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AUCON SFOR als neue Mission

Die Planungen und Vorbereitungen der dritten aktuellen Hauptmission des Österreichischen Bundesheeres sind beendet. Neben den UNDOF- und KFOR-Kontingenten ist nun das SFOR-Kontingent im Einsatz. Doch wie kam es dazu? Der nachfolgende Beitrag soll einen Überblick über die Implementierung von AUCON SFOR und die damit zusammenhängenden allgemeinen Probleme geben.

Im Anfang war das Wort

Bevor ein neues Kontingent implementiert werden kann, müssen vier Bereiche zur Deckung gebracht werden:

- internationale Force Generation; - internationale Kooperationen; - Machbarkeit im Österreichischen Bundesheer; - nationale politische Beschlussfassung.

Nur die Durchschnittsmenge dieser vier Bereiche ist der realisierbare Bereich.

Der Beginn jeder Mission ist zunächst einmal von langen vorgestaffelten militärisch- politischen Entscheidungsabläufen geprägt. Es macht keinen Sinn, Truppen anzubieten, die das Bundesheer zeitlich, strukturell oder finanziell nicht aufstellen kann. Genauso wenig macht es Sinn, Truppen anzubieten, die nicht benötigt werden. Fast immer müssen internationale Kooperationen im Vorfeld einer Force Generation angebahnt werden, weil völlig autarke Kontingente unwirtschaftlich sind. Eine nationale politische Beschlussfassung und die damit verbundene Klärung der Finanzierungsfrage ist in jedem Fall unumgänglich.

Internationale Force Generation

In der internationalen Force Generation werden die Gliederungen, ungefähren Stärken, Leistungsparameter und zeitlichen Vorgaben für die aufzustellenden Truppen definiert. Ausgangspunkt dafür sind die so genannten Periodic Mission Reviews (PMR), eine Art Folgebeurteilung der Lage der Missionen, die im Falle von SFOR auf dem NATO-Dienstweg über Joint Force Command (JFC) Neapel an Supreme Headquarters Allied Powers Europe (SHAPE) vorgelegt wurden. Von dort werden sie den NATO-Mitgliedstaaten und den sonstigen truppenstellenden Nationen zur Kenntnis gebracht und auf politischer Ebene im North Atlantic Council (NAC) und im Euro Atlantic Partnership Council (EAPC) behandelt. An diese PMR schließt dann der Force Generation-Prozess an. Dabei bringen truppenstellende Nationen schriftlich Angebote ein. Das Österreichische Bundesheer bedient sich dabei des Permanent Liaison Teams zur Partnership Coordinaton Cell (PCC) bei SHAPE.

Bei diesen Force Generation-Konferenzen bieten die truppenstellenden Nationen Kräfte an. Dabei sind bestimmte Zeitvorgaben, Stärken und Leistungsparameter der angebotenen Truppen zuzusichern. Als truppenstellendes Land ist man daher gut beraten, die Machbarkeit solcher Zusagen vorab zu klären. Dazu können beitragen:

- Vorabsprachen mit Partnernationen, - Erkundungen im Einsatzraum, - Machbarkeitsstudien im Bundesheer - und daraus abgeleitete, operative Konzepte zur Vorbereitung der nationalen politischen Beschlussfassung.

Vorabsprachen

Bei der Vorbereitung von AUCON SFOR konnte die österreichische Präsidentschaft in der Central European Nations Cooperation (CENCOOP) im Jahr 2003 genutzt werden. CENCOOP wurde als österreichische Initiative 1997 gegründet, umfasst die Staaten Österreich, Kroatien, Ungarn, Rumänien, Slowakei, Slowenien und die Schweiz und dient als Plattform für Erfahrungsaustausch und Kooperation. In den vier Sitzungen des Planungsstabes beim Kommando Internationale Einsätze 2003 in Graz wurde eine gemeinsame Beteiligung von Österreich, Slowenien, Ungarn und Rumänien am italienisch geführten Multinational Specialised Unit Regiment (MSU-Rgt) von SFOR vereinbart und beim CENCOOP-Verteidigungsministertreffen am 24. Oktober 2003 in Graz beschlossen.

Damit konnte der österreichische Verteidigungsminister diesen konsolidierten Beitrag von CENCOOP am 2. Dezember 2003 beim EAPC bereits auf politischer Ebene einmelden. Zusätzlich wurden mit Italien als Leadnation des MSU-Rgt Vorabsprachen über erforderliche Gliederungen, Leistungsparameter, Zeitvorgaben und Kooperationen im Bereich der Ausbildung und Logistik geführt. Mit den Ergebnissen konnte das Kommando Internationale Einsätze ein operatives Konzept zur Vorbereitung der nationalen politischen Beschlussfassung an das Bundesministerium für Landesverteidigung vorlegen.

