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"Du, Herr Hauptmann, …"

Das Offiziers-Du in der Österreichisch-Ungarischen Armee und heute

Das "Du" unter Offizieren im Österreichischen Bundesheer ist eine Eigenheit, deren Wurzeln in die Landsknechtzeit zurückreichen. In der österreichisch-ungarischen Armee war das gegenseitige Duzen üblich und dokumentierte die Kameradschaft im Offizierskorps. Es gab aber Regeln des Anstandes, die dabei zu beachten waren.

Personen der bewaffneten Macht Österreich-Ungarns waren dem Range nach in zwei Hauptgruppen eingeteilt: in so genannte Gagisten und in Personen des Mannschaftsstandes. Gagisten bezogen ein Jahresgehalt (Gage), Personen des Mannschaftsstandes erhielten hingegen eine tageweise bemessene Gebühr (Lohn).

Die Gagisten gliederten sich ihren Dienstverhältnissen nach in sechs Standesgruppen:

- Offiziere des Soldatenstandes (Generäle, Stabs- und Oberoffiziere); - Militärgeistliche; - Auditore (Militärjuristen); - Militärärzte; - Truppen-Rechnungsführer (Verwaltungsoffiziere); - Höhere Militärbeamte.

Jede dieser Standesgruppen bildete de facto ein eigenes Offizierskorps.

Bei den Personen des Mannschaftsstandes unterschied man Chargen (nicht gleichbedeutend mit dem heutigen Begriff - auch alle Unteroffiziersränge zählten damals zu den Chargen) und Soldaten ohne Chargengrad. Das Unteroffizierskorps ergänzte sich durch die Beförderung von geeigneten Gefreiten zum Korporal (Unterjäger). In weiterer Folge konnten diese zum Zugsführer und letztlich zum Feldwebel (Oberjäger, Wachtmeister, Feuerwerker) befördert werden. Das Beförderungsrecht stand allen Truppenkommandanten zu. War in einem Verband der normierte Präsenzstand an Chargen bereits erreicht, konnten der Gefreitendienstgrad und die Unteroffiziersdienstgrade auch nur "titular" (also ohne entsprechende Bezahlung) verliehen werden.

Der Offizier war Träger und Sachwalter einer der wichtigsten Angelegenheiten Österreich-Ungarns: der Verteidigung der Monarchie gegen äußere und innere Feinde. Er musste neben Deutsch als "Dienstsprache" auch andere Sprachen beherrschen. Waren in einem Truppenkörper mehrere Nationalitäten vertreten, bestimmte das Reichs-Kriegsministerium mit Rücksicht auf deren jeweiligen Prozentsatz, welche Sprache als "Regimentssprache" galt. Jeder Offizier des Regimentes hatte diese Sprache innerhalb von drei Jahren so weit zu erlernen, dass er in ihr auch Unterrichte halten konnte. In den Offizierskasinos - als gesellschaftliche Zentren jeder Garnison - trafen einander regelmäßig und in ungezwungener Umgebung Offiziere, Militärärzte, höhere Militärbeamte des Aktiv- und Ruhestandes sowie Offiziere der Reserve.

Am Beispiel einer Kompanie

Nach den organisatorischen Bestimmungen für die k. u. k. Infanterie verfügte 1895 eine Jägerkompanie über folgende Friedensstärke:

- ein Hauptmann; - drei Subalternoffiziere (Oberleutnant, Leutnant); - ein Kadett-Offiziersstellvertreter; - ein Oberjäger (Feldwebel); - ein Rechnungs-Unteroffizier; - zwei Zugsführer; - sechs Unterjäger (Korporale); - sechs Gefreite; - 70 Soldaten ohne Chargengrad; - zwei Kompanie-Hornisten; - vier Offiziersdiener.

Insgesamt hatte damit die Jägerkompanie eine Friedensstärke von vier Offizieren (nur diese waren Gagisten) und 93 Angehörigen des Mannschaftsstandes.

