Rechtsberater
Entwicklung
Im Jahre 1977 wurde der Arbeitsplatz des "Rechtskundigen Offiziers" bei allen Militärkommanden (mit Ausnahme Vorarlberg und Burgenland) hauptsächlich zur Wahrnehmung der militärbehördlichen Rechtsangelegenheiten, vor allem für die Verfahren in den ortsfesten Stellungskommissionen, eingerichtet, deren Mitglied der Rechtskundige Offizier bis 1992 auch war. Bis 1977 waren rechtskundige Beamte der örtlich zuständigen Bezirkshauptmannschaften in den "fliegenden" Stellungskommissionen tätig.Im Jahre 1983 trat für Österreich das Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte in Kraft (BGBl. Nr. 527/1982). Artikel 82 dieses Abkommens verpflichtet die Vertragsparteien, Rechtsberater in den Streitkräften einzurichten, welche die militärischen Kommandanten der zuständigen Befehlsebenen bei der Anwendung des humanitären Völkerrechtes sowie in der Unterweisungen, die den Streitkräften auf diesem Gebiet zu erteilen sind, zu beraten haben.
Immer mehr wurde nun der "Rechtskundige Offizier" als Berater des Kommandanten in allen rechtlichen Belangen der Militärbehörde I. Instanz für die Einsatzvorbereitung und Einsatzführung herangezogen.
Mit dem Sicherungseinsatz an der Grenze zum ehemaligen Jugoslawien 1991 gewann die einsatzbezogene Rechtsberatung stark an Bedeutung. 1999 wurde dieser Entwicklung Rechnung getragen und die Funktion des "Rechtskundigen Offiziers" in die eines "Rechtsberaters – Legal advisor" umgewandelt.
Organisatorische Zuordnung
Als Folge dieser Entwicklung sind nun bei folgenden Organisationseinheiten Rechtsberater der Streitkräfte eingesetzt:* Bundesministerium für Landesverteidigung: Der Leiter der Gruppe Rechtswesen und Legislativer Dienst ist Rechtsberater des Bundesministers für Landesverteidigung sowie des Chefs des Generalstabes,
* Kommando Landstreitkräfte,
* Kommando Luftstreitkräfte,
* Kommando Internationale Einsätze,
* Kommando Spezialeinsatzkräfte,
* Heeres-Nachrichtenamt,
* Abwehramt,
* Militärkommanden und
* Auslandskontingente nach Bedarf.
Zusätzlich sind zu den bediensteten Rechtsberatern bei den angeführten Kommanden und Ämtern jeweils zwei Rechtsberater aus dem Milizstand eingeteilt.
Die Rechtsberater unterstehen dienstrechtlich unmittelbar ihrem jeweiligen Kommandanten. Das daraus resultierende direkte Vortragsrecht entspricht der Verpflichtung des Artikel 82 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen zur Sicherstellung der erforderlichen Beratung der Kommandanten. Fachdienstlich unterstehen sie dem Leiter der Gruppe Rechtswesen und Legislativer Dienst im Bundesministerium für Landesverteidigung.
Aufgaben
Zu den Aufgaben des Rechtsberaters zählt die umfassende rechtliche Beratung seines Kommandanten oder Dienststellenleiters in allen wesentlichen rechtlichen Angelegenheiten. Dies umfasst sowohl den Bereich des Wehrrechtes und des nationalen Rechtes als auch das internationale Recht. Dabei kommt dem internationalen Recht, besonders dem humanitären Völkerrecht und dem Einsatzrecht überhaupt, wesentliche Bedeutung zu, zumal die Auslandseinsätze des Bundesheeres ständig zunehmen.Die Schwerpunkte dieser völkerrechtlichen Beratungstätigkeit liegen im Frieden bei der "Unterweisungsberatung", im Einsatz bei der "Anwendungsberatung".
Darüber hinaus berät der Rechtsberater im Auftrag seines Kommandanten unterstellte Kommandanten sowie Stabsangehörige und wirkt an der Stabsarbeit im Rahmen seines Kommandos mit. Er führt die Beratung von Soldaten als Serviceleistung im Auslandseinsatz durch, sofern dies ohne eigenen Interessenskonflikt möglich ist.
