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Ein Soldat erlebt Königgrätz

Aus dem Tagebuch von Clemens von Gadolla

Clemens von Gadolla (* 1847 in Thurn bei Cilli, damals Gymnasiast in Graz) trat am 18. Mai 1866 als Kadett in das 3. Linien-Infanterieregiment "Erzherzog Karl" ein. Bereits am 21. Mai verlegte das Regiment per Bahn nach Brünn und daraufhin im Fußmarsch nach Menitz bei Austerlitz. Dort erfolgte eine erste militärische Ausbildung. Am 18. Juni traf das Regiment, von Menitz kommend, nach sieben Tagesmärschen in der Nähe von Trautenau ein ...

Trautenau

"Am 27. Juni um 5 Uhr früh wurden wir alarmiert. Vor dem Abmarsch spielte die Kapelle Körners ‚Gebet‘; ("Gebet während der Schlacht" von Karl Theodor Körner 1791 - 1813; Anm. d. Red.) wir hörten die ersten Kanonenschüsse, ferne, dumpf; eine ungemein feierliche Stimmung bemächtigte sich aller, der Morgen war prachtvoll, gegen Mittag wurde es jedoch unerträglich heiß. Durch Anstrengung, Hitze, Staub entkräftet, fielen viele auf der Straße zusammen und konnten trotz aller Drohungen und Strafen nicht bewogen werden, fortzumarschieren. (Daneben eine mit Bleistift geschriebene Anmerkung: 25 Tote, 156 verwundet, 74 vermisst, Summe: 255) Diese machten auf mich den unangenehmsten Eindruck, denn, die Anstrengungen nicht gewöhnt, konnte ich wissen, ob mir nicht auch solches geschehe? Erschöpfung und Durst waren bei mir schon auf das Höchste gestiegen, da brachte mir ein Mann meines Zuges eine Feldflasche voll Wasser. Um 2 Uhr (nach Mittag; Anm. d. Red.) machten wir auf einer Wiese ‚Halt‘, legten die Tornister ab und marschierten im Schnellschritt über eine vor uns liegende Anhöhe. Von hier aus sahen wir in noch ziemlich großer Entfernung heftige Rauchwolken - es war der Pulverdampf, der ein Schlachtfeld bei ruhigem Wetter so weit sichtbar macht. Auf der Straße fuhren unzählige Munitionswagen, Geschütze etc. zum Schlachtfelde, von demselben wurden die Verwundeten transportiert. Um 3 Uhr nach Mittag langten wir am Fuße des Johannesberges an; hier wurden uns einige Minuten Rast gegönnt. Ein Bach fließt von der bewaldeten Anhöhe herunter, begierig tranken wir das ziemlich warme Wasser, obwohl es durch Blut und Staub ganz trüb war.

Herr Oberst Pehm hielt eine kurze Ansprache, in der er uns ermahnte, tapfer zu sein und den Feind so schnell als möglich mit dem Bajonette anzugreifen, um ihm nicht zu lange von seiner überlegenen Feuerwaffe - dem Zündnadelgewehr - Gebrauch machen zu lassen, wir hatten nämlich noch Vorderladergewehre.

Sodann kommandierte er ‚Auf‘ und mit ‚Hurra‘ stürmten wir im Laufschritte gegen die bewaldete Höhe des Johannesberges. (Daneben eine mit Bleistift geschriebene Anmerkung: Brigade Knebel, X. Armeekorps unter Gablenz) Aber die Preußen gaben aus ihrer gedeckten Stellung auf uns ein mörderisches Schnellfeuer ab. Im Zeitraume von wenigen Minuten verloren wir cirka 300 Mann. Unser Oberst fiel von sieben, der Oberstleutnant von fünf Kugeln durchbohrt vom Pferde. Aber nichts vermochte uns aufzuhalten, wir erstürmten die bewaldete Kuppe, die Stadt und verfolgten den Feind eine halbe Meile weit. Die Stadt hatte furchtbar gelitten, auch wurden einige Bewohner der Stadt getötet. Trautenau wurde nämlich nicht von den Bewohnern verlassen. Hier machten wir mehrere Gefangene.

