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Die körperliche Leistungsfähigkeit weiblicher Soldaten

Das häufigste Argument, das gegen weibliche Soldaten ins Feld geführt wird, ist deren geringere körperliche Leistungsfähigkeit im Vergleich zum Mann. Maßband und Stoppuhr alleine sind jedoch keineswegs ausreichend, um die Fitness zu beurteilen. Von einer Benachteiligung der männlichen Soldaten gegenüber ihren weiblichen Kameraden in Bezug auf die Überprüfung der körperlichen Leistungsfähigkeit kann keine Rede sein.

Die Öffnung militärischer Berufslaufbahnen für Frauen ist in der Mehrzahl der Staaten der Welt bereits Wirklichkeit. Eine Ursache dafür ist die Umsetzung von Gleichberechtigungsbestrebungen. Der Anlass jedoch war und ist der Zwang zur Personalbereitstellung im erforderlichen Umfang, vor allem in Ländern ohne Wehrpflicht. Zum Beispiel stieg die Zahl der weiblichen Soldaten in den amerikanischen Streitkräften ab 1973 von 55 000 auf 225 000 an, wobei über 50 Prozent dieser Soldatinnen außerhalb der typisch weiblichen Aufgaben, wie Sanitäts- und Administrativbereich, tätig sind. Der Grund dafür war ganz einfach im akuten Personalmangel nach dem Vietnamkrieg zu suchen.

Studien "gegen" Frauen in Streitkräften

In zahllosen Studien wird immer noch versucht, die mangelnde Eignung von Frauen für den Beruf eines Soldaten zu beweisen. Von geringem Aggressivitätspotential ist da die Rede, von mangelhafter Kampfbereitschaft, Stressintoleranz, fraglicher Auswirkung auf die Gruppenkohäsion durch männliches Balzverhalten oder von der Entwicklung von Beschützerinstinkten und dergleichen mehr. Nicht zuletzt stehen sogar derart intime Themen wie Mutterschaft und Menstruation im Zentrum männlicher Aufmerksamkeit. Fragen wie "Können Frauen töten?", "Können wir riskieren, Frauen der Gefahr einer Kriegsgefangenschaft auszusetzen?", "Würde sich die Anwesenheit von Frauen nicht nachteilig auf den Gruppenzusammenhalt auswirken?" oder "Hören männliche Soldaten auf zu kämpfen, um die Frauen ihrer Einheit zu beschützen?" werden in allen Streitkräften gleichermaßen gestellt. Was fehlt, ist die Frage "Hat irgendjemand oder irgendeine Gruppe das Recht, jemand anderen aus einem bestimmten Beruf auszuschließen?" Die Tatsache, dass der Beruf des Soldaten kein typisch weiblicher ist, bleibt unbestritten. Genau das zeigt sich auch in der Berufswahl der Frauen innerhalb von Streitkräften. Innerhalb einer Gesellschaft mit intaktem Arbeitsmarkt entscheiden sich nur sehr wenige für eine Soldatenlaufbahn. Und in den Streitkräften wiederum entscheidet sich noch einmal ein nur sehr geringer Anteil von Frauen für Kampfeinheiten, sofern das nach den Regulativen überhaupt möglich ist.

Die Entscheidung darüber sollte aber letztlich dem Individuum überlassen bleiben, wenn der Staat seine Bürgerinnen als mündige und gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft akzeptiert.

Das häufigste und scheinbar am leichtesten messbare Argument gegen weibliche Soldaten ist deren geringere körperliche Leistungsfähigkeit im Vergleich zum Mann. Dass ein Maßband und eine Stoppuhr keineswegs ausreichend sind, um Fitness zu beurteilen, wird in der Folge dargestellt.

Körperliche Konstitution

Fitness hat sehr unterschiedliche Erscheinungsformen und besteht aus:

- Kraft; - Ausdauer; - Schnelligkeit; - Koordinationsfähigkeit; - Beweglichkeit.

Es ist physiologisch nicht möglich, in allen Kategorien Spitzenleistungen zu erbringen - und das ist im militärischen Berufsalltag auch nicht erforderlich. Erstrebenswert hingegen ist ein ausgewogenes Maß an Fitness in allen Bereichen.

Um auch den verschiedenen Anforderungen des militärischen Berufes gerecht zu werden, wird Fitness im militärischen Bereich noch weiter unterteilt in - die Basisfitness oder allgemeine Kondition zum Nachweis der allgemeinen Leistungsfähigkeit des Körpers unter Berücksichtigung von Alter und Geschlecht und - die funktionsspezifische Fitness oder spezifische Kondition unter Berücksichtigung besonderer Anforderungen der jeweiligen Waffengattung. (z. B. Koordinationsfähigkeit bei Piloten).

