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Militär & Recht - Neues aus der Gesetzgebung Sept. 2010 - Sept. 2011

Im Mittelpunkt der für das Verteidigungsressort besonders bedeutsamen Legislativmaßnahmen im Zeitraum September 2010 bis September 2011 steht das im Wesentlichen am 1. Jänner 2011 in Kraft getretene Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010.

Mit dieser "Sammelnovelle" wurden, als Begleitmaßnahme für die im Budget 2011 geplanten Konsolidierungsmaßnahmen, insgesamt über 150 Bundesgesetze, darunter auch vier Wehrrechtsnormen geändert. Hauptziel war es, einen Beitrag zur Stabilisierung bzw. Entlastung des Bundeshaushaltes zu leisten.

Verlängerung des Ausbildungsdienstes

Die zentrale Änderung im Wehrrecht betraf dabei die Verlängerung des Ausbildungsdienstes. Diese ausschließlich auf freiwilliger Meldung beruhende Wehrdienstart wurde 1998 nur für Frauen neu eingeführt und 2005 auch für Männer geöffnet. Ihre frühere Dauer betrug zwölf Monate mit einer (ausnahmsweisen) Verlängerungsmöglichkeit um bis zu sechs Monate.

Seit 1. Jänner 2011 darf dieser weiterhin für Frauen und Männer offene Wehrdienst nunmehr bis zu vier Jahre dauern, wobei im Falle zwingender militärischer Interessen eine Verlängerung um bis zu zwei Jahre möglich ist.

Gleichzeitig ist, dem eigentlichen Wortinhalt des "Ausbildungsdienstes" entsprechend, ausdrücklich normiert, dass diese Wehrdienstart Ausbildungszwecken dienen muss.

Diese Klarstellung war deshalb erforderlich, weil die in Rede stehende Verlängerung im Wesentlichen ausschließlich auf die vollständige Absolvierung der Ausbildung zum Berufsoffizier bzw. -unteroffizier an der Theresianischen Militärakademie bzw. an der Heeresunteroffiziersakademie beschränkt werden soll.

Als Begleitmaßnahme zur Verlängerung des Ausbildungsdienstes wurden für die Soldaten in dem über ein Jahr hinausgehenden Zeitraum dieses Wehrdienstes zahlreiche Verbesserungen vorgesehen. So ist für diese Personengruppe eine eigene neue Soldatenvertretung zur umfassenden Wahrung ihrer spezifischen Interessen eingeführt worden. Diese ist sowohl bundesweit als auch an den jeweiligen Ausbildungsstätten des Bundesheeres (Akademien und Schulen) vorgesehen.

Weiters wurden diverse besoldungsrechtliche Verbesserungen im Heeresgebührenrecht vorgenommen. So wurde für diese Soldaten die Monatsprämie (als Kernstück ihrer Besoldung) um fast 50 Prozent auf nahezu 1 100 Euro angehoben sowie eine Ausbildungsprämie und eine Journaldienstvergütung neu eingeführt.

Weiters hat der Bund für diese Soldaten monatliche Beiträge an die Betriebliche Vorsorgekasse zu leisten, um die Zeiten dieses Wehrdienstes, wie solche in einem Dienstverhältnis, für eine spätere Abfertigung heranziehbar zu machen.

Schließlich sind diese Soldaten - zusätzlich zu den für alle Soldaten im Präsenz- und Ausbildungsdienst seit längerem normierten Pensionsversicherungsansprüchen - auch in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Die diesbezüglichen Beiträge trägt zu Gänze der Bund. Damit steht diesen Personen ebenso wie allen Arbeitnehmern insbesondere auch eine freie Arztwahl zu.

Die übrigen wehrrechtlichen Änderungen im Rahmen des Budgetbegleitgesetzes 2011 betrafen im Wesentlichen diverse legistische Verbesserungen sowie Formalanpassungen. Zu erwähnen ist dabei die ausdrückliche gesetzliche Regelung, nach der das Heerespersonalamt als eine der Zentralstelle des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport unmittelbar nachgeordnete Dienststelle nicht (mehr) Teil der Heeresorganisation und somit des Bundesheeres ist. Dies bedeutet in der Praxis, dass für diese Dienststelle die für das Bundesheer normierten (verfassungs)rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere auch die strikte Aufgabenkonzentration auf die militärische Landesverteidigung, nicht mehr gelten.

