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Taktische Lehren aus der Operation "IRAQI FREEDOM"

Einsatz von Panzern im verbauten Gebiet

Kritiker betrachteten bereits im Vorfeld der Operation "IRAQI FREEDOM" den Einsatz von Kampfpanzern als völlig ungeeignet für den urbanen Kampf in den Ballungsgebieten um Bagdad. Als dann im Morgengrauen des 5. April 2003 die US-Panzerkampfgruppe 2 als Vorhut der 3rd Infantry Division (Mechanized) in die Straßen von Bagdad rollte, zeigte sich wieder einmal, dass der Einsatz von Panzern im Kampf der verbundenen Waffen, auch im Ortskampf, unverzichtbar bleibt.

Was wurde nicht alles befürchtet: Die schweren Kampfpanzer M-1 "Abrams" würden die Brücken über den Tigris zum Einsturz bringen und die Panzer würden ohnehin in den schmalen Gassen der Bagdader Innenstadt von Nahkampftrupps abgeschossen werden. Andere wiesen darauf hin, dass Israel im Februar 2002 drei seiner "Merkava" Mk.3 unter ähnlichen Umständen in Gaza durch palästinensische Guerillas verloren hatte ...

As Samawah

Am 24. März 2003 stieß die Kampfgruppe 3-7 Cavalry auf der Hauptstraße "Appaloosa", die parallel zum Euphrat verläuft, südlich der Stadt An Najaf auf die erste irakische Stellung.

Die Vorhut war so schnell vorgestoßen, dass sie außer der Funkreichweite der Kampfgruppe war. Nur das Satellitenkommunikationsgerät funktionierte noch, allerdings nur im E-Mail-Modus. Dazu kam noch ein Sandsturm, der die Sicht beinahe auf Null reduzierte.

Um 2100 Uhr, als sich die Kompanie "Garret" vorsichtig dem Dorf As Samawah näherte, gerieten die Panzer unter schweres Feuer aus einer gut getarnten Stellung neben der Moschee. Die zahlreichen Treffer der Panzerabwehrwaffen zeigten aufgrund der Panzerung der "Abrams" kaum Wirkung. Die Anforderung von Artillerieunterstützung wäre kaum sinnvoll gewesen, da die Distanz zwischen den Kräften sehr gering war und damit eine zu große Gefährdung der eigenen Soldaten gegeben gewesen wäre. Darüber hinaus ging in der Folge die größte Gefahr von den sich in der Dunkelheit annähernden irakischen Panzernahkampftrupps aus.

Im Dorf waren nur begrenzte Bewegungsmöglichkeiten gegeben, im Prinzip nur entlang der Hauptstraße. Als eine zweite Gruppe von Panzern nachgezogen werden sollte, brach tatsächlich ein M-1 ein, als er eine Kanalbrücke passieren wollte. Der Kommandant der Kampfgruppe befahl daraufhin, andere Möglichkeiten zu erkunden, um den Kanal zu überqueren. Jene Teile, die sich auf der anderen Seite das Kanals befanden, wurden während der ganzen Nacht von feindlichen Trupps angegriffen. Die Besatzungen verteidigten sich mit den Bordwaffen und erlitten keine Verluste.

Fasiliyah

Nach Sonnenaufgang sammelte sich die Kampfgruppe und stieß weiter in Richtung Bagdad vor. Nicht weniger als neun feindliche Hinterhalte mussten niedergekämpft werden, bis der Ort Fasiliyah genommen werden konnte. Die Truppe bezeichnete die Straße von Najaf nach Fasiliyah danach nur noch als "Ambush Alley" (Hinterhalt-Allee).

Erstaunlich war, dass kein Panzer der Kampfgruppe von den feindlichen Geschossen durchschlagen wurde und auch keine personellen Verluste zu beklagen waren.

Die Panzerwaffe bei der Operation "IRAQI FREEDOM"

Große Panzergefechte fanden während dieser Operation nicht statt. Nur vereinzelt kam es zu Duellen Panzer gegen Panzer. In diesen bewährten sich der Kampfpanzer M-1 "Abrams" und der Schützenpanzer "Bradley" hervorragend. Sie behielten gegen die irakischen T-72M meist die Oberhand. Die amerikanische 120-mm-Panzerkanone M-256 des M-1A1 erwies sich der russischen 125-mm-Kanone 2A46 des T-72M als überlegen. Auch bei der Zielauffassung übertraf der M-1 den T-72. Der M-1 hatte bereits auf 3 000 m Entfernung eine sehr hohe Ersttrefferwahrscheinlichkeit, während der T-72 auf eine Schussentfernung von 2 500 m eine erkleckliche Zahl seiner Ziele verfehlte. Aus der Bewegung trafen die Panzer russischer Herkunft wegen der relativ leistungsschwachen Bordrechner nur selten bewegliche Ziele.

