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Die neuen Notarztwägen des Bundesheeres

Ausrüstung und Einsatz am Beispiel der Fahrzeuge des Militärspitals/Sanitätszentrum West

Seit mehreren Jahren verfügt das Österreichische Bundesheer über zehn Sanitätsfahrzeuge auf Basis des Mercedes Sprinter, die zur Sanitäts-Realversorgung aber auch zur Ausbildung eingesetzt werden. Zwei davon sind am Militärspital in Innsbruck stationiert und dienen dort als Rettungswägen, Notarztwägen sowie zum Patiententransport.

Seit dem Ausscheiden der Sanitätsfahrzeuge VW Transporter 2 aus Alters- und Sicherheitsgründen erfolgt der Patiententransport vorwiegend mit geländegängigen Sanitätskraftwägen Pinzgauer 712 und 718 sowie mit zivilen Rettungswägen. Vom Sanitätspinzgauer existieren zwei Versionen: der Sanitätskraftwagen und der Notarzt-Pinzgauer, zu dessen spezieller Ausstattung u. a. ein Beatmungsgerät Oxylog oder Oxylog 1 000 (ein Folgemodell), ein Defibrillator Lifepak 12 sowie eine komplette Notarztausrüstung gehören. Ein Teil der Fahrzeuge verfügt darüber hinaus über eine Klimaanlage. Doch auch der Pinzgauer ist schon "in die Jahre gekommen".

Wesentliche Änderungen beim Patiententransport sind erst nach Zulauf der Sanitätsshelter des in Beschaffung befindlichen Wechselaufbausystems zu erwarten. Zur Unterstützung der Sanitätsversorgung erhielten die heereseigenen Spitäler, Feldambulanzen und Militärflugplätze deshalb Ende 2005 zehn handelsübliche Sanitätsfahrzeuge. Diese dienen nicht nur dem Patiententransport, sondern auch der Sicherstellung der Sanitätsversorgung während des Flugbetriebes auf den heereseigenen Flugplätzen.

Technik und Ausstattung

Basis dieser zehn als Notarztwägen (NAW) ausgelegten Sanitätsfahrzeuge ist der Mercedes Sprinter (118 kW/160 PS) mit einem 316-CDI Turbodieselmotor mit 2 700 cm3 Hubraum, zuschaltbarem Allradantrieb und zuschaltbarem Sperrdifferenzial (hinten). Die sanitätsspezifische bauliche Ausstattung erfolgte durch die Firma System Strobel (Deutschland).

Die Bodenfreiheit der neuen Notarztwägen ist im Vergleich zu anderen handelsüblichen Sanitätsfahrzeugen relativ groß, was vor allem für Fahrten abseits von guten Straßen vorteilhaft ist. Am Heck der Fahrzeuge befindet sich eine Einstiegshilfe, an der Außenseite sind die Blaulichtbalken, Front- und Heckblitzer, Lautsprecher, Suchscheinwerfer sowie sechs Arbeitsscheinwerfer angebracht. Die Temperatur im Patientenraum wird mittels einer thermostatgesteuerten Standheizung bzw. Klimaanlage geregelt. In Garagen bzw. bei Vorhandensein von Fremdstrom (220 V) hält ein Heizlüfter die Temperatur des Innenraumes ständig auf ca. 20° Celsius. Das ermöglicht die permanenete Lagerung teurer, temperaturempfindlicher Medikamente im Fahrzeug.

