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Militärpolitik: Zehn Jahre ESVP - Bilanz und Perspektiven

Im Frühjahr 1999 erfolgte beim Europäischen Gipfel von Köln unter dem deutschen Ratsvorsitz die "Grundsteinlegung" der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP).

Nach diesen zehn Jahren zeigt sich, dass die ESVP ein facettenreiches und unentbehrliches Instrument der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU geworden ist. Die EU hat sich mit insgesamt 22 entweder bereits abgeschlossenen oder noch laufenden (militärischen) Operationen und (zivilen) Missionen eine glaubwürdige Stellung als globaler Akteur erarbeitet. Dabei wurden Erfahrungen gesammelt, die es der EU ermöglichten, ihre Leistungsfähigkeit bei internationalen Aktionen immer besser zur Geltung zu bringen.

Bei Erscheinen dieser Zeilen wird der Ausgang des Referendums in Irland zum Vertrag von Lissabon bereits bekannt sein. Über den praktischen Wert für die GASP und ESVP hinaus wird von der Umsetzung des Vertrags von Lissabon jedenfalls ein bedeutender Impuls für die EU ausgehen: Ihr außenpolitisches Handeln wird kohärenter werden und ihre Glaubwürdigkeit als Akteur weiter zunehmen.

Tritt der Vertrag nicht in Kraft, wird wahrscheinlich die Dynamik von GASP und ESVP der letzten Jahre kurz- und mittelfristig dennoch anhalten - ebenso wie nach dem negativen Ausgang des Ratifizierungsprozesses zum Verfassungsvertrag. Langfristig wäre allerdings eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik nicht durchzuhalten, weil offensichtlich der politische Wille zur dauerhaften Stärkung des gemeinsamen Handelns fehlt.

Der bisherige Erfolg der ESVP hat auch Erwartungen an die EU geschaffen, die sich als "neuer Antrieb" erweisen könnten. Die EU hat durch ihre Präsenz in Operationen und Missionen, zuletzt vor allem in Georgien, im Tschad und vor der Küste von Somalia, die Blicke der internationalen Gemeinschaft verstärkt auf sich gezogen. Kurz: Man erwartet, dass die EU handelt und weiß nun auch, dass sie es kann. Die ESVP ermöglicht es der EU, von der Planung bis zur Beendigung einer Aktion alle zur Verbesserung der Situation notwendigen Aspekte einzubringen und zu berücksichtigen (Stichwort: Comprehensive Approach).

Das Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon würde die Möglichkeiten der ESVP deutlich verbessern. Die EU könnte ihre zivilen Möglichkeiten nahtlos mit militärischen Fähigkeiten verknüpfen und so ein jeder Situation angepasstes Ergebnis in der Krisenbewältigung erzielen.

Auch unabhängig vom Vertrag von Lissabon sollen die Zusammenarbeit des Ratssekretariates mit der Kommission verbessert und Strukturen aufgebaut werden, die eine einheitliche und kohärente Planung während des gesamten Verlaufes einer Aktion sicherstellen (Crisis Management and Planning Directorate - CMPD).

Der Stellenwert der militärischen Komponente des Krisenmanagements wird auch in Zukunft erhalten bleiben. Es wird daher in den auf zivil-militärische Aktionen ausgerichteten Strukturen der EU darauf ankommen, die militärischen Institutionen zu erhalten, und, wo das erforderlich ist, weiter zu entwickeln. Auch künftig werden die Streitkräfte der Mitgliedstaaten militärische Beiträge zu EU-Operationen und indirekt auch zu EU-Missionen leisten. Deshalb sollten die Streitkräfte möglichst früh in den Informationsfluss und die Planung eingebunden sein. Frühzeitige, umfassende Information der Generalstabschefs der Mitgliedstaaten und die Möglichkeit, deren Erfahrungen aus Operationen einzubeziehen, sind wesentliche Voraussetzungen für militärische Beiträge zu künftigen Operationen.

Die Steigerung der Glaubwürdigkeit der ESVP durch das Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon wäre auch für die Beziehungen von EU und NATO von Bedeutung. Die NATO befindet sich in einer Phase der Neuausrichtung und es ist noch unklar, welche Rolle ihr - über die Beistandsverpflichtung im Rahmen der kollektiven Verteidigung hinaus - zukommen wird.

Vor allem Gegner einer militärischen Dimension der ESVP, wie etwa die britischen Konservativen, ordnen dabei der EU nur das zivile Krisenmanagement in Ergänzung zu NATO-Operationen zu. Auch der neue NATO-Generalsekretär A. F. Rasmussen hat sich Anfang September ähnlich geäußert.

Ob der Vertrag von Lissabon nun in Kraft tritt oder nicht, im Interesse aller EU-Mitgliedsstaaten sollte die EU im gesamten Spektrum des Krisenmanagements die volle Handlungsfreiheit behalten.

Autor: Generalmajor Wolfgang Wosolsobe

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