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"Bodenseeforum" Ideenschmiede des Sanitätsdienstes

Das "Bodenseeforum" ermöglicht ein alljährliches Treffen derer, die im Sanitätsdienst oder Katastrophenschutz, in den Rettungsorganisationen, der dazugehörigen Industrie oder in Wissenschaft und Politik der drei Bodenseeanrainerstaaten Verantwortung tragen.

Dieses Treffen findet seit 28 Jahren statt. Den Tagungspräsidenten stellen alternierend die Schweizer Armee, das Österreichische Bundesheer und die Deutsche Bundeswehr. Dieses Jahr war der Leiter der Militärmedizin des Bundesheeres, Brigadier Dr. Robert Hofmann, für den erfolgreichen Ablauf verantwortlich.

Diese trinationale Veranstaltung wird - unübersehbar - von der Wehrmedizin dominiert. Gern gesehen, regelmäßig dabei und an ihren Uniformen zu erkennen sind auch Gäste anderer Nationen wie etwa aus Norwegen oder den Niederlanden. Selbst ägyptische, russische und chinesische Sanitätsoffiziere nahmen, als Zuhörer oder Vortragende, bereits an diesen Tagungen teil.

Dabei versteht die versammelte Ärzteschaft ihr Symposium keineswegs als "Konkurrenzunternehmen zu medizinischen Kongressen, die es in vielfältigster Form gibt", wie der deutsche Ehrenpräsident des "Bodenseeforums", Generalstabsarzt a. D. Dr. Peter K. Fraps, gegenüber TRUPPENDIENST betonte. Vielmehr befasse man sich an vier Tagen - von denen drei im Zeichen der Wehrmedizin stehen - mit Managementfragen, also dem Element "Medical Operations".

An den Tagungsorten Bregenz (Österreich), Rohrschach (Schweiz) und Langenargen (Deutschland), die traditionell und in dieser Reihenfolge jeweils für einen Tag Gastgeber des militärischen Teils des "Bodenseeforums" sind, treffen sich Bedarfsträger (Organisationen) wie Bedarfsdecker (Industrie) auf Augenhöhe. Kommandeure und Sanitätsoffiziere informieren über ihre Erfahrungen im Einsatz (z. B. Afghanistan).

Dabei ist die Bestandsaufnahme jedoch nur Mittel zum Zweck. Denn die Angehörigen der Sanitätsdienste formulieren die aus ihren Einsatzerfahrungen abgeleiteten Wünsche - so beispielsweise zur Optimierung sandienstlicher Abläufe und santechnischer Ausrüstung. Danach haben die Vertreter der Industrie die Möglichkeit zu erläutern, was aus ihrer Sicht vorstellbar ist.

Ein Wechselspiel, das funktioniert, wie Fraps‘ Resümee deutlich macht: "Wir haben in 28 Jahren viel nachgedacht - zum Beispiel: den Sanitätsdienst aus der Luft zu organisieren. In Bonn wurden wir ausgelacht. Unbeirrt haben wir dennoch hier beim Symposium mit der Industrie diskutiert und erläutert, was wir bräuchten. Die Industrie hat uns gesagt was sie kann, und so weiter. Was haben wir heute: hochmobile luftbewegliche Sanitätskomponenten in Containern. So hat sich Langenargen als Forum bewiesen, auf dem visionär gedacht wird und das Innovationen vorantreibt." Bekanntlich braucht alles seine Zeit. Daher ist die Frage nach der Perspektive des Symposiums sicher ebenso verständlich wie die Antwort von Fraps: "Ich habe keinen Zweifel, dass wir weiterhin auf dem richtigen Weg sind, und dass das Bodenseeforum eine Zukunft hat." Alle weiteren Nachfragen beantwortete Tagungspräsident Hofmann. Den Realitätsbezug seiner Überlegungen lieferte ein anderer Tagungsteilnehmer: Generalarzt Dr. Stephan Schoeps, Kommandeur der Sanitätsakademie der Bundeswehr (SanAkBw). Er nutzte den "Deutschlandtag" in Langenargen, um in einem Hintergrundgespräch mit Experten der Sanitätsdienste Österreichs und der Schweiz die Chancen für eine zukunftsträchtige Ausbildungskooperation auszuloten.