Testdesigns für funktionsspezifische Sporttestungen im Bundesheer sind derzeit noch in Ausarbeitung. In Ermangelung dessen werden vorläufig noch die Überprüfungen für die Basisfitness aller Soldaten ganz und gar unabhängig von deren Funktion, jedoch sehr wohl unter Berücksichtigung von deren Alter und Geschlecht, durchgeführt.

Testung der allgemeinen Kondition im Bundesheer

Nach den derzeit gültigen Weisungen hat einmal jährlich die Überprüfung des Fitnessparameters "Ausdauerleistungsfähigkeit" durch einen 2 400 m-Lauf, in einer bestimmten Zeit, gestaffelt nach Alter und Geschlecht, und des Fitnessparameters "Kraft" anhand einer bestimmten Anzahl von Liegestützen (bzw. ab dem 35. Lebensjahr ersatzweise von Kniebeugen), ebenfalls gestaffelt nach Alter und Geschlecht, stattzufinden. Bei Vorliegen bestimmter Erkrankungen entscheidet der Truppenarzt, ob anstatt des 2 400 m-Laufes eine Ergometrietestung durchgeführt werden darf.

Bei der letzten Revision der Lauflimits wurde gemäß althergebrachter wissenschaftlicher Erkenntnisse in verstärktem Maß auf das Alter von Soldaten Rücksicht genommen. Das hat zu deutlich moderateren Anforderungen im höheren Alter geführt. Diese Änderung wurde allgemein mit großem Wohlwollen aufgenommen. Die ohnehin nur angedeutete Anpassung der Limits an das Geschlecht ist allerdings immer noch Anlass für heftige Diskussionen und führt vielerorts zu mangelnder Wertschätzung gegenüber den Soldatinnen und deren Leistungen. Die männlichen Soldaten fühlen sich gegenüber ihren Kameradinnen benachteiligt. Um dieser irrigen Ansicht entgegenzuwirken, sollen hier die Unterschiede zwischen Mann und Frau in sportlicher Hinsicht deutlich und anschaulich dargestellt werden.

"Yes, there is a difference!"

Im Durchschnitt beträgt die Absolutkraft der Frau nur etwa 60 bis 80 Prozent derjenigen des Mannes. Das heißt, Frauen sind gegenüber den Männern mit etwa 30 Prozent der absoluten Maximalkraft im Nachteil. Diese Relation besteht ebenso bei der Trainierbarkeit des Körpers. Sie ist zwar relativ gleich, absolut jedoch ist die Frau auch in diesem Bereich um etwa 30 Prozent schlechter gestellt. Dies ist nicht weiter verwunderlich, wenn man sich vor Augen führt, dass der weibliche Körper aus ca. 34 Prozent Muskulatur besteht, hingegen Männer sich an 42 Prozent reiner Muskulatur erfreuen können. Unter Berücksichtigung des Körpergewichtes ergibt das oftmals einen Unterschied von satten 11 kg reiner Muskelmasse.

Das Maß der Fitness: Als Absolutmaß der Fitness hat sich in der Welt der Sportmedizin der so genannte VO2max seit langem durchgesetzt und ist als bestes verfügbares, wenn auch bei weitem nicht perfektes Maß anerkannt.

Anhand von Normwerttabellen lässt sich sehr gut darstellen, wie hoch die Anforderung an unsere Soldaten tatsächlich ist.

Sie zeigen, dass die erforderliche körperliche Anstrengung recht nahe an der Normalverteilung eines gesunden, durchschnittlich trainierten Mannes liegt. Besonders im jugendlichen Alter, also beim Einstieg in die Soldatenlaufbahn, liegt die Anforderung eher an der unteren Normgrenze. Ab dem 30. Lebensjahr müssen männliche Soldaten eine relativ höhere körperliche Fitness aufweisen, als es dem Durchschnitt der Normalbevölkerung dieses Alters entspricht. Das heißt, die Anforderungen an die allgemeine Fitness eines älteren Soldaten, der seinen Arbeitsplatz mit höherer Wahrscheinlichkeit im Innendienst hat, ist höher als jene an einen jungen Soldaten.

Bei Frauen muss die körperliche Leistung weit über dem Durchschnitt der Normalbevölkerung liegen, um dem Beruf einer Soldatin nachgehen zu können. Die Altersverteilung fällt bei Frauen zwar relativ günstiger als bei Männern aus, bleibt aber bis ins fortgeschrittene Alter hoch über der Normalverteilung.

Von einer Benachteiligung der Männer gegenüber Frauen aufgrund der vorgegebenen Limits kann also unter Einberechnung aller Faktoren keineswegs die Rede sein. Mangelnde Wertschätzung gegenüber denjenigen Soldatinnen, die "nur" ihre Limits erreichen, ist ebenfalls in keiner Weise angebracht.

