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Der "Wettermacher"

Das Radiowettersondensystem für die österreichische Artillerie

Bei Schussweiten deutlich jenseits der 20-Kilometer-Grenze haben Witterungseinflüsse - vor allem der Wind - gravierende Auswirkungen auf die Flugbahn von Artilleriegranaten. Um den Forderungen nach einer hohen Treffgenauigkeit zu entsprechen, werden diese Witterungseinflüsse bei der Ermittlung des Feuerkommandos durch die Integration der Daten des Radiowettersondensystems ausgeglichen.

Im Juni 2003 wurde jedem der sechs österreichischen Artilleriebataillone ein modernes Radiowettersondensystem (RWSS) übergeben. Damit fand ein mehrjähriger Beschaffungsvorgang sein positives Ende, und es wurde damit ein weiterer wichtiger Schritt zur Modernisierung der österreichischen Artillerie gesetzt. (Siehe auch TD, Heft 2/2001, S. 178.)

Systembeschreibung

Das RWSS ist von externen Positionierungssystemen (z. B. GPS, LORAN) unabhängig, arbeitet mit Ausnahme der Sonde passiv und verwendet kein Radarsystem. Das RWSS benutzt den Frequenzbereich von 1 675 bis 1 690 MHz. Der Radiotheodolit RT20A erlaubt, je nach verwendetem Ballontyp, Messungen in Höhen bis zu 30 km sowie in Entfernungen bis zu 200 km.

Systemkomponenten

Das RWSS besteht aus folgenden Komponenten:

- Radiotheodolit; - Computereinheit; - Drucker; - Systemkabel mit Netzgerät; - Radiosonde; - Ballon mit Fallschirm; - Ballonfüllgerät; - Ballonstartgerät.

Während der Verfolgung der Sonde werden die vom Radiothedoliten erfassten und empfangenen Daten vom Auswerte- und Bediengerät aufgezeichnet und im gewählten Wetterberichtsformat dargestellt. Zu den Wetterdaten gehören - die Windrichtung, - die Windgeschwindigkeit, - der Luftdruck, - die Luftfeuchtigkeit und - die Lufttemperatur.

Die im Computer verwendete Auswertesoftware "DigiCORA" III zeigt Temperatur und Taupunkt (Temperatur, abhängig vom absoluten Wasserdampfgehalt der Luft, bei der die Luftfeuchtigkeit gesättigt ist - die relative Luftfeuchtigkeit beträgt 100 Prozent; wird feuchte Luft z. B. an einer Wand unter den Taupunkt abgekühlt, tritt Kondensation ein - die Wand "beschlägt"), relative Luftfeuchtigkeit (bezeichnet den Sättigungsgrad der Luft mit Wasserdampf und wird in Prozent angegeben; mit steigender Temperatur nimmt die zur Sättigung benötigte Wasserdampfmenge zu), Windrichtung und Windgeschwindigkeit sowie Northing- und Easting-Komponenten (UTM-Koordinatensystem) des Windes grafisch an. Diese Kurven lassen sich in Abhängigkeit von der Höhe, vom Druck oder von der Zeit in verschiedenen Varianten darstellen.

Das RWSS liefert der Artillerie jene Wetterdaten, die sie braucht, um zuverlässige Feuerkommandos für die Geschütze ermitteln zu können. Alle Daten lassen sich über den Drucker im jeweils geforderten Format als Wetterbericht ausdrucken. Die meteorologische Software ist international verwendbar, denn es werden die STANAG-Formate METB2/3 (STANAG 4061), METCM (STANAG 4082), METTA (STANAG 4140) unterstützt. Die Wetterberichtsformate können vom Bediener frei gewählt werden.

Die Elektronik des Antennensystems übermittelt die Druck-, Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsdaten (PTU/ Pressure, Temperature, Humidity) sowie die Daten der Antennenwinkel an das Auswerte- und Bediengerät, in welchem "DigiCORA" III die Erfassung, die Darstellung, die Analyse und die Speicherung der Daten automatisch und unter der Kontrolle des Bedieners durchführt. Darüber hinaus erstellt das Auswerte- und Bediengerät die Wettermitteilungen und kann diese manuell oder automatisch an die entsprechende Komponente des EAFLS (Elektronisches Artillerie-Feuerleit-System) weiterleiten.

Geliefert wurde das System von der Firma ESL Advanced Information Technology GmbH mit Firmensitz in Wien. Es wurden dabei Komponenten der finnischen Firma Vaisala, der israelischen Firma Elbit und anderer Unternehmen zu einem Gesamtsystem zusammengefasst.

Der Radiotheodolit

Der Radiotheodolit RT20A verfolgt automatisch nachgeführt den Flug der Radiosonde, empfängt die von der Sonde zyklisch gesendeten Daten, setzt sie auf PTU-Daten um und misst den Horizontal- und den Höhenwinkel zur Sonde. Die Flughöhe der Sonde und die Winddaten werden aus den vorgenannten Werten durch die "DigiCORA" III-Software errechnet.

