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Österreich und der Sicherheitsrat

Österreich wurde für die Jahre 2009 und 2010 zum nichtständigen Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gewählt.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (VNSR) ist das höchste politische und gleichzeitig das wichtigste Gremium der Vereinten Nationen für Fragen der internationalen Sicherheit. Er hat seinen Sitz in New York und besteht aus fünfzehn Mitgliedern:

  • fünf ständigen Mitglieder mit Vetorecht (China, Frankreich, Großbritannien, die USA und Russland) und
  • zehn nichtständigen Mitglieder ohne Vetorecht, die für jeweils zwei Jahre demokratisch gewählt werden.

Die Kompetenzen des Sicherheitsrates umfassen u. a. die Aufrechterhaltung des internationalen Friedens, die Untersuchung von und die Vermittlung bei Streitfällen einschließlich den Empfehlungen zur friedlichen Streitbeilegung, die Feststellung von Bedrohungen des internationalen Friedens und die Empfehlung von Gegenmaßnahmen, die Verhängung von wirtschaftlichen, politischen und militärischen Sanktionen gegen Friedensbrecher, die Einrichtung von friedenserhaltenden Missionen (Blauhelme), die Mitwirkung bei Bestellung der Richter des Internationalen Gerichtshofes und des Generalsekretärs der Vereinten Nationen sowie die Mitwirkung bei der Aufnahme neuer Mitgliedstaaten.

Wichtige Nebenorgane sind die Sanktionenkomitees (u. a. zu Somalia, zum Sudan und zur Al-Qaida), Strafgerichte (u. a. für Ruanda und Ex-Jugoslawien), Leitungen von Friedensmissionen und diverse stehende oder Ad-hoc-Komitees zu verschiedenen Anlässen.

Wie erfolgte die Wahl Österreichs?

Aufgrund des planmäßigen Ausscheidens von Belgien und Italien als Mitglieder der Western Europeans and Others Group (eine der Regionalgruppen des Sicherheitsrates) Ende 2008 bewarben sich für die Folgeperiode 2009/2010 neben Österreich auch die Türkei und Island um Sitze als nichtständige Mitglieder.

Am 17. Oktober 2008 wurden Österreich mit 133 und die Türkei mit 151 der insgesamt 192 Stimmen der Generalversammlung als Vertreter der Western Europeans and Others Group in den Sicherheitsrat gewählt. (Die Grafik rechts zeigt die Zusammensetzung des Sicherheitsrates am Wahltag, dem 17. Oktober 2008.) Für die Wahl ist eine Zweidrittelmehrheit von 128 Stimmen erforderlich, Island kam deshalb mit 87 Stimmen nicht zum Zug. Die weiteren neuen Mitglieder sind Japan (das mit 158 Stimmen den Mitbewerber Iran um nur 32 Stimmen geschlagen hat), Mexiko und Uganda.

Diese Entscheidung drückt auch die hohe Wertschätzung des österreichischen Engagements bei Friedensmissionen der Vereinten Nationen aus, standen doch in den letzten fünf Jahrzehnten über 60 000 österreichische Soldatinnen und Soldaten in Missionen der Vereinten Nationen im Einsatz.

Ein Rückblick

Österreich war bereits zweimal (von 1973 bis 1974 und von 1991 bis 1992) nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. In diese Perioden fällt u. a. die österreichische militärische Beteiligung an

  • der Second United Nations Emergency Force (UNEF II) auf dem Sinai von 1973 bis 1974,
  • der United Nations Disengagement Observer Force (UNDOF) ab 1974,
  • der United Nations Iraqi-Kuwait Observation Mission (UNIKOM) von 1991 bis 1999 und
  • dem United Nations Guards Contingent Iraq (UNGCI) von 1991 bis 1992

sowie die Entsendung von bis zu 60 Militärbeobachtern in zahlreiche Beobachtermissionen der Vereinten Nationen anfangs der neunziger Jahre (z. B. nach Kambodscha, Ruanda, Liberia, Somalia, Tadschikistan und in die Westsahara).

Konsequenzen für Österreich

Österreich ist nun zum dritten Mal ein nichtständiges Mitglied des Gremiums, das über Krieg und Frieden, Sanktionen und die Entsendung von Friedenstruppen entscheidet. Das verlangt vom Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten wieder ein spezielles diplomatisches Geschick im globalen Krisenmanagement, kombiniert mit den notwendigen realpolitischen Implementierungsansätzen.

