Editorial
Die parlamentarische Bundesheer-Beschwerdekommission berichtet über ein massives Ansteigen der Zahl der Beschwerdefälle in den letzten zehn Jahren. Der überwiegende Teil betrifft Beschimpfungen und Schikanen. "Eierbär", "Satellit" und "Zugsbaum" sind mir noch aus der eigenen Grundausbildung vor mehr als 30 Jahren bekannt. Warum gibt es das noch immer - trotz umfangreicher Bildungsbemühungen an den Akademien und Schulen des Österreichischen Bundesheeres?
Der Umgang mit Untergebenen und Mitarbeitern ist nicht zuletzt eine Wertefrage. Wer entsprechend positive Werthaltungen nicht schon im Kindesalter erwirbt, wird später als Erwachsener auch durch noch so intensive Ausbildung nur schwer zu formen sein.
Eine Wehrpflichtigenarmee ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Der zunehmende Werteverfall in dieser Gesellschaft - Disziplin, Solidarität, Rücksichtnahme, Pflichtbewusstsein, Treue etc. werden kaum mehr gelebt - trifft das Bundesheer sowohl beim Kaderpersonal als auch bei den Rekruten. Hier ist das Bundesheer als Institution allerdings überfordert, die Versäumnisse der Gesellschaft gänzlich wettzumachen.
Nun gibt es mit der parlamentarischen Bundesheer-Beschwerdekommission ein Werkzeug, negative Trends zu erkennen und darauf mit entsprechenden Maßnahmen zu reagieren. Darüber hinaus werden untragbare Übergriffe aufgedeckt und einer disziplinären Würdigung zugeführt. Dies ist für das Österreichische Bundesheer als Ganzes grundsätzlich sehr positiv zu bewerten, weil es Möglichkeiten zur Verbesserung des Dienstbetriebes eröffnet.
Wünschenswert wäre jedoch, wenn die Bundesheer-Beschwerdekommission auch die gesellschaftspolitische Relevanz des "Feldversuches Österreichisches Bundesheer" erkennen und so auf parlamentarischer Ebene zur Verbesserung des Wertebewusstseins in der Bevölkerung beitragen würde.
Dr. Jörg Aschenbrenner, Chefredakteur TRUPPENDIENST