Interview mit Brigadier Dr. Robert Hofmann - 2. Juli 2011, Langenargen.

Draxler (D): 28 Jahre "Bodenseeforum": ein Konzept mit oder ohne Perspektive?

Hofmann (H): Es ist immer notwendig, Vorhaben einer Evaluierung zu unterziehen. Denn im Endeffekt geht es bei jeder Unternehmung um deren Zweckmäßigkeit, aber auch um Sparsamkeit und damit nicht zuletzt um die Wirtschaftlichkeit. Beim "Bodenseeforum" müssen wir an den Anfang denken, der 28 Jahre zurückliegt. Der Auslöser, der Hauptmann Müller veranlasste, dieses Forum zu gründen und es bis heute erfolgreich über diese Zeit zu führen, war ein Flugzeugabsturz am Bodensee. Die Folgen waren katastrophal, weil nicht zuletzt die Mittel und Verfahrensweisen noch nicht so abgestimmt und reguliert waren, wie dies heute der Fall ist. Der Ursprung des "Bodenseeforums" begründet sich in der humanitären Idee Müllers, solche Szenarien zu beherrschen. Dass hier zivile Kräfte nicht ausreichen ist evident, was Katastrophenereignisse immer wieder bestätigen. Eine der Grundideen dieses Forums ist daher die Abstimmung zwischen zivilen und militärischen Kräften, um derartige Lagen beherrschen zu können.

Hinzu kommt hier am Bodensee die besondere Situation, dass wir drei Plattformen haben: Deutschland, die Schweiz und Österreich. Gemeinsam ist uns, dass wir die militärische Komponente dort einsetzen, wo andere Kräfte für sich allein nicht mehr helfen können. Daher bietet dieses Forum, von der strategischen bis hin zur taktischen Ebene, die Möglichkeit, sich in einer im Grunde auch sehr persönlichen, kameradschaftlichen Weise auszutauschen. Das wäre auf der formalen international üblichen Ebene so nicht möglich. In Österreich ist, ebenso wie in der Schweiz und in Deutschland, die Katastrophenhilfe ein wesentlicher Bestandteil des strategischen Sicherheitsbedürfnisses. Und das erfordert von jedem von uns, entsprechende Fähigkeiten und Ressourcen bereitzuhalten.

D: Die Stichworte hierzu sind: Fähigkeiten, Fähigkeitslücken. Steht nicht auch die Wehrmedizin angesichts dessen, was einerseits möglich und andererseits finanzierbar ist, vor dem Zwang zur Priorisierung?

H: Richtig ist, und das hat auch das diesjährige "Bodenseeforum" wiederum gezeigt, dass die Anforderungen immer höher werden. Das heißt, dass die Kooperation im höchsten Maße geboten ist. Wir sehen auf der zivilen wie militärischen Seite, dass niemand von uns heute alles und in höchster Qualität für sich allein sicherstellen kann. Die Beschränkungen der Ressourcen sind zumeist budgetärer Art. Das drückt sich personell sowie materiell und in der Infrastruktur aus.

Diese Sachlage hat den Gedanken der Zusammenarbeit - das Pooling und Sharing - gefördert. Das gilt hier vor Ort am Bodensee ebenso wie auf der europäischen Ebene oder - weltweit - im Rahmen der NATO.

Es geht beim "Bodenseeforum" aber auch um die Weiterentwicklung unserer Fähigkeiten. Deswegen ist die Präsenz der Industrie für dieses Forum entscheidend. Hier finden Gespräche auf allen Ebenen statt.

