Bundesheer Bundesheer Hoheitszeichen

Bundesheer auf Twitter

Im Mittelpunkt steht der Mensch: Arbeitspsychologie im ÖBH 2010?

Ein junger Kompaniekommandant hat in den Reihen seiner Kadersoldaten einen Mitarbeiter, von dem er weiß, dass dieser ein schwerwiegendes Alkoholpro­blem hat. Auch der Bataillonskom­man­dant weiß davon. Mit dem Kadermann wird ein Gespräch geführt, disziplinäre Maßnahmen werden angedroht bzw. sogar gesetzt, und eine Dienst­fähig­keits­unter­suchung durch die Dienstbehörde angeordnet und diese zeigt auf, dass der Mitarbeiter bereits körperliche und psychische Beeinträchtigungen hat. Weitere Maßnahmen bleiben jedoch aus.

Ein Bataillonskommandant bekommt im Rahmen einer Stabsbesprechung die Information, dass sich in einer der Kompanien die Krankenstände der Mitarbeiter deutlich vermehrt haben. Es handelt sich dabei um jene Kompanie, die sich in den letzten Jahren vor einer durchgeführten Reorganisation als besonders leistungsorientiert hervorgetan hat. Nachfragen beim Kompaniekommandanten ergeben keine klaren Hinweise oder Erklärungen für diese Auffälligkeit. Ein Befehl zur Erbringung von Arztbestä­ti­gungen bei kürzeren Absenzen im Einzelfall bringt kurzfristig eine Besserung, nach wenigen Wochen sind die Krankenstände jedoch noch höher als zuvor.

Führungsunterstützung

Wie würden Sie als Kommandant in diesen beiden Fällen vorgehen? Welche Möglichkeiten sehen Sie? Vielleicht auch unter Zuhilfenahme einer externen Füh­rungsunterstützung? Würden Sie auf eine solche überhaupt zurückgreifen? Füh­rungs­unterstützung könnte durch Ar­beits- und Organisationspsychologen erfolgen, deren Aufgabe es ist, Arbeitstätigkeiten und Arbeitsstrukturen nach definierten Humankriterien (z. B. belas­tungsarm, persönlichkeitsfördernd etc.) zu analysieren, zu bewerten und darauf aufbauend Gestaltungsvorschläge mit dem Bedarfsträger zu erarbeiten. Nach dem Bundesbedienstetenschutzgesetz (B-BSG 1999) sind neben den Si­cher­heits­fachkräften und Arbeitsmedizinern insbesondere Arbeitspsychologen im Hinblick auf psychosoziale Belastungen und die Gesundheitsförderung in einem bestimmten Zeitumfang zu integrieren. Der Aufgabenkatalog eines Arbeitspsy­cho­logen umfasst im Groben die Beratung und Unterstützung des Kommandanten bzw. Dienststellenleiters, die regelmäßigen Besuche der Einheiten bzw. Dienst­­­­stellen, die Beratung, Begleitung, Unterstützung der Bediensteten, die Ermittlung und Ursachenanalyse arbeitsbezogener Belastungen, psychologische Erste Hilfe und Krisenintervention, Planung, Durchführung, Leitung und Eva­luierung von Gesundheitsprojekten, Entwicklung von Unter­nehmensleitbildern durch CI (Corporate Identity), Qua­litätszirkeln und einige Inhalte mehr.

Anwendung und Umsetzung

Die vorhin genannten Aufgabenbereiche haben ihre Anwendung und Umsetzung nicht nur in der künftigen Grund- sondern besonders auch in der Einsatzorganisation. Maßnahmen, die bereits in diesem Zusammenhang getätigt wurden oder unmittelbar bevorstehen, wären unter anderem die Einbeziehung von Heerespsychologen bei der Gestaltung der Dienst- und Ruhezeiten von Militärpiloten im Rahmen der Grenzraumüber­wachung (GRÜ). Weiters die Heranziehung von Hee­res­psychologen bei Un­fall­­unter­suchungskommissionen im militärischen Flug­­betrieb, die Einbeziehung von Heeres­­psychologen bei sogenannten Vorflugunfalluntersuchungen (vergleichbar mit Betriebsanalysen) etc. Auch Unterrichte hinsichtlich möglicher Belas­tungsfaktoren im Einsatz im Zuge der Char­gen­ausbildung für KIOP-KPE, die Erstellung von Fragebögen in Zusammenarbeit mit der Abteilung Marketing als Feedbackin­stru­men­tarium der Führung zur Erhebung eines Zustandsbildes der Einsatzorganisation gehören dazu. Und nicht zuletzt bedarf es einer erlass­mä­ßigen Regelung zur ständigen psy­cho­­logischen Betreu­ung der Kaderprä­senzeinheiten durch die Psychologen der Stellungs­kom­mission etc.

Lücken

Es gibt auch Beispiele dafür, dass arbeitspsychologische Erkenntnisse und einsatzbedingte operative Notwendigkeiten nicht in eine Zusammenschau gebracht wurden. So lässt sich der derzeitige Dienst­plan der Soldaten in der Grenzraumüberwachung nur schwer mit Erkenntnissen der Chro­­no­biologie (Einfluss der Zeit auf den Bio­rythmus) in Einklang bringen. Modifizierungen scheinen hier besonders im Lichte einer eventuellen Verlängerung dieser Einsatzdauer dringend angezeigt. Diese Lücke zwischen den einsatz- bzw. sy­stem­be­dingten Erfordernissen und denen des einzelnen Mitarbeiters kann durch die Ver­wen­dung von Arbeits- und Orga­ni­sa­tionspsychologen eventuell ge­schlos­sen werden, wenn es zu einem Schulter­schluss in diesen beiden Bereiche kommt. Die bisherigen ar­beits­psy­cho­logischen Tätigkeiten waren getragen von der Kenntnis der Bedarfsträger über die Möglichkeiten der Ar­beits­psy­cho­logie.

Systematischer Einsatz

Derzeit kann trotz teilweise gegebenen fachlichen Voraussetzungen von einem systematischen Einsatz nicht gesprochen werden, da weder die Umsetzung der rechtlichen Vorgaben noch die Rahmenbedingungen dafür geschaffen wurden. Es wird in den entsprechenden Gremien ganz sicher zu einem späteren Zeitpunkt überlegt werden müssen, wie die diesbezüglichen Maßnahmen umgesetzt werden können und vor allem durch welchen Personenkreis diese Umsetzung erfolgen soll. Mit dem neuen Konzept zur Implementierung der Ar­beits­psychologie kann auch die Heeres­­psychologie ihren Beitrag zum ÖBH 2010 leisten.

Obstlt dhmfD Mag. Christian Langer

Eigentümer und Herausgeber: Bundesministerium für Landesverteidigung | Roßauer Lände 1, 1090 Wien
Impressum | Kontakt | Datenschutz | Barrierefreiheit

Hinweisgeberstelle