Zu all dem kommt noch, dass die russische APDSFS-Munition (Armor Piercing, Discarding Sabot, Fin Stabilized) eine sehr flache Flugbahn beschreibt, was dazu führt, dass das Geschoss schon nach 1 000 m instabil wird. Den russischen Munitionsfachleuten ist dieser Nachteil bekannt und es wurde versucht, dieses Problem durch die so genannte "gun-launched Anti-tank-missile-Technology" (rohrverschießbare PAL) zu lösen.

Logistik

Eine der größten Herausforderungen des Panzereinsatzes bei "IRAQI FREEDOM" war das Offenhalten der langen und permanent gefährdeten Versorgungsachsen. Der Kampfpanzer M-1 mit seiner 1 500-HP-Gasturbine (etwa 1 120 kW) ist bekannt für seinen notorischen Kraftstoffdurst. Das hatte bereits im Golf-Krieg von 1991 zu schwerwiegenden Versorgungsproblemen geführt. Eine Lösung dafür soll beim US-Verteidigungsministerium bereits ausgearbeitet sein, wie diese jedoch aussieht, darüber können derzeit keine Aussagen getätigt werden.

Bedrohungen

Als äußerst gefährlich für die Panzertruppe - besonders in den ersten Monaten nach der offiziellen Beendigung der Kampfhandlungen - stellte sich der Einsatz der Panzerabwehrwaffen RPG und das Verminen von Straßen heraus.

Nach offiziellen Aussagen der US Army im Mai 2003 "wurden keine M-1 während der Operation durch Feindeinwirkung zerstört". Zwar wurde später zugegeben, dass doch einige Panzer durch schwere Beschädigung ausgefallen waren; diese wurden jedoch von den eigenen Truppen zerstört, um nicht für den Gegner nutzbar zu sein. Bilder von zerstörten US-Panzern wurden zwar veröffentlicht, jedoch meistens ohne detaillierte Beschreibung der Ursachen.

Die irakische "Panzerknacker"-Taktik hatte sich in den kritischen Kampfhandlungen um Najaf bewährt. Dort wurden durch RPG-7 die ersten M-1A1 der 7th US Cavalry abgeschossen. Es handelte sich um so genannte "mobility kill"-Abschüsse, bei denen das Fahrzeug ausfiel, die Besatzung jedoch unverletzt blieb. Die Lenkwaffen der RPG durchschlugen meist den Motorraum und explodierten im Innenraum, die Besatzung im Turm blieb durch zusätzliche Panzerungselemente geschützt. Insgesamt wurden von der Truppe nicht weniger als 16 derartige Treffer gemeldet.

Ausfälle

Am 28. August 2003, kurz vor Morgengrauen, wurde ein M-1A1 während einer Routinepatrouille von einer "mysteriösen" Waffe durchschlagen. Der Zwischenfall wurde zuerst offiziell verschwiegen, jedoch gelangten Bilder an die Öffentlichkeit, die darauf hinwiesen, dass der "Abrams" abgeschossen worden war. Von außen war nur ein kleines Loch in der Wanne sichtbar, Bilder vom Inneren des Kampfraumes und des Turmes zeigten jedoch große Beschädigungen. Das "Mysterium" vom August ist noch immer nicht gelöst, jedoch wird von Experten angenommen, dass es sich um einenTreffer durch ein RPG-7VR handelt, das einen Tandem-Gefechtskopf besitzt. Solche Waffen wurden bereits in Afghanistan von den Taliban eingesetzt.

