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… aus Brüssel: Die Europäische Verteidigungsagentur

Fähigkeitenentwicklung für den Soldaten im Einsatz

Durch die allgemein abnehmenden Verteidigungsressourcen kommt der gemeinsamen Entwicklung von Fähigkeiten für die Streitkräfte zur Bewältigung von Krisenszenarien erhöhte Bedeutung zu. Die militärische Fähigkeitenentwicklung wird in der EU unter anderem durch die Europäische Verteidigungsagentur koordiniert. Dies fördert neben dem Operationserfolg auch die Interoperabilität in multinationalen Einsätzen.

Geänderte Szenarien

Nach dem Kalten Krieg haben sich die Einsatzszenarien (Asymmetrische Kriegführung, Kampf gegen den Terrorismus, Einsatz von Massenvernichtungswaffen, Cyber War, Piraterie etc.) grundlegend geändert. Die fortschreitende Internationalisierung, aber auch die kleiner werdenden Verteidigungsbudgets verlangen neben verstärkter Kooperation auch die gemeinsame Entwicklung von Fähigkeiten zur Erzielung der für gemeinsame Operationen notwendigen Interoperabilität.

Diese Entwicklungen bedingen nicht nur ein Umdenken in der Aufgabenerfüllung von Streitkräften, sondern verlangen gleichzeitig auch die Bewältigung einer kontinuierlichen technischen Revolution. Darüber hinaus sind deren Auswirkungen auf militärische und zivil-militärische Einsätze zu beurteilen.

Die EU definiert in ihrem Anforderungskatalog 2005 (Force Catalogue 05) fünf Einsatzszenarien für mögliche ESVP-Operationen:

  • Evacuation Operations (EO);
  • Humanitarian Assistance (HA);
  • Separation of Parties by Forces (SOPF);
  • Conflict Prevention (CP);
  • Stabilisation&Reconstruction (SR).

Militärische Fähigkeitenentwicklung

Alle Komponenten, die für die Entwicklung einer Fähigkeit maßgeblich sind, müssen ineinander greifen, um einen entsprechenden Operationserfolg erreichen zu können. Jede Änderung in einer Komponente hat Auswirkungen auf die anderen Bereiche. Die oben angeführten geänderten Szenarien verlangen dem Soldaten neue Fähigkeiten ab. Dies hat Auswirkungen auf den gesamten Bereich der Fähigkeitenentwicklung.

Warum Fähigkeitenentwicklung?

Zur Bewältigung der neuen Einsatzszenarien ist die Festlegung militärischer Fähigkeiten im Sinne der ESVP in Kooperation mit den Mitgliedstaaten notwendig. Einerseits müssen die bekannten Mängel in den europäischen Streitkräften in den Bereichen Lufttransport, Kommunikation, Aufklärung etc. behoben werden, andererseits entstehen aus den Bedürfnissen der Soldaten im Einsatz ganz spezifische neue Anforderungen.

Wer entwickelt Fähigkeiten in der Europäischen Union?

In der EU widmen sich verschiedene Institutionen und Akteure der Fähigkeitenentwicklung. Für den militärischen Bereich sind das EU-Militärkomitee (EUMK) bzw. der EU-Militärstab (EUMS), die European Defence Agency (EDA) und die EU-Kommission (EK) von besonderer Bedeutung. Begründet durch die Eigenart moderner Operationen kommt es oft zu Überlappungen von zivilen und militärischen Fähigkeiten. Demzufolge versuchen die angeführten Akteure sich untereinander abzustimmen oder bei bestimmten Projekten zusammenzuarbeiten.

Vorgaben der EU

Die EU definierte zunächst in einem "Plan zur Entwicklung von Fähigkeiten" (Capability Development Plan, CDP) eine Vielzahl von kurz-, mittel- und langfristig zu erreichenden Fähigkeiten. Die Planungsdirektoren der europäischen Mitgliedstaaten legten 24 besonders wichtige Fähigkeiten (Capabilities) fest, von denen den zwölf hier angeführten eine besondere Priorität zugewiesen wurde:

  • Counter Man Portable Air Defence (C-MANPADS);
  • Computer Network Operations (CNO);
  • Mine-Counter Measures in littoral Sea Areas (M-CMM);
  • Comprehensive Approach - Military Implications;
  • Military Human Intelligence and Cultural/Language Training;
  • Intelligence, Surveillance, Target Acquisition, Reconnaissance (ISTAR);
  • Medical Support;
  • Handling of Chemical, Biological, Radiological and Nuclear Threats (CBRN);
  • Third Party Logistic Support (TPLS);
  • Counter-Improvised Explosive Device (C-IED);
  • Increased Availability of Helicopters;
  • Network Enabled Capability (NEC).

Die EU bedient sich für die Entwicklung dieser Fähigkeiten unter anderem der EDA. Die EDA beschäftigt sich mit neun dieser Fähigkeiten, während die Bearbeitung der übrigen drei dem EUMS zugewiesen wurde.

Fähigkeitenentwicklung in der EDA

Die EDA wurde am 12. Juni 2004 mit EU-Ratsbeschluss gegründet, besitzt ein eigenes Budget von rund 32 Mio. Euro jährlich und besteht aus etwa 100 Personen.