Fahrradergometrie

Die Anforderungen bei der Fahrradergometrie sollen nicht unerwähnt bleiben, da die Unterschiede der Limits besonders hoch und zu Ungunsten männlicher Soldaten zu sein scheinen. Auch für die Fahrradergometrie existieren selbstverständlich Normwerttabellen, anhand derer der Konditionszustand einer Testperson abgelesen werden kann:

Männlichen Soldaten wird, verglichen mit der medizinischen Normwerttabelle, dabei sehr wohl ein höheres Maß an Fitness abverlangt, als es im Durchschnitt der Bevölkerung als "normal" gilt. Junge Frauen jedoch, etwa bis zum 35. Lebensjahr, müssen Werte erreichen, die weit über dem Durchschnitt liegen, um ihre vorgeschriebenen Testungen zu bestehen. Dies ist angesichts der hohen körperlichen Leistung, welche junge Frauen im Rahmen ihrer Ausbildung erbringen müssen, und solange keinerlei funktionsspezifischen Testvorgaben existieren, durchaus sinnvoll. Angebracht erscheint jedoch auch hier die Annäherung der Anforderung an Normalwerte im höheren Alter, in dem sich im Allgemeinen die Aufgabenstellung mit immer größer werdender Wahrscheinlichkeit zu organisatorischen Aufgaben hin verschiebt.

Es sei an dieser Stelle besonders hervorgehoben, dass auch andere Nationen Rücksicht auf das Geschlecht ihrer Soldaten nehmen.

"Eignungsprüfung Frauen" im Bundesheer

Die "Eignungsprüfung Frauen" erstreckt sich über drei Tage und besteht aus folgenden drei Hauptteilen:

- Einem medizinischen Teil, welcher sich eng an die Stellungsuntersuchung der Männer anlehnt. Darüber hinaus wird ein fachärztlich überwachter Ergometrietest durchgeführt. Die Probandinnen müssen dabei, in Anlehnung an die medizinische Normwerttabelle der Arbeitsgemeinschaft für Ergometrie der Österreichischen kardiologischen Gesellschaft, mindestens 150 Watt, jedoch mindestens 2,4 W/kg erreichen - unabhängig vom Alter. Der Normwert in der oben angeführten Normwerttabelle liegt, abhängig von Größe und Gewicht, in der jüngsten Altersklasse zwischen 138 und 163 Watt. Gemäß SDB 11 wird der Ergometrietest bei Männern ausschließlich bei medizinischer Indikationsstellung durchgeführt. Hiebei ist das Erreichen von 200 Watt (absolut) gefordert, wobei sich der Normwert, abhängig von Größe und Gewicht in der jüngsten Altersklasse, zwischen 204 und 288 Watt bewegt. Auch hier liegt die Anforderung an die Männer an der unteren Normgrenze, die der Frauen eher an der oberen.

- Einer eingehenden psychologischen Testung.

- Einer Überprüfung der allgemeinen Kondition oder Basisfitness (Tabelle 8). Diese Limits gelten für alle Bewerberinnen gleichermaßen, ungeachtet ihres Alters.

Das Ergebnis der Studie "Eignungsprüfung Frauen"

Die im Rahmen der Eignungsprüfungen erhobenen Daten seit Einführung der Fahrradergometrie (Mai 2000) als eines der Fitnesskriterien wurden vom ärztlichen Dienst des Heerespersonalamtes zusammengefasst und ausgewertet. Beispielgebend ein kurzer Überblick über das Ergebnis mit Stand 1. Mai 2003:

147 Probandinnen fanden Eingang in die Studie. Das durchschnittliche Gewicht betrug 60,3 kg. 99 Soldatinnen (67,35 Prozent) gehörten am oben angeführten Stichtag dem Präsenzstand an. 48 Frauen (32,65 Prozent) hatten das Bundesheer nach einer durchschnittlichen Dienstzeit von 5,3 Monaten wieder verlassen. Von diesen 48 "ehemaligen Soldatinnen" (Überbegriff, welcher sämtliche jemals in militärischer Ausbildung befindlichen Soldaten weiblichen Geschlechts umfasst) haben drei ihren Ausbildungsdienst fertig abgeleistet, zwei sind aus dem Dienstverhältnis als Militärperson auf Zeit ausgetreten. Leistungssportlerinnen wurden in dieser Studie nicht berücksichtigt.

Die durchschnittliche Leistung der 147 Frauen betrug:

- Lauftest: 12:20 min - Liegestütz: 19,2 - Klimmzüge: 13,4 - Jump & Reach: 41,9 cm - Ergometrie: 183,5 Watt (entsprechen 3,07 W/kg) 109 Frauen (74 Prozent) haben die Sporttestung im ersten Anlauf bestanden.

