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Narvik 1940

Die Besetzung Nordnorwegens als Operationsbasis im Nordatlantik sowie zur Sicherung bzw. Unterbindung von Rohstofflieferungen war im Frühjahr 1940 für die Alliierten und das Deutsche Reich gleichermaßen von Bedeutung. Nach der Landung deutscher Truppen in Narvik und Bjerkvik im Rahmen des Unternehmens "Weserübung" begann am 9. April 1940 der Kampf um Nordnorwegen.

Alliierte strategische Überlegungen

Im geheimen Zusatzprotokoll zum Nichtangriffspakt vom 23. August 1939 zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion war die Aufteilung Nordost- und Osteuropas, Finnlands, des Baltikums und Polens vorgesehen. Zu Ende des Jahres 1939 hatte die "totalitäre Allianz" ihre strategischen Planungen mit der "Fünften Teilung" Polens und der beginnenden sowjetischen Besetzung der baltischen Staaten zum Teil abgeschlossen.

Der mit massiven sowjetischen Angriffen am 30. November 1939 beginnende finnisch-sowjetische Winterkrieg bewog die beiden Alliierten Großbritannien und Frankreich von den Basen im Irak aus Luftangriffe gegen die sowjetischen Ölfelder im Kaukasus zu planen (Operation "Pike"). Ebenso war die Sicherung der Operationsbasis in Nordnorwegen durch die Anlandung alliierter Verbände (zum Teil mit Gebirgstruppen) zur Unterstützung Finnlands in der Stärke von bis zu 135 000 Mann vorgesehen (Operation "Wilfred").

Wie bei den Planungen für die Luft­operationen im Kaukasus, die nicht zuletzt wegen der massiven Öl- und anderer Rohstofflieferungen an das Deutsche Reich durch die Sowjetunion vordringlich schienen, wurde auch die Unterbindung der Roherzlieferungen aus Schweden an das Deutsche Reich als strategisches Ziel angesehen.

Bei einem Verzicht auf die Anlandung von Heeresverbänden war die Verminung des Hafens von Narvik und von Teilen der norwegischen Küstengewässer geplant.

Die strategisch-operative Bedeutung Narviks

Im Jahr 1939 wurden rund 75 Prozent (11,5 Millionen Tonnen) des Bedarfs der deutschen Industrie an hochwertigem Roherz (15 Millionen Tonnen) von den schwedischen Abbaugebieten um Kiruna mit der 1902 fertig gestellten Erzbahn über Bjørnfjell zum ganzjährig eisfreien Hafen Narvik transportiert und von dort aus mit Erzfrachtern in deutsche Häfen gebracht. Die nach Südosten führende Bahnstrecke über Gällivare zum schwedischen Hafen Luleå am Bottnischen Meerbusen war für den Transport des Erzes nur von begrenztem Wert, da dieser Hafen im Winter mehrere Monate durch Eis blockiert war.

Gleichzeitig mit der Besetzung Dänemarks sollten in Norwegen die Hauptstadt Oslo und andere Häfen sowie einige Flugplätze vorerst durch Luftlandetruppen handstreichartig genommen werden. In weiterer Folge sollten Heerestruppen die noch intakten Verbände des norwegischen Heeres in das Landesinnere abdrängen und zur Kapitulation zwingen. Wie bereits im Artikel über das Unternehmen "Weserübung" dargestellt (siehe dazu TRUPPENDIENST 2/2011, S. 104 ff.), gelang dies zum Teil unter erheblichen Verlusten bei den Einheiten der Deutschen Kriegsmarine. Dabei hatten auch die Heeresverbände vor allem beim Transport nach Norwegen einige Verluste hinzunehmen.

Letztlich gelang es den Verbänden der Gruppe XXI unter dem Kommando von General Nikolaus von Falkenhorst bis Anfang Mai (noch vor Beginn der deutschen Offensive im Westen - Fall "Gelb"), die norwegischen Verbände in Süd- und Mittelnorwegen zur Kapitulation und die meisten britischen Verbände zum Abzug zu zwingen. Nur in Bodø war ein britischer Verband zurückgeblieben.