Entscheidungen werden in einem, in verschiedenen Zusammensetzungen bestehenden Lenkungsausschuss getroffen. Der Lenkungsausschuss der Verteidigungsminister tagt zwei Mal pro Jahr und trifft die wichtigsten Entscheidungen.

Die EDA ist auf die Unterstützung des Rates und der Mitgliedstaaten zur Verbesserung der Verteidigungsfähigkeiten für das europäische Krisenmanagement angewiesen sowie auf die Entwicklung von zukünftigen Erfordernissen der ESVP ausgerichtet.

Ihre Hauptaufgaben sind

  • die Entwicklung von Fähigkeiten,
  • die Rüstungskooperation,
  • die Förderung der europäischen Verteidigungsindustrie und des Rüstungsmarktes sowie
  • die Förderung der europäischen Forschung und Rüstungstechnologie.

Arbeitsweise in der Fähigkeitenentwicklung

Um rechtzeitig zu erkennen, ob Komponenten erst entwickelt werden müssen, ob sie durch Rüstungskooperation bereitgestellt werden können oder ob sie einfach auf dem freien Markt zu beschaffen sind, müssen alle vier Direktorate gemeinsam an der Fähigkeitenentwicklung arbeiten. Der fähigkeitenbezogene Ansatz, der sich durch alle vier Direktorate zieht, stellt die oberste Prämisse in der Arbeitsweise der EDA dar.

Beteiligung Österreichs

Insgesamt laufen derzeit in der EDA 72 Projekte. Österreich beteiligt sich an 32 davon mit der Einbringung von Know-how durch entsprechende Experten. Darüber hinaus versehen in der EDA derzeit drei Österreicher Dienst in spezifischen Projekten.

Regelmäßige Abstimmung mit der NATO

Zur Vermeidung von Doppelgleisigkeiten bzw. zum intensiven Erfahrungsaustausch finden anlassbezogene Expertentreffen statt. Darüber hinaus wird in monatlichen Treffen der EU-NATO Capability Group über die erzielten Fortschritte sowohl durch die EU/EDA als auch durch die NATO vor diesem Gremium nationaler Repräsentanten in Brüssel berichtet.

Ausblick

Die Priorisierung von zwölf Fähigkeiten des CDP sowie der CDP überhaupt könnten im Zuge neuer Erkenntnisse aus laufenden bzw. beendeten Einsätzen geändert werden. Dies könnte z. B. mit der Überarbeitung des neuen Force Catalogue 09, der bis November 2009 während der schwedischen Präsidentschaft fertig gestellt wurde, eintreten.

Die EDA ist zwar noch in der Konsolidierungsphase, entwickelt sich aber zunehmend zu jenem Instrument der ESVP, das es ermöglicht, langfristige zukunftsträchtige Visionen im Bereich der Fähigkeiten zu entwickeln und diese Fähigkeiten mit Hilfe der Mitgliedstaaten möglichst europaweit zu implementieren. Diese Zusammenarbeit durch die Mitgliedstaaten über eine europäische Institution erspart im Hinblick auf die sinkenden Verteidigungsbudgets finanzielle Mittel und beschleunigt die Herstellung der Interoperabilität.

Somit ist die Fähigkeitenentwicklung kein zahnloser "Papiertiger", sondern fördert den Operationserfolg und befähigt die Streitkräfte zur multinationalen Zusammenarbeit in den Einsätzen. Österreich leistet durch das Einbringen seines hohen Expertenwissens und seiner jahrzehntelangen Erfahrungen in Auslandseinsätzen in vielen Bereichen einen umfangreichen Beitrag zum Ausbau der gemeinsamen europäischen Fähigkeiten.


Autoren: Brigadier Mag. Daniel Pregl. Jahrgang 1957, 1976 bis 1979 Theresianische Militärakademie; 1979 bis 1985 schwere Kompanie/LWSR 34. 1985 bis 1988 11. Generalstabslehrgang. 1988 bis 1992 Ref Materialerhaltung/Materialdisposition in der Quartiermeisterabteilung/BMLV. 1992 bis 1998 G3/FüOrg KpsKdo III; 1998 bis 2000 Projekt FüSys HEROS und Verwendung in der ITPlan/BMLV. 2000 bis Mitte 2003 Verteidigungsattaché in Ungarn, Rumänien und Moldawien; Herbst 2003 bis 2007 Verteidigungsattaché in der Türkei und Israel; 2008 Verwendung in der Attachéabteilung (Erstellung des Handbuches für den Militärdiplomatischen Dienst). Seit 2009 Leiter der Rüstungsabteilung/MVB.

Oberst Mag. phil. Alois Preineder. Ausgemustert 1985 zum JaPzB1. Diverse Kommandanten- und Stabsfunktionen. Projektoffizier und Referent im BMLV. Auslandseinsätze in Zypern und der Westsahara. Studium der Politikwissenschaften an der Universität Wien. 2002 bis 2006 Delegierter in der politisch-militärischen Gruppe des Rates der EU. Seit 2006 Stellvertretender Leiter der Rüstungsabteilung/MVB.

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