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Die Luftraumsicherung von Davos

Maßnahmen und Zusammenarbeit von Luftstreitkräften am Beispiel des Weltwirtschaftsforums

Kommende internationale Veranstaltungen wie Gipfeltreffen anlässlich Östereichs EU-Präsidentschaft 2006 oder die Fußball-Europameisterschaft 2008 sind auch in bzw. aus der Luft zu schützen. Das rückt die Luftraumsicherung mehr und mehr ins Zentrum des Aufgabenspektrums der Österreichischen Luftstreitkräfte. Doch schon bisher beteiligte sich Österreich am Schutz von Großveranstaltungen - in enger Zusammenarbeit mit der Schweiz.

Die österreichische Luftraumüberwachung hat ihre Fähigkeit zur Zusammenarbeit mit den Luftstreitkräften anderer Länder bereits mehrmals bewiesen. Dabei ging es um verschiedenste Aspekte des Zusammenwirkens, wie etwa um die Fähigkeit zum raschen Datenaustausch, um die gegenseitige Kenntnis und Anpassung der Betriebs- und Befehlsabläufe oder die Überwindung sprachlicher Barrieren. Dieser Beitrag zeigt - am Beispiel der Luftraumsicherung des Weltwirtschaftsforums in Davos (Schweiz) - mögliche Aufgaben Österreichs beim Schutz internationaler (Groß-)Veranstaltungen und behandelt Aspekte der Zusammenarbeit mit anderen Luftstreitkräften, im konkreten Fall mit der Schweizer Luftwaffe.

Das Weltwirtschaftsforum

Das Weltwirtschaftsforum (World Economic Forum - WEF) ist eine private Stiftung mit Sitz in Genf. Es hat den Status einer Non Governmental Organization (NGO) auf nicht gewinnorientierter Basis, die u. a. den Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen berät. Die Jahrestagung des Forums - meist in Davos - ist auch ein Treffen wirtschaftlicher, politischer und intellektueller Führungskräfte der modernen Gesellschaft (wie z. B. Kofi Annan, Tony Blair oder Michail Gorbatschow). Ein Ziel ist die weltweite Abstimmung und Optimierung wirtschaftlicher Aktionen. Die Schweiz als Veranstaltungsland nützt das jährliche Forum zur Pflege multilateraler Beziehungen und sieht darin Positives für die nationale Politik.

Bedrohungen aus der Luft

Bei internationalen Großveranstaltungen wie dem Weltwirtschaftsforum in Davos sind grundsätzlich zwei Bedrohungsarten aus der Luft möglich: die Bedrohung mittels bemannter und unbemannter Luftfahrzeuge.

Bemannte militärische Luftfahrzeuge wären für terroristische Zwecke naturgemäß am besten geeignet (Geschwindigkeit, Technik, Bordradar usw.). Weil sie aber von Terroristen nur sehr schwer beschafft werden können, ist ihr Einsatz zu solchen Zwecken von vornherein unwahrscheinlich. Auszuschließen ist er dennoch nicht, befinden sich doch auch in Europa mehrere ehemalige Militärflugzeuge in Privatbesitz (so verfügt z. B. die Firma Red Bull neben anderen älteren militärischen Luftfahrzeugen auch über zwei funktionsfähige "Alpha Jets"). Im Anlassfall könnten Luftfahrzeuge wie diese - durch Dritte - für terroristische Akte missbraucht werden.

