdem die chemische Herstellungsformel bekannt wurde.

_________________________________ ________________________________ Alle in diesem Beitrag angeführten Daten und Fakten stammen aus öffentlich zugänglichen Quellen.

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