In den außerhalb des Wehrrechtes liegenden Teilen des Budgetbegleitgesetzes 2011 findet sich speziell im Zivildienstgesetz 1986 eine Änderung mit unmittelbarer Ressortrelevanz. So wurde die Vollziehung der Bestimmungen für Familien- und Partnerunterhalt bzw. Wohnkostenbeihilfe für Zivildienstleistende in erster Instanz dem Heerespersonalamt und in zweiter Instanz dem Bundesminister für Landesverteidigung und Sport zugewiesen.

Mit dieser Kompetenzverschiebung aus dem Landesbereich (Bezirksverwaltungsbehörden bzw. Landeshauptmann) in den Ressortbereich ist insbesondere eine Nutzung faktischer Synergieeffekte beabsichtigt. So haben die nunmehr zuständigen militärischen Behörden bereits eine langjährige Erfahrung bei der Vollziehung der gleichartigen Regelungen für bestimmte Soldaten (nämlich jene im Grundwehr- bzw. Ausbildungsdienst und Zeitsoldaten). Nach umfangreichen technischen und administrativen Vorbereitungen trat diese Zuständigkeitsverschiebung schließlich mit 1. Juni 2011 in Kraft; die Vollziehung läuft bisher ohne nennenswerte praktische Probleme.

Aus rechtsdogmatischer Sicht ist kritisch anzumerken, dass diese Kompetenzverlagerung aus grundrechtlichen Erwägungen verfassungsrechtlich nicht unproblematisch ist. Es bleibt also abzuwarten, ob und inwieweit diese Neuregelung in einem allfälligen Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof Bestand haben wird.

Verbot bestimmter Nebenbeschäftigungen

Das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 ermächtigt seit 1. Jänner 2010 die einzelnen Bundesminister, im Verordnungsweg ein generelles Verbot bestimmter Nebenbeschäftigungen für ihre Bediensteten vorzusehen. Dabei handelt es sich um private Beschäftigungen, die die Bediensteten außerhalb ihres Bundesdienstverhältnisses ausüben und die schon bisher abstrakt verboten waren, wenn die Ausübung dienstlicher Tätigkeiten massiv gefährdet oder die Vermutung einer Befangenheit entstehen würde.

Mit der neuen Verordnungsermächtigung ist nunmehr eine im Interesse der Verwaltungsvereinfachung gelegene generelle Untersagungsmöglichkeit gegeben, die neben einer weiterhin möglichen Untersagung einer Nebenbeschäftigung im Einzelfall durch eine Weisung tritt. Der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport hat als erster Ressortleiter bereits im Frühjahr 2010 eine erste derartige Verordnung ausschließlich für bestimmte Bedienstete im Bereich der militärischen Nachrichtendienste erlassen.

Mit 1. April 2011 trat nunmehr eine erweiterte Verordnung in Kraft. Diese sieht neben dem inhaltlich unveränderten Nebenbeschäftigungsverbot für den Bereich der militärischen Nachrichtendienste zusätzlich auch diesbezügliche Verbote für Bedienstete im Bereich des militärischen Förderungs- und Beschaffungswesens vor.

Mit diesen generellen Verboten sollte ein spezielles Signal für die zwingende Notwendigkeit nach "Sauberkeit" in sensiblen Ressortbereichen gesetzt werden, insbesondere auch im Lichte der laufenden Antikorruptionsbemühungen der Bundesregierung.

Umgestaltung des Wehrsystems

Zu der seit Herbst 2010 auf politischer Ebene dominierenden Thematik im Bereich der militärischen Landesverteidigung, nämlich dem allfälligen Aussetzen der Wehrpflicht bzw. einer möglichen Neu- bzw. Umgestaltung des Wehrsystems, dür­­fen einige rein rechtlich-legistische Aussagen getroffen werden. Die allgemeine Wehrpflicht für alle männlichen Staatsbürger ist seit Jahrzehnten verfassungsrechtlich verankert. Die näheren diesbezüglichen Konkretisierungen finden sich auf einfachgesetzlicher Ebene (im Wehrgesetz 2001). Dort ist die Wehrpflicht als "Bündelpflicht" gestaltet, die aus mehreren Teilpflichten besteht. Diese Teilpflichten sind die Stellungs- und Präsenzdienstpflicht (als bedeutsamste Pflichten), die Pflichten des Milizstandes sowie diverse Melde- und Bewilligungspflichten, die zusammengenommen als Ganzes die allgemeine Wehrpflicht ausmachen.

