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Österreichische Militärstreife & Militärpolizei in der MSU

Seit Februar 2011 sind Soldaten des Verbandes Militärstreife & Militärpolizei (MilStrf&MP) in der Multinational Specialized Unit (MSU) im Kosovo im Einsatz. Die Österreicher nehmen vor allem zivilpolizeiliche Aufgaben im Einsatzraum wahr. Dies ist bis dato die zahlenmäßig stärkste Beteiligung mit MilStrf&MP-Kräften in einem Auslandseinsatz seit Aufstellung der Ordnungstruppe im Bundesheer.

Was bedeutet MSU?

MSU steht für Multinational Specialized Unit und ist die Bezeichnung für militärpolizeiliche Kräfte, denen bei Einsätzen im Rahmen des internationalen Krisenmanagements spezielle Aufgaben zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit übertragen werden. Diese Kräfte sind dem Kommandanten der Friedenstruppe unmittelbar unterstellt. Typische Aufgaben von MSU-Kräften sind beispielsweise
  • Ordnungseinsätze bei Unruhen und anderen Ausschreitungen (Crowd and Riot Control - CRC),
  • kriminalpolizeilicheErmittlungstätigkeiten,
  • die Durchsuchung von Objekten (Cordon & Search),
  • Begleitschutz für gefährdete Personen,
  • die Festnahme von Straftätern,
  • die Informationsgewinnung, insbesondere im Bereich der Kriminalitäts- und Sicherheitslage sowie
  • die Ausbildung und Überwachung ziviler Polizeikräfte.

Diese typischen zivilpolizeilichen Aufgaben nehmen MSU-Kräfte insbesondere dann wahr, wenn lokale oder internationale Polizeikräfte nicht oder nur bedingt handlungsfähig sind. Die Friedenstruppe besitzt somit jene Fähigkeiten, die ihr die Wahrnehmung von speziellen Polizeiaufgaben ermöglicht.

Entwicklung der MSU

Das Konzept der MSU wurde durch die NATO im Zuge der Operationen am Balkan ab 1998 entwickelt.

Ausgangspunkt waren die enormen Schwierigkeiten, mit denen die internationale Staatengemeinschaft in Bosnien und Herzegowina konfrontiert war. So galt es in den Nachkriegswirren trotz des Fehlens funktionierender ziviler Polizeikräfte die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten und Recht und Gesetz durchzusetzen. Die dafür nicht vorbereiteten und nicht ausgebildeten internationalen Kampftruppen waren dazu nur bedingt in der Lage.

Dem Konzept lag die Idee zugrunde, die Sicherheitslücke, die zwischen der Beendigung der konventionellen Kampfhandlungen und dem Wirksamwerden ziviler Polizeikräfte entstanden war, durch speziell ausgebildete polizeiliche Kräfte unter Führung der Friedenstruppe zu schließen. Das Ziel war es, einen Beitrag für ein sicheres Umfeld für die Zivilbevölkerung zu leisten und möglichen Bedrohungen gegenüber der Friedenstruppe rechtzeitig entgegentreten zu können.

Federführend dabei war Italien, das mit den Carabinieri über eine Polizeitruppe in den Streitkräften verfügt, die jedoch vor allem zivilpolizeiliche Aufgaben wahrnimmt (die Carabinieri unterstehen dem Verteidigungsministerium, führen aber in Friedenszeiten Aufgaben für das Innenministerium durch). Auch andere Länder, die in ihren Streitkräften über zivile Polizeistrukturen verfügen, stellen Kräfte für dieses Konzept ab (Spanien mit der Guardia Civil, Frankreich mit der Gendarmerie). Kleinere Länder leisteten Beiträge mit Militärpolizeieinheiten (z. B. Slowenien, Estland), die ebenfalls über gute Voraussetzungen für die Wahrnehmung zivilpolizeilicher Aufgaben verfügen.

MSU-Kräfte sind keinesfalls als leichte (oder spezialisierte) Infanterie zu verstehen, sondern als militärische Kräfte mit speziellen polizeilichen Fähigkeiten.

