Aus der Truppe: EUFOR "ALTHEA" - Der Auslandseinsatz aus der Sicht des Kompaniekommandanten
Als ich aufgrund der Dringlichkeit der Mission EUFOR "ALTHEA" kurzfristig entschied, mich als Kommandant der Composite Coy (CompCoy) zu melden, war mir wohl bewusst, dass es sich um die Führung einer multinational gemischten Kompanie mit Soldaten aus acht Nationen handelt. Was dies allerdings tatsächlich bedeutet, wurde und wird mir erst im Rahmen dieses Einsatzes wirklich klar. Was ist nun das Interessante an dieser Mission in Bosnien und Herzegowina und warum lohnt es sich, diesen Schritt zu wagen?
Es handelt sich um die erste Mission im Rahmen der EU, bei der die gestellten Aufgaben allein durch ihre Streitkräfte gemeistert werden. Während also UN- oder NATO-Missionen schon in relativ vorgefertigten Bahnen ablaufen, ist "ALTHEA" der erste Versuch der EU, dafür zu sorgen, ein Land in seiner Entwicklung zu unterstützen und dabei gleichsam darauf zu achten, dass dies unter friedlichen Umständen passiert - Schwierigkeiten sind vorprogrammiert. Man kann diesen Umstand nun als Belastung abwerten oder aber als Chance sehen, an einem Entwicklungsprozess von Anfang an beteiligt zu sein und mit seinem persönlichen Engagement auf seiner Ebene diese Mission mitzugestalten.
Wenn auch auf den ersten Blick die Rolle eines Kompaniekommandanten als eher vernachlässigbar erscheinen mag, sollte nicht vergessen werden, welchen Bereich die CompCoy abzudecken hat und welche Position diese Kompanie innerhalb der MNTF N (Multinationale Task Force North) einnimmt. Ohne Übertreibung kann gesagt werden, dass die Informationen der LOTs (Liaison and Observation Teams, auch "eyes, ears and smiles der MNTF N" genannt) essentiell bestimmend für das Handeln der gesamten Task Force N sind.
Gerade aus diesem Grund und wegen der Tatsache, dass die Kompanie direkt der Task Force unterstellt ist, wird deutlich, dass das Führen dieser Kompanie nicht mit dem einer Jägerkompanie vergleichbar ist. Wie im Namen Composite bereits enthalten, handelt es sich um eine "zusammengesetzte/gemischte Kompanie". Sie besteht aus VTs (Verification Teams) und LOTs. Das VT-Konzept ist nicht unbedingt eine Novität und hat den Zweck, sämtliche militärische Liegenschaften und Aktivitäten zu überprüfen. Das LOT-Konzept allerdings steckt noch in der Entwicklungsphase. Zweck dieses Konzeptes ist es, mit geringen Kräften größere Räume abzudecken und durch das Kontakt-Halten (liaison - Verbindung-Halten) zur Bevölkerung eventuelle Probleme frühest möglich zu erkennen (observation). So kann eine Eskalation jeglicher Art bereits vorzeitig entgegengewirkt werden. Dies bedeutet in der Praxis, dass die CompCoy mit ihren vierzehn LOT-Häusern ein Drittel von ganz Bosnien und Herzegowina abzudecken hat.
Aber nicht nur die Größe der "Area of Operation", sondern auch die Multinationalität innerhalb der Kompanie ist eine Herausforderung für alle Beteiligten. So müssen beispielsweise verschiedenen Niveaus an taktischer oder sprachlicher Ausbildung, über verschiedene Arbeitsweisen bis hin zu unterschiedlichen Urlaubsregelungen abgestimmt werden. Herauszufinden, welche Nation wie zu führen ist, bedarf viel Geduld und vor allem eines guten Fingerspitzengefühls. Manche Nationen sind an die Auftragstaktik perfekt gewöhnt, andere Nationen fühlen sich wiederum mit exakten Befehlen, die keinerlei Abweichung vom Ziel offenlassen, wohler. So wird das Umsetzen von Befehlen zu einem anfangs schwierigen Unterfangen, noch dazu in einem ungewohnten Befehlsschema mit der Arbeitssprache Englisch.
Die Sprache sollte unter keinen Umständen unterschätzt werden. Ziel der Ausbildung zu Hause muss es sein, aus der Arbeitssprache Englisch vielmehr eine Chance zur Interoperabilität zu machen. Wenn ein Kommandant aufgrund fehlender Sprachkenntnisse nicht fähig ist, Befehle zu empfangen, sprich umzusetzen, oder nicht in der Lage ist, in einem der täglichen Meetings seinen Standpunkt klarzulegen, ist er fehl am Platz. Die wichtigste sprachliche Fähigkeit ist, andere zu verstehen und sich verständlich zu machen. Das Wissen um sämtliche Abkürzungen und Fachausdrücke ist "nice to have", jedoch im täglichen Gebrauch im Einsatzraum relativ leicht zu erwerben.
Der moderne Offizier und Kommandant muss den Umgang mit neuester Technik bejahen und selbst schon Computerkenntnisse mit in den Einsatz bringen bzw. sich fehlender Grundbegriffe im Laufe der Vorbereitung aneignen. Gerade in der CompCoy funktioniert vieles über Internet oder Intranet; es wird nur noch mit USB-Sticks, und kaum mehr mit Papier gearbeitet. In Briefings oder Meetings wird fast ausnahmslos mit Powerpoint präsentiert.
Alles in allem ist die Führung der CompCoy ein sehr lehrreicher und abwechslungsreicher Auftrag. Mit dem bisher Erfahrenen und dem Wissen, dass es noch genügend zu lernen gibt, fühle ich mich mit der Entscheidung, ins Ausland zu gehen, bestätigt. Gerade in einer Zeit, in der Aspekte der Internationalität immer stärker gefordert werden, sind Auslandserfahrungen für Kommandanten unumgänglich.
Major Stefan Kirchebner