Die Entstehung des Offiziers-Du

Die Entstehung und Verwendung des "Du" in der österreichisch-ungarischen Armee wird im Buch "Die Heere und Flotten der Gegenwart, Österreich-Ungarn" (Herausgeber Generalmajor a. D. Constantin von Zepelin, Verlag A. Schall, Berlin 1898) beschrieben. Daraus ein Auszug:

Wann und wie ist das brüderliche "Du" entstanden? Keine Überlieferung nennt Zeit, Ursache oder Gelegenheit. Es war und ist da und wir freuen uns über diese viel bekrittelte Eigenheit der österreichisch-ungarischen Armee.

Die ersten Spuren gegenseitigen Duzens reichen auf die Landsknechtzeit zurück, wo sich die Kriegskameraden wechselweise mit "Du, Lanz!" anzureden pflegten. Jahrelang gemeinsam ertragene Gefahren auf Heerzügen und in Schlachten boten nicht weniger Veranlassung zur Verbrüderung wie fröhliches Beisammensein bei Wein und Würfelspiel im Zeltlager oder im Winterquartier. Warum dieser Brauch auch nicht in anderen Armeen, die ja zum großen Teil nicht minder im Landsknechttum wurzeln, eingeführt wurde, mag in der Verschiedenheit der Volkscharaktere liegen. Auf der einen Seite der zurückhaltende Norddeutsche im Gegensatz zum offenen Süddeutschen und auf der anderen Seite der Slawe, der in seinen verschiedenen Mundarten überhaupt kein "Sie" kennt (was nur bedingt zutrifft - die Höflichkeitsanrede ist z. B. im Tschechischen zwar nicht das "Sie", dafür aber das "Ihr", also die 2. anstelle der 3. Person Plural; Anm.) und der Magyar (Ungar) der mit Vorliebe das "Du" verwendet.

Beim erstmaligen Hören dieser Anredeform wird sie den Angehörigen einer fremden Armee etwas eigenartig vorkommen; im Laufe der Zeit aber gefällt sie, schon ihrer Originalität wegen. Tatsächlich haben sich unter anderem in den ehemaligen Bundesgarnisonen die preußischen und noch öfters die bayrischen Offiziere beim Gespräch mit ihren österreichischen Kameraden des gemütlichen Du-Wortes häufig und gern bedient.

In Österreich-Ungarns Armee duzen sich in erster Linie alle auf der gleichen Rangstufe befindlichen Offiziere, was auch bleibt, wenn der eine oder andere in der Zwischenzeit einen höheren Dienstgrad erreicht hat. So also die Leutnants und Oberleutnants, die älteren Oberleutnants mit den Hauptleuten (Rittmeistern), die jüngeren Leutnants mit den Kadetten. Die Oberstleutnants und Majore ihrerseits bilden gleichfalls eine Duzgemeinschaft, woran manchmal auch die älteren Hauptleute dazugehören. Das Gleiche gilt für die Generalität innerhalb jeder Ranggruppe, wobei nur jene sich der vertraulichen Ausspracheform enthalten, die wie auch bei den übrigen Offizieren durch ihre Abkunft aus Regentenhäusern oder durch besonders hohen Rang von vornherein eine isolierte Stellung gegenüber der großen Armeegemeinde einnehmen. Militärgeistliche, Ärzte, höhere Beamte folgen in ihrer Standesgruppe dieser Gepflogenheit. Dagegen besteht zwischen ihnen und den Berufsoffizieren hiefür keinerlei bindende Regel.

Für alle Fälle übrigens gilt als vom Anstand diktiertes Gesetz, dass der im Range Niedere bei erstmaliger Begegnung bescheiden abwartet, welche Anrede der Höhere für gut befindet.

Nirgends finden sich über das Duzen, das in der oben beschriebenen Art sowohl im eigenen Truppenkörper als auch gegenüber den Kameraden fremder Waffen, der Reserve und des Ruhestandes gepflegt wird, genaue Bestimmungen. Die Zeit allein hat den Brauch geheiligt. Um ein Übergreifen in die dienstliche Sprache hintanzuhalten, wird zum ersten Mal in der Neuauflage des Dienstregelments vom Jahre 1873 § 15, Punkt 93, Absatz 3 die Bestimmung erlassen, dass "in welchem persönlichen Verhältnisse der Untergebene (Niederere) zu seinem Vorgesetzten (Höheren) auch stehen mag, er sich im Dienste keiner anderen als der vorgeschriebenen Anspracheformen und des Wortes Sie bedienen darf". Diese Vorschrift beruht natürlich auf Gegenseitigkeit.