Die in den Jahren 2004 bis 2005 durch Österreich in Bosnien und Herzegowina als MSU-Kompanie eingemeldete Einheit war somit keine MSU-Einheit im Sinne der internationalen Definitionen, da sie mit Masse aus infanteristischen Kräften, unterstützt durch einzelne Militärstreifensoldaten bzw. Militärpolizisten zusammengesetzt war.

Der Erfolg der MSU-Kräfte in Bosnien und Herzegowina (später auch in Albanien und im Kosovo) war Auslöser für die Bildung ähnlicher Einheiten in Missionen der Europäischen Union (dort als IPU - Integrated Police Unit bezeichnet) und für weiterführende Entwicklungen zur Europäischen Gendarmerie Force (EGF), deren Aufstellung 2007 erfolgte (nähere Informationen dazu auf www.eurogendfor.com).

Entwicklung in Österreich

Im Jahr 2007 war eine wesentliche Vorgabe bei der Aufstellung des Verbandes Militärstreife & Militärpolizei, Kräfte bis zur Stärke einer verminderten Kompanie für die Beteiligung an MSU/IPU im Rahmen des internationalen Krisenmanagements verfügbar zu machen und deren personelle, materielle und ausbildungsmäßige Einsatzbereitschaft herzustellen. Damit könnte ein qualitativ hochwertiger Beitrag mit relativ geringem personellen Aufwand geleistet und eine zusätzliche Handlungsoption für die politische und militärische Führung geschaffen werden (mehr Informationen dazu im Endbericht der Bundesheerreformkommission TP SK02 MilStrf/MP, Fähigkeitenkatalog für die Ordnungstruppe).

MSU im Kosovo

Ende 2009 wurde Österreich im Zuge der Planungen für die neue Struktur von KFOR eine Beteiligung an der durch die von Italien geführte MSU im Kosovo angeboten. Im Juni 2010 führten Vertreter des italienischen Verteidigungsministeriums, des Oberkommandos der Carabinieri und des BMLVS unter Einbindung von Vertretern der MilStrf&MP Expertengespräche in Wien durch, um die Details der österreichischen Beteiligung (Gliederung, Aufgaben, Logistik, Rechtsgrundlagen und Befugnisse, Führungsunterstützung etc.) zu fixieren.

Als Ergebnis wurde die Entsendung eines Stabselementes (1 Offizier, 1 Unteroffizier), eines verminderten MilStrf&MP-Zuges (1 Offizier, 21 Unteroffiziere) und eines Versorgungstrupps (2 Unteroffiziere), insgesamt 26 Soldaten, ab Februar 2011 vereinbart. Es handelt sich somit um die zahlenmäßig stärkste Beteiligung mit MilStrf&MP-Kräften in einem Auslandseinsatz seit der Aufstellung der Ordnungstruppe überhaupt.

Im September 2010 und im Jänner 2011 fand die Einsatzvorbereitung des ersten MSU-Kontingentes in Wien statt. Hiezu entsandte Italien auch CRC-Instruktoren nach Österreich, um eine Angleichung der Soldaten an die Gefechtstechniken und Formationen der Carabinieri sicherzustellen. Im Februar 2011 wurde das erste österreichische MSU-Kontingent in den Einsatzraum entsandt und wenige Wochen später die volle Einsatzbereitschaft (Full Operational Capability) erreicht. Anfang Juni 2011 erfolgte die erste Rotation, und das zweite MSU-Element nahm seine Tätigkeit auf.

