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Schießausbildung mit Handfeuerwaffen

In den zu bewältigenden Einsätzen geht es nicht mehr primär um den Waffeneinsatz zur Erfüllung des Auftrags. Durch die Schießausbildung muss den Soldaten eine eindeutig messbare, möglichst hohe Schießfertigkeit antrainiert werden, damit beim Waffeneinsatz Unbeteiligte möglichst nicht zu Schaden kommen.

Die Schießausbildung mit Handfeuerwaffen und Maschinengewehren erfolgt derzeit aufgrund der gleichnamigen Vorschrift aus dem Jahr 1985. Die gravierendste Änderung seit deren Herausgabe war die Herausnahme der Schießprogramme aus der Vorschrift und die Anordnung derselben durch eigene Erlässe. Dabei sind derzeit bis zu fünf verschiedene Schießprogramme für ein und dieselbe Waffe in Kraft. Dieser Umstand und besonders die gravierenden Veränderungen des sicherheitspolitischen Umfeldes seit der Herausgabe dieser Vorschrift machen ein kritisches Nachdenken über die Zukunft der Schießausbildung geradezu unumgänglich.

Was aber hat sich an der Ausgangslage seit 1985 geändert? Bis zum Fall der Berliner Mauer und dem damit folgenden Zusammenbruch des Warschauer Paktes war die Raumverteidigung das Maß für jegliche Einsatzausbildung im Österreichischen Bundesheer. Dabei war es in letzter Konesequenz wichtig, durch zusammengefasstes Feuer einen möglichen Angriff abzuwehren. Von Bedeutung war nicht der gezielte Einzelschuss, sondern das Erzielen einer möglichst hohen Feuerdichte, frei nach dem Motto "entscheidend ist eine hohe Feuerdichte in einem Zielraum".

In den heute und in der nächsten Zukunft zu bewältigenden Einsätzen geht es nicht mehr primär um den Waffeneinsatz zur Erfüllung des Auftrags. Wenn aber von der Schusswaffe Gebrauch gemacht werden muss, erfolgt dies unter extremem Zeitdruck und meist auf Nahkampfdistanz, das heißt unter 30 Metern. Dabei kommt es auch darauf an, dass nur das Ziel, welches ausgeschaltet werden muss, getroffen wird und die fast immer vorhandenen Unbeteiligten nicht zu Schaden kommen. Eine schwere Verletzung eines Unschuldigen, vielleicht sogar einer Frau oder eines Kindes, kann weitreichende Auswirkungen für die eingesetzten Soldaten haben. Durch die Schießausbildung muss den Soldaten daher eine eindeutig messbare, möglichst hohe, Schießfertigkeit antrainiert werden.

Der aktuelle Ausbildungsstand der Soldaten, die nach den derzeit gültigen Vorschriften und Schießprogrammen ausgebildet werden, ist ziemlich weit von den oben beschriebenen Notwendigkeiten entfernt. Die Jägerschule bemüht sich daher seit nun schon mehr als drei Jahren um eine grundlegende Veränderung. Ein wesentlicher Schritt in die angestrebte Richtung ist im Jahr 2006 erfolgt. In diesem Jahr wurden drei jeweils einwöchige Schießseminare für Sturmgewehr und Pistole für Kadersoldaten des gesamten Bundesheeres durchgeführt. Dabei war es das Ziel, für möglichst jeden Truppenkörper mindestens einen Kadermann mit der "neuen Schießausbildung" vertraut zu machen und Rückmeldungen zu den bis dort durch die Jägerschule entwickelten Vorstellungen zu erhalten. Die Ergebnisse waren eindeutig: Die bisherige Schießausbildung wurde als nicht mehr zeitgemäß und den Anforderungen nicht gerecht werdend, der aufgezeigte Weg der Jägerschule aber als richtig beurteilt.

Was aber ist nun dieser neue Weg?

Primäres Ziel ist es, die Schießfertigkeit der Soldaten deutlich zu steigern. Zur vollen Erreichung dieses Zieles sind Schießsimulatoren, mit denen die Qualität jedes einzelnen Schusses objektiv beurteilt werden kann unabdingbar. Schießsimulatoren erlauben außerdem kostengünstig die notwendige oftmalige Wiederholung des gesamten Vorganges beim Schießen, denn ohne kann die nötige Schießfertigkeit nicht erreicht werden.

Die notwendige Schießfertigkeit wird durch die neuen Schulschießübungen definiert. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass bei jeder Übung eine Zeitvorgabe gegeben ist und jeder Schuss ein Treffer sein muss. Dadurch, dass der Soldat ein bestimmtes Ziel in einer vorgegebenen Zeit sicher treffen muss, ist eine eindeutige Schießleistung definiert. Wenn ein Soldat alle Übungen des Schulschießens positiv abgeschlossen hat, verfügt er über die Grundschießfertigkeit. Diese muss er in weiterer Folge erhalten. Dabei ist durchaus an eine jährliche, verpflichtende Überprüfung analog der Leistungsprüfung "Allgemeine Kondition" gedacht. Der Grad der Schießfertigkeit wird dabei auf die Funktion des jeweiligen Soldaten abgestimmt sein müssen.