Die politische Beschlussfassung

Nach einem Ministerratsvortrag und -beschluss vom 2. März 2004 und der Herstellung des Einvernehmens mit dem Hauptausschuss des Nationalrates, konnten die rechtlichen Voraussetzungen für eine Entsendung von AUCON SFOR nach §1 Abs.1 lit. a des KSE-BVG geschaffen werden. Damit war der Weg offen für eine Formierungsweisung des Bundesministeriums für Landesverteidigung.

Die Formierung

Als Teil des operativen Konzeptes wurde durch das Kommando Internationale Einsätze als Ergebnis der internationalen Absprachen bereits eine personelle und materielle Organisation vorgeschlagen.

Jede Formierung eines Kontingentes umfasst drei Bereiche:

- die personelle Formierung; - die materielle Formierung; - die ausbildungsmäßige Formierung.

Das formierungsverantwortliche Kommando benötigt einen Formierungsstab mit den erforderlichen Personal- und Materialverwaltungsorganen sowie den damit verbundenen EDV-Zugriffsrechten und sollte in der Lage sein, die Ausbildung möglichst selbstständig durchzuführen. In diesem Sinne wurde mit der Vorlage des operativen Konzeptes durch das Kommando Internationale Einsätze das Zentrum Internationale Kooperation (ZIK) als formierungsverantwortliches Kommando vorgeschlagen. Das ZIK verfügt neben einem Formierungsstab über eine für den Auslandseinsatz spezialisierte Militärstreifenkompanie und ein CIMIC-(Civil Military Cooperation-)Element. Es war daher in der Lage, AUCON SFOR mit Masse selbstständig zu formieren.

Die Ausbildung einzelner Fachfunktionen und Heereslenkerberechtigungen erfolgten durch die Dienststellen der Landstreitkräfte sowie Waffen- und Fachschulen. Die Special Observation Squad (SOS) wurde vom Kommando Spezialeinsatzkräfte formiert. AUNIC (Austrian National Intelligence Cell) und das CI-Et (Counter Intelligence-Element) wurden von den zugehörigen Ämtern formiert.

Eine besondere Herausforderung war die materielle Formierung. Um der polizeiähnlichen Aufgabe der MSU bestmöglich zu entsprechen, waren Puch G 300GD LF-FM mit festem Aufbau und Lichtbalken, Such- und Arbeitsscheinwerfern, Signalanlagen und gehärteten Scheiben zu modifizieren.

Die Militärpolizei-Mannesausrüstung und -Stationssätze ergänzten die Ausrüstung. Zusätzlich zur Crowd and Riot Control-(CRC-)Ausrüstung wurden Repetierschaftgewehre mit Gummigeschossen als nicht tödliche Waffen samt zugehörigen Einsatz- und Sicherheitsbestimmungen in die materielle Organisation aufgenommen. Durch entsprechende Maßnahmen des Ministeriums und Improvisation der Truppe konnten die Ausbildung und materielle Formierung unter Zeitdruck sichergestellt werden.

MSU - Eine neue Herausforderung

Nach dem General Framework Agreement for Peace in Bosnien und Herzegowina, der UN-Sicherheitsratsresolutionen 1031 und 1088 und deren Übernahme in die nachfolgenden Resolutionen zur Verlängerung des Mandates und dem Operations Plan 10407 "JOINT FORGE" Annex JJ hat die MSU folgende Hauptaufgaben (im Originalwortlaut):

- "public order, civil disorder, riot control, - patrolling and public surveillance, information and weapons gathering operations, - criminal investigations, - assisting in the safety and security of refugees and returnees, - provision of security tasks to international personnel such as close protection and VIP escorts, - assistance to the State Border Service, - support to the Local Police on high risk arrests - and support to ICTY (International Criminal Tribunal for Yugoslavia)." Um dem Aufgabenprofil bestmöglich entsprechen zu können, wurde die Special Oberservation Squad der Spezialeinsatzkräfte in das Kontingent integriert. Spezielle Ausbildungsinhalte wurden in die Einsatzvorbereitung aufgenommen und nationale Vorbehalte eingebracht.

Konkret wurden der aktive kampfartige Zugriff auf Personen mittels einem Special Weapons Attack-Team (SWAT) und Aufgaben der Rechtsdurchsetzung (Law Enforcement) durch Soldaten des AUCON SFOR ausgeschlossen.

Liaison and Observation Teams (LOT)

Zur Reduktion der Kräfte und zur schrittweisen Rückkehr zur Normalisierung der Lage wurde das Deterrent Presence-(DP - Abschreckung, Präsenz-)Konzept entwickelt. Grundgedanke dieses Konzeptes ist die Verdünnung der Kräfte bei gleichzeitig verbessertem Lagebild (Situation Awareness) in Verbindung mit Flexibilität und Reaktionsfähigkeit. Die LOT spielen dabei eine entscheidende Rolle. Aus LOT-Häusern außerhalb der Camps, gruppenweise im gesamten Einsatzraum verteilt, wird im engen Kontakt mit Behörden und Bevölkerung ein aktuelles und authentisches Lagebild geliefert. Die langjährige Erfahrung des Bundesheeres aus weltweiten Beobachtereinsätzen und die traditionell hohe soziale Kompetenz der österreichischen Soldaten kommen dabei besonders zum Tragen.

