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Im Mittelpunkt steht der Mensch: Psychologische Aspekte von Risikoentscheidungen im Flugbetrieb

Schiffsunglück an der Küste Kanadas - Tanker gestrandet und aus­ei­n­andergebrochen - Bergung der Besatzung wegen des hohen Seeganges nur aus der Luft möglich - Hubschrau­ber des Militärs im Einsatz.

Das sind die Informationen, die Ihnen zur Verfügung stehen, bevor Sie als Pilot eines Such- und Rettungshubschraubers zur Unfallstelle aufbrechen. Im Anflug auf das Wrack in Bodennähe stellen Sie fest, dass dieses im Nebel kaum erkennbar ist. Regen beeinträchtigt zusätzlich Ihre Sicht, starke Windböen erschweren den Anflug. Sie wissen, dass Sie unter diesen grenzwertigen Bedingungen Ihr Leben und das Ihrer Crew riskieren, aber auch, dass ein Abbruch des Auftrages den Tod mehrerer Seeleute bedeuten kann. Wie würden Sie entscheiden?

Militärpiloten müssen häufig unter ähnlich riskanten Bedingungen rasch die richtigen Entscheidungen treffen. In Österreich erfolgt dies zwar nicht - wie vor kurzem in Kanada - über dem Meer, sondern z. B. bei Such- und Bergeeinsätzen im alpinen Gelände, bei der Grenzüberwachung oder bei der Bergung von Lawinenopfern (in Galtür kamen u. a. noch die Gefährdung durch das schlechte Wetter und die hohe Aufmerksamkeit der Medien dazu).

Zwar müssen letztendlich die Piloten selbst diese Entscheidungen treffen, damit es aber nicht aus dem Bauch heraus geschieht, werden sie vor und nach dem Einsatz von Vorgesetzten, der Crew, dem Wetterdienst, den Flug­verkehrsleitern und Fliegerpsy­cho­logen unterstützt.

Erkenntnisse

Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse aus dem Fachbereich Psy­chologie sind in einer solchen Situation maßgeblich? Vorweg: Psychologische Hilfe ist nicht nur ein "auf der Couch liegen".

Die Hersteller von Luftfahrzeugen beschäftigen bereits ab der Planungs­phase der Fluggeräte verschiedenen Fachpsychologen, um gemeinsam mit der Technik ein möglichst ergonomisches Produkt zu entwickeln. Wahr­neh­mungspsychologische Erkenntnisse beeinflussen das Design der Cock­pitarmaturen, die ergonomische Plat­­zierung und Gestaltung der Instrumente und erleichtern eine rasche Orientierung, aber auch ein richtiges Reagieren sowie Bedienen der Steu­er­elemente. Mehr und detailliertere Informationen stehen somit rascher zur Verfügung, ohne den Anwender zu überfordern. Technische Entwicklungen sollen, an Fähigkeiten und Bedürfnissen angepasst, den Menschen unterstützen, aber seine Handlungsfreiheit nicht zu sehr einschränken.

Die Kenntnis allgemeiner lernpsychologischer Grundlagen verhindert Fehlreaktionen der Piloten auf­grund von Wahrnehmungstäu­schun­gen und räumlicher Desorien­tie­rung, wie z. B. im starken Schneetreiben beim Einsatz in Galtür. Die Piloten können Leistungs- und Einsatzgren­zen rechtzeitig erkennen und somit Gefahrenpotenziale ausschalten.

Die Sozialpsychologie wiederum kann Einflüsse bestimmter Situationen und Bedingungen auf Ent­schei­dungsprozesse oder das Ver­­halten beschreiben. Da geht es z. B. um die Einschätzung der eigenen Verantwortlichkeit (Zeitdruck? Bin ich einziger Helfer? Mediale Aufmerksamkeit?) aber auch um das Ausmaß der Hilfs­be­reitschaft (Kenne ich Betroffene?) etc. Diese Informationen sind auch für Vorgesetzte bei der Auftragserteilung und Einteilung der Piloten wesentlich, da dadurch viel Druck von den Ausführenden genommen wird und somit bereits vor einem Einsatz das Risikopotenzial minimiert wird.

Die Praxis

Dass vier Augen mehr sehen als zwei, ist sprichwörtlich. Dass mehrere Menschen Probleme meist rascher und sicherer lösen können als der Einzelne, ist auch bekannt. Daher wurden zur Unterstützung und Entlastung der Piloten Zweimanncockpits entwickelt. Diese Verteilung der Belastung und Verantwortung kann aber auch höhere Risikobereitschaft bewirken oder durch Kommunikations- und Ab­stim­mungs­schwie­rigkeiten neue Probleme schaffen, was durch den Einsatz grup­pen­psy­cho­lo­gischer Programme ver­hindert werden soll.

Vielleicht haben Sie selbst schon bemerkt, wie Ihre Leistungs- und Ent­scheidungsfähigkeit nach längerer Belastung oder unter Stress nachlässt. Dem kann durch Maßnahmen der Ge­sundheitspsychologie vorgebeugt wer­den. Sie helfen präventiv (körperliche und geistige Fitness, Ernährung, Circadiane Rhythmik - Verschiebung der inneren Uhr, z. B. Jet Lag) Stress zu verhindern. Durch gezielte Trainings­programme wird der richtige Umgang mit Belastungssituationen vermittelt (Entspannungstechniken und -mög­lichkeiten, Pausengestaltung etc.) und die Regeneration gefördert.

Und wo bleibt die Couch?

Nach positiv erledigtem Einsatz landen Piloten dann doch noch - zu einer umfassenden Nachbesprechung unter Berücksichtigung aller angeführten Punkte - bei uns Fliegerpsychologen "auf der Couch". Ganz ohne die geht es anscheinend doch nicht.

Mag. Christian Czihak

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