Dieser Radiotheodolit ist das einzige Messgerät seiner Art auf dem Markt, der über einen Neigungssensor (Tilt Sensor) verfügt. Dieser Sensor eliminiert unvorhergesehene, plötzlich auftretende Neigungsänderungen des Theodoliten, z. B. durch Einsinken eines der Beine bei morastigen Böden. Ohne diesen Sensor wären alle Messungen unbrauchbar, da die Ergebnisse nicht korrekt wären.

Der Radiotheodolit kann bis zu 60 Meter vom Auswerte- und Bediengerät entfernt betrieben werden. Die Stromversorgung und die Übermittlung der Daten erfolgen dabei über ein Kabel.

Das Auswerte- undBediengerät (ETC)

Als Auswerte- und Bediengerät wird der taktische Computer ETC (Enhanced Tactical Computer) der Firma Elbit verwendet. Er ist ein militärischer PC, der den Betrieb unter härtesten Bedingungen zulässt und die Lesbarkeit des Displays auch bei direkter Sonneneinstrahlung ermöglicht. Der ETC beinhaltet einen Pentium III-Prozessor, ein aktives Farb-Matrix-Display, eine Festplatte, 128 MB SDRAM, zwei serielle Schnittstellen, PS2, eine USB-Schnittstelle, 2 PCMCIA-Slots und eingebaute Akkus.

Software "DigiCORA" III

Die Software "DigiCORA" III ist mit einer Windows-Oberfläche ausgestattet. Alle Einstellungen, Auswertungen und Darstellungen sind zu jedem Zeitpunkt durchführbar bzw. verfügbar. Die Messwerte einer oder mehrerer Sondierungen können unmittelbar an das EAFLS weitergegeben bzw. für eine spätere Auswertung gespeichert werden. Gespeicherte Messergebnisse können auch zur Simulation einer Sondierung und zur Einschulung des Bedienpersonals herangezogen werden. Damit ist eine kostengünstige Schulung des Bedienpersonals ohne einen Ballonaufstieg möglich.

Die Ausgabe bzw. Weiterleitung der Wetterdaten erfolgt im NATO-STANAG-kompatiblen Format entweder automatisch oder manuell über eine Schnittstelle des taktischen Computers.

Drucker

Als Systemdrucker wird ein handelsüblicher Tintenstrahldrucker verwendet.

Systemkabel mit Netzgerät

Bei der Verwendung des Systemkabels und des Netzgerätes kann das Gesamtsystem, welches auf eine Versorgungsspannung von 24 V (Fahrzeugbatterie) ausgelegt ist, auch mit Hilfe eines 230 V-Stromnetzes betrieben werden.

Radiosonde RS 80-67

Die Radiosonden des Typs RS 80 sind klein, leicht und einfach zu handhaben. Die Sonden sind mit präzisen Sensoren für das Messen des Luftdruckes, der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit im oberen Luftraum ausgestattet und können mit zusätzlichen Sensoren für die Messung von Ozonwerten bzw. Radioaktivität nachgerüstet werden. Windgeschwindigkeit und Windrichtung werden mit Hilfe der Software "DigiCORA" III errechnet. Die Radiosonde RS 80-67 arbeitet auf einer Frequenz von 1 680 MHz.

Die Sonde schwebt nach dem Bersten des Ballons an ihrem Fallschirm zu Boden und ist als "Einweg-System" ausgelegt, d. h. eine Wiederverwendung ist nicht vorgesehen.

Aufbau der RS 80

Die Radiosonde RS 80 ist kompakt (55 x 147 x 90 mm [ohne Antenne]) - und vor allem leicht. Die Gesamtmasse der startfertigen Sonde einschließlich der Batterie, Abwickelvorrichtung und Leine beträgt nur etwa 250 Gramm.

Die Festkörpersensoren der Sonde sind resistent gegenüber mechanischen Belastungen, Schmutz und Feuchtigkeit sowie unempfindlich bei nicht optimalen Transport- und Lagerungsbedingungen. Darüber hinaus ist jede Sonde separat in einem hermetisch verschlossenen Metallfolienbeutel verpackt, der sie sicher vor Feuchtigkeit schützt. Der Metallfolienbeutel enthält auch die noch einmal in einer Metallfolie verpackte Batterie.