Jeder der beiden Notarztwägen verfügt als medizinische Ausstattung u. a. über

  • einen Defibrillator Lifepak 12 (Vollversion) mit Deckenanschlüssen,
  • ein Beatmungsgerät Oxylog 2 000 mit einer 2,5 Liter-Sauerstoffflasche,
  • mobile und stationäre Absaugpumpen,
  • eine Sauerstoffanlage, gespeist von zwei zehn Liter-Sauerstoffflaschen, mit Hochdruck für das Beatmungsgerät Oxylog 2 000 und Niederdruck für Inhalationen,
  • komplette Notarztrucksäcke einschließlich eines kleinen Elektrokardiographen, einer Sauerstoffflasche und eines Pulsoxymeters (zur Ermittlung der Sauerstoffsättigung des Blutes),
  • eine Stryker-M1-Patiententrage auf einem verstellbaren Schwebetisch,
  • spezielle Notfall-Sets z. B. für Thoraxdrainagen (Brustkorbdrainagen), für zentralen Venenzugang, zur Wundversorgung (einschließlich der dafür erforderlichen Instrumente), für Verbrennungen und zum Setzen von Harnkathetern,
  • eine umfangreiche Medikamentenausstattung,
  • einen Schutzausrüstungssatz für Transporte infektiöser Patienten ("Schweinegrippe", Meningokokkeninfektion, SARS usw.),
  • ein Set zur Versorgung abgetrennter Gliedmaßen inklusive Kühlvorrichtung,
  • ein Set zur Thrombolyse (Auflösen von Verschlüssen von Blutgefäßen - Kosten: 1 200 Euro pro Ampulle),
  • Combituben (Schläuche zur Sicherung der Atemwege),
  • Larynxmasken (zum Offenhalten der Atemwege während einer Narkose),
  • zwei Perfusor compact (Motorspritzenpumpen zur kontinuierlichen, gleichmäßigen Abgabe von Arzneimitteln in den Körperkreislauf),
  • eine Wärmebox für Infusionen,
  • eine Kühlbox für kühlpflichtige Medikamente (Esmeron®, Heparin®, Lysthenon®, Suprarenin®, Syntocinon®, Insuman rapid® usw.),
  • ein Notfallset für Kinder und
  • ein Geburtenset.

Für Patientenbergungen stehen darüber hinaus eine Schaufeltrage (zerlegbare Spezialtrage, die bei Verdacht auf Wirbelsäulenverletzungen eingesetzt wird), ein Stifneck-Set zur Fixierung der Halswirbelsäule, eine Vakuummatratze, Arm- und Beinvakuumschienen, ein K.E.D.-Set (Kendrick-Extrication-Device - Kendrick-Befreiungshilfsmittel, eine Art Korsett zur Immobilisation der Wirbelsäule bei der Bergung nach Verkehrsunfällen oder aus Schächten), Bergetücher, Schnittschutz- und Arbeitshandschuhe sowie Feuerwehrhelme zur Verfügung.

Die Ausstattung der beiden Fahrzeuge entspricht damit auch der Tiroler Landesrettungsverordnung 2002 für Notarztwägen.

Zur Kommunikation sind beide Sprinter u. a. mit Mobiltelefonen ausgestattet. Seit dem Frühjahr 2009 verfügen beide Notarztwägen des Militärspitals über das Digitalfunksystem TETRA (Terrestrial Trunked Radio). Da der Digitalfunk in Tirol flächendeckend verfügbar ist, können nun die Besatzungen der Notarztwägen und der Notarztwägen-Beauftragte sowohl untereinander als auch mit allen "Blaulichtorganisationen", den Behörden, den Landesleitstellen und den Landeswarnzentralen kommunizieren. Die Übermittlung von Texten und Daten ist ebenfalls möglich. Weiters unterstützt TETRA eine GPS-Ortung, die genaue Feststellung der eigenen Position sowie eine Lotsung durch die Leitstelle. Aufgrund der Verfügbarkeit von TETRA u. a. in ganz Tirol, in Wien sowie in Teilen Salzburgs und Niederösterreichs ist auch der Funksprechverkehr z. B. von Wien nach Tirol möglich (und zwar über Relaisstationen; die Verzögerung durch die Verschlüsselung und Decodierung beläuft sich auf ca. eine Sekunde).

Die Notarztwägen sind in beheizten Garagen untergebracht, die zum Aufladen der Akkus der medizinischen Geräte mit von der Decke hängenden Ladekabeln ausgestattet sind.

Das Einsatzpersonal

Die Rettungs- und Notfallsanitäter, die in den Notarztwägen zum Einsatz kommen, werden sowohl an der Lehrkompanie des Militärspitals/Sanitätszentrum West als auch vom zivilen Roten Kreuz ausgebildet.

Grundwehrdiener können während ihres Präsenzdienstes nach der Basisausbildung die Qualifikation Rettungssanitäter erwerben. Die Ausbildung dazu umfasst vier Wochen Theorie und anschließend vier Wochen Praktikum an einer Rettungsdienststelle.