D: Optisch sieht das mehr nach Industriepräsentation, nach Einbahnstraße aus. Gibt es denn auch Dialoge - also die Vermittlung gegenseitiger Erkenntnisse, die Erörterung von Problemen oder gar die Suche nach Lösungen?

H: Ja, wir werten hier auch Einsatzgeschehen aus - Beispiel Afghanistan, Beispiel "Force Protection". Zum Schutz im Einsatz gehören ineinander verzahnte Fähigkeitsprofile ebenso wie geschützte Fahrzeuge oder die rasche notwendige - wie systemische - Versorgung des Soldaten, die seine Überlebenssicherheit signifikant verbessert. Das erfordert Mittel, die (weiter)entwickelt werden müssen. Die hier vorgestellten einsatzbezogenen Erkenntnisse geben auch der Industrie Impulse für Neu- oder Weiterentwicklungen. Das heißt: Es ist keine Einbahnstraße. Hier werden gegenseitig Prozesse angestoßen, die zu Ergebnissen in der Entwicklung führen können - und auch geführt haben.

D: Mit anderen Worten: Aufwand und Ertrag, den die Sanitätsdienste Österreichs, der Schweiz und Deutschlands hinsichtlich des "Bodenseeforums" erbringen beziehungsweise als Benefit erhalten, haben sich stets gelohnt. Ein Automatismus?

H: Aufwand und Ertrag stehen in einem sehr positiven Verhältnis. Gerade wer eine Veranstaltungsreihe über 28 Jahre gestaltet, musste sich stets überlegen, wie sie ihre Attraktivität behält und damit ihr Publikum weiterhin gewinnt. Für uns in Österreich ist es wichtig, dass hier auch unsere Milizorganisation mit eingebunden werden kann. Da spielen die Kosten eine Rolle. Denn wie alle Streitkräfte haben auch wir hier eine Verantwortung, Fortbildungen effektiv wie kos­tenbewusst durchzuführen. Das heißt: Wir müssen auf einen hohen fachlichen Nutzen achten, der zugleich effizient umsetzbar ist.

D: Das ÖBH bereitet sich auf die Teilnahme an der Battle Group 2012/2 der Europäischen Union (EU) vor. Darin soll es das "logistic lead" übernehmen. Welche Beiträge sind dazu im Bereich der Sanitätsversorgung zu erwarten?

H: Das EU-Battle Group-Konzept ist Ausdruck der daran teilnehmenden Staaten, europäische Interessen auch hinsichtlich der Verteidigungsbereitschaft zu unterstützen. Das kommt einem neutralen Staat, wie Österreich oder Schweden, sehr entgegen, weil wir hier einen Solidaritätsbeitrag für die Gemeinschaft leisten können, zu der wir stehen.

Das "Medical-Element" ist eine logische Konsequenz des EU-Battle Group-Konzepts. Es dürfte, weltweit betrachtet, kaum eine Streitkraft in der Lage sein, in vollem Umfang Expertise und Mittel in höchster Qualität allein zur Wirkung zu bringen. Das charakterisiert auch die EU-Battle Groups.

Österreich hat sich, 2011 ein bisschen - mit einer Beteiligung von rund 180 Personen - "warm gelaufen". Sie wurden vom Bundesheer durch ein Sanitätselement in der Größenordnung von insgesamt zwölf Personen auf der Role-1-Ebene (vorklinische Versorgung), im PECC (Patient Evacuation Control Center) und im deutschen Role-2-Element (klinische Akutversorgung) unterstützt. Wir haben dabei in einem sehr intensiven Lessons-learned-Prozess sehen können, wo wir noch nachbessern müssen.

Diese Erkenntnisse setzen wir jetzt bei der Vorbereitung der EU-Battle Group 2012/2 um. Da engagieren wir uns stärker, mit etwa 350 Soldaten, darunter zirka 50 Angehörige des Sanitätspersonals. Wir haben hier die Chance einer wehrmedizinischen Weiterentwicklung. Wir steigen - mit einem Zwischenschritt - in der Versorgungsebene quasi eine Stufe höher.

