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Transformation

Ein Muss - auch für das Bundesheer

Die wohl wesentlichste Änderung militärischer Art seit dem Ende des Kalten Krieges ist die Umformung der europäischen Armeen von den ursprünglichen, für die Territorial- bzw. Bündnisverteidigung vorgesehenen Massenarmeen hin zu kleineren, rasch einsetzbaren und verlegbaren Streitkräften. Auch in Österreich vollzog sich diese Entwicklung.

Als Transformation bezeichnet man die grundlegende Umwandlung von etwas Bestehendem in etwas Neues, anders als die Reform, die eine Neuordnung des Bestehenden ist.

Im Bereich der NATO etwa beschreibt Transformation einen dauernden Prozess der Anpassung von Streitkräften an sich verändernde Herausforderungen und Gefahren sowie an sicherheitspolitische Entwicklungen. Einsatzerfahrungen unter Berücksichtigung neuer technologischer Entwicklungen spielen dabei eine übergeordnete Rolle. Als aktuelle Ziele der NATO-Transformation gelten die Verbesserungen in den Bereichen Interoperabilität und Fähigkeit zur vernetzten Operationsführung.

Die geänderten Rahmenbedingungen

Mit dem Ende des Kalten Krieges kam es zur größten militärstrategischen Veränderung seit 1945. Diese Umgestaltung hatte globale Auswirkungen, aber zunächst wurde sie vor allem auf dem europäischen Kontinent und somit auch in Österreich wirksam.

Durch die Auflösung des Warschauer Paktes begann eine neue Phase der europäischen Integration, und Österreich sieht sich heute als Teil der Europäischen Union, im Verbund mit der Mehrzahl der europäischen Staaten.

In militärischer Hinsicht gilt es nun nicht mehr, auf sich allein gestellt den Angriff bzw. Durchmarsch einer "Großarmee" abzuwehren, sondern vor allem gemeinsam mit unseren Nachbarn und Partnern einen Beitrag zur Sicherheit Europas zu leisten. Dieser Beitrag ist zu wesentlichen Teilen an der Peripherie bzw. außerhalb Europas zu erbringen.

Spätestens mit dem Angriff auf das World Trade Center und das Pentagon am 11. September 2001 zeigte sich, dass mit dem globalen Terrorismus eine neue Form der Bedrohung aktuell geworden ist, welche die Sicherheitssituation Österreichs und Europas nachhaltig verändert.

Transformation der Streitkräfte

Die sicherheitspolitischen Interessen von Kleinstaaten werden zunehmend in einem multinationalen Rahmen wahrgenommen - ein Umstand, dem auch die Streitkräfte Rechnung zu tragen haben. Dies erfordert, dass ein möglichst großer Anteil der Streitkräfte über die Fähigkeiten verfügen muss, Aufgaben mit Kräften anderer Staaten gemeinsam bewältigen zu können (Interoperabilität). Die Festlegung jener Kriterien, welche die Fähigkeiten von Streitkräften definieren, damit sie in einem internationalen Umfeld bestehen können, ist nicht Sache des Einzelstaates, sondern orientiert sich an jenen Ländern, für welche ähnliche Parameter gelten (wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, geografische Lage, politisches System, Bündnis- und Organisationszugehörigkeit usw.). Speziell für Kleinstaaten mit ihren naturgemäß begrenzten Kapazitäten ergibt sich dabei zunehmend das Erfordernis, an der Entwicklungsarbeit von größeren Staaten zu partizipieren und damit Ressourcen für andere Verwendungszwecke einzusparen.

Die für die westlichen Staaten, vor allem jedoch für die NATO-Mitglieder, richtungweisende Entwicklungsarbeit für Streitkräfte wird in erster Linie im Allied Command Transformation (ACT) in Norfolk/USA geleistet. Da die dort gewonnenen Ergebnisse direkte Auswirkungen auf die Streitkräfteentwicklung im Rahmen der NATO, der Partnership for Peace (PfP) sowie der gesamten Europäischen Union (EU) haben werden, ist es unbedingt erforderlich, in diesen Organisationen präsent zu sein, um nicht vom Informationsfluss abgeschnitten zu werden.