Eine Ausbildung zum Notfallsanitäter ist für Grundwehrdiener aufgrund der Verkürzung des Wehrdienstes von acht Monaten auf sechs Monate aus zeitlichen Gründen nicht mehr durchführbar. Diese ist daher Berufs- oder Zeitsoldaten vorbehalten. Voraussetzung für die Notfallsanitäter-Ausbildung ist bei bestehender Berufs- bzw. Tätigkeitsberechtigung als Rettungssanitäter eine praktische Verwendung in einem Rettungs- und Krankentransportsystem von mindestens 160 Stunden sowie die erfolgreiche Absolvierung eines Einstiegstestes. Eine längere praktische Verwendung ist seitens des Bundesheeres erwünscht, aber nicht Voraussetzung. Die theoretische Ausbildung umfasst 160 Stunden mit einer anschließenden praktischen Ausbildung von insgesamt 320 Stunden an Notarztsystemen (Noteinsatzfahrzeuge, Notarztwägen) und an einer fachlich geeigneten Krankenanstalt. Die Notfallsanitäter dürfen (und sollen) zur Aufrechterhaltung ihrer praktischen Fähigkeiten - je nach dienstlicher Abkömmlichkeit - zweimal monatlich Dienst bei zivilen Notarztsystemen (Rotes Kreuz, Samariterbund, …) versehen.

An der Sanitätsschule des Österreichischen Bundesheeres in Wien können, neben den Berufs- bzw. Tätigkeitsmodulen "Rettungssanitäter" und "Notfallsanitäter", auch die Ausbildungsmodule für allgemeine Notfallkompetenzen (Gabe von Medikamenten und Infusionen) und spezielle Notfallkompetenzen (z. B. Intubation) absolviert werden. Alle Ausbildungsmodule werden im zivilen Sanitätsbereich uneingeschränkt anerkannt.

Die meisten Notfallsanitäter im Militärspital/Sanitätszentrum West haben darüber hinaus bereits die Ausbildung zum Diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger im Umfang von mindestens 4 600 (!) Stunden Theorie und Praxis absolviert.

Die Einsatzfahrer des Notarztwagens müssen mindestens die Qualifikation "Rettungssanitäter" besitzen, über die Zusatzausbildung zum Einsatzfahrer verfügen, ein verkehrspsychologisches Screening absolviert haben und eine Heereslenkerberechtigung der Klasse CM (militärischer "C-Führerschein", weil die höchstzulässige Gesamtmasse des Fahrzeuges 3,5 Tonnen überschreitet) besitzen. Grundwehrdiener dürfen nicht als Einsatzfahrer eingesetzt werden. Aufgrund dieser Einschränkungen ist ein 24-Stunden-Betrieb der Notarztwägen des Militärspitals/Sanitätszentrum West derzeit nicht durchführbar.

Die Notärzte sind speziell ausgebildete Ärzte, die u. a. sowohl in den Notarztwägen als auch in den Notarzthubschraubern (z. B. der Christophorus-Flugrettung) eingesetzt werden.

Als Dienstkleidung trägt das Personal der Notarztwägen des Militärspitals/Sanitätszentrum West im Einsatz nicht mehr die olivgrüne Uniform (Dienstanzug), sondern rote Schutzbekleidung mit silbrig reflektierenden Leuchtstreifen sowie weiße Polohemden bzw. gelbe Warnwesten, alle mit den Aufschriften BUNDESHEER Rettungssanitäter, BUNDESHEER Notfallsanitäter oder BUNDESHEER Notarzt. Damit wurde die Dienstkleidung des eingesetzten Sanitätspersonals der ihrer zivilen Kollegen angepasst. Zur persönlichen Schutzausrüstung zählen auch zwei rote Einsatzhosen, ein Einsatzanorak mit Kapuze, Sicherheitsstiefel der Klasse S3 (guter Halt in schwierigem Gelände, verstärkter Schnittschutz), ein Feuerwehrhelm, Schnittschutz- und Arbeitshandschuhe sowie Schutzbrillen. Das gewährleistet u. a. die gute Sichtbarkeit im Einsatz und den bestmöglichen Schutz vor Verletzungen und Infektionen.

Dienstbetrieb und Einsatz

Beide Notarztwägen werden ärztlicherseits vom Leiter der Abteilung für Anästhesie des Militärspitals betreut. Auch weitere Notärzte (Fachärzte für Chirurgie, Interne Medizin und Unfallchirurgie) können jederzeit eingesetzt werden.

Die organisatorischen und sanitätsdienstlichen Angelegenheiten regelt ein Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger mit Ausbildung zum Notfallsanitäter einschließlich allgemeiner Notfallkompetenz sowie der Notfallkompetenz zum Setzen von Venenzugängen und Infusionen (DGKP NFS/NKV).

