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Im Mittelpunkt steht der Mensch: Psychologe bei den Spezialeinsatzkräften

Am 1. Dezember 2002 wurde das Kommando Spezialeinsatzkräfte als ein, dem Bundesministerium für Land­es­verteidigung unmittelbar nach­ge­or­d­netes Kommando der oberen Führung aufgestellt. Das Kommando Spezialeinsatzkräfte (KdoSEK) stellt den Einsatz von Spezialeinsatzkräften hinsichtlich Einsatzvorbereitung und Einsatzführung sicher.

Im Zuge der Reorganisation wurden die Spezialeinsatzkräfte (SEK) des Österreichischen Bundesheeres mit einer zukunftsweisenden Führungsstruktur - einschließlich eines Trup­penpsychologen - ausgestattet.

Die Effektivität psychologischer Maßnahmen hängt vom Ausmaß des Vertrauens ab, das Klienten dem Psychologen entgegenbringen. Für das Wirken eines Psychologen bei SEK spielt der Vertrauensbezug eine bedeutendere Rolle als im üblichen Kontext, da diese Soldaten auf Grund ihrer qualifizierten Ausbildung und geringen Anzahl eine sehr hohe Grup­penkohäsion aufweisen. Weiters zeich­­nen sie sich durch eigene Einstellungen und Werthaltungen aus, die sich stark an Selbstdisziplin, Leistungsbereitschaft und Einsatzwillen orientieren, und an denen sie andere Mitglieder des Verbandes messen.

Um sich bei SEK Vertrauen und Akzeptanz zu erarbeiten, muss auch der Psychologe zumindest Teile der militärischen Sonderausbild­ung absolvieren. Dadurch teilt er die Wert­hal­tungen der Soldaten und lässt sich an ihren Normen messen. Ausgehend vom Aufgabenspektrum ergibt sich für den Psychologen der SEK Handlungsbedarf hinsichtlich Auswahl, Ausbildung, Betreuung und Einsatzbegleitung. Die SEK des Österreichischen Bundesheeres betreiben, wie alle Spezialeinsatzkräfte, ein Auswahlverfahren für Bewerber. Dieses enthält eine psychologische Über­prüfung, in welcher die Bewerber bestimmte Normsituationen absolvieren. Dabei werden sie von erfahrenen und eigens geschulten Offizieren und Unteroffizieren der SEK nach den Grund­­­sätzen eines Assess­ment-Centers beobachtet und beurteilt.

Nach der Absolvierung des Jagdkommandogrundkurses beginnt die Einsatzausbildung und Spezialisierung in einem bestimmten Fachbereich. Gemäß dem Grundsatz "Der richtige Mann auf den richtigen Platz" werden die Begabungsschwerpunkte der einzelnen Soldaten festgestellt und berücksichtigt. Beispielsweise erfordert die Tätigkeit in der Personenschutzgruppe (soziale Intelligenz, Impulskontrolle) andere Voraussetzungen als im Fachbereich Geiselbefreiung (Filtern von entscheidenden Reizen unter Reizüberflutung, situ­ationsangepasste Aggressivität).

Wenn Teile der österreichischen SEK als eigener Einsatzverband in einen Auslandseinsatz gehen, so wird die psychologische Auswahl vom eigenen Truppenpsychologen wahrgenommen. Die SEK entsenden keine Einzelsoldaten, sondern Teams, die in der gleichen Zusammensetzung trainiert werden. Die SEK beschäftigen außerdem nur Kadersoldaten, die ein­ander gut kennen und mit der Summe ihrer Vertrauensbezüge in den Einsatz gehen. Jeder Soldat bringt seine Stärken in sein Team ein und ist wichtig zur Erfüllung des Auftrags. Schwächen eines einzelnen Soldaten werden von den Ressourcen der übrigen Soldaten kompensiert. Diese Besonderheiten liegen besonders bei den SEK vor und können vom eigenen Trup­penpsychologen entsprechend berücksichtigt werden.

Der Truppenpsychologe bringt wissenschaftlich-psychologische Er­­ken­­nt­nisse und Gesetzmäßigkeiten in die Einsatzausbildung ein, um das Ausmaß an Professionalität der Soldaten zu erhöhen. Dabei sollen den Soldaten der SEK umfassende Kenntnisse vermittelt werden, um auch "über den Tellerrand hinaus schauen zu können".

Beispiele für einen psychologischen Beitrag wären:

  • Stressbewältigung und Entspan­nungstechniken;
  • Krisenintervention und notfallpsy­chologische Techniken;
  • Verhalten von Menschenmassen, Demonstrationsmotive und Grup­pennormen;
  • Verhalten in Gefangenschaft und Widerstand gegen Befragung;
  • Phasen einer Geiselnahme aus der Sicht von Täter und Opfer;
  • psychologische Opfer-Täter-Wechselbeziehungen.

Die Sicherstellung von psychologischen Betreuungsmaßnahmen erhöht das Vertrauen von Soldaten in ihre Führung und bestimmt daher Faktoren wie Kampfkraft und Kampfwert erheblich mit. Betreuungsmaßnahmen werden im Fall von psychosozialen Krisenfällen gesetzt, z. B.:

  • traumatischen Ereignissen im Dienst;
  • chronischem Stress im Einsatz;
  • Betroffenheit und Ängsten bei Familienangehörigen von im Einsatz befindlichen Soldaten der SEK.

Nach internationalem Vorbild begleitet der Truppenpsychologe der öster­reichischen SEK bei Bedarf seine Soldaten in den Einsatz, um sie mit seinem Fachwissen zu unterstützen (z. B. Täterverhaltensbeschreibung und Täters­teuerung im Falle einer Geiselnahme).

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Tätigkeit eines Psychologen bei den SEK in weiten Bereichen nicht den klassischen psychologischen Aufgaben entspricht, und oft auch nicht auf eine herkömmliche Weise ausgeübt werden kann. An den Truppenpsychologen wird die Anforderung gestellt, sich den Normen der SEK anzunähern und sich an deren Wertvorstellungen messen zu lassen. Umgekehrt müssen Kommandanten und Soldaten der SEK ein, mitunter vorhandenes Misstrauen vor Nicht-Mitgliedern ihrer Welt ablegen. Sie müssen dem Psychologen die Chance geben, seine Fähigkeiten und Kenntnisse sowie deren Nutzen für die Durchführung von Spezialeinsätzen zu demonstrieren. Wenn ein auf Gegenseitigkeit beruhendes Vertrauen erarbeitet werden kann, ist das Wirken in den Spezialeinsatzkräften eine sehr erfüllende psychologische Tätigkeit.

Oberleutnant Mag. Reinhard Garger

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