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Going International: Richtig aber ist ...!

Klärungen zur ESVP

Dieser Beitrag ist einigen Behauptungen bzw. Fragestellungen zur Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) gewidmet, die dringend eine Richtigstellung bzw. Antwort verdienen. Ausgewählt wurde ein kleiner Ausschnitt, um wirksam zur derzeitigen Diskussion über die ESVP beitragen zu können.

Behauptung: "Die Entwicklung der ESVP erspart uns den NATO-Beitritt!"

Gleich vorneweg: Der Umstand, dass diese häufig zu vernehmende Behauptung so nicht stimmt, bedeutet nicht, dass wir der NATO beitreten müssen.

Wir haben bisher auf die Sicherheitsgarantien der NATO verzichtet bzw. sind die damit verbundenen Verpflichtungen nicht eingegangen. Es ist aber auch klar, dass selbst nach Inkrafttreten des EU-Verfassungsvertrages mit der dort formulierten Beistandsklausel noch kein europäisches Äquivalent für die Sicherheitsgarantie der NATO besteht.

Das langfristige Ziel der Europäischen Union ist eine gemeinsame Verteidigung. Darunter kann man ein Bündnis im Sinne einer gegenseitigen Beistandsverpflichtung verstehen. Die Fragen, wie dieses Bündnis funktionieren soll, über welche Mittel es verfügt und in welcher Beziehung es zur NATO steht, werden derzeit nicht näher beantwortet. Viele Kritiker der NATO betrachten die Allianz überwiegend als Instrument der USA in Europa. Es wäre ein Irrtum zu glauben, dass gerade in Sicherheitsfragen selbst eine zum Bündnis weiterentwickelte Europäische Union auf die enge Zuammenarbeit mit den USA verzichten könnte. Sie kann aber, und das wäre ein Fortschritt, den USA als Partner gegenübertreten und ihre Standpunkte und Interessen wirksamer vertreten. Die EU bewegt sich zwar in die Richtung einer gemeinsamen Verteidigung, sie ist davon aber noch weit entfernt. Österreich bezieht seine Sicherheit vor allem aus der Stabilität seines unmittelbaren Umfeldes und aus der wirtschaftlichen Prosperität der EU. Wir können es uns daher derzeit noch erlauben, auf ausdrückliche und mit Substanz erfüllte Sichereitsgarantien zu verzichten. Die Gefahr ist allerdings nicht wegzuleugnen, dass es langfristig zu Änderungen im Umfeld Europas und damit Österreichs kommen kann, die ein engeres Zusammenrücken im Sinne einer funktionierenden Beistandsgarantie erfordern. Wenn es dann die gemeinsame Verteidigung gibt, kann und soll Österreich seine Sicherheit auf diese abstützen. Eine langfristig angelegte Sicherheitspolitik sollte aber auch Entwicklungsmöglichkeiten berücksichtigen, die anders verlaufen können.

Behauptung: "Der EU-Verfassungsvertrag führt geradewegs zur Europa-Armee!"

Der Verfassungsvertrag sieht ein engeres Zusammenrücken der Streitkräfte vor, etwa durch Kooperation in den Bereichen der Rüstung, der Ausbildung, der Forschung oder des strategischen Transports. Die Führung dieser Streitkräfte bleibt strikt national. Auch die NATO hat im übrigen keine gemeinsamen Streitkräfte, sie hat allerdings eine integrierte Führungsstruktur, Streitkräfteplanung und gemeinsam fnanzierte, vor allem strategische und logistische Mittel. Die Bereitstellung der nationalen Streitkräfte zugunsten der NATO bleibt den Einzelstaaten vorbehalten. Erst wenn sich die Staaten dazu entschieden haben, ihre Truppen zur Verfügung zu stellen, werden diese im Wege der integrierten Kommandostruktur geführt. Auch das ist im Grund noch keine gemeinsame Armee, aber eine gemeinsame Verteidigung.

Oft wird mit dem Begriff der "vergemeinschafteten" Verteidigung operiert. Damit kann gemeint sein, die ESVP, das heißt ein Politikfeld zu vergemeinschaften, sie also von einer intergouvernementalen (zwischenstaatlichen), zu einer gemeinschaftlichen Angelegenheit zu machen. Das ist aber im Verfassungsvertrag so nicht angelegt, was auch durch den weiterhin aufrechten zwischenstaatlichen Charakter der ESVP (Erfordernis der Einstimmigkeit in allen relevanten Beschlüssen) unterstrichen wird. Eine andere Lesart von "Vergemeinschaftung" kann sein, tatsächlich ein gemeinsames, überstaatlich geführtes militärisches Instrument zu schaffen. Das ist im Verfassungsvertrag noch weniger angelegt als die erste Interpretation der Vergemeinschaftung.

Was sind Battle Groups?

Die sogenannten "Battle Groups" sind ein Ergebnis des Bemühens im Rahmen der ESVP, für zeitlich, räumlich und vom Umfang her begrenzte Einsätze rasch verfügbare militärische Kräfte bereitzustellen. Der Bedarf an solchen Kräften war schon bei der Beschreibung der "Helsinki Headline Goals" erkannt worden und ist im Zuge der Operation "Artemis" im Sommer 2003 erstmals konkret aufgetreten. Die EU führte damals zur Stabilisierung innerhalb sehr kurzer Zeit eine Operation begrenzten Umfanges im Nordosten des Kongos durch. Kurz darauf setzten konkrete Bearbeitungen ein, um Umfang und Einsatz rasch verfügbarer multinationaler Kräfte näher zu beschreiben.

Die Battle Groups sollen eine Stärke von etwa 1 500 Mann aufweisen. Sie umfassen im Kern infanteristische Kampftruppen und können von einer oder mehreren Nationen gestellt werden. Die Lead Nation ist auch für die Sicherstellung des operativen/strategischen Transportraumes verantwortlich. Die EU soll gleichzeitig mehrere Battle Groups zur Verfügung haben, um flexibel reagieren zu können. Das erfordert, dass eine ausreichende Zahl von Staaten in einem Rotationsverfahren bereit ist, Beiträge für diese Kräfte bereit zu stellen und auch frühzeitig gemeinsam auszubilden.

Brigadier Wolfgang Wosolsobe

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