Bundesheer Bundesheer Hoheitszeichen

Bundesheer auf Twitter

Aktuelles Weltgeschehen: Afghanistan nach der Wahl

Afghanistan hat am 9. Oktober 2004 einen Präsidenten gewählt. Es war die erste halbwegs legitimierte, demokratische Entscheidung des afghanischen Volkes, denn vorher war der Paschtune Hamid Karzai im Dezember 2001 als Übergangspräsident von der USA eingesetzt worden. Im kommenden Jahr soll es Parlamentswahlen geben. Ist damit alles erledigt? Kann sich das Land nun von den schweren Schäden des seit mehr als 25 Jahren andauernden Krieges erholen?

Eine lange Periode der Instabilität

Afghanistan ist noch lange nicht befriedet. Die Regierung übt nur eine begrenzte Kontrolle über das Land aus. Im Osten und Süden führen die USA mit ihren Koalitionspartnern den Kampf gegen die Taliban- und Al Qaida-Terrororganisation. Diese Auseinandersetzung ist trotz der massiven US-Einsätze noch immer nicht beendet. Auch die Drogenproduzenten und die dazugehörenden Mafiastrukturen sind im Osten und Süden massiv präsent. Die ehemalige Nordallianz, deren "Warlords" heute zerstritten sind, beherrscht den Norden und Westen Afghanistans. Nur in Kabul und teilweise in dessen Umgebung hat die offizielle Regierung mit Unterstützung der USA und der derzeit von der NATO geführten International Security Assistance Force (ISAF) die Macht. Wie präsent die Gegner dieser Regierung sind, zeigen die immer wieder auftretenden Angriffe auf deren Politiker, Regierungstruppen und die ISAF. Radikalismus und Fundamentalismus nehmen zu. Mehr als ein Drittel des Landes ist wieder in den Händen der Radikalisten und Fundamentalisten. Dass die alte Armee ein Bestandteil des Volkes ist und nicht Einzelinteressen dient, wird stark bezweifelt. Die USA sind intensiv dabei, neue Streitkräfte (Afghan National Army-ANA) für das Land zu organisieren, um die Herrschaft der Regierung durchzusetzen und die Sicherheitslage zu verbessern.

Die Macht der Provinzen

Das Land hat 31 Provinzen, in diesen ist aber die Regierung nicht verankert. Dort herrschen die Regionalmächte mit ihren Milizen. Es hat sich bisher als falsch erwiesen, diese regionalen Strukturen beseitigen zu wollen, im Gegenteil, sie müssten mit der Zentralregierung vereint werden. Afghanistan, der Vielvölkerstaat mit seinen Paschtunen (40 Prozent), Tadschiken (25 Prozent), Hazara (15 Prozent), Usbeken (5 Prozent) und anderen, wie Belutschen, Turkmenen, Kirgisen, Nuristani usw., ist eine Region voller Interessen und Konflikte. Diese Interessen gilt es auf einen Nenner zu bringen. Ein föderalistisches System scheint der einzige mögliche Weg dazu zu sein. Denn die Afghanen haben sowohl von einer Diktatur als auch von einem Marionettensystem mehr als genug.

Wiederaufbau ist notwendig

Durch andauernde Kriege seit 1978 ist die kulturelle, wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Struktur ebenso wie die materiell-technische Ausstattung zerstört. Es benötigt einen totalen Wiederaufbau. Nötig ist ein geeignetes, funktionsfähiges politisches System, eine im Volk abgestützte, gerechte Regierung, die das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen kann. Ebenso ist eine loyale und geeignete Armee, eine geordnete Verwaltung, ein Instrumentarium für die innere Sicherheit zur Durchsetzung der Gesetze notwendig. Ein funktionsfähiges Gesundheitswesen mit Spitälern, wozu vor allem sauberes Wasser eine Voraussetzung ist, ein brauchbares Bildungssystem und eine Landwirtschaft, die ohne Drogenanbau zurechtkommt sind ebenso unabdingbar. Gerade der Anbau von Schlafmohn ist ein entscheidendes Problem des Landes. Er verhindert die Erholung der afghanischen Landwirtschaft und damit seiner Volkswirtschaft. Im Jahr 2003 wurden 4 000 Tonnen Rohopium produziert. Afghanistan ist mit 80 Prozent Anteil weltweit der größte Opium- und Heroinproduzent. Das Problem berührt die Nation, aber auch die gesamte internationale Gemeinschaft.

Provinzial Reconstruction Teams (PRT)

Die USA und einige ihrer Verbündeten haben vor einiger Zeit begonnen sogenannte Wiederaufbau-Teams (PRT) im Rahmen der "Operation Enduring Freedom" einzusetzen. Sie werden nun zum Teil durch die NATO übernommen. Diese PRT sind aus zivilen und militärischen Personen zusammengesetzte Gruppen, die in den Provinzen Afghanistans arbeiten, um die Autorität der afghanischen Zentralregierung zu erweitern sowie Entwicklung und Wiederaufbau des Landes zu ermöglichen. Sie werden als wesentlicher Beitrag angesehen, um in dem kriegszerrütteten Land mittelfristig wieder zur Normalität zurückzufinden. PRT gibt es in Mazar-e-Sharif und Maimana (beide unter britischer Führung), in Kunduz und Badakschan (beide unter deutscher Führung) sowie in Baglan (unter niederländischer Führung). Um die Lage weiter zu stabilisieren, richtet nun die NATO weitere PRT im Norden und Westen des Landes ein. Zusammen mit einem Logistik-Unterstützungs-Stützpunkt in der Nähe von Mazar-e-Sharif und zeitlich begrenzten Präsenzen in Sar-e-Pol, Samangan und Sherberghan, will die ISAF nun in der Lage sein, die Sicherheitssituation in neun Provinzen im Norden des Landes positiv zu beeinflussen. Die Frage ist nur, ob die Kräfte dafür ausreichen. Dass aber noch immer etwa 22 Provinzen nicht erfasst sind, zeigt, wie schwierig die Lage auch für die NATO ist. Sie hat jedoch - ebenso wie die verschiedenen Persönlichkeiten in Afghanistan - NATO-Mitglieder und Partner aufgerufen, weitere PRT abzustellen. Ohne die Hilfe der internationalen Gemeinschaft wird Afghanistan noch lange nicht den ersehnten Frieden erreichen.

Brigadier i.R. Prof. Dr. Horst Mäder

Eigentümer und Herausgeber: Bundesministerium für Landesverteidigung | Roßauer Lände 1, 1090 Wien
Impressum | Kontakt | Datenschutz | Barrierefreiheit

Hinweisgeberstelle