Das Gefechtsschießen nach abgeschlossenem Schulschießen soll mehr Freiheit für die Durchführenden bringen. In den Schießprogrammen werden für das Einzelgefechts- und das Truppgefechtsschießen "Musterübungen" angeboten, welche mit Sturmgewehr und Pistole, unter Ausnützung der derzeit vorhandenen Einzelgefechtsschießanlagen, geschossen werden können. Darüber hinaus soll aber jeder Leitende das Recht haben, bei Bedarf zusätzliche Übungen zu befehlen. Die Grenzen sind dabei durch die Sicherheitsbestimmungen, die Benützungsordnung der Schießbahn und die Notwendigkeiten eines möglichen Einsatzes definiert. Nun könnte jemand argumentieren: Wenn wir keine Schießsimulatoren zur Verfügung haben, sind alle diese Ideen nicht umsetzbar! Das stimmt nur bedingt. Solange keine Schießsimulatoren zur Verfügung stehen, bleiben die Schulschießübungen genau gleich, nur die Zeitvorgaben gelten nicht. Es müssen also Abstriche im Bereich der Schießfertigkeit in Kauf genommen werden. Trotzdem kann im Vergleich zu heute das Niveau der Schießfertigkeit gravierend verbessert werden.

Die größten Bedenken wurden hinsichtlich der nötigen Zeit und Munitionsmenge für die Umsetzung dieser neuen Schießausbildung geäußert. Hier ist festzuhalten, dass eine Rückbesinnung auf die Kernaufgabe von Soldaten nötig ist. Soldaten müssen in der Lage sein, einen durch die Politik legitimierten Auftrag notfalls auch unter Einsatz von Waffengewalt durchzusetzen. Im Prinzip genau dafür leisten sich auch moderne Demokratien im 21. Jahrhundert Streitkräfte; alles andere sind Verzierungen und Beiwerk. Entsprechend dieser Tatsache müssen in der Ausbildung (wieder) diese Schwergewichte gesetzt werden. Ist alles andere nicht unverantwortlich?

Mit einem Irrtum sei am Ende auch noch aufgeräumt. Die erste Frage durch Verantwortliche in der Zentralstelle, wenn für irgendeine Ausbildung Simulatoren gefordert werden, ist meist: Wie viel Geld sparen wir dadurch, in diesem Fall bei der scharfen Munition, ein? Die Antwort ist eindeutig und ernüchternd: Keines! Im Gegenteil, wir brauchen Simulatoren und mehr Munition. Der gravierende Unterschied wird nur sein, dass wir dann Soldaten zur Verfügung haben werden, die im Einsatz in der Lage sind, gesetzeskonform und mit hoher eigener Überlebenschance von der Schusswaffe Gebrauch zu machen.

Doch nicht allein die Schießausbildung ist den geänderten Rahmenbedingungen anzupassen, das selbe gilt selbstverständlich auch für die gesamte Ausbildung. Alle derzeit laufenden Einsätze, und daran wird sich in absehbarer Zukunft nicht viel ändern, sind keine klassischen Kriegseinsätze, in denen das Kriegsvölkerrecht gilt. Vielmehr gelten meist die "normalen" gesetzlichen Bedingungen für den Einsatz von Zwangsgewalt, an die sich auch die Soldaten zu halten haben. Der Standardsatz, den man sehr oft auch dem Mund von ranghohen Militärs zu hören bekommt, "wer angreifen, verteidigen und verzögern kann, kann alles andere auch", ist ein klassischer Irrtum. Zwangsgewalt gesetzeskonform anzuwenden, erfordert neben den nötigen Einsatzmitteln (z. B. Schließmittel, nicht letale Kampfmittel, etc.) auch die entsprechende Ausbildung! Das ist ein Feld, das im Österreichischen Bundesheer noch auf Bearbeitung - auch auf höchster Ebene - wartet, wenngleich in einigen Bereichen weiter unten die Früchte schon recht prächtig gedeihen.


Autor: Oberstleutnant Andreas Korber, Eingerückt Oktober 1978 zum Fliegerabwehrbataillon 3, Umstieg in die Einjährig Freiwilligen-Ausbildung nach Glasenbach, Absolvierung des VBS 1979, Einstieg in die Offiziersausbildung, 1982 Ausmusterung als Jäger-Offizier an die Jägerschule Saalfelden, Zugskommandant und Ausbildungsoffizier bei der Grundwehrdienst-Ausbildung (ZgKdt und AusbOffz bei der GWD-Ausbildung), Lehroffizier/Granatwerfer, Mobbeorderung als Kommandant schwere Kompanie/Jägerbataillon 29 (KdtsKp/JgB29), Hauptlehroffizier/Granatwerfer, 1998/99 Absolvierung des Führungslehrganges 2, 1999 bis 2001: AL/Lehrabteilung, 2001 Wechsel in die Grundlagenabteilung, dort Referent Grundlagen und Entwicklung und in dieser Funktion auch mit der Entwicklung der Schießausbildung beauftragt. Derzeit Heerestruppenschule im Bereich Gebirgskampfzentrum Grundlagen und Entwicklung.

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