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Militärpolitik: Gedanken zu 2009

Die Herausforderungen, die sich seit dem Sommer des vergangenen Jahres angehäuft haben, sind enorm. Sie betreffen internationale Organisationen ebenso wie die Staatengemeinschaft. Von den angehäuften Problemen (Georgien, Wirtschaftskrise, Finanzkrise) ist kaum eines gelöst worden, im besten Falle gelang es, Schlimmeres zu verhindern.

2009 wird es darum gehen, gleichzeitig Maßnahmen zu setzen und Konzepte zu entwerfen. Ich erwähne dabei die Finanz- und Wirtschaftskrise bewusst, obwohl sie im Grunde nicht Thema dieser Kolumne ist. Die Fähigkeit von Einzelstaaten, ihre Verteidigungshaushalte zu finanzieren, ist allerdings die entscheidende Voraussetzung für das Funktionieren internationaler Kooperationen mit militärischer Relevanz. Das gilt umso mehr, als auch innerhalb der Verteidigungshaushalte wahrscheinlich eher Programme gefördert werden, die geeignet erscheinen, die heimische Wirtschaft zu stärken bzw. die Staatsfinanzen in anderen Bereichen zu entlasten.

Die Bereitschaft, im Rahmen der ESVP oder der NATO neue Projekte oder zusätzliche Beteiligungen gegebenenfalls auch an neuen Operationen, zu finanzieren, wird daher geringer sein, als in den vergangenen Jahren.

Soviel zur "Haben"-Seite. Die Herausforderungen auf der "Soll"-Seite werden dagegen wachsen. So lange große Teile der international einsetzbaren Kapazitäten der Streitkräfte europäischer Staaten im Irak und in Afghanistan gebunden bleiben, werden weiterhin Fähigkeitslücken strategischer Tragweite bestehen. Das gilt besonders für strategischen Transportraum und die Verfügbarkeit von Hubschraubern. Der Mangel an rasch einsetzbaren Kräften wird auch im kommenden Jahr nicht abnehmen. Für die EU und die NATO stellt die Bewältigung der hier bestehenden Defizite eine wesentliche Herausforderung dar.

In Hinblick auf laufende Operationen wird sich die Lage auf dem westlichen Balkan vermutlich entspannen, das Bereithalten umfangreicher militärischer Kräfte (v. a. für Kosovo) allerdings weiterhin erfordern. In Afrika besteht eher Potenzial für die Vermehrung der Herausforderungen, besonders in Hinblick auf den östlichen Kongo. Auch die Operation im Tschad wird, wenn auch unter UN-Ägide, weiterhin militärische Kräfte aus europäischen Staaten erfordern. Im Kaukasus sind aus derzeitiger Sicht zwar keine direkten Auswirkungen auf militärische Kräfte wahrscheinlich. Aufgrund dieser Situation stellen sich weit reichende strategische Fragen, vor allem hinsichtlich der künftigen NATO-Erweiterungspolitik. Der Bereich des Nahen Ostens kann unter der Wirkung der neuen US-Administration eine positive Dynamik erlangen. Daraus können sich Anforderungen an die Staatengemeinschaft ergeben, wobei die Notwendigkeit militärischer Beiträge nicht gänzlich auszuschließen ist.

Die geänderte politische Führung in den USA kann über die bereits genannten Aspekte hinaus auch Änderungen in globalen Grundkonzeptionen einleiten. Das Verhältnis zu Europa, zu Russland, zu Schwellenländern, zu Multilateralismus und zu global wirksamen Leitthemen kann sich verändern. Die Möglichkeit dieser Veränderung wird in Europa positiv aufgenommen. Dabei sollte allerdings nicht übersehen werden, dass die stärkere Einbeziehung von Partnern durch die USA auch das Streben nach Lastenteilung mit sich bringt. Der Druck auf NATO-Staaten und Partner, sich in Afghanistan zu beteiligen, wird vor diesem Hintergrund nicht nachlassen. Aber auch die Einsätze in Afrika, dem Nahe Osten und gegebenenfalls in anderen Räumen, können Forderung nach Lastenteilung ergeben.

Die NATO befindet sich vor schwierigen Entwicklungsprozessen. Die Erweiterung ist durch die Krise in Georgien wesentlich erschwert worden. Es ist zu erwarten, dass Grundsatzdiskussionen über die Zweckmäßigkeit von Erweiterungen und die damit verbundene politische Vision geführt werden. Der künftige Umgang mit Ländern und Regionen, die sich offensichtlich in der Interessensphäre Russlands befinden, wird auch politische Herausforderungen für die EU bringen.

Andere bemerkenswerte Entwicklungen werden die Annäherung Frankreichs an die NATO, die Verbesserung der militärischen Reaktionsfähigkeit der NATO und die Straffung ihrer Führungsstruktur sein. Für Österreich als Partner sind all diese Entwicklungen aufmerksam zu verfolgen.

Die EU wird bemüht sein, die Ratifizierung des Vertrages von Lissabon abzuschließen. Die Auswirkungen dieses Prozesses auf die künftige Gestaltung der ESVP und vor allem der GASP sind noch nicht vollständig erfassbar. Die Erfahrung im Umgang mit den Krisen der vergangenen Monate lassen von einem In-Kraft-Treten des Lissabon-Vertrages eine Stärkung der EU in ihrer globalen Rolle erwarten. Das Problem des Jahres 2009 wird einerseits die Bewältigung der Krisen sein, andererseits aber sind weder der neue EU-Vertrag noch starke Vorsitzführungen im EU-Rat zu erwarten. Mit diesem Umstand wird pragmatisch umzugehen sein, etwa durch die weitere Stärkung multinationaler Zusammenarbeit.

Österreich betreffen fast alle dargestellten Entwicklungen direkt. Es liegt an uns, die damit verbundenen Herausforderungen anzunehmen und 2009 erfolgreich mitzugestalten.

Autor: Generalmajor Wolfgang Wosolsobe

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