Österreich war vormals ein (im Verhältnis zu seiner Fläche und Einwohnerzahl) relativ großer UN-Truppensteller. Seitens der Vereinten Nationen wird deshalb mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in dieser Periode ein erhöhter österreichischer Ressourceneinsatz bei der Bewältigung regionaler und/oder globaler Krisen erwartet.

Zur Bewältigung der zusätzlichen Anforderungen erfolgte im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten sowie in der Österreichischen Vertretung in New York eine Personalaufstockung.

Eines der österreichischen Hauptziele ist die Darstellung der Wichtigkeit und die Absicherung Wiens als dritten Standort der Vereinten Nationen. Darüber hinaus wertet eine erfolgreiche Arbeit Österreichs im Sicherheitsrat die politische Reputation unserer Republik innerhalb der Vereinten Nationen erheblich auf.

Konsequenzen für das Verteidigungsressort

Im Bereich des Bundesministeriums für Landesverteidigung sind für 2009/2010 ein erhöhter Bedarf an militärischer Expertise und die Bereitstellung zusätzlicher militärischer Ressourcen zu erwarten - ähnlich dem (im Kapitel "Ein Rückblick" bereits angeführten) Engagement Österreichs bei Peacekeeping Operations der Vereinten Nationen während der bisherigen Perioden.

Das Referat Vereinte Nationen & Internationale Kooperationen der Abteilung Militärpolitik des Bundesministeriums für Landesverteidigung (siehe Foto unten) ist verantwortlich für die Bearbeitung aller die Vereinten Nationen in militärpolitischer Hinsicht betreffenden Aufgaben. Zur Bewältigung der zusätzlichen Aufgaben untersteht dem Referatsleiter - gleichzeitig Projektleiter Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und Österreich (VNSR AUT) im Bundesministerium für Landesverteidigung (und Autor dieses Beitrages) - ein temporäres Projektteam aus UN-Experten.

Im Zuge der Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten werden ein vertiefter, regelmäßiger Informationsaustausch und konkrete interministerielle Projektkooperationen erfolgen. Zusätzliche Geschäftsfelder sind bereits vorhersehbar, darunter

  • die begleitende Lagebeurteilung und Analyse der Lageentwicklung in allen von den Vereinten Nationen geführten bzw. in Aussicht genommenen Peacekeeping Operations und in Special Political Missions mit und ohne Beteiligung Österreichs,
  • Afrika als Schwergewichtsthema, humanitäre Einsätze für Flüchtlinge und andere von Konflikten Betroffene, z. B. im Tschad im Zuge der Überführung des EU-Einsatzes in einen Einsatz der Vereinten Nationen, und
  • die Mitwirkung bei der Strategie für Terrorismusbekämpfung, beim "Rule of Law" sowie bei Sanktionen.

In der Beurteilung der Ressourcenbeistellung könnte eine mögliche Option mehr Qualität statt Quantität lauten.

Bei den Optionen zur Konfliktlösung wird den Special Political Missions eine höhere Bedeutung zukommen. Politische Lösungsansätze - unter möglicher Ausklammerung ressourcenintensiver Unterstützungskapazitäten - könnten als raschere, leichter koordinierbare Reaktionen auf politische Krisen erfolgen.

Darüber hinaus wird die Erarbeitung eines Konzeptes zur Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und den Truppen stellenden Ländern hohe Anforderungen an das Bundesministerium für Landesverteidigung/Abteilung Militärpolitik stellen. Das gilt auch bezüglich der Optionen für die Zusammenarbeit der Truppen stellenden Länder mit regionalen Organisationen (Afrikanische Union, EU) sowie für die Bereiche Small Arms and Light Weapons, Women and Peace and Security, Streumunition, Human Security Network und Security Sector Reform. Dabei sind nachstehende Aktivitäten erforderlich:

  • Recherchen in sachbezogenen und verfahrenstechnischen Themenbereichen der Vereinten Nationen;
  • Beurteilungen der militärischen bzw. militärpolitischen Konsequenzen von Beschlüssen des Sicherheitsrates, von Entwürfen und der Positionen anderer Verhandlungsteilnehmer;
  • die grundsätzliche Koordination mit ressortinternen Stellen sowie die Koordination und Abstimmung mit dem Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, gegebenenfalls auch mit anderen betroffenen Ministerien (z. B. Finanzen, Inneres und Justiz);
  • die Unterstützung und Koordination im Zuge der Aufgabenerfüllung mit der Österreichischen Vertretung und der Militärberatung in New York.