Die deutsche Absicht, beim Unternehmen "Weserübung" den eisfreien Erzverladehafen Narvik und die Erzbahn unzerstört in Besitz zu nehmen, gelang handstreichartig in den frühen Morgenstunden des 9. April 1940.

Der Transport von Teilen des Gebirgsjäger-Regimentes 139 der 3. Gebirgsdivision und die Anlandung der deutschen Truppen im Raum Narvik, erfolgte mit zehn Zerstörern, die mit hoher Fahrt durch eine Sturmfront den Raum der Lofoten und des Vestfjords erreichten.

Nach der Versenkung der beiden norwegischen Küstenpanzerschiffe "Norge" und "Eidsvold" durch deutsche Zerstörer ergab sich der Kommandant der norwegischen Truppen im Raum Narvik, Oberst Sundlo, offensichtlich von der deutschen Abwehr als Agent geführt, ohne Widerstand.

Verstärkungen und Nachschub für das Gebirgsjäger-Regiment 139 sollten durch die "Ausfuhrstaffel", d. h. requirierte Transportschiffe, herangebracht werden. Wegen ihrer geringeren Marschgeschwindigkeit hatten diese schon vor den deutschen Zerstörern die Häfen verlassen und sollten ohne Geleitschutz ihre Zielhäfen erreichen. Wie risikoreich diese Operation war, sollte sich bald herausstellen.

Die Kämpfe der Gebirgsjä­ger vom 15. April bis 9. Juni

Der Kommandeur der 3. Gebirgsdivision, Generalleutnant Eduard Dietl, landete mit dem durch Artillerie- und Aufklärungseinheiten der Division verstärkten Regiment am 9. April in Narvik und Bjerkvik. Der Regimentskommandeur des Gebirgsjäger-Regimentes 139, Oberst Alois Windisch, geboren 1892 in (Bad) Fischau in Niederösterreich, war ein erfahrener und hoch ausgezeichneter Infanterieoffizier im österreichisch-ungarischen Heer gewesen. Ihm war für seine Leistungen an der Südwestfront im Herbst 1917 die höchste Tapferkeitsauszeichnung für Offiziere, der Militär-Maria-Theresien-Orden, verliehen worden. Im Bundesheer der Ersten Republik zum Generalstabsoffizier ausgebildet, war er nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 nicht in den Generalstab des Heeres übernommen, sondern mit dem Kommando über das neu aufgestellte Gebirgsjäger-Regiment 139 betraut worden.

Die Bataillonskommandanten waren Major Stautner (I.), Major Haussels (II.) und Major Hagemann (III.). Viele der Unteroffiziere und Soldaten des Gebirgsjäger-Regimentes 139 kamen aus Kärnten. Ein hoher Prozentsatz davon hatte bereits vor dem Krieg im Österreichischen Bundesheer eine gute Gebirgsausbildung abgeschlossen.

Die Landung sowie die Besetzung des Truppenübungsplatzes Elvegårdsmoen (ostwärts von Bjerkvik) mit zahlreichen Unterkünften und Depots des norwegischen Heeres waren vorerst ohne Schwierigkeiten gelungen.

Die Besatzungen der versenkten Zerstörer verstärkten das Personal der deutschen Truppen um rund 2 600 Mann. Diese überlebenden Zerstörerbesatzungen konnten zumindest notdürftig mit erbeutetem norwegischem Material und Waffen ausgestattet und ausgerüstet werden. Zusätzlich brachten die noch verwendbaren FlA-Waffen der Zerstörer (ein 3,7-cm-FlA-Geschütz und neun 2-cm-FlA-Geschütze) eine geringe Fliegerabwehrkapazität.

Obwohl die Angehörigen der Kriegsmarine in keiner Weise für den Kampf im arktischen Gebiet ausgebildet waren, konnte das Marine-Regiment "Bey", (später Marine-Regiment "Berger") die überdehnten Gefechtsstreifen der Gebirgsjäger verstärken und Teile der Erzbahn sichern.