Wir konzentrieren uns mit unseren Mitteln auf eine Fähigkeit zum Betreiben eines Role-2-light-Maneuver-Elements und hier - als weiteres Ziel - von "damage control surgery" (standardisiertes Schockraummanagement sowie die erste operative Phase). Diese Elemente sind modular aufgebaut. Das bietet einem kleineren Staat wie uns die Möglichkeit, hier mit einzelnen Modulen unterstützend hineinzugehen.

Unser Partner ist die Deutsche Bundeswehr, die die Multinational Medical Task Force anführt. Österreich wird - als Lead-Nation - darin insgesamt die Logistik sicherstellen. Wir haben hierzu personell wie materiell die Vorbereitungen getroffen. Wesentlich sind hierbei die entsprechenden Ausbildungs- sowie Evaluierungsschritte, die wir bislang ohne Tadel abwickeln konnten. Das ist für uns ein großer Fortschritt, weil wir von der Planung über die Einsatzvorbereitung bis hin zum Einsatz und dessen Nachbereitung unter dem Dach eines potenten Partners diese Erfahrungen sammeln können. Denn hier wird uns nicht in Einem die Gesamtaufgabe zugeordnet, sondern die Möglichkeit geboten, uns schrittweise weiterentwickeln zu können.

D: Ist das so zu verstehen, dass sich der Sanitätsdienst des Bundesheeres darauf vorbereitet, seine Rolle im Rahmen der EU-Battle Groups noch weiter auszubauen?

H: Das ist korrekt. Entwicklung heißt, nicht stehenzubleiben. Und für jede Organisation muss es genau dahin eine Motivation geben. Unsere Beteiligung an EU-Battle Groups ist in betimmten Intervallen vorgesehen. Diese könnten sich für uns auf drei bis vier Jahre erstrecken. Wir haben damit die Möglichkeit, gerade im Rahmen des modularen Systems höherwertige Fähigkeiten zu entwickeln. Auch für die Waffengattung "Sanität" gilt, dass wir uns auf bestimmte Kernkompetenzen konzentrieren müssen. Die wiederum leiten sich aus dem Auftrag ab, den uns die politische Führung gibt.

D: Darf man das wie folgt verstehen: Sie konzentrieren sich auf bestimmte Kernelemente, um so neben der punktuellen fachlichen Kompetenz auch über eine entsprechende Durchhaltefähigkeit zu verfügen?

H: Ja ich glaube, der größte Fehler ist, sich unter dem Zwang begrenzter Mittel breit aufstellen zu wollen. Das kann letztlich nicht zu einem qualitativ hochwertigen Ergebnis führen. Es bringt auch den Partnern nichts, mit denen man kooperieren will. Wir streben einsatz- wie auftragsbezogen einen stufenweisen Aufbau an und werden daher sanitätsdienstlich nicht stehenbleiben. Wir können nicht mehr alles betreiben und werden uns, was das Inland betrifft, Kooperationsmöglichkeiten mit dem zivilen Gesundheitswesen eröffnen, die uns von bestimmten Aufgaben entlasten und einen entsprechenden Fähigkeitserhalt sicherstellen.

Das Interview führte FKpt d. R. Mag. Jürgen Draxler.

"Bodenseeforum" - ein unabdingbares Netzwerk

Beim Bodenseeforum werden Beziehungen und Netzwerke geknüpft, die zur Bewältigung der heutigen Herausforderungen an die Sanitätsdienste, Blaulichtorganisationen und die ABC-Abwehr über die Landesgrenzen hinaus unabdingbar sind, sagte Divisionär Dr. Andreas Stettbacher, Oberfeldarzt der Schweizer Armee, anlässlich des Bodenseeforums 2011. Stettbacher weiter: "Es sind nicht nur die globalen Bedrohungen, welche uns auf die Probe stellen. Es sind auch die uns alle gleichermaßen betreffenden Auswirkungen der schwindenden personellen und finanziellen Ressourcen, die uns im Alltag wie im Einsatz fordern."

