Wehrdienst und Arbeitsplatzsicherung
Wenn ausländische Arbeitnehmer ihrem Arbeitgeber bekannt geben, dass sie in ihrem Heimatland Militärdienst leisten müssen, orientieren sich die Arbeitgeber oftmals an der entsprechenden österreichischen Regelung, dem Arbeitsplatzsicherungsgesetz 1991 (APSG), welches arbeitsrechtliche Fragen, die sich bei der Leistung eines Wehrdienstes ergeben, behandelt.Dies muss jedoch differenziert betrachtet werden, denn das APSG gilt grundsätzlich nur für österreichische Staatsbürger. Sein primärer Zweck ist die Sicherung des Arbeitsplatzes für Personen, die Präsenz- oder Ausbildungsdienst (oder Wehrersatzdienst - Zivildienst) leisten.
Geltungsbereich
Hinsichtlich des Militärs nimmt das APSG auf den Präsenzdienst und den Ausbildungsdienst Bezug. Präsenzdienst im Sinne des erwähnten Gesetzes ist der Präsenzdienst gemäß § 19 des Wehrgesetzes 2001 (WG 2001, BGBl. I Nr. 146).
Demnach ist Präsenzdienst zu leisten als
Grundwehrdienst,
* Truppenübungen,
* Kaderübungen,
* freiwillige Waffenübungen und Funktionsdienste,
* Wehrdienst als Zeitsoldat,
* Präsenzdienst auf Grund einer Verfügung nach § 24 Abs. 3 WG 2001 im Falle eines Einsatzes nach § 2 Abs. 1 lit. a bis c (Einsatzpräsenzdienst),
* außerordentliche Übungen,
* Präsenzdienst im Falle eines vorläufigen Aufschubes der Entlassung nach § 28 Abs. 2 WG 2001 (Aufschubpräsenzdienst) oder
Präsenzdienst im Auslandseinsatz (Auslandseinsatzpräsenzdienst).
Ebenso ist der Ausbildungsdienst für Frauen nach § 37 WG 2001, der einen Wehrdienst eigener Art für weibliche Staatsbürger auf freiwilliger Basis darstellt und durch das Gesetz über die Ausbildung von Frauen im Bundesheer mit Wirkung vom 1. Jänner 1998 eingeführt wurde, vom APSG erfasst.
Aufrechterhaltung bestehender Arbeitsverhältnisse
Ein bestehendes Arbeitsverhältnis bleibt durch die Einberufung zum Präsenz- oder Ausbildungsdienst unberührt. Während dieser Zeit ruhen die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers und die Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers, soweit nicht anderes bestimmt wurde (§ 4 APSG).
Kündigungs- und Entlassungsschutz
Arbeitnehmer, die zum Präsenz- oder Ausbildungsdienst einberufen werden, dürfen vom Zeitpunkt der Mitteilung über die Zustellung des Einberufungsbefehles oder der allgemeinen Bekanntmachung der Einberufung zum Wehrdienst an weder gekündigt noch entlassen werden, soweit nicht anderes bestimmt wird.
Für den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin besteht die Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung über eine Einberufung zum Präsenz- oder Ausbildungsdienst gegenüber dem Arbeitgeber. Kündigungsfristen und Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis werden durch die Einberufung grundsätzlich gehemmt.
Nach Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes besteht die Verpflichtung des Arbeitnehmers, die Arbeit binnen sechs Werktagen wieder anzutreten. Bei Verletzung dieser Pflicht liegt ein Entlassungsgrund vor. Bei rechtzeitigem Wiederantritt dauert der Kündigungs- und Entlassungsschutz nach APSG grundsätzlich bis einen Monat nach Beendigung des jeweiligen Wehrdienstes an.
Ausländische Staatsbürger
Das Arbeitsplatzsicherungsgesetz 1991 gilt wie bisher dargestellt bei Leistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes grundsätzlich nur für österreichische Staatsbürger.
Sollte ein ausländischer Staatsbürger zur Leistung des Militärdienstes in sein Heimatland berufen werden, gibt es grundsätzlich keinen Kündigungs- und Entlassungsschutz nach dem APSG. Auf EU-Ebene muss allerdings dem Gleichbehandlungsgebot entsprochen werden (Verbot der Diskriminierung im Anwendungsbereich des EU-Vertrages).
Im Ergebnis ist daher die Herkunft des ausländischen Arbeitnehmers ausschlaggebend für die Frage, ob die Prinzipien der Arbeitsplatzsicherung auf Ausländer Anwendung finden oder nicht.