Wesentlich für die Entwicklung der Streitkräfte ist die Einsicht, dass unter Transformation - wie eingangs erläutert - ein fortlaufender Prozess zu verstehen ist, und das Erreichen von einmal definierten Zielen keinen Stillstand bewirken darf. Das Bundesministerium für Landesverteidigung berücksichtigt diesen Umstand durch die Umsetzung im Rahmen des Projektes "Bundesheer 2010" (ÖBH 2010) bzw. durch die Entsendung von Offizieren in das ACT.

NATO-PfP-Entwicklungen

Der Stellenwert und die Akzeptanz eines Staates in sicherheitspolitischen Fragen sind zunehmend von seiner Bereitschaft zur Beteiligung am internationalen Krisenmanagement - auch mit militärischen Mitteln - abhängig.

Dabei hängt die Fähigkeit zur Teilnahme an multinationalen Operationen im Rahmen der NATO-PfP und der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) in steigendem Maß von der Verfügbarkeit interoperabler Kräfte ab. Sowohl im Rahmen der NATO als auch innerhalb der EU geht die Tendenz eindeutig in Richtung der Schaffung ebensolcher Kräfte.

Die steigende Zahl von Operationen, mit welcher sich die NATO konfrontiert sieht, stellt an die Allianzmitglieder auch in personeller Hinsicht immer höhere Anforderungen. Vor diesem Hintergrund sind vor allem die personell und finanziell dazu befähigten Partnerstaaten der PfP gefordert, für die Durchführung von Operationen Streitkräfte von entsprechender Qualität bereitzustellen.

Interoperabilität

Ein Schwerpunkt bei der Transformation der Truppen liegt in der Herstellung der Interoperabilität. Sie ist bei der NATO ohnehin eine der wichtigsten Grundlagen für das Funktionieren des Bündnisses. Daher werden von allen Partnerstaaten verstärkte Anstrengungen in der Richtung erwartet, dass sie ihre Streitkräfte weitestgehend kompa-tibel zu jenen der NATO-Staaten machen. Diese Forderung ist aus österreichischer Sicht wieder eng mit den Erfordernissen für die Erfüllung von EU-Verpflichtungen verknüpft.

Die Interoperabilitätskriterien der NATO werden deshalb auch in der EU wirksam, weil 19 der 26 NATO-Mitglieder gleichzeitig EU-Mitglieder sind und deren militärische Beiträge zur ESVP eben diesen Kriterien entsprechen. Zur Sicherstellung der Zusammenarbeitsfähigkeit mit diesen Partnern sind daher auch die österreichischen Kräfte nach diesen Grundsätzen auszurichten. Den Zugang dazu stellt in erster Linie die Teilnahme am PfP-Programm dar.

Die neuen Bedrohungsszenarien erfordern im zunehmenden Maß rasch verfügbare Kräfte, die in wechselnder Zusammensetzung innerhalb der NATO-PfP bzw. der EU für spezifische Operationen verfügbar gemacht werden müssen. Den bestmöglichen Erfolg könnten dabei Kräfte erzielen, die gemeinsam ausgebildet wurden, die gemeinsam geübt haben und die den Interoperabilitätskriterien voll entsprechen.

Operational Capability Concept (OCC)

OCC wurde als Programm am NATO-Gipfel von Washington als Teil der "Enhanced and More Operational Partnership" (EMOP) ins Leben gerufen und zielt auf eine verbesserte Zusammenarbeit der Partnerstaaten sowie auf eine Stärkung der operativen Rolle dieser Staaten ab.

Im OCC werden jene Truppenteile, welche von den Partnerstaaten für die Teilnahme an NATO-PfP-Operationen bereitgestellt werden, in einer Datenbank, dem "Tool of Forces", samt ihren Leistungsparametern erfasst und darüber hinaus im Zuge von Assessments hinsichtlich ihrer Interoperabilität überprüft.

Man unterscheidet zwei Ebenen der Überprüfung: - OCC-Level 1 zur Überprüfung der Interoperabilität; - OCC-Level 2 zur Überprüfung der Fähigkeit zur Auftragserfüllung.

Beide Level sind wiederum in eine "Selfevaluation" und in eine "NATO-Evaluation" unterteilt.

Die Verantwortlichen in Österreich haben rasch erkannt, dass Operationen, bei denen eine österreichische Beteiligung in Frage kommt, nahezu ausschließlich in einem multinationalen Umfeld ablaufen werden. Aus diesem Grund wurde das BMLV bereits im Herbst 2003 aktiv und kündigte im Rahmen des Treffens der Generalstabschefs sein verstärktes Engagement im Rahmen des OCC an.