Unterdessen war die Nacht hereingebrochen und machte der Verfolgung ein Ende. Wir campierten auf der nördlich von Trautenau gelegenen Anhöhe. Mit ungeheuerem Jubel wurden die uns zugeteilten Windischgrätz-Dragoner Nr. 14 empfangen. Wir wurden von den Bewohnern Trautenaus möglichst gut mit Proviant versehen. Kaffee fanden wir in den Tornistern der toten Preußen.

Am 28. Juni früh wurden wir durch Kanonendonner aus dem Schlafe geweckt. Es wurde das Gefecht vor Neu Rognitz und Rudersdorf geliefert. Bei diesem Gefecht waren wir jedoch nur sehr wenig tätig, einige Hohlgeschosse (Sprenggeschosse gegen Infanterie und Kavallerie, zum Unterschied zu den damals noch verwendeten Vollgeschossen ohne Sprengladung; Anm. d. Red.) die sich zu uns verirrten und von unserer Artillerie erwidert wurden, bildeten den ganzen Anteil an dem Gefechte. Da die nun folgenden Gefechte ungünstig ausfielen, so zogen wir uns westlich zurück. Alle Orte waren verlassen, alles flüchtete aus Furcht vor dem Feinde. Die Armee konzentrierte sich bei Königgrätz." (Daneben eine mit Bleistift geschriebene Anmerkung: 11 Tote, 59 verwundet, 40 vermisst, Summe: 110)

Königgrätz, 3. Juli 1866

"Am 3. Juli wurden wir um 4 Uhr alarmiert. Zwei Kompanien, bei denen ich eingeteilt war, stellten sich hinter einem Dorfe zwischen Josefsstadt und Königgrätz auf, hinter uns die Batterie. Um 6 Uhr früh fingen die Preußen an, uns mit Hohlgeschossen zu beschießen. Unsere Batterie erwiderte das Feuer - musste aber bald, da sich der Feind gut eingeschossen hatte, die Stellung wechseln. Viele Granaten sausten über uns hinweg, einzelne zersprangen ganz nahe vor uns, Sand und Erde auf uns schleudernd.

Wir standen in einem Hohlwege eng gedrängt, glücklicherweise schlug keine Direkte in uns ein. Die Artillerie hatte große Verluste zu beklagen. Das Wetter wurde immer trüber, es fing etwas zu regnen an. Um uns zu vertreiben, setzte der Feind das Dorf in Brand. Nun zogen wir uns auf eine ungefähr eine Viertelmeile entfernte Anhöhe zurück. Von hier aus hatten wir eine herrliche Übersicht über das ganze Schlachtfeld und verblieben dort, nur von einzelnen Granaten beschossen, bis zirka 3 Uhr nach Mittag. (daneben eine mit Bleistift geschriebene Anmerkung: 6 Tote, 31 verwundet, 133 vermisst; im Tagebuch ist auch eine Totalsumme von 1 866 angemerkt, anscheinend die Summe der Verluste dieser beiden Kompanien: 42 Tote, 246 verwundet, 247 vermisst, Total 535.) Um diese Zeit rückten die Preußen, vom Kronprinz (der preußischen Kronprinzenarmee; Anm. d. Red.) unterstützt, auf der ganzen Linie vor. Wir mussten uns also, von denselben mit heftigem Gewehrfeuer verfolgt, möglichst schnell gegen Königgrätz zurückziehen. Ich hatte mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen; kaum 19 Jahre alt, an keine Strapazen gewöhnt, blieb ich immer zurück, bis mich die pfeifenden Kugeln belehrten, dass hier mein Platz nicht sei. Eine stumpfe Apathie bemächtigte sich schon meiner, ich gab schon die Hoffnung auf, den Fliehenden nachzukommen, da zeigte sich meinen erstaunten Blicken ganz nahe die in Verteidigungszustande gesetzte Festung Königgrätz; aber noch war wenig gewonnen, denn die Wege waren verrammelt und Verhaue aufgestellt.