Angehörige von EU- und EWR-Staaten
Für EU- und EWR-Bürger ist das Gleichbehandlungsgebot entsprechend der Freizügigkeitsverordnung zu beachten. Die zentrale Vorschrift in dieser Hinsicht ist Art. 7 der Verordnung 1612/68, der die völlige arbeitsrechtliche Gleichstellung mit Inländern bestimmt.
Demnach darf ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates ist, auf Grund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet einer der anderen Mitgliedsstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen (z. B. Entlohnung oder Kündigungsschutz) nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.
Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zu diesem Thema festgestellt, dass eine staatliche Rechtsnorm, die den Arbeitnehmer vor nachteiligen Auswirkungen einer durch den Wehrdienst veranlassten Abwesenheit auf den Arbeitsplatz schützt, auch auf die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten angewandt werden muss, die im Hoheitsgebiet des Staates, der diese Regelung getroffen hat, einer Beschäftigung nachgehen und in ihrem Herkunftsland wehrpflichtig sind.
Demnach unterliegt die Leistung eines Wehrdienstes in einem EU- und EWR-Staat von in Österreich beschäftigten Arbeitnehmern ebenfalls einem besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz, der sich inhaltlich am APSG orientiert. Es sind daher in solchen Fällen die Bestimmungen dieses Gesetzes, insbesondere die des Kündigungs- und Entlassungsschutzes, sinngemäß anzuwenden.
Angehörige von Nicht-EU- und Nicht-EWR-Staaten
Für Staatsbürger, die nicht der EU und dem EWR angehören, gilt das APSG nicht. Es sind daher in solchen Fällen die übrigen arbeitsrechtlichen Fragen zu beachten. Der Arbeitnehmer kann sich nicht auf einen Kündigungs- bzw. Entlassungsschutz berufen.
Muss der ausländische Arbeitnehmer seiner Verpflichtung nachkommen, den Militärdienst in seinem Heimatland zu absolvieren, muss er in jedem Fall mit seinem Arbeitgeber das Einvernehmen herstellen, wie eine arbeitsrechtliche Lösung herbeigeführt werden kann. Neben der Kündigung kann zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber auch eine einvernehmliche Auflösung herbeigeführt werden.
Zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kann aber auch eine Freistellung vom Dienst oder ein unbezahlter Urlaub vereinbart werden. Dies wäre dann von Vorteil, wenn der Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer in Zukunft nicht verzichten möchte.
Welche Vereinbarung in der Praxis getroffen wird, hängt wahrscheinlich von der betreffenden Person, ihrer Qualifikation, aber auch von der Dauer der Abwesenheit ab. Handelt es sich um einen kurzen Zeitraum, wäre wohl eine Freistellung vom Dienst angebracht.
Bei längerer Abwesenheit könnte auch eine "Aussetzung" (Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Wiedereinstellungsvereinbarung) überlegt werden. Hierbei wäre zu berücksichtigen, ob eine Endabrechnung erfolgen muss, oder die anstehenden Ansprüche wie z.B. eine Abfertigung auf das künftige weitere Dienstverhältnis angerechnet werden. Jedenfalls sollten für alle Ansprüche wie Abfertigung, Urlaubsansprüche, Sonderzahlungen etc. klare Vereinbarungen (Anrechnungsvereinbarungen) getroffen werden.
Für den Fall, dass der Arbeitnehmer in keiner Weise den Arbeitgeber verständigt, sondern sich eigenmächtig und plötzlich "absetzt", kann ein solches eigenmächtiges Fernbleiben entweder als Entlassungstatbestand oder als ungerechtfertigter vorzeitiger Austritt qualifiziert werden. Somit wäre eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegeben, wobei alle arbeitsrechtlichen Folgen zu beachten sind.
Sollten Angehörige von Nicht-EU- und Nicht-EWR-Staaten auf Grund einer Beschäftigungsbewilligung in Österreich tätig sein, sind auch die Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes zu beachten. Im Falle der tatsächlichen Beendigung des Dienstverhältnisses, gleichgültig ob die Beendigung vom Arbeitnehmer oder vom Arbeitgeber herbeigeführt wird, erlischt auch die Beschäftigungsbewilligung.
Anders ist die Rechtslage bei Unterbrechung eines Dienstverhältnisses. Hier tritt das Erlöschen einer Beschäftigungsbewilligung nicht ein. Unterbleibt für eine verhältnismäßig kurze Zeit die Erbringung der vereinbarten Arbeitsleistung, wobei in dieser Zeit keine Entgeltfortzahlung erfolgt, verliert die Beschäftigungsbewilligung nicht ihre Gültigkeit. Zu beachten ist aber immer, dass die Beschäftigungsbewilligung befristet ist.
Mag. Christoph Ulrich, ELeg