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Bombenjob Kampfmittelbeseitiger (III)

Für österreichische Soldaten im Auslandseinsatz gab es in den letzten Jahren tiefgreifende Veränderungen - sowohl in den Aufgabenbereichen als auch in den Bedrohungsszenarien. Deshalb wurden unsere Soldaten durch Spezialisten im Bereich der Kampfmittelbeseitigung verstärkt. Obwohl dieser technische Fachbereich neu ist, können die Mitarbeiter bereits auf eine beachtliche Anzahl von erfolgreichen internationalen Einsätzen zurückblicken.

Abkürzungen und Erklärungen

Low Order: Vernichtungsverfahren, bei dem UXOs etc. nicht vollständig zur Umsetzung gebracht werden.

Mine Risk Education: Unterrichte für Zivilpersonen über die Kampfmittelbedrohung vor Ort.

Mine Awareness Training: Ausbildung und Unterricht für militärisches Personal über die Kampfmittelbedrohung im Einsatzland.

Tiefensonde: Gerät zur Ortung von metallischen Gegenständen im Erdreich.

ICTY: International Criminal Tribunal for the Former Yugoslavia.

LFLT: Light Field Liaison Team - Verbindungsteam analog dem Bosnien-Einsatz.

BLU 97A/B: Bomb Live Unit - Kleinbomben- bzw. Streubombeneinheit 97 (USA). A/B Typenunterscheidung bei der Ausführung des Fallschirmes.

AUSBATT/UNDOF

Austrian Battalion/United Nations Disengagement Observer Force. 1994 wurde erstmals ein österreichisches Kampfmittelbeseitigungsteam außerhalb unseres Staatsgebietes mit der Aufgabe betraut, Kampfmittel in einem Kriegsgebiet zu beseitigen. Die Verantwortung wurde dem Schulungszentrum für Munitionstechnik in Großmittel übertragen.

Mit der Entsendung eines österreichischen EOD-Teams wurden die Aufgaben der Kampfmittelbeseitigung im nördlichen Zonenabschnitt des AUSBATT/UNDOF-Einsatzbereiches in die Verantwortung des österreichischen Bataillons übertragen. Die Kampfmittelbeseitigung für den Südabschnitt wird vom polnischen Kontingent wahrgenommen.

Die Stärke des Teams ist derzeit mit zwei Kampfmittelbeseitigern und drei Suchern festgelegt. Die Aufgaben des Kampfmittelbeseitigungsteams sind vielschichtig: - die Sicherstellung der taktischen und operativen Beweglichkeit des AUSBATT; - das Auffinden von Kampfmitteln durch das Absuchen von vorgegebenen Bereichen; - das Vernichten von Blindgängern, abgelegter sowie unbrauchbarer Munition nach den gültigen Bestimmungen; - die Markierung von gesäuberten Geländeteilen; - die Durchführung von Schulungen und Mine Awareness Training; - das Bereithalten als Notfallsbereitschaft; - die permanente Schulung und Weiterbildung der Teammitglieder selbst.

Zusätzlich kommen noch lebensrettende Einsätze in den kampfmittelbelasteten Geländeteilen hinzu. Bei diesen Einsätzen wurden verletzte Soldaten des Bataillons und Angehörige der syrischen Bevölkerung durch professionelles Vorgehen aus solchen Geländeteilen evakuiert.

Seit dem Beginn im Jahre 1994 hat das EOD-Team bei UNDOF 10 583 UXOs (Granaten, Zünder etc.) sowie 134 Minen zerstört bzw. vernichtet.

Diese Zahlen zeigen, dass die Vernichtung von Blindgängern eindeutig das Schwergewicht der Auslandsmission auf den Golan-Höhen bedeutet. Dafür bedarf es einer Aufstockung der Geräteausstattung bei den Schieß- und Öffnungsgeräten für verschiedene Zerstör- und Vernichtungsmethoden im Low Order-Bereich. Auch über eine adäquate Ausrüstung im Bereich IEDD muss zur Bewältigung von möglichen zukünftigen Aufgaben weiter nachgedacht werden.

UNMAC/BiH

United Nations Mine Action Centre in Bosnia and Herzegovina. Nach der Ratifizierung des Friedensabkommens durch Kroatien, Bosnien und Herzegowina und die Bundesrepublik Jugoslawien am 24. November 1995 in Dayton/Ohio richtete der UN-Sicherheitsrat am 21. Dezember 1995 ein Hauptquartier der "United Nations Mission in Bosnia and Herzegovina" (UNMIBH) ein. Durch diese Mission der Vereinten Nationen wurde ein Programm für die Kampfmittelbeseitigung initiiert. Für die Durchführung zeichnete das Hauptquartier des UNMAC/BiH mit Sitz in Sarajewo verantwortlich.

Österreich stellte für diese Mission vier Kampfmittelbeseitigungsspezialisten mit folgenden Aufträgen: - Ausbildung von lokalen Kräften im Zugsrahmen; - Aufbau einer funktionierenden Infrastruktur für die Kampfmittelbeseitigung; - Förderung des Bewusstseins der lokalen Bevölkerung über die permanente Gefahr durch Kampfmittel; - Überwachung und Anleitung (Supervision) lokaler Kampfmittelbeseitiger.

Die Steuerung der einzelnen Ausbildungsstätten oblag dem HQ UNMAC in Sarajewo.

Nach einer zweimonatigen Stationierung in Sarajewo wurden jeweils zwei Kampfmittelbeseitiger in die "Regional Offices" nach Mostar und nach Banja Luka bzw. nach Tuzla zugeteilt.