Wie jedes Ding hat auch das Du-Sagen in der Armee seine Gegner, und es schien tatsächlich, dass die 1868 durch das neue Wehrgesetz geschaffene Einrichtung der Reserveoffiziere und nicht aktiven Landwehroffiziere in diese altösterreichische Gepflogenheit ein Loch reißen werde. Aber diese meist aus guten Häusern kommenden jüngeren Leute fügten sich hervorragend in den Rahmen ihrer Kameraden ein, sodass diese kein Problem sahen, ihnen bei gleichen Pflichten auch die entsprechenden Rechte zuzugestehen. Weder Dienst, Disziplin noch Ansehen der Berufsoffiziere haben bisher darunter gelitten. Alles in allem: Das Du-Wort, das kaum jemals Schaden, dagegen manchen kleinen Nutzen gebracht hat, wird sich wohl auch nie verdrängen lassen, sondern als altererbte Überlieferung so lange bestehen, als überhaupt das bewährte Band guter Kameradschaft Österreich-Ungarns Heer in treuer Waffenbrüderschaft verbindet. (Ende des Auszuges; Anm.)

Das Du-Wort im Österreichischen Bundesheer

Auch im Österreichischen Bundesheer der Zweiten Republik ist das Du-Wort geregelt. Nach den Allgemeinen Dienstvorschriften § 8 (5) gilt: Die Soldaten haben bei der dienstlichen Anrede das "Sie" zu gebrauchen. Soldaten gleichen Dienstgrades, die zueinander in einem Befehlsverhältnis stehen, sowie Soldaten verschiedener Dienstgrade haben einander bei der dienstlichen Anrede mit "Herr" oder "Frau" und Dienstgrad anzusprechen; die Beifügung des Familiennamens ist zulässig. …" Die Verhaltensregeln für Soldaten (Neufassung, Erlass vom 22. November 1999, GZ 35 000/77-3.7/99, siehe Verlautbarungsblatt I vom 17. März 2000) besagen darüber hinaus ganz klar: Außer bei formalen dienstlichen Anlässen ist innerhalb des Kaderpersonals aufgrund traditioneller und individueller Gepflogenheiten bei gegenseitigem Einverständnis die Verwendung des kameradschaftlichen "Du" möglich.

Im Sinne eines guten Betriebsklimas haben jedoch alle Soldaten ihren Umgangston und jede sonstige Art der dienstlichen Kommunikation auf die Achtung der Würde des Menschen sowie auf die Höflichkeit und Korrektheit in den Umgangsformen und der Ausdrucksweise auszurichten. Sachlich unbegründetes Schreien, Kraftausdrücke, sexistische, herabsetzende und beleidigende Äußerungen sowie die Unsitte des einseitigen "Du" sind daher verboten.

Das "Du" unter den Offizieren hat jedenfalls die österreichisch-ungarische Armee überdauert und wird im Österreichischen Bundesheer weiterhin gepflogen. Künftig werden immer mehr Frauen Offiziersfunktionen im Österreichischen Bundesheer übernehmen. Das Du-Wort wird dabei sicher hinterfragt werden und Stoff für Diskussionen bieten. Aber auch das wird das österreichische Offizierskorps mit Souveränität und Charme bewältigen.

___________________________________ ___________________________________ Autor: Oberst i.R. Kurt Gärtner, Jahrgang 1943. Nach der Offiziersausbildung Verwendungen als Ausbildungsoffizier, Batteriekommandant und in Stabsfunktionen. 1984 bis 1990 Kommandant des Fliegerabwehrbataillons 13; ab 1990 in einer Stabsfunktion beim Fliegerregiment 3 eingeteilt und seit 2003 im Ruhestand.

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