Ein weiterer Unfall betraf zwei Monate später, am 28. Oktober 2003, einen M-1 der 4th Infantry Division (Mechanized), die erst kurz im Einsatz stand. Der 69 Tonnen schwere Panzer, in der neuesten Ausführung der M-1A2-Serie SEP (System Enhancement Package) fuhr nahe der Stadt Balad im Nordirak auf eine Sprengfalle auf, die in der Straße verlegt war. Durch die Wucht der Explosion von über einhundert Kilogramm Sprengstoff stürzte der Panzer in den Straßengraben, der Turm wurde von der Wanne abgehoben und kam neben der Wanne zum Liegen. Zwei Mann der Besatzung waren auf der Stelle tot, die anderen schwer verwundet. Sie überlebten vor allem deshalb, weil das interne Feuerlöschsystem eine Explosion der Bordmunition verhindert hatte.

Lessons Learned

Kampferfahrungen, besonders jene, die den Kampf im verbauten Gebiet betreffen, fließen bereits in die Ausbildung ein.

Um die Panzertruppe für den Ortskampf "fit" zu machen, sind zwei Ziele zu verfolgen:

- die Ausbildung im Kampf der verbundenen Waffen; - die Anpassung der taktischen Grundsätze und Einsatzverfahren für den Nahkampf.

Natürlich sind Panzer nicht sonderlich für den Kampf im engen Raum zwischen Häuserblöcken geeignet. Die erste Regel lautet daher: "Der einzelne Panzer im Ortskampf ist ein Todeskandidat." Auch die beste Begleitinfanterie kann auf Dauer nur ungenügenden Schutz bieten, wenn die Panzerbesatzung eine zu eingeschränkte Sicht durch die Optiken hat, um selber die Bordwaffen gegen die sich annähernden Feindkräfte einzusetzen. Ähnlich wie die Kampfflieger wünschen sich Panzerkommandanten daher "Flügelmänner" zur gegenseitigen Unterstützung.

Doch im Ortskampf können weitere Probleme auftreten, von denen sich ein Laie kaum Vorstellungen macht. Die Turbine des M-1 strahlt eine derartige Hitze aus, dass daneben hergehende Infanteristen quasi "gekocht" werden. Dazu kommen noch die Auspuffgase, die toxischen Verbrennungsrückstände der Bordkanone beim Abschuss, Gefährdungen durch den Gasdruck an der Mündung sowie Schädigungen durch den Mündungsknall.

Für den Kampf im verbauten Gebiet werden meist taktische Kampfteams gebildet. Diese sollten zumindest über - zwei Panzer, - einen Infanterietrupp sowie - Pioniere und Scharfschützen verfügen. Als äußerst effektiv hat sich der Einsatz von gepanzerten D-9 Bulldozern erwiesen.

Die Panzerbesatzung kämpft mit geschlossenen Luken, da die Gefahr durch Handgranaten und Scharfschützen aus den oberen Stockwerken besonders akut ist. Durch die geschlossenen Luken kann die Besatzung kaum Kontakt zur begleitenden Infanterie halten. Die Kommunikation ist daher ebenfalls erschwert. Handzeichen sind kaum zu sehen, das Hecktelefon ist ebenfalls nur begrenzt einsetzbar, und nicht zuletzt ist die Funkverbindung im Ortskampf sehr störanfällig.

An Lösungsansätzen für diese Probleme wird intensiv gearbeitet.

Forderungen zurKampfwertsteigerung

In der Operation "IRAQI FREEDOM" erwies sich die seitliche Panzerung am M-1 und am Schützenpanzer "Bradley" als mangelhaft. RPG und andere rückstoßfreie Waffen durchschlugen die Laufwerkschürzen, die Kraftstoffbehälter sowie speziell beim "Bradley" auch die Türme und Munitionskammern. Viele der im Irak eingesetzten "Bradley" hätten geringere Schäden davongetragen, wären sie mit einer reaktiven Zusatzpanzerung ausgerüstet gewesen.

Die amerikanischen Panzerbesatzungen mussten sich aber auch in anderen Bereichen durch Improvisation behelfen: Die Kommandanten der "Bradley"-Schützenpanzer hielten Säcke mit Handgranaten und ihre M-231-Maschinenpistolen bereit, um sich annähernde Nahkämpfer zu bekämpfen. Dazu mussten jedoch die Turmluken geöffnet werden.

Von der Truppe wurde das Fehlen eines schweren Maschinengewehres auf der Kuppel des Panzerkommandanten bemängelt; dieses fehlte besonders im Nahkampf. Ein zusätzliches 7,62-mm-Turmmaschinengewehr M-240 wurde ebenso gefordert.