Das MSU-Regiment ist eine der beiden taktischen Reserven des Kommandanten der KFOR. Das Regiment ist in einem eigenen Camp in der Hauptstadt Pristina stationiert und gliedert sich in das Regimentskommando, ein Bataillonskommando mit zwei MSU-Kompanien und Versorgungsteile. Teile der Kompanien werden rund um die Uhr als schnelle Eingreifreserve für Ordnungseinsätze bereitgehalten. Die österreichischen MSU-Soldaten sind im Regiment eingegliedert. Die Aufgaben des österreichischen MSU-Elementes sind insbesondere

  • das Bereithalten von CRC-fähigen Eingreifkräften (Quick Reaction Force),
  • die Durchführung von Patrouillen,
  • das Betreiben von Vehicle Checkpoints gemeinsam mit der Kosovo Police und
  • die Informationsgewinnung.

Im Einzelfall werden durch die MSU Begleitungen hochrangiger Besucher (Begleitschutz) und Unterstützungen für die International Military Police (IMP) wahrgenommen. Aufgrund der polizeilichen Struktur der Truppe ist die MSU die einzige KFOR-Einheit, die im Bedarfsfall für Operationen in der Hauptstadt Pri¹tina vorgesehen ist. Zusätzlich werden regelmäßig Ausbildungsgänge (insbesondere für CRC) für die Kosovo Police durchgeführt.

Darüber hinaus wird in einem Wechseldienst die Campsicherung aufrechterhalten und eine entsprechende Fort- und Weiterbildung zum Erhalt der Einsatzbereitschaft betrieben. Ausbildungsinhalte sind u. a. Gefechtstechniken für den Ordnungseinsatz, Scharfschießen und die Zusammenarbeit mit Lufttransportkräften zur Verlegung von MSU-Soldaten mit der gesamten CRC-Ausrüstung.

Lage im Einsatzraum

Die aktuelle Situation im Einsatzraum konnte bis Ende Juni 2011 noch als ruhig und stabil beschrieben werden. Die Lage wurde jedoch so eingeschätzt, dass insbesondere im Norden des Kosovo kurzfristig aufflammende Unruhen nicht auszuschließen sind. Unangekündigte Demonstrationen, Straßensperren und ähnliche Aktivitäten waren und sind weiterhin an der Tagesordnung.

Im Juli 2011 kam es allerdings zu einer deutlichen Lageverschärfung im Norden des Kosovo, die sich auf den Einsatz der MSU unmittelbar auswirkte. Auslöser war die Entscheidung der kosovarischen Regierung, ein für serbische Importwaren verhängtes Handelsembargo durchzusetzen. Dieses Embargo war die Antwort auf die durch Serbien nicht akzeptierten kosovarischen Zollstempel, was wiederum Exporte aus dem Kosovo nach Serbien unmöglich machte. In der Nacht vom 25. auf den 26. Juli 2011 wollte die Regierung in Pristina dieses Embargo durch die handstreichartige Übernahme der Grenzübergänge zu Serbien mit dem Einsatz von Sondereinsatzkräften der kosovarischen Polizei (Kosovo Police) gewährleisten. Dies führte zu Straßensperren (Roadblocks) und Demonstrationen der Bevölkerung im serbisch dominierten Norden des Kosovo, die ihren Höhepunkt in der Zerstörung des Grenzüberganges in Jarinje durch serbische Extremisten fanden.

Die österreichische MSU-Einheit, schon vor diesen Ereignissen mit Schwergewicht im Norden des Kosovo eingesetzt, war plötzlich inmitten der Auseinandersetzungen. Aufgrund der offen feindseligen Haltung der lokalen Bevölkerung gegenüber den ausländischen Soldaten kam es mehrmals zu heiklen Situationen. So wurde z. B. eine Patrouille mit Steinen angegriffen. Aufgrund der Gefährdungslage wurden Patrouillen für mehrere Wochen nur mit den Mannschaftstransportpanzern (MTPz) "Pandur" durchgeführt. Die Aufträge umfassten

  • die Überwachung von Roadblocks,
  • die Erkundung von Straßen und Umfahrungsmöglichkeiten und
  • die Verhinderung von Ausschreitungen vor allem in der Stadt Mitrovica.