Wesentlich wahrscheinlicher erscheint deshalb im konkreten Fall der Konferenz in Davos ein Selbstmordanschlag mit einem Zivilluftfahrzeug - unbenommen welcher Größe und Herkunft. Solange sich dieses - beispielsweise beim Anflug auf einen Zivilflugplatz - nach den Bestimmungen der International Civil Aviation Organization (ICAO) verhält, ist die feindliche Absicht des Piloten praktisch nicht erkennbar. Dies bedeutet, dass - zum Beispiel - erst nach einer Abweichung von der im Flugplan angegebenen Flugroute - die nicht durch die zivile Flugsicherung angeordnet wurde, die mögliche Bedrohung erkennbar wird. Berücksichtigt man nun den Verifikationsprozess, die Kette der Entscheidungsfindung für Gegenmaßnahmen sowie die Tatsache, dass etwaige Attentäter die Luftfahrtregeln erst so spät wie möglich verletzen werden, ist das Scheitern von Gegenmaßnahmen wahrscheinlich. Die Anschläge in den Vereinigten Staaten im Jahr 2001 haben die Luftstreitkräfte aller Staaten zwar hinsichtlich dieser Gefahren sensibilisiert, zu verhindern wären sie aber - aufgrund der zu erwartenden Zeithorizonte - wohl nur sehr schwer. Ein solcher Anschlag, obwohl er einiger Bemühungen bei der Vorbereitung und Durchführung bedarf, brächte den Attentätern darüber hinaus ein Maximum an medialer Aufmerksamkeit.

Moderne Luftstreitkräfte wie die Schweizer Luftwaffe begegnen dieser Bedrohung deshalb mit der Festlegung von Flugverbots- oder Flugbeschränkungszonen. In Verbindung mit bereits in der Luft befindlichen Combat Air Patrols (CAP), üblicherweise in der Stärke von zwei Abfangjägern, vermindern diese Flugverbots- oder Flugbeschränkungszonen die Reaktionszeit entscheidend und erhöhen den Aufwand für potenzielle Terroristen. Das Ausbleiben entsprechender Attentate seit dem 11. September 2001 spricht klar für diese Maßnahme.

Durch Flugverbots- oder Flugbeschränkungszonen gepaart mit Abfangjägern können demnach relativ große Verkehrsflugzeuge als Terrorplattformen praktisch ausgeschieden werden. Deshalb wird bei der Luftraumsicherung in Anlassfällen wie Davos für die Luftstreitkräfte die Abwehr von Kleinflugzeugen und Hubschraubern immer wichtiger. Diese sind ungleich schwieriger zu orten, zumal ein Pilot mit terroristischen Absichten möglichst tief anfliegen wird. Das vergrößert das Problem des Radarschattens, speziell in gebirgigen Gegenden. Ebenfalls erschwerend wirken die - im Vergleich zu zivilen Linienmaschinen - relativ kleinen Radarrückstrahlflächen (Radar Cross Sections - RCS) dieser Luftfahrzeuge.

Als Konsequenz finden sich auch zur Sicherung des Luftraumes um und über Davos kleine militärische Propellerflugzeuge, die ursprünglich als Trainer konzipiert waren (wie etwa die Pilatus PC-7), plötzlich in der Rolle eines Abfangjägers (Interceptors) für langsam fliegende Flugziele wieder.

So genannte Ultraleicht- oder Kleinstflugzeuge, Drachenflieger und Paragleiter sind, aufgrund ihrer geringen Größe und der verwendeten Materialien, durch Radar nur äußerst schwer zu orten. Sie können zwar keine großen Lasten (Sprengstoff) tragen, eignen sich jedoch sehr wohl als Plattform für bakteriologische oder chemische Kampfmittel. Für unbemannte Luftfahrzeuge (Unmanned Aerial Vehicles - UAVs, Drohnen, größere Modellflugzeuge u. Ä.) gilt Ähnliches wie für Kleinstflugzeuge: Auch sie haben nur eine geringe Zuladung und sind schwer erfassbar. Weil sie keine Person tragen müssen, sind sie aber noch kleiner, und ihre Erfassung mittels Radar ist deshalb fast unmöglich. Ihr Einsatz setzt relativ wenig Aufwand voraus, bakteriologische und chemische Bedrohungsaspekte dürfen ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden. Die Reichweite ist zwar durch die benötigte quasioptische Sicht zur Fernsteuerungseinheit (bei den einfachen, relativ billigen Modellen) sehr begrenzt, dies wird jedoch durch die nahezu unbegrenzten Startmöglichkeiten (z. B. eines größeren ferngesteuerten Modellhubschraubers) wettgemacht.