Das Bataillon unter Fregattenkapitän Freytag-Loringhoven und die Marinekompanie unter Fregattenkapitän Erdmenger verstärkten mit der Schiffsstammabteilung Narvik die deutschen Verbände im Stadtgebiet von Narvik.

Die deutschen Vorstöße nach Norden bis Elvenes und zum Oallge Pass sowie im Osten bis Bjørnfjell konnten das Vorfeld von Narvik in der ersten Phase sichern. Die Einnahme des Flugplatzes Bardufoss (ca. 80 Kilometer nördlich von Narvik in Richtung Tromsø) war jedoch durch den Widerstand der norwegischen 6. Division nicht zu bewerkstelligen.

So blieb nur der Nachschub von Material durch den improvisierten Lufttransport. Am Abend des 13. April versuchten elf Transportflugzeuge "Junkers" Ju 52 eine Gebirgsbatterie einzufliegen. Dabei wurden durch britische Kriegsschiffe im Ofotfjord drei Ju 52 abgeschossen. Acht landeten auf dem zugefrorenen Hartvigvatn. Nur zwei von ihnen konnten wieder starten. Die anderen versanken nach dem Tauwetter im See.

Die vier Gebirgsgeschütze gaben dem Regiment zumindest eine schwache artilleristische Feuerkraft. Mit Flugbooten des Typs "Dornier" Do 26 wurden ab dem 3. Mai Personal, Waffen und Munition eingeflogen, wobei drei Flugzeuge verloren gingen.

Von 760 nach Trondheim verlegten Soldaten des Fallschirmjäger-Regimentes 1 wurden aus Ju 52 Flugzeugen 375 Fallschirmjäger abgesetzt. Insgesamt gab es in den Kämpfen 26 Gefallene und vier Vermisste (davon 22 bei zwei Abschüssen von Ju 52) sowie 41 verwundete und fünf gefangene Fallschirmjäger. Zwischen dem 22. und dem 25. Mai sprangen 176 Gebirgsjäger der Gebirgsjäger-Regimenter 137 und 138 nach einer kurzen Ausbildung mit dem Fallschirm bei Narvik ab. Mit Flugbooten landeten bis 28. Mai 185 Gebirgsjäger mit vier 3,7-cm-PaK und einem Gebirgsgeschütz 7,5-cm. Insgesamt waren der deutschen Kampfgruppe bei Narvik 986 Mann auf dem Luftweg unter schwierigen Bedingungen zugeführt worden.

Die vorübergehende alliierte Luftüberlegenheit wirkte sich negativ auf die deutsche Operationsführung bei Narvik aus. Vom Flugzeugträger HMS "Ark Royal" und von Bardufoss und Elvenes aus griffen zwei Staffeln des Fleet Air Arm und zwei britische Jagdstaffeln der Royal Air Force immer wieder einfliegende deutsche Flugzeuge mit Erfolg an. Eine - allerdings nicht ausreichende - deutsche Luftunterstützung war erst ab Anfang Mai gegeben, da nun der deutschen Luftwaffe durch die Besetzung und Einsatzmöglichkeit von Flugplätzen im Raum Trondheim Operationen gegen die alliierten Heeres- und Flottenverbände möglich waren.

Der deutsche Vorstoß nach Norden bis 24. April traf bald auf die Masse der norwegischen 6. Division. In den Gefechten im Bereich Lapphaugen am 23. April konnte zwar ein Sieg über ein norwegisches Bataillon errungen werden, jedoch zeigte sich, dass das konzentrische, vorerst allerdings zögernde Vorgehen der Alliierten (Briten, Franzosen und Polen), die seit 14. April um Harstad standen, die deutschen Verbände ab Ende April 1940 in schwere Bedrängnis brachte.