Der Sensorsatz der RS 80 besteht aus einem Dosenbarometer für die Druckmessung mit kapazitiven Übertragungsplatten im inneren Vakuum, einem keramischen Temperatursensor und dem Dünnfilm-Feuchtesensor. Damit der Temperatur- und der Feuchtesensor einen guten Kontakt zur Umgebungsluft haben, sind sie an der Spitze einer flexiblen, als Ausleger ausgeführten Leiterkarte angeordnet. Der Träger ist isoliert, mit einer dünnen, geerdeten, elektrisch leitenden Aluminiumfolie überzogen und wasserabstoßend behandelt. Der Feuchtesensor ist mit einer Abdeckung versehen, die ihn vor der direkten Einwirkung von Wassertröpfchen und vor der Sonnenstrahlung schützt. Durch eine Dünnfilm-Metallbeschichtung wird eine konstante Strahlungscharakteristik der Sensoren erreicht. Kleinere Strahlungskorrekturen werden von der Software "DigiCORA" III automatisch vorgenommen.

Arbeitsprinzip

Das PTU-Messsystem der Radiosonde 80 arbeitet nach dem Zeit-Multiplexverfahren. Jeder der Sensoren steuert über eine elektronische Schaltung die Frequenz eines Oszillators (Schwingungserzeugers). Die Oszillatorfrequenz wird über einen Modulator dem Funksender zugeführt, der die Daten an den taktischen Computer überträgt. Die für jede Sonde spezifischen Kalibrierungsdaten werden zusammen mit den Radiosonden auf einer Smart Media Card ausgeliefert und mittels eines Smart Media Kartenlesers in das Auswerte- und Bediengerät eingelesen. Durch das Messen der Temperatur des Drucksensors mit einem getrennten Temperatursensor wird jede Temperaturabhängigkeit des Drucksignals vermieden. Ihre Versorgungsspannung erhält die Sonde aus einer mit Wasser aktivierten Batterie.

Ballon mit Fallschirm

Ballone für Radiosonden werden entweder aus Naturkautschuk oder aus Neopren (synthetischer Kautschuk) hergestellt. Die normale Dicke der Ballonhüllen im aufgeblasenen Zustand vor dem Start liegt im Bereich von 0,05 bis 0,1 mm und nimmt während des Aufstiegs bis zur Bersthöhe ( 30 km) auf 0,003 mm ab. Der Durchmesser des Ballons beim Start beträgt 1 bis 1,5 m und beim Bersten 5 bis 10 m.

Fallschirm

Der zwischen Ballon und Sonde angebrachte Fallschirm besteht aus Kunststoff und hat die Aufgabe, die Sonde nach dem Bersten des Ballons mit einer geringen Fallgeschwindigkeit zu Boden zu bringen.

Abwickelvorrichtung

Die Radiosonde RS 80 ist mit einer Abwickelvorrichtung für die 60 m lange Trageleine ausgestattet. Die Abwickelvorrichtung wird unmittelbar am Hals des Ballons angebracht. Beim Starten kann der Bediener den Ballon und die Sonde mit einer Hand halten, so dass die Radiosonde bei normalen Windverhältnissen immer von nur einer einzigen Person gestartet werden kann. Die Länge der Leine verbessert die Genauigkeit der Temperaturmessung, da sie sicherstellt, dass sich die Sonde, unabhängig von den Startbedingungen, immer außerhalb des thermischen Schattens des Ballons befindet.

Ballonfüllgerät

Das Ballonfüllgerät ist so ausgelegt, dass der erforderliche Auftrieb (freier Auftrieb plus Nutzlast) des Ballons gewährleistet wird. Gleichzeitig dient das Füllgerät auch als Gasfüllrohr. Der geforderte Auftrieb in einem Bereich von 1 bis 2,5 kg lässt sich in 0,1 kg-Schritten durch Anbringen von Zusatzgewichten an der Düse des Füllgerätes erreichen.

Sondierungsballons können entweder mit Wasserstoff oder mit Helium gefüllt werden. Bei den Artilleriewettertrupps im Österreichischen Bundesheer wird derzeit nur mehr Helium verwendet, da Wasserstoff in Verbindung mit Luft ein hochexplosives Gas bildet.

Ballonstartgerät

Das Ballonstartgerät ist eine Vorrichtung für das Starten von Radiosonden des Typs RS 80. Diese Vorrichtung besteht aus glasfaserverstärktem Kunststoff, wird durch eine Person bedient und findet bei ungünstigen Windverhältnissen Verwendung. Das Ballonstartgerät ist mit einem achteckigen, gehefteten, mit einem Segeltuch verschlossenen Sack ausgerüstet. Der Ballon wird durch Lösen des Segeltuchgurtes gestartet. Befestigt wird das Startgerät mit in den Boden getriebenen Heringen und drei Haltebändern.

___________________________________ ___________________________________ Autor:

Oberstleutnant Karl Buchegger, Jahrgang 1958. 1988 als Artillerieoffizier ausgemustert zum Landwehrstammregiment 37. Verwendungen als Zugskommandant, Ausbildungsoffizier und Kompaniekommandant. Nach Umgliederung des LWSR 37 zum Artillerieregiment 3 Verwendung als Fernmeldeoffizier. Seit Juli 1999 in der Grundlagenabteilung der Artillerieschule tätig.

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