Gegen diese absolut realen Bedrohungen werden auch geeignete Abflug- und Absprungplätze sowie wahrscheinliche Annäherungsrouten zu potenziellen Terrorzielen verstärkt überwacht. Die Radarsensoren in den betroffenen Bereichen müssen deshalb durch Flugmeldetrupps mit entsprechenden optischen und elektronischen Hilfsmitteln (wie Nachtsichtgeräte, Laserentfernungsmesser u. Ä.) ergänzt werden.

Davos - Sicherheit am Boden …

Einer Veranstaltung von der Größe des Weltwirtschaftsforums liegt selbstverständlich ein umfassendes Sicherheitskonzept zugrunde:

- Alle Zufahrtswege nach Davos werden kontrolliert und Kontrollschleusen werden errichtet.

- Vor Ort stehen hunderte Polizisten aus allen Kantonen und dem Fürstentum Liechtenstein sowie ungefähr 4 700 Soldaten im Einsatz.

- Die Armeeangehörigen bewachen vor allem Gebäude. Für den Ordnungsdienst in Davos werden ehemalige Festungswächter eingesetzt. Die Kosten des Armeeeinsatzes belaufen sich jährlich auf 18 Millionen Schweizer Franken (ca. 11,6 Millionen Euro). Der Mehraufwand gegenüber den normalen Wiederholungskursen (Waffenübungen) wird auf eine Million Schweizer Franken (ca. 0,64 Millionen Euro) geschätzt.

- Das Risiko eines Terroranschlages oder eines gezielten Angriffs wird als gering eingeschätzt. Der "Dienst für Analyse und Prävention" beurteilt laufend die Lage.

- Für den Schutz der die Veranstaltung besuchenden Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder ist der Bund verantwortlich. Der Schweizer Bundessicherheitsdienst ordnet die erforderlichen Schutzmaßnahmen an und koordiniert deren Vollzug.

… und in der Luft

Die Nutzung des Luftraumes über Davos wird für die Veranstaltungsdauer eingeschränkt. Die Flugbeschränkungszone (Temporary Restricted Area - TRA) um Davos hat einen Radius von 46 Kilometern. Die Sperre des Luftraumes wird rund um die Uhr von mehreren Combat Air Patrols, üblicherweise mit je zwei Kampfflugzeugen, überwacht. An der Luftraumüberwachung beteiligen sich von Vorarlberg aus seit 2002 auch regelmäßig Soldaten des Österreichischen Bundesheeres.

Die Entscheidung über den eventuellen Abschuss eines Luftfahrzeuges liegt beim ressortzuständigen Schweizer Bundesrat. Dieser kann jedoch die Kompetenz an den Kommandanten der Schweizer Luftwaffe oder an den Leiter des Einsatzes delegieren.

Die Sicherung des Luftraumes über Davos hat zwei Aspekte: Einerseits ist der ausschließlich mit Hubschraubern stattfindende Flugverkehr von und nach Davos zu regeln. Andererseits ist aufgrund der Bedrohungsanalyse sicherzustellen, dass der Luftraum über Davos zur Wahrung der Lufthoheit überwacht wird und gegebenenfalls für luftpolizeiliche Maßnahmen Mittel eingesetzt werden können. Werden solche Maßnahmen nötig, erfolgen sie nach den internationalen Regeln und Vorgehensweisen.

Der Schweizer Bundesrat erlässt für die Sicherheit im Luftraum und zur Wahrung der Lufthoheit Einschränkungen für den Luftraum um und über Davos. Damit geht nach der "Verordnung über die Wahrung der Lufthoheit" die Verantwortung von der zivilen auf die militärische Behörde über. Die Größe der Sperrzone und die Regelung des Flugverkehrs innerhalb dieser Zone sind zwischen der Schweizer Luftwaffe und dem Bundesamt für Zivilluftfahrt abgesprochen. Zivile Verkehrsmaschinen dürfen die Sperrzone, sofern sie im Voraus angemeldet sind und identifiziert werden, weiterhin durchfliegen.