Während der Patrouillen konnten wertvolle Informationen, die eine Verdichtung des Lagebildes ermöglichten, gewonnen werden. Mehrmals verlegte die MSU in voller CRC-Ausrüstung in den unmittelbaren Nahbereich von Demonstrationen und hielt sich für eine mögliche Auflösung dieser bereit. Die MSU führte im Auftrag des Hauptquartiers KFOR (HQ KFOR) auch Erkundungs- und Aufklärungsfahrten mit Teilen des Stabes durch, um der Führung ein klares Lagebild vor Ort verschaffen zu können.

Nach dem Einfließen von Reservekräften (ORF-Bataillon mit deutschen und österreichischen Kräften) Anfang August wurde die MSU aufgrund ihres polizeilichen Auftretens vor allem im Stadtgebiet von Mitrovica eingesetzt, um dort Anzeichen von Unruhen sofort erkennen und in enger Zusammenarbeit mit EULEX (European Union Rule of Law Mission) den Schutz wichtiger Objekte gewährleisten zu können.

Ausrüstung im Kosovo

Das österreichische MSU-Element ist für seine Aufgaben modern und zweckmäßig ausgerüstet. Den Soldaten steht eine hochwertige, modulare Schutzausrüstung für den Ordnungseinsatz zur Verfügung, die einen bestmöglichen Schutz gewährleistet. Neben der Standardbewaffnung (P80 und StG77) haben die Soldaten Maschinenpistolen (P90), die bei den Patrouillen im Fahrzeug untergebracht sind. Für den Ordnungseinsatz werden das Aufsatzgerät (AG03) für das StG77 zum Verschießen von Tränengas- und Impulsgranaten, Abwehrsprays mit unterschiedlichen Füllmengen und ein Impulslöschgerät mitgeführt. Alle Soldaten verfügen über Nachtsichtmittel (Taktische Laserlichtmodule für Pistole, Maschinenpistole und Sturmgewehr sowie Nachtsichtbrillen). Für die Informationsgewinnung und Dokumentationsaufgaben sind Wärmebildgeräte, Fotoapparate und Videokameras vorhanden.

Die Patrouillenaufgaben werden, mangels geeigneter eigener Einsatzfahrzeuge, mit acht von Italien angemieteten Land Rover "Defender" durchgeführt. Diese sind mit dem KFTS (KFOR Tracking System), einem UKW-Funkgerät und einem Tetra-Funkgerät ausgestattet, womit eine sichere Verbindung zum Tactical Operation Center (TOC) gegeben ist. Der sichere Transport im Ordnungseinsatz erfolgt mittels dreier MTPz "Pandur", die mit Blaulicht, Folgetonhorn, einer Lautsprecheranlage, dem KFTS und einer entsprechenden Kennzeichnung ausgestattet sind.

Auf einen Blick

Die Militärstreife & Militärpolizei hat nur drei Jahre nach Aufstellung des Verbandes die Fähigkeit errungen, bestens ausgebildete und ausgerüstete Militärpolizeikräfte in eine Stabilisierungsoperation niedriger Intensität zu entsenden. Dieser österreichische Beitrag wäre in einer anderen Organisationsstruktur nicht möglich gewesen. Die Beurteilungen, die zur Aufstellung des Verbandes geführt haben, waren richtig. Für zukünftige Einsätze des Bundesheeres wurde damit eine Handlungsoption, die der Leitlinie Qualität statt Quantität Rechnung trägt, realisiert.


Autor: Oberleutnant Mag. (FH) Axel Wochinger, Jahrgang 1976. Eingerückt 1996. Seit 2007 Lehroffizier für Einsatzverfahren bei der Lehrabteilung der Militärstreife & Militärpolizei. 2004/05, 2006, 2007 Auslandseinsätze im Kosovo als Kommandant der österreichischen Militärpolizei, Zugskommandant und stellvertretender Kompaniekommandant einer multinationalen Militärpolizeikompanie, seit Juni 2011 Kommandant des österreichischen MSU-Elements bei AUCON/KFOR und stellvertretender G3 im MSU-Regiment in Pristina.

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