Ferry Müller - Spiritus Rector

Auslöser für das Forum war ein Flugzeugunglück am Bodensee. Hauptmann a. D. Ferdinand ("Ferry") Müller, ehemaliger SAR-Hubschrauberpilot, saß am 26. Juni 1983 als Beauftragter des Pharmaherstellers Thomae für die Bundeswehr in seinem Büro in Biberach, als, in nur rund 100 Metern Entfernung ein französischer Kampfjet vom Himmel stürzte. Ein französischer Mirage-Kampfbomber war an jenem Tag in Straßburg aufgestiegen und zum deutschen Fliegerhorst Memminger Berg unterwegs. Direkt über dem Verkehrslandeplatz Biberach stieß die Militärmaschine mit einem Privatflugzeug zusammen, worin zwei Geschäftsleute saßen. Die Mirage stürzte in ein Wohnviertel im Stadtteil Birkendorf. Nur 100 Meter neben der Absturzstelle stand die Arzneimittelfabrik Thomae, in der zahlreiche Chemikalien und Brennstoffe lagerten.

Die bittere Bilanz des Unglücks: sieben Tote, sieben zum Teil schwer Verletzte und 23 Obdachlose. Letztere hatten bei der Katastrophe ihre Häuser verloren. Die Rettungskräfte taten was sie konnten. Hätten jedoch Trümmerteile der Mirage die Fabrik getroffen, wären die Rettungskräfte - materiell wie personell - überfordert gewesen.

Diese Erkenntnis ließ den erfahrenen Rettungsflieger Müller nicht ruhen. Er stellte als Ergebnis seiner Überlegungen das "Bodenseeforum" auf die Beine. Sein erster Sponsor war sein damaliger Arbeitgeber, die Firma Thomae. Allerdings gelang es Müller schnell, das "Bodenseeforum" finanziell unabhängiger zu machen.

Zug um Zug konnte Müller dann noch sein Ziel realisieren, die militärischen Sanitätsdienste sowie die zivilen Rettungsorganisationen der drei Bodenseeanrainer, Österreich, Schweiz und Deutschland, für diese Tagung zu gewinnen. Er brachte Bedarfsträger (Organisationen) und Bedarfsdecker (Industrie) an einen Tisch, um eine gemeinsame Kommunikationsplattform zu bilden. Das, was heute eine Selbstverständlichkeit ist, war früher keineswegs unproblematisch, weil insbesondere seitens der Bedarfsträger vielfach die Vorstellung herrschte, dass Dialoge die Vorstufe zur Korruption seien.

Interview mit Generalarzt Dr. Stephan Schoeps - 2. Juli, Langenargen

Draxler (D): Wie ordnen Sie den Stellenwert der internationalen Ausbildung im Sanitätsdienst ein?

Schoeps (Sch): Es gibt hierzu verschiedene Ansätze. Zum einen sind die Einsätze größtenteils multinational. Beispiel ISAF: Im deutschen Einsatzlazarett in Masar-e-Sharif unterstützen uns ungarische Fachärzte und Pflegepersonal, die gesamte Forward AIRMEDEVAC im RC (Regional Command) North wird durch U.S.-Streitkräfte sichergestellt. Es liegt daher nahe, die Ausbildung gemeinsam durchzuführen um den Einsatz zu erleichtern.