Die Schweizer Luftwaffe fokussiert ihre Luftraumüberwachung für den Zeitraum des Weltwirtschaftsforums auf die Ostschweiz und das angrenzende Ausland. Das Vorhaben gilt nach den Vorgaben der International Civil Aviation Organization als Luftpolizeidienst mit dem Ziel, unberechtigte Einflüge in Richtung Davos zu verhindern.

Neben Radarsensoren stehen als aktive Komponente zur Abfangjagd Strahl- und Propellerflugzeuge (F/A-18 "Hornet", Pilatus PC-7) zur Verfügung. Deren Ausrüstung und Bewaffnung befinden sich auf dem modernsten Stand der Technik. Neben Bordkanonen werden Luft-Luft-Lenkwaffen der Typen AIM-9 "Sidewinder" und AIM-120 AMRAAM mitgeführt.

Der Beitrag Österreichs

Nach einer Kontaktaufnahme der Schweiz mit Österreich (Ansuchen um militärische Unterstützung) wurde seitens des Österreichischen Bundesheeres die Verlegung einer mobilen Mittelbereichsradarstation auf den Hochberg bei Bregenz und eines Tieffliegererfassungsradar-Verbundes in den Raum Hohenems angeordnet. Beide Maßnahmen dienten der Erhöhung der Erfassungswahrscheinlichkeit in Westösterreich aber auch der Erweiterung bzw. Verdichtung der Radarerfassung in Richtung Süddeutschland und der Ostschweiz.

Zur Verbesserung des Luftlagebildes erfolgt ein elektronischer Datenaustausch zwischen der Schweiz und Österreich.

Der grenzüberschreitende Einsatz von Kampfflugzeugen (Abfangjägern) ist aus rechtlichen Gründen jedoch nicht vorgesehen. Jeder der beiden Staaten bleibt daher für die Sicherung seines Luftraumes nach wie vor selbst verantwortlich.

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Auf einen Blick

Die Luftraumsicherung ist ein eigenständiges Einsatzverfahren der Luftstreitkräfte zur Wahrung der Lufthoheit. Ihre Intensität ist niedriger als die der Luftabwehr. Die Wahrung der Lufthoheit erfordert bei jeder über das Normalmaß hinausgehenden Gefahr von Luftraumverletzungen (nicht nur durch Einflüge "von Außen") zusätzliche aktive und passive Maßnahmen der Luftraumüberwachung.

Die passive Luftraumüberwachung muss dabei bereits außerhalb des gefährdeten Luftraumes erfolgen. Sie umfasst unter anderem den lageangepassten Einsatz mobiler Radarsensoren zur Ergänzung der ortsfesten Radarstationen. Hauptziel ist die möglichst lückenlose Überwachung auch der niedrigen Flughöhen, was vor allem im gebirgigen Gelände große Probleme aufwirft.

Bei der aktiven Luftraumüberwachung sind die Einsatzmittel zur raschen Reaktion (Strahl- und Propellerflugzeuge) den jeweils zu erwartenden Bedrohungen anzupassen.

___________________________________ ___________________________________ Autor: Hauptmann Richard Sperling, Jahrgang 1968; Milizoffiziersausbildung 1986/87; Verwendung als Miliz- und ZS-Offizier u. a. als Kommandant eines schweren Jägerzuges und als Ausbildungsoffizier bei den Landwehrstammregimentern 81 und 82; danach Absolvierung der Theresianischen Militärakademie (Jahrgang Ritter von Trapp); Ausmusterung 1997 zum Radarbataillon der Luftraumüberwachung als Fernmeldezugskommandant einer mobilen Radarstation; 2001/02 Auslandseinsatz als S 6 und Fernmeldeoffizier bei AUSBATT/UNDOF; danach Radarausbildung in der Luftraumüberwachungszentrale; seit 2003 Kommandant der mobilen Radarstation 1 der Luftraumüberwachung.

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