Was auf Österreich zukommen könnte

Als nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen erwarten Österreich 2009/2010 möglicherweise Probleme in verschiedenen Weltregionen.

Afghanistan, Pakistan: Die Ausweitung der US-Aktionen gegen Rückzugsgebiete der Taliban in Pakistan hat bereits begonnen. Eine Fortsetzung dieser Operationen gegen den Willen Pakistans könnte als Fall vor den Sicherheitsrat kommen.

Israel, Palästina: Der ungelöste Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern könnte durch den neuerlichen Waffengang mit der Hamas (arabisch "Eifer", Harakat al-muquawama al-islamiyya - Islamische Widerstandsbewegung) verschärft werden.

Iran: Im Atomstreit mit dem Iran wurden bereits dreimal Sanktionen verhängt. Die USA wollen aber eine schärfere Gangart in dieser Auseinsandersetzung, in der dem Iran vorgeworfen wird, das Nuklearprogramm nicht zu friedlichen Zwecken zu betreiben.

Kaukasusregion: Bei einem neuerlichen Aufflammen des Konfliktes in Georgien sowie des derzeit "eingefrorenen" Konfliktes zwischen Armenien und Aserbaidschan um das Gebiet Berg-Karabach könnten militärische Mittel angewendet werden.

Kongo: Eine der größten Missionen der Vereinten Nationen läuft derzeit im Kongo. Das durch Rebellenangriffe verursachte Flüchtlingsproblem ist massiv. Diese Region wird vom Sicherheitsrat weiterhin genau zu beobachten sein.

Libanon: Derzeit überwacht die UNIFIL (United Nations Interim Forces in Lebanon) die Einhaltung des Waffenstillstandes an der Grenze zu Israel. Eine Verschärfung des Konfliktes mit dem Iran könnte eine weitere Destabilisierung der Lage bewirken.

Nordkorea: Sollte der für 2008 zugesagte Ausstieg Nordkoreas aus seinem Nuklearprogramm nicht erfolgen, wird sich der Sicherheitsrat mit dieser Thematik befassen müssen.

Somalia: Die Zukunft dieses "Failed State" ist weiterhin ungewiss. Nach dem Eingreifen des Sicherheitsrates zur Bekämpfung der Piraterie vor den Küsten des Landes gestaltet sich die Umsetzung einer Friedensmission auf dem Festland äußerst schwierig.

Sudan, Tschad: Der schleppende Aufbau der mit 26 000 Mann beschlossenen Friedensmission für Darfur wird den Sicherheitsrat weiter beschäftigen. Im Tschad soll im Jahr 2009 eine Friedensmission der Vereinten Nationen die EU-Truppe EUFOR ablösen - dies ist eine weitere Herausforderung für den Sicherheitsrat.


Autor: Oberrat Oberstleutnant Franz Krawinkler, MAS, Jahrgang 1958. Ausmusterung 1981 als Wirtschaftsoffizier zum Landwehrstammregiment 61; ab 1988 im Fernmeldebataillon 3 Wirtschaftsoffizier, Kommandant der Stabskompanie und S4; ab 1995 Hauptlehroffizier Wirtschaft an der Heeresversorgungsschule; 1996 Ablegung der 1. Diplomprüfung der Rechtswissenschaften an der Universität Salzburg, 1995 bis 1998 Absolvierung des XVII. A-Aufstiegskurses und des Grundlehrganges für den Rechtskundigen Dienst an der Verwaltungsakademie des Bundes; ab 1998 in der Generalstabsgruppe C eingesetzt u. a. als Rechtskundiger Beamter und Referatsleiter; 2003 bis 2006 postgraduales Studium zum Akademischen Balkanologen. Seit 2008 Referatsleiter Vereinte Nationen & Internationale Kooperationen in der Abteilung Militärpolitik des Bundesministeriums für Landesverteidigung. Als Berufsoffizier sieben Jahre in UN-Friedenseinsätzen in Zypern, Syrien, Iran und Indonesien; als Zivilbediensteter Abteilungsleiter der Vereinten Nationen, Chief Logistics Officer bei UNTAET in Osttimor (2000), Einsatzplaner der OSZE (2001 bis 2008) und Chief Operations Service der OSZE (2006). Während der OSZE-Dienstzeit auch Dienstverwendungen in der Balkanregion und in Osteuropa.

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