Dienst- bzw. wehrrechtlicher Status
Als Rechtsberater kommen entweder rechtskundige Zivilbedienstete, Berufsoffiziere des Intendanzdienstes oder im Falle von präsenzdienstleistenden Soldaten rechtskundige Milizoffiziere zum Einsatz. Milizoffiziere in dieser Funktion werden nach Absolvierung der entsprechenden Ausbildung in den Intendanzdienst übernommen.Ausbildung
Nachstehend werden die maßgeblichen von einem Rechtsberater der Streitkräfte geforderten Fähigkeiten und Kenntnisse im Überblick dargestellt:Rechtliche Ausbildung
* Ein abgeschlossenes Studium der Rechtswissenschaften an einer österreichischen Universität ist Voraussetzung für eine Verwendung als Rechtsberater.* Die funktionsbezogene Spezialausbildung auf dem Gebiet des Völkerrechtes besteht aus dem dreiteiligen "Lehrgang internationales Recht", der für Berufs- und Milizoffiziere gemeinsam geführt wird. Er ist meist in den Intendanzlehrgang integriert und gliedert sich wie folgt:
1. Teil
Vertiefung der Kenntnisse des allgemeinen Völkerrechtes, insbesondere des Humanitären Völkerrechtes.
2. Teil
Vermittlung der Kenntnisse der internationalrechtlichen Rahmenbedingungen bei Einsätzen im Rahmen der OSZE oder EU, insbesondere am Beispiel laufender Auslandseinsätze des Bundesheeres.
3. Teil
Vermittlung der notwendigen praktischen Kenntnisse für die Tätigkeit als Rechtsberater unmittelbar bei einem österreichischen Kontingent oder in einem multinationalen Hauptquartier im Einsatz. Das Schwergewicht bildet ein Planspiel mit Beispielsfällen aus der Praxis und Aufgabenstellungen aus den vorangegangenen Ausbildungsblöcken.
* Die berufsbegleitende fachliche Fortbildung erfolgt im Wege der Rechtsberaterseminare der Gruppe Rechtswesen und Legislativer Dienst sowie durch die Teilnahme an Ausbildungsgängen und Seminaren im Ausland.
Militärische Ausbildung
Der Rechtsberater benötigt die militärische Ausbildung für den Stabsdienst im kleinen Verband, um das militärische Führungsverfahren und die Arbeit im Stab eines höheren Kommandos zu verstehen und in der Funktion des Rechtsberaters mitzuwirken. Diese Ausbildung kann im Wege einer Berufs- oder Milizoffiziersausbildung erworben werden.Sprachausbildung
Der Rechtsberater bedarf einer fundierten Kenntnis der englischen Sprache, einschließlich der Grundzüge der Rechtssprache. Das Erreichen der Leistungsstufe C in Englisch sowie die Absolvierung des Tactical English Course bilden ein weiteres Kriterium, um international als Rechtsberater im Rahmen eines Auslandseinsatzes tätig werden zu können.
Dienstrechtliche Ausbildung
Bedienstete Rechtsberater - rechtskundige Zivilbedienstete oder Offiziere des Intendanzdienstes - müssen die dienstrechtlichen Ausbildungen für den rechtskundigen Dienst oder den Intendanzlehrgang für Berufsoffiziere absolvieren.
Verwendungen
Zusätzlich zu den Verwendungen bei den oben angeführten Organisationseinrichtungen im Inland werden Rechtsberater bei österreichischen Kontingenten im Ausland eingesetzt. Darüber hinaus werden Rechtsberater inzwischen auch im Rahmen internationaler Kommanden verwendet, z.B. im Kommando einer Multinationalen Brigade im Kosovo. Rechtsberater nehmen zusätzlich zur Tätigkeit im Rahmen ihrer Organisationseinheit auch an internationalen Übungen teil, insbesondere im Rahmen des Programms "Partnership for Peace".Zusammenfassung
Die Einrichtung der Rechtsberater im Bundesheer hat sich nicht nur bestens bewährt, sondern wird vor allem wegen der stetig zunehmenden internationalen Aktivitäten des Bundesheeres auch in der Zukunft ein unverzichtbares Unterstützungselement für die militärische Führung darstellen. Dies deshalb, weil dadurch unseren internationalen Verpflichtungen nachgekommen und andererseits durch die Beratung und Unterstützung des Kommandanten eine rechtmäßige und effiziente Aufgabenerfüllung sichergestellt wird.Koordinator der Rechtsberater
Hofrat ObstdIntD Dr. Günter Sauer, MilKdo ST