Beide Fahrzeuge sind stets wahlweise als Rettungswagen oder als Notarztwagen einsetzbar, weil die Ausrüstung immer auf den Notarztbetrieb ausgelegt ist (der den Einsatz als Rettungswagen einschließt). Die Aufschrift am Fahrzeug lautet daher "nur" AMBULANCE. Dient das Fahrzeug als Notarztwagen, werden an allen Seiten zusätzlich Magnetfolien mit der Aufschrift NOTARZT angebracht.

Die Fahrzeuge werden im täglichen Dienstbetrieb für Patiententransporte des Militärspitals/Sanitätszentrum West verwendet, u. a. für Fahrten zu speziellen radiologischen Untersuchungen sowie für Überstellungsfahrten in die Universitätsklinik Innsbruck. Weiters kommt der sanitätsdienstlichen und notärztlichen Unterstützung bzw. Versorgung der Truppe im Befehlsbereich 6 (Tirol) und darüber hinaus immer größere Bedeutung zu z. B. bei der Unterstützung bei Schieß- und Sprengvorhaben, bei der Verlegung großer Truppenteile (Bahnverladung), bei groß angelegten Übungen (wie der "PEACE SUMMIT" 2006 zusammen mit der 23. Gebirgsjägerbrigade der Deutschen Bundeswehr aus Bad Reichenhall oder der "EDELWEISS-RAID" 2009) und Ausbildungsvorhaben, beim Einsatz schwerer Waffen sowie bei der Zusammenarbeit mit einem Heeresmunitionslager. Auch Patiententransporte zu und von weiter entfernten Krankenhäusern sowie Überstellungs- und Rückholfahrten von Patienten werden mit kurzer Vorlaufzeit durchgeführt.

Für Assistenzleistungen gemäß § 2 Abs. 1 c Wehrgesetz 2001 (Hilfeleistung bei Elementarereignissen und Unglücksfällen außergewöhnlichen Umfanges) stehen die Notarztwägen jederzeit bereit und kamen auch schon zum Einsatz.

Die Notarztwägen werden aber auch bei Ausbildungs- und Schulungsvorhaben im eigenen Bereich (Militärspital/Sanitätszentrum West einschließlich der Sanitätslehrkompanie/Sanitätszentrum West) sowie bei anderen Truppenteilen eingesetzt, insbesondere bei Ausbildungsvorhaben für Rettungs- und Notfallsanitäter, zur Sanitätsfortbildung für Milizangehörige, bei Abschlussübungen von medizinischen Kursen und in der Weiterbildung von sonstigem sanitätsdienstlichen Personal wie z. B. Ärzten, die Grundwehrdiener sind (GWD-Ärzte).

Weiters erfolgen laufend Schulungen und Übungen des neu auszubildenden und des bereits eingesetzten Personals im eigenen Bereich sowie in Zusammenarbeit mit anderen "Blaulichtorganisationen". Diese Schulungen und Übungen nehmen allerdings viel Zeit in Anspruch, weil neu ausgebildete Rettungssanitäter (Grundwehrdiener) nach dreimonatiger "Nutzungsphase" abrüsten und Teile des Personals somit alle drei Monate wechseln. Zur Verlängerung der "Nutzungsphase" werden deshalb in den Notarztwägen vor allem Sanitäter, die bereits vor ihrem Grundwehrdienst die notwendigen Ausbildungsgänge abgeschlossen haben, sowie Längerdienende und Kadersoldaten eingesetzt.

Die Ausbildung der Einsatzfahrer erfordert (u. a. aufgrund der umfangreichen rechtlichen Auflagen) ebenfalls viel Zeit und begrenzt damit zwangsläufig die Verfügbarkeit des "Systems Notarztwagen".


Autor: Stabswachtmeister Walter Stein, Jahrgang 1977, seit dem Grundwehrdienst 1995 an der Chirurgischen Abteilung des Militärspitals/Sanitätszentrum West (ehemals Militärspital 2) in Innsbruck tätig. Absolvent des 7. Unteroffizierslehrganges 1998 sowie des 12. Stabsunteroffizierslehrganges 2006. AFDRU-Einsatz 1999 nach einem Erdbeben in der Türkei. Seit 2003 Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger. Als Notfallsanitäter neben dem Bundesheer auch an mehreren Rotkreuz- und Notarztdienststellen in Tirol tätig, u. a. als Beauftragter für Notfallwesen, Betrieb von Notarztwägen und Schulung.

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