CIMIC mit neuen Zielen

Die CIMIC-Gruppe von AUCON SFOR verfolgt ein zweifaches Ziel. Erstens die Unterstützung humanitärer Hilfsprojekte wie beispielsweise die Aktion "Bauern helfen Bauern" der Salzburger Landesrätin Doraja Eberle.

Daneben versucht CIMIC bei AUCON SFOR zur Entwicklung von Wirtschaftskooperationen zwischen Österreich und dem Einsatzraum beizutragen. Bereits bisher intensive Kooperationen im Bereich der Finanz- und Versicherungswirtschaft sowie des Baustoff- und -bedarfshandels bieten dazu eine gute Basis, aber auch die internationalen Truppen selbst sind ein bedeutender Wirtschaftsfaktor im Einsatzraum. Erstes sichtbares Zeichen dieser Zielsetzung sind gemeinsame Veranstaltungen des AUCON SFOR mit der österreichischen Außenwirtschaftsstelle in Bosnien und Herzegowina. Die zunächst unbürokratische Institutionalisierung dieser Kooperation bereitet die Installierung eines CIMIC-Centers Austria in räumlicher Nähe zum Kommando Internationale Einsätze in Graz als nächsten Schritt vor.

Der Einsatz

AUCON SFOR ist im Einsatzraum mit Masse im Camp Butmir bei Sarajewo untergebracht. Lediglich das LOT befindet sich in Banja Luka.

Die MSU-Teile von AUCON SFOR sind innerhalb des Camps Butmir in einem eigenen umzäunten Bereich untergebracht. Weil die B-Kompanie zwei österreichische, einen italienischen und einen slowenischen MSU-Zug umfasst, wird die Kompanieführung zwischen Österreich und Slowenien geteilt. Die österreichische Special Observation Squad der Spezialeinsatzkräfte wird direkt vom MSU-Rgt geführt und arbeitet im Bereich der Aufklärung eng mit einer italienischen Maneuver-Unit zusammen. Dadurch ergeben sich besonders enge Formen der Zusammenarbeit mit italienischen und slowenischen Soldaten. Die MSU wird in ganz Bosnien eingesetzt und von SFOR als Reserve direkt geführt.

Entwicklungsperspektiven mit Übernahme der EU

Mit Übernahme der SFOR-Mission durch die EU Anfang Dezember 2004 zieht sich die NATO mit Masse aus Bosnien zurück. Allerdings verbleibt ein NATO HQ im Camp Butmir, welches vor allem strategische Teilbereiche des Mandates weiterhin wahrnehmen wird. Dazu zählen politische Reformen, Streitkräftereformen, Angelegenheiten mutmaßlicher Kriegsverbrecher, Kampf gegen den Terror und ähnliches. Aber auch im Camp Eagle Base bei Tuzla verbleiben US-Teile, die den dortigen Flughafen und Fernmeldeeinrichtungen weiter betreiben. Daneben befindet sich ein NATO-PfP Training Center im Camp Butmir in Bau. Der Übergang erfolgt also gleitend. Zur Zeit ist bereits ein so genanntes EU-Planning Team (EUPT) aktiv. In diesem ist auch Österreich mit Schlüsselfunktionen vertreten. Mit Stand Mitte September sind im Österreichischen Bundesheer Planungen zur Verstärkung des österreichischen Beitrages bei Übernahme durch die EU im Gange. Diese neue Mission wird den Namen "ALTHEA" tragen. Geplant wird die Übernahme der Wachsicherungskompanie im Camp Eagle in Kooperation mit Tschechien sowie die Übernahme der Leadnation in einer LOT-Kompanie mit entsprechendem österreichischen Beitrag. Der politische Entscheidungsfindungsprozess hat mit dem Ministerratsbeschluss vom 27. September 2004 und der Zustimmung durch den Hauptausschuss des Nationalrates am 18. Oktober 2004 begonnen. Damit kehren wir an den Beginn des Beitrages zurück: Im Anfang ist wieder einmal das Wort.

___________________________________ ___________________________________ Autor: Brigadier Mag. Günter Ruderstaller, Jahrgang 1956, absolvierte die Offiziersausbildung an der Theresianischen Militärakademie und wurde 1982 zum Landwehrstammregiment 37 ausgemustert. Funktionen als Ausbildungsoffizier, Kompaniekommandant und S3, danach Generalstabskurs von 1988 bis 1991. Stellvertretender Leiter der G3-Abteilung im Korpskommando I, Bataillonskommandant am Golan 1997 bis 1998, anschließend G5 und G6 im Korpskommando I. Seit 2002 G3 im Kommando Internationale Einsätze.

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