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Militärpolitik: 10 Jahre St. Malo - eine Erfolgsgeschichte der EU?

Am 4. Dezember 1998 haben die Staats- bzw. Regierungschefs von Frankreich und Großbritannien die Erklärung von St. Malo unterzeichnet. Dieses Ereignis war ein Meilenstein in der Entwicklung der politischen Rolle der Europäischen Union, in einer Reihe mit den Verträgen von Maastricht, Amsterdam und Nizza. Es ist wert, zurückzublicken, um die reale Europäischen Sicherheitspolitik an den Vorstellungen von St. Malo zu messen.

Auf der Grundlage der im Vertrag von Amsterdam (1997) definierten Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU (GASP) versuchte man mit der Erklärung von St. Malo konkret zu werden. Dazu sollte die EU über die Fähigkeit zu autonomer Aktion, unterstützt durch glaubwürdige militärische Kräfte verfügen. Der Einklang dieses Bestrebens mit der NATO und der (damals noch bestehend) WEU wurde gesucht. Für Aktionen, welche die Allianz nicht als Ganzes betreffen, sollte die EU über ausreichende Strukturen verfügen, sei es innerhalb der europäischen Säule in der NATO als auch außerhalb der NATO zusammengestellte nationale oder multinationale militärische Kräfte.

Wir erinnern uns, dass die Erklärung von St. Malo zeitlich in die Endphase des ersten österreichischen Ratsvorsitzes fiel. Großbritannien war damals an einem pro-europäischen Signal interessiert und so zieht sich die Entwicklung über den Gipfel von Pörtschach über das erste informelle Verteidigungsministertreffen in Wien wie ein roter Faden bis St. Malo, auch wenn sich für diesen die Abstimmung mit Vorsitz und anderen EU-Partnern in Grenzen hielt.

Frankreich stand damals in einer tief greifenden Veränderung seiner Wehrverfassung (Abschaffung der Wehrpflicht, kurz zurückliegender Misserfolg einer versuchten Reintegration in die militärischen Strukturen der NATO). Es war also auf der Suche nach einem verteidigungspolitischen Konzept für Europa, in das sich die angestrebten Wirkungsmöglichkeiten Frankreichs bestmöglich einbringen ließen.

St. Malo war ein entscheidender politischer Katalysator, gerade weil die Initiative dazu von Großbritannien und Frankreich kam. Das Paradoxon in der Beziehung dieser beiden Staaten liegt auch im Gegensatz ihrer Sicherheitspolitik, die sich allerdings in für Europa wirklich entscheidenden Phasen zu gemeinsamer Aktion zusammenfindet. Liest man St. Malo vor diesem breiteren historischen Kontext, wird einem die Tragweite bewusst.

In den Jahren zwischen St. Malo und Nizza (Dezember 2000) haben die Institutionen der ESVP ihre rechtlichen Formen angenommen und sind in den darauf folgenden Jahren rasch arbeitsfähig geworden. Die EU verfügt nun über die Instrumente, die in St. Malo angestrebt wurden (Politisches/Sicherheitskomitee; EU-Militärstab; EU-Militärkomitee) Unter starker britischer Initiative, gefolgt auch von der Arbeit des zweiten österreichischen Ratsvorsitzes (2006) wurde das enge Zusammenwirken zwischen zivilen und militärischen Strukturen gefördert und entwickelt. Damit verfügt die EU nun über Entscheidungsmechanismen, die ihre Autonomie stärken und es ermöglichen, ihr auf der Weltbühne Geltung zu verschaffen. Seit dem Gipfel von Helsinki (1999) hat die EU auch einen Planungsansatz für die Erfassung der notwendigen militärischen Fähigkeiten entwickelt (Headline Goal-Prozess"). Betrachtet man Institutionen und Abläufe, sind die Forderungen von St. Malo im Wesentlichen erfüllt. Ein Folgeschritt zur weiterern Vertiefung und Integration ist seither nicht gelungen. Der EU-Konvent, der Verfassungsvertrag und zuletzt der Vertrag von Lissabon waren Versuche, zu dieser Vertiefung zu gelangen. Bisher sind diese Ansätze an eine politische Grenze gestoßen, die eher mitder Sorge der Bevölkerung gegenüber komplexen Entscheidungsprozessen und Globalisierung als mit einer Ablehnung der ESVP zu erklären sind. Die umfangreiche EU-Erweiterung 2004 hat in diesen Haltungen wohl auch eine Rolle gespielt. St. Malo hat sich allerdings nicht auf Entscheidungsmechanismen und Planungsinstrumente beschränkt. Militärische Fähigkeiten werden konkret angesprochen. Hier ist die Bilanz gemischt. In der Praxis hat die EU gerade in den letzten Jahren eine außen- und sicherheitspolitische Dynamik entwickelt, die ihre Rolle als globaler Akteur unterstreichen. Sie hat dabei auch auf militärische und zivile Mittel zurückgegriffen, die ihr von den Mitgliedsstaaten zur Verfügung gestellt wurden. Das bedeutet aber nicht, dass diese Mittel ausreichend sind. Sie genügten knapp, den Bedarf der bisherigen Operationen zu decken. Auch hier zeigten sich große Schwächen, die zum Teil nur durch Ersuchen an Staaten außerhalb der EU überwunden werden konnten. Die Schaffung der europäischen Verteidigungsagentur liegt voll auf der Linie von St. Malo, um die militärischen Fähigkeiten zu verbessern, aber ohne ausreichende Leistungsbereitschaft der Mitgliedsstaaten sind auch hier enge Grenzen gesetzt.

Fazit: eine gemischte Bilanz mit realen Chancen auf Verbesserung, wenn diese politisch gewollt ist.

Autor: Generalmajor Wolfgang Wosolsobe

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