Aufgrund der immer wieder kolportierten Meinung, die meisten Soldatinnen würden ihren Wehrdienst wegen zu geringer körperlicher Fitness und Kraft quittieren, wurden die Teilnehmerinnen nach ihrer Leistung in der Ergometrie in folgende Gruppen eingeteilt:

- 150 bis 175 Watt und 2,4 bis 2,99 Watt/kg (82 Teilnehmerinnen); - 175 bis 200 Watt und 3 bis 3,19 Watt/kg (40 Teilnehmerinnen); - mehr als 200 Watt und 3,2 Watt/kg und mehr (25 Teilnehmerinnen).

Die Ergometrie als repräsentativer Leistungsparameter wurde ausgewählt, da es seitens des Institutes für Leistungsmedizin und Wehrergonomie Bestrebungen gab, das erforderliche Leistungslimit auf diesem Gebiet auf 200 Watt und 3,2 Watt/kg Minimalerfordernis anzuheben, um die dropout- (Ausfalls-)Rate abzusenken.

Die Auswertung der Ergebnisse ergab, dass die Rate derjenigen, die ihren Dienst - aus welchen Gründen auch immer - quittieren, unabhängig von deren Leistung in der Ergometrie im Rahmen der Eignungsprüfung konstant bei etwa einem Drittel bleibt. Die derzeit gültigen Anforderungen im Bereich der Ergometrie scheinen daher hoch genug zu sein, jedenfalls im Hinblick auf die Länge der Dienstzeit.

Nun gibt es immer wieder Soldatinnen, welche das Bundesheer sehr rasch, das heißt innerhalb von einem Monat und weniger, wieder verlassen. Es wurde also in dieser Gruppe von Soldatinnen ein Grund dafür gesucht, ob eine Anhebung der erforderlichen Ergometrieleistung geeignet wäre, eine längere Verweildauer im Wehrdienst zu prognostizieren. Überraschenderweise zeigte sich gerade bei jenen 14 ehemaligen Soldatinnen, deren Dienstzeit maximal ein Monat betragen hatte (im Durchschnitt 18 Tage), ein signifikant höheres Leistungsergebnis auf dem Ergometer gegenüber allen anderen Soldatinnen: diese Gruppe erreichte im Durchschnitt 193 Watt bzw. 3,2 W/kg im Vergleich zu 183,5 Watt und 3W/kg.

Auch dieses Ergebnis zeigt, dass eine noch höhere Anforderung im Bereich der Ergometrie im Rahmen der Eignungsprüfung voraussichtlich keine Verlängerung der Verweildauer oder Verringerung der dropout-Rate mit sich bringen würde.

Über die Ergebnisse der Ausscheiderbefragung, in welcher sich z. B. der Ausscheidungsgrund "körperliche Anstrengung" durchaus nicht an erster Stelle befindet, wird gesondert zu berichten sein.

Schlussbemerkung

Wie diverse Treffen mit Soldatinnen anderer Nationen gezeigt haben, ist mangelnde Wertschätzung kein spezifisch österreichisches Problem. Vielmehr scheint Österreich ideale Voraussetzungen zu haben, diesbezüglich mit gutem Beispiel voranzugehen, wenn das Bundesheer den Soldatinnen einfach nur die Chance gibt, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Denn (vgl. Platon: ‚Der Staat‘ - etwa 400 v. Chr.): "...die eine Frau ist zur gymnastischen Bildung und zum Kriegshandwerk befähigt, die andere ist unkriegerisch und keine Freundin körperlicher Übungen. So ist auch die eine zum Wächterberuf geeignet, die andere nicht. Wir haben doch auch unter den Männern die entsprechend veranlagten zu diesem Beruf ausgewählt. Also haben Frauen und Männer die gleiche Befähigung zur Bewachung eines Staates. Gleich Befähigten muss der gleiche Beruf zugestanden werden." ___________________________________ __________________________________ Autorin: MajorÄrztin Dr. Eva E. Krainz, Jahrgang 1962. Medizinstudium an der Universität Wien, Ausbildung in der Republik Südafrika und in Wien. Seit 1998 im militärmedizinischen Dienst tätig.

Teilnahme an verschiedenen Friedensmissionen IFOR 1996, SFOR 1998, ATHUM/ALBA 1999 und UNDOF 2000.

Seit 2001 Chefärztin des Heerespersonalamtes und in dieser Eigenschaft u. a. verantwortlich für den medizinischen Teil der Eignungsprüfungen der Soldatenanwärterinnen und seit Juli 2003 Gender Mainstreaming Beuftragte des BMLV.

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