Bei dem zur Diskussion stehenden Aussetzen der Wehrpflicht wird daher zunächst zu entscheiden sein, ob nur einzelne dieser Teilpflichten oder alle in Summe (und damit eben die gesamte allgemeine Wehrpflicht) ausgesetzt werden sollen.

Im Übrigen ergibt sich aus dem Wort "aussetzen", dass die Wehrpflicht (in Teilen oder als Ganzes) nicht vollständig abgeschafft und damit ersatzlos aus dem Rechtsbestand eliminiert werden soll, sondern lediglich für einen (wie lange auch immer währenden) bestimmten Zeitraum praktisch nicht umgesetzt werden soll.

Daher wird für den Fall einer Aussetzung auch festzulegen sein, welche Staatsorgane unter welchen Voraussetzungen die Aussetzung beenden und damit die Wehrpflicht faktisch wieder aufleben lassen können. Im Zentrum der bisherigen politischen Diskussion steht als Kern der Aussetzung der Wehrpflicht die Abschaffung des Grundwehrdienstes.

Diesbezüglich erforderliche Legislativmaßnahmen werden jedenfalls im Verfassungsrang (also mit parlamentarischer "Zweidrittelmehrheit") getroffen werden müssen. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass der Grundwehrdienst nach dem ausdrücklichen Willen des Verfassungsgesetzgebers ein tragender Grundsatz des im Verfassungsrang stehenden Milizsystems als Organisationsprinzip des Bundesheeres steht. Diesbezügliche Änderungen bedürfen daher einer verfassungsrechtlichen Verankerung.

Offenes Legislativvorhaben

Abschließend ist als bedeutsamstes offenes Legislativvorhaben für den Ressortbereich die Schaffung einer gesicherten rechtlichen Basis für die (zwangsweise) Ausübung von Befugnissen in Auslandseinsätzen zu nennen.

Ausübung von Befugnissen in Auslandseinsätzen

Eine derartige Regelung ist im Lichte der laufenden Teilnahme österreichischer Kontingente (auch) an "robusten" Einsätzen zur Friedenssicherung speziell im Interesse der eingesetzten Soldaten dringend erforderlich. Nach jahrelangen Vorarbeiten und politischen Diskussionen hat der Ministerrat Ende August 2011 einen entsprechenden Gesetzentwurf (Novelle zum Auslandseinsatzgesetz 2001) als Regierungsvorlage beschlossen.

Die parlamentarische Behandlung ist für den Herbst 2011 vorgesehen. Es bleibt zu hoffen, dass dieses wichtige Legislativprojekt wie beabsichtigt rasch verabschiedet und in Kraft gesetzt werden kann.

(wird fortgesetzt)


Autor: Mag. Dr. iur. Karl Satzinger, Jahrgang 1960. Grundwehrdienst sowie EF-Ausbildung. Reserveoffizier der Waffengattung "Infanterie" in diversen Offiziersfunktionen (Kommandanten- und Stabsfunktionen) in der Einsatzorganisation des Bundesheeres. 1979 Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien, 1983 Promotion zum Doktor der Rechte. Einjährige Tätigkeit als Rechtspraktikant und anschließende Verwendung als rechtskundiger Sachbearbeiter in einem Finanzamt. 1985 Wechsel in die Zentralstelle des Bundesministeriums für Landesverteidigung. 1986 Verwendung in der für die Wehrrechtslegislative zuständigen Abteilung. 1991 Leitung der Legislativabteilung C. 2002 Leitung der Gruppe Rechtswesen und Legislativer Dienst. Mit Ernennung zum Abteilungsleiter Verwendung im Leitungsstab (nunmehr Generalrat) der Zentralstelle. 1998 Überstellung in den Intendanzdienst der Miliz. Als Gruppenleiter wiederholt Waffenübungen bei verschiedenen Kommanden der oberen Führung. Seit 2010 Oberst des Intendanzdienstes.

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