Im Kampf der verbundenen Waffen erwies sich, dass die Kommunikationsmittel zur Begleitinfanterie völlig unzureichend waren. Panzerleute und Infanteristen improvisierten, indem sie über handelsübliche Mobiltelefone miteinander sprachen. Diese Geräte waren jedoch nicht in das Innenbord-Kommunikationssystem im Panzer integriert. Immer, wenn die Panzerkommandanten mit den Infanteristen sprachen, waren sie vom Funk und von der internen Kommunikation abgekoppelt, was im Nahkampf sehr gefährlich sein kann. Ein spezielles Nahkampf-Funkgerät (PRC-148) auf Gruppenebene soll in Zukunft dieses Problem lösen.

Für die Hauptaufgabe, den Kampf Panzer gegen Panzer, ist als Hauptbewaffnung die Hochleistungsbordkanone vorgesehen, allerdings ist diese im Ortskampf beinahe wirkungslos. Sie wird nur selten eingesetzt, da die Kollateralschäden ungleich höher sind als die tatsächliche Wirkung. Außerdem ist die Kanone eine weit reichende Flachfeuerwaffe, die nur über einen geringen Erhöhungsbereich verfügt. Deshalb kann der Panzer mit seiner Hauptwaffe keine Ziele auf Dächern oder in den oberen Stockwerken bekämpfen.

In engen Gassen kann der Panzer seine Kanone kaum schwenken, weil die Rohrlänge es meist nicht zulässt.

Der so genannte "sichttote Raum" ist für Panzer im urbanen Kampfgebiet besonders gefährlich. Ein Panorama-Sichtgerät ermöglicht den Blick auch in diese Räume. Dem neuen israelischen Kampfpanzer "Merkava" IV steht bereits ein solches Gerät zur Verfügung.

Die herkömmliche Munition hat im Ortskampf nur sehr begrenzte Wirkung, daher wurde Spezialmunition für diesen speziellen Einsatz entwickelt.

Die israelischen Streitkräfte verfügen bereits über die Anti-Personal/Anti-Material-(APAM-)Panzergranate. Diese verteilt sechs Tochtergeschosse, die mit Tausenden kleinen Wolframwürfeln bestückt sind.

Die US-Army hat die Multi Purpose Antitank-(MPAT-)Granate im Einsatz, die sich beim Beseitigen von Hindernissen bewährt hat. Meldungen besagen, dass zwei Schuss dieser Munition genügten, um Häuser für den Einbruch durch Sturmtrupps vorzubereiten.

Als erstklassige Bordwaffe hat sich das .50-Turm-MG (12,7 mm) bewährt. Im Zusammenwirken mit dem Wärmebildgerät und dem Feuerleitrechner konnten Scharfschützen rasch geortet und bekämpft werden. Seitens der Truppe wurde ebenfalls vorgeschlagen, das 12,7-mm-MG in Zukunft als Koaxialwaffe einzubauen. Dadurch könnte die Treffgenauigkeit noch weiter erhöht werden.

Israels Folgerungen: "Merkava" für den Ortskampf

Die israelische Armee hat einen "Merkava" Mk.3 für den Ortskampf entwickelt. Diese Version, für Low Intensity Conflicts (LIC) vorgesehen, besteht aus verschiedenen Abänderungen, die auf Kampferfahrungen im verbauten Gebiet beruhen.

Details dazu lesen Sie im TRUPPENDIENST, Heft 4/2004, auf den Seiten 400 und 401.

___________________________________ ___________________________________ Autor:

Lieutenant Colonel David Eshel (retd) (Israel) wurde 1928 in Dresden geboren und emigrierte 1939 nach Palästina. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er 1948 einer der Begründer des israelischen Panzerkorps und diente 26 Jahre bei den israelischen Streitkräften. Nach seiner militärischen Ausbildung in Saumur (Frankreich) war er in verschiedensten Kommando- und Stabsfunktionen tätig, kämpfte in allen Arabisch-Israelischen Kriegen bis 1967 und war zuletzt Taktiklehrer im "Command and Staff College". Er studierte Geschichte an der Universität in Tel Aviv und war zwölf Jahre lang Herausgeber einer israelisch-deutschen Zeitschrift. Er arbeitet derzeit als freier Journalist und Analytiker in Sicherheitsfragen für mehrere europäische und amerikanische Militärpublikationen.

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