Wir haben durch die Algorithmenausbildung, wie PHTLS (Prehospital Trauma Life Support) oder ACLS (Advanced Cardiac Life Support) eine Standardisierung der Ausbildung erreicht. Diese Art von Training wird mittlerweile in vielen NATO-Nationen angeboten. Aufgrund unserer Akkreditierungen sind wir nunmehr in der Lage, diese Ausbildungen auch im Sanitätsdienst der Bundeswehr anzubieten. Zudem ermöglicht uns dies, andere Nationen zur Standardisierung ihrer Ausbildung einzuladen und mit ihnen gemeinsam dieses Programm durchzuführen - und zwar dienstgradübergreifend für Unteroffiziere und Offiziere, also Ärzte und medizinisches Assistenzpersonal.

D: Welche Perspektive bietet eine solche standardisierte Ausbildung?

Sch: Bei dem neu an der Sanitätsakademie der Bundeswehr (SanAkBw) angebotenen Algorithmentraining handelt es sich um PHTLS-Kurse. Die San­AkBw ist nun PHTLS-Training-Stätte und kann eigenständig Soldaten ausbilden. Es ist eine international anerkannte Ausbildung, die auch im Zivilbereich Verwendung finden kann. Sie hat damit viele attraktive Vorteile - von der Standardisierung bis hin zur Einsatzvorbereitung. Wir möchten dies mittelfristig auch multinational anbieten und gegebenenfalls durchführen.

D: Welche Voraussetzungen oder nationale Grundlagen gibt es für diese Ausbildung?

Sch: Es handelt sich hier um keine Grundlagenausbildung. Diese erfolgt jeweils national. Hier geht es um eine qualifizierte Weiterbildung, bei der man zusätzlich diese Algorithmen erlernt.

D: Zunächst zwei Stichworte: "Unterfinanzierung" und "zu geringe personelle Ressourcen". Ihr Angebot soll die Kommunikation und Zusammenarbeit im Einsatz erleichtern, ist es aber nicht aus der Not heraus geboren?

Sch: Das Wesentliche unseres Angebotes ist, dass eine gemeinsame Ausbildung Reibungsverluste minimiert, wenn man zusammenwirken muss. Das andere ist, dass wir Attraktivität an die SanAkBw bringen, denn jeder multinationale Austausch ist nicht nur auf fachlicher, sondern auch auf sozialer, freundschaftlicher Ebene eine Bereicherung. Das ist für unsere deutschen Lehrgangsteilnehmer attraktiv. Und ein weiterer Punkt ist der finanzielle. Wenn man etwas bündeln und finanzielle Ressourcen ausnutzen kann, dann ist das ein wirtschaftlicher Faktor.

D: Wir haben hier über das Beispiel des PHTLS-Konzepts gesprochen. Falls sich die Schweiz oder Österreich auf einem anderen Sektor entsprechend akkreditieren, würde der deutsche Sanitätsdienst ein dann umgekehrtes Angebot ebenfalls annehmen?

Sch: Ja, das kann ich mir vorstellen. Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass wir irgendwann auch eine trinationale Akademie haben könnten. Das gibt es schon in anderen Bereichen.

D: Wann werden die PHTLS-Kurse starten - wird es mit den Komplementärberufen oder den Ärzten beginnen, oder sind beide gleichermaßen mit von der Partie?

Sch: Wir haben den ersten eigenständig durchgeführten Kurs Ende Juli dieses Jahres begonnen. Für das Gesamtjahr sind dann noch drei weitere Kurse geplant. PHTLS ist ein Teamkonzept, das auf dem fachlichen Zusammenwirken von Unteroffizieren und Offizieren basiert. Wir haben die österreichischen und schweizerischen Kameraden hierzu zunächst zur Beobachtung eingeladen.

D: Welche Zeitvorstellung haben Sie, ist das Ganze eine Premiere, und welche Nationen sollen, wenn es nach Ihren Vorstellungen geht, dabei sein?