Als wir zur Festung kamen, wurde oben das Tor geschlossen und wir mussten also mehrmals über die Palisaden klettern, die bereits teilweise gefüllten Wassergräben durchschreiten und da die Brücke über die Elbe so überfüllt war, dass viele in den Fluss gedrängt, niedergeführt oder zertreten wurden, mussten wir uns entschließen, die Elbe zu durchschreiten. Hiebei warfen die meisten Soldaten ihre Gewehre, Seitenwaffen und Tornister etc. weg und es kam die furchtbarste Unordnung in die ganze Armee. Man sah fast nirgends etwas von einem Regimente beisammen, Infanteristen, Kavalleristen ohne Pferde, Artilleristen, Marketender - alles im wildesten Chaos. Erst den zweiten und dritten Tag fanden sich die Abteilungen wenigstens teilweise dadurch zusammen, dass die Fahnen der einzelnen Regimenter längs der Hauptstrasse aufgepflanzt wurden und sich jeder, dem es möglich war, zu seiner Fahne begab. Ich hatte am 3. Juli abends vier Mann gesammelt und traf einen Führer, der drei Mann beisammen hatte. Wären wir gleich dort vom Feinde - besonders durch Kavallerie - energisch verfolgt worden, so wäre an Widerstand gar nicht zu denken gewesen.

Von hier aus zogen wir uns mit ungeheueren Anstrengungen in Gewaltmärschen südlich gegen Brisau zurück. Wir hatten fortwährend schlechtes Wetter. Lebensmittel erhielten wir auch fast keine. Die Bewohner aller Orte waren geflohen, alles war aufgezehrt, nur Fleisch war hinlänglich vorhanden, aber es blieb keine Zeit zum Kochen. Kaum war das Wasser in unseren Kochkesseln warm, brachen wir auch schon wieder auf und viele aßen das Fleisch roh. In dieser Zeit wurde ich zum Vize-Korporal befördert (nach weniger als zwei Monaten Gesamtdienstzeit! Anm. d. Red.).

Bei Brisau bezogen wir ganz erschöpft ein Lager auf einer sumpfigen Wiese, es regnete die ganze Nacht und es war - obwohl Juli - sehr kalt. Nach Mitternacht wurde plötzlich Alarm geblasen, es fielen mehrere Kanonenschüsse, allgemein panischer Schrecken - aber es war nur eine vom Feinde veranlasste Alarmierung, um uns nicht ausruhen zu lassen (der Begriff Störfeuer war dem Schreiber damals noch nicht geläufig; Anm. d. Red.).

Von hier aus wurden wir mittels Eisenbahn nach Floridsdorf befördert und in die Schanzen von Jedlesee eingeteilt. Wir brachten hier einige Wochen in Baracken zu. Da der Feind so nahe war, dass wir seine Lagerfeuer sehen konnten, war ein sehr fleißiger Patrouillendienst nötig und ich ging fast jede Nacht auf Patrouille. Vom Hause (von zuhause; Anm. d. Red.) hatte ich schon lange keine Nachricht erhalten, aber ich erfuhr von einem Artilleriekadetten, dass mein Bruder Franz sich habe zur Artillerie assentieren (anwerben; Anm. d. Red.) lassen und in Wiener Neustadt liege, und wir vereinbarten ein Treffen in Wien. Bald darauf wurden wir von Jedlesee nach Erdberg verlegt und in einem Zelte einquartiert. Von hier aus fuhr ich nach Graz auf einen achttägigen Urlaub. Ich hatte mich so verändert, dass mich selbst meine Mutter nicht gleich erkannte ..." ___________________________________ ___________________________________ Der Verfasser, Clemens Ritter von Gadolla schlug danach die Offizierslaufbahn ein und brachte es bis zum Rittmeister (entspricht dem Dienstgrad Hauptmann). Sein Sohn, Josef von Gadolla, wurde ebenfalls Offizier. Er sollte unter dem Opfer seines eigenen Lebens in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges die Stadt Gotha vor der Vernichtung durch amerikanische Bomber bewahren (siehe TD Heft 2/2001, "Damit Gotha leben kann, muss ich sterben.").

Oberst i. R. Ehrlich und seine Mitarbeiter stießen im Zuge der Nachforschungen über Josef von Gadolla beim Studium von Familiendokumenten auf das - in Kurrentschrift abgefasste - Tagebuch seines Vaters, aus dem hervorging, dass dieser als Kriegsfreiwilliger die Schlacht bei Königgrätz miterlebt hatte. Vizeleutnant dtD i. R. Walter Können hat die Abschnitte, die diese Zeit betreffen, für TRUPPENDIENST übertragen.

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