Die Ernährungslage war für die deutschen Truppen besonders schwierig. Auf dem Versorgungsschiff "Jan Wellem" und in den norwegischen Depots konnten über 200 000 Verpflegs­portionen gesichert werden. Am 26. April kamen über Schweden weitere 250 000 Verpflegsportionen und Sanitätsmaterial nach Narvik. Trotzdem war die Versorgungslage Ende Mai und Anfang Juni dramatisch. Die Truppen litten unter Mangelerscheinungen und Krankheiten.

Die alliierten Landungen Ende April im Gratangenfjord, am 12. Mai bei Bjerkvik und am 28. Mai in Narvik, führten zu einer Krise, die die deutschen Truppen Anfang Juni mit dem Rücken zur schwedischen Grenze sah.

Inzwischen war jedoch am 23. Mai von den Alliierten aufgrund des Vorstoßes der Wehrmacht an den Ärmelkanal (Calais und Dünkirchen) der Entschluss gefasst worden, Narvik zu räumen. Churchill soll dazu sarkastisch bemerkt haben, dass man es vor der Räumung erst einmal einnehmen müsste. Ab dem 2. Juni 1940 begann der Abzug der Alliierten aus Nordnorwegen, der bis 8. Juni andauerte und für die Heeresverbände ohne große Verluste ablief.

Damit gewannen die deutschen Truppen unter Generalleutnant Dietl den Raum Narvik zurück (8. bis 9. Juni 1940). Narvik selbst sowie die Erzverladeanlagen waren schwer zerstört. Erst 1942 konnte der Roherztransport wieder in vollem Umfang aufgenommen werden.

Teile der 6. Division der Norweger kämpften noch bis 10. Juni weiter. Dies forderte auf beiden Seiten hohe Verluste bis zur Kapitulation von General Ruge, dem Oberbefehlshaber der norwegischen Verbände in Nordnorwegen. Das Unternehmen "Büffel", das eine Kampfgruppe der 2. Gebirgsdivision nach Narvik führen sollte, wäre zum Entsatz mit Sicherheit zu spät gekommen.

Zusammenfassung

Von deutscher Seite war im Raum Narvik eine rudimentäre Form von "Joint Warfare" und des "Kampfgruppen-Systems" entwickelt und praktiziert worden.

Die zwischen 9. April und 9. Juni 1940 insgesamt rund 5 600 eingesetzten deutschen Soldaten (inklusive der eingeflogenen und über Schweden zugeführten Soldaten) konnten sich gegen­über den 24 000 Mann alliierter Truppen bis zum 9. Juni halten - wenn auch mit äußersten Schwierigkeiten und zum Teil empfindlichen Verlusten während der alliierten Angriffsoperationen.

Letztlich führte dies zum - jedoch falschen - Schluss, dass auch bei erheblicher zahlenmäßiger und materieller Unterlegenheit durch "Standfestigkeit" der eigenen Truppe und Sicherstellung einer wenigstens minimalen Versorgung aus der Luft ein militärischer Erfolg auch in vermeintlich aussichtslosen Lagen zu erringen war.

Für die britische Führung war die Entwicklung der amphibischen Operationen nach den zum Teil negativen Erfahrungen in Norwegen für die Operationsführung in den folgenden Jahren von entscheidender Bedeutung.


Autor: Hofrat Dr. Wolfgang Etschmann, Oberleutnant, Jahrgang 1953. Nach Matura und Einjährig-Freiwilligen-Ausbildung Studium der Zeitgeschichte und Germanistik an der Universität Wien; 1979 Promotion zum Dr. phil., danach als wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien tätig. Von 1981 bis 1982 Kompaniekommandant beim Landwehrstammregiment 21. Ab 1982 Referent für neuere Militärgeschichte am Heeresgeschichtlichen Museum/Militärwissenschaftliches Institut; 1994 bis 2011 Leiter der Militärgeschichtlichen Forschungsabteilung des Heeresgeschichtlichen Museums. Seit 2011 im Institut für Human- und Sozialwissenschaften, Referat Kriegstheorie an der Landesverteidigungsakademie.

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