Österreich führte in der Folge als erster Partnerstaat "Selfassessments" durch und übernahm damit eine Art Vorreiterrolle. Folgende Selfassessments wurden bisher durchgeführt: - im März 2004 an AUCON 10/KFOR (mechanisiertes Infanteriebataillon); - im November 2004 an einem leichten Transporthubschrauberelement; - im August 2005 an einer Panzerkompanie.

Im Dezember 2005 erfolgte im Bereich der 7. Jägerbrigade außerdem noch eine "NATO-Evaluierung Level 1".

Das OCC stellt derzeit den wichtigsten und weitestreichenden Zugang zur internationalen Streitkräfteentwicklung dar, an dem sich Österreich beteiligen kann. Darüber hinaus bietet die Teilnahme an Übungen im Rahmen der NATO die Möglichkeit für eine Annäherung an die Standards jener europäischen Staaten, die in der ESVP Leitfunktionen übernehmen.

Partnership Staff Elements (PSE)

Im Zuge der PfP-Zusammenarbeit richtete die NATO in diversen Kommanden so genannte "Partnership Staff Elements" (PSE) ein. Diese PSE arbeiten in bestimmten Bereichen der Stabsstrukturen der NATO mit. Der umfassende Bereich der Transformation bildet sich bei der NATO in erster Linie im Allied Command Transformation ab, weshalb österreichische PSE-Offiziere selbstverständlich auch bei diesem Kommando im Einsatz sind. Die dort tätigen Offiziere gewinnen Kenntnisse und erlangen Einblicke in die verschiedenen Fachbereiche und studieren die Arbeitsabläufe in NATO-Stäben, was letztlich für Österreich - eine entsprechende Folgeverwendung vorausgesetzt - von großem Nutzen sein kann.

Abschließende Bemerkungen

Die wohl wesentlichste Änderung seit dem Ende des Kalten Krieges ist die Umformung der europäischen Armeen von den ursprünglich eher für die Territorial- bzw. Bündnisverteidigung vorgesehenen Massenarmeen hin zu kleineren, rasch einsetzbaren und verlegbaren Streitkräften. Auch in Österreich vollzog sich diese Entwicklung. Diese Streitkräfte werden in einem multinationalen Rahmen, je nach Anlassfall oder Interessenlage, von der NATO-PfP oder der EU eingesetzt.

Eine unmittelbare konventionelle Bedrohung gegenüber Österreich besteht nicht, da unsere Republik beinahe ausschließlich von NATO und EU-Staaten umgeben ist. Sehr wohl aber bestehen nicht-konventionelle Bedrohungen, die von außen wirken und in ihren Konsequenzen nur schwer abschätzbar sind. Beispielgebend seien hier Terrorismus, Massenvernichtungswaffen und jene Gefahren, welche von den so genannten "Failed States" (Staaten, deren politisches System in sich kollabiert) ausgehen, genannt. Mit der Verlagerung der Bedrohung verlagern sich naturgemäß auch die Aufgaben der Streitkräfte. Kein Staat ist für sich alleine in der Lage, mit den neuen militärischen Herausforderungen fertig zu werden. In logischer Konsequenz folgt daher die Forderung nach multinationalen Einsätzen, woraus sich wiederum die Forderung nach Interoperabilität ergibt.

Österreich als Teil der Europäischen Union kann und wird sich dieser Entwicklung nicht verschließen. Auch das Bundesheer hat seinen Beitrag zur Bedrohungsbewältigung bzw. für die Sicherheit und Stabilität in und um Europa zu leisten. Diesen Beitrag erbringt das Heer heute im Verbund mit seinen meist europäischen Partnern. Ein hervorragendes Beispiel stellt Österreichs Beteiligung bei KFOR seit 1999 dar.

___________________________________ __________________________________ Autor: Oberstleutnant Ing. Karl Pfandlbauer, Jahrgang 1959. Ausmusterung 1982 als Technischer Offizier; 1982 bis 1984 Verwendung als Technischer Offizier beim Panzer-stabsbataillon 9; 1984 bis 1993 Einteilung als Kommandant der NTI-Kompanie/Panzer-stabsbataillon 9. 1993 bis 2005 Dienst beim Fliegerabwehrregiment 1 als Kommandant der Stabsbatterie sowie als S4. Seit Juli 2005 Angehöriger der Abteilung für Militärpolitik als Referent für die Interessenvertretung NATO und EAPC.

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