Sch: Das muss im nächsten Jahr losgehen. Ich glaube nicht, dass das eine Premiere ist. Auch wenn es in Vergessenheit geraten sein mag, wir knüpfen lediglich an Bewährtes an. Was die Teilnehmer betrifft: Ich will diese Ausbildung, um nicht gleich Hürden aufzubauen, ganz gezielt mit unseren deutschsprachigen Nachbarn - Öster­reich und der Schweiz - machen. Das ist nicht nur für unsere Ausbilder sprachlich einfacher, sondern wir sind uns bezüglich unserer medizinischen Standards absolut nahe. Die Niederländer würde ich auch gern dabeihaben.

D: Das heißt aber, wer kein Deutsch kann, kann nicht teilnehmen?

Sch: Sollten später mehr Nationen dazukommen, könnten wir einen solchen Lehrgang in Englisch anbieten. Das ist machbar. Zum Beispiel könnte man hier an der Sanitätsakademie der Bundeswehr der NATO-Schule in Oberammergau als Plattform dienen. Dort gibt es, zweimal im Jahr, einen Joint Medical Planners Course. Er findet in Englisch statt und richtet sich an Sanitätsoffiziere der NATO, die im Einsatz in einem internationalen Stab arbeiten sollen.

Weiterhin ist die Zusammenarbeit mit dem Military Medical Center of Excellence in Budapest sinnvoll, das ebenfalls interessante und fachlich wichtige Lehrgänge in Englisch anbietet. Fangen wir zunächst einmal mit dem PHTLS-Kurs in deutscher Sprache an und laden hierzu unsere Freunde und Nachbarn ein.

Das Interview führte FKpt d. R. Mag. Jürgen Draxler.

Joint Medical Planners Course

Kurs M9-85 - "Joint Medical Planners Course" (NU) Aim: To provide the necessary background knowledge to undertake a NATO medical planner‘s appointment and to provide national planners with an understanding of multinational medical support planning. The main areas are: structures, doctrine and operational medical planning procedures and techniques.

Termin Bodenseeforum 2012

Das Bodenseeforum 2012 (29. Lan­gen­­argener Symposium) findet vom Mittwoch 27. Juni bis Samstag 30. Juni 2012 statt.

Tagungspräsident wird der Inspekteur des Sanitätsdienstes der Deutschen Bundeswehr, Generaloberstabsarzt Dr. Ingo Patschke, sein. Es gehört zur Tradition des Bodenseeforums, die Tagungspräsidentschaft im Jahreswechsel dem jeweiligen militärischen Sanitätschef eines der drei Bodensee-Anrainerstaaten anzutragen.

PHTLS

PHTLS ist ein Konzept zur präklinischen Versorgung schwerverletzter Patienten auf der Grundlage eines einheitlichen Algorithmus. Ziel ist es, Lage, Verletzungsmuster und Gefährdungsgrad (kritischer oder nichtkritischer Patient) schnell zu erkennen und daraus die für die weitere Versorgung richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen (Management, Transportpriorität, geeignete Klinik). Als präklinische Variante des ATLS (Advanced Trauma Life Support - "Schockraummanagement") optimiert PHTLS die Schnittstelle zwischen Rettungsdienst und Klinik. Das PHTLS-Konzept wird in anderen Streitkräften (Beispiel: USA) zur Ausbildung des Sanitätspersonals intensiv genutzt. PHTLS ist aus der TCCC-Ausbildung (Tactical Combat Casualty Care) nicht mehr wegzudenken. Es ist auch für den Sanitätsdienst der Bundeswehr ein unverzichtbares Element der Verwundetenversorgung, das nicht zuletzt im Rahmen von Auslandseinsätzen beherrscht werden muss.


Autor: Fregattenkapitän d. R. Mag. Jürgen R. Draxler, Deutschland, Jahrgang 1945. Journalist und Publizist. Stabsoffizier der Reserve der Deutschen Marine, Diplombibliothekar, Magister der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Chefredakteur einer Korrespondenz zur Sozial- und Gesundheitspolitik. Akkreditiert beim Deutschen Bundestag als Parlamentskorrespondent.

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