Die Geräteausstattung wurde noch während der Einsatzvorbereitung nach einem Auswahlverfahren beschafft. Bei dieser Mission wurden im Einsatzraum annähernd 100 Einheimische als Kampfmittelbeseitigungsspezialisten ausgebildet.

WEUDAM

Western European Union Demining Assistance Mission. Die Basis für WEUDAM wurde auf internationaler Ebene durch den Beschluss des Europäischen Rates vom 9. November 1998 geschaffen. Dabei wurde auch die Durchführung einer gemeinsamen Aktion zur Unterstützung der Kampfmittelräumung in Kroatien beschlossen. Durch die WEU (Western European Union) wurde in Brüssel ein Memorandum of Understanding mit Kroatien abgeschlossen. In Österreich wurde durch den Ministerrat am 23. März 1999 die Entsendung von zwei österreichischen Kampfmittelexperten in den Einsatzraum Kroatien festgelegt.

Der Auftrag der dort eingesetzten Experten aus acht europäischen Ländern unter dem Kommando Schwedens war die Instruktion und Beratung für heimisches Räumpersonal über Kampfmittelbeseitigung. Weiters wurden damals von kampfmittelbelasteten Geländeabschnitten unter Anwendung des Global Positioning Systems (GPS) kartografisch Daten erfasst und in ein Computerprogramm implementiert. Diese Datenbank wird nach wie vor aktualisiert.

ATHUM/ALBA

Austrian Humanitarian Contingent/Albania. Am 7. April 1999 erklärte der Bundeskanzler in einem Vortrag an den Ministerrat, dass seitens der Bundesregierung ein Maßnahmenpaket für humanitäre Maßnahmen für Flüchtlinge aus dem Kosovo angedacht sei. Auch eine Entsendung von ca. 400 Soldaten des Bundesheeres für Hilfsmaßnahmen, insbesondere zur Errichtung eines Camps, sei geplant. Die österreichische Bundesregierung reagierte mit diesen Maßnahmen auf ein Ersuchen des UNHCR (United Nations Office of the High Commissioner for Refugees), welches einen gemeinsamen Einsatz von staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen vorsah.

Neben der medizinischen und psychologischen Betreuung der Flüchtlinge wurde in Unterrichten durch die Kampfmittelbeseitiger auf die Gefahren bei der Rückkehr der Vertriebenen in das Kosovo hingewiesen. Durch diese "Mine Risk Education" bei den Flüchtlingen konnte auf das Erkennen von Kampfmitteln und das richtige Verhalten bei Kampfmittelfunden eingegangen werden. Dies war zum damaligen Zeitpunkt eine wesentliche Prävention für die Vermeidung von Unfällen mit UXOs und Minen, vor allem bei Kindern.

AUCON/KFOR

Austrian Contingent/Kosovo Force. Der Einsatz stellte 1999 einen Quantensprung für die Kampfmittelbeseitigung dar. In kürzester Zeit mussten Ausrüstungssätze für zwei EOD-Teams beschafft werden. Das umfasste sämtliche Schieß- und Öffnungsgeräte bis hin zum Fernlenkmanipulator für IEDD-Einsätze. Zusätzlich zu den Einsatzvorbereitungen beim Schulungszentrum für Munitionstechnik in Großmittel waren auch Ausbildungen in Deutschland zu absolvieren. Noch einige Stunden vor der Entsendung in das Kosovo fand am Sportplatz der Kaserne Strass (Heimatgarnison der Task Force 17; sie stellte mit Masse das erste Kosovo-Kontingent) eine praktische Übung und ein Software-Update an der Tiefensonde statt.

Gleich nach Erreichen des Einsatzraumes im Bereich der Task Force Dulje meldeten sich die österreichischen Teams bei der EOD-Leitstelle im Brigadekommando in Prizren. Durch die Fülle der zu erledigenden Aufträge waren die zwei Teams im zugewiesenen Einsatzraum ununterbrochen eingesetzt. Weiters erfolgten Einsätze zur Verstärkung von KFOR-Kräften in Hot Spots wie z. B. in Mitrovica (Multinational Brigade [MNB] Northeast). In der spärlichen Freizeit wurde der Campaufbau durch Teile des EOD-Teams unterstützt. Aufgrund der Vielfältigkeit der gestellten Aufgaben brachte der Einsatz für die österreichischen Kampfmittelbeseitiger einen riesigen Wissensgewinn. So wurden erstmals Bomben mittels technischer Ausrüstung lokalisiert, systematisch freigelegt und mit neuen Low Order-Verfahren vernichtet.

Durch den regen Meinungs- und Informationsaustausch mit anderen eingesetzten EOD-Teams aus verschiedenen Staaten profitierte auch die Ausbildung für nachfolgende Kontingente. Bei diesem Einsatz wurden österreichische Kampfmittelbeseitiger auch in Bereichen eingesetzt, für die es noch keine Ausbildungslehrgänge gab. So waren z. B. Unterstützungen bei ICTY-Einsätzen und Unterstützungen der UNMIK-(United Nations Interim Administration Mission in Kosovo-)Police sowie der Militärpolizei bei Schussattentaten vor Ort an der Tagesordnung.

Waren es zu Beginn des Einsatzes fast ausschließlich Einsätze mit UXOs, so ist in den letzten Monaten eine Zunahme von IEDD-Einsätzen zu verzeichnen. Die zuständige Ausbildungsstelle für die Einsatzvorbereitung der EOD-Teams, das Schulungszentrum für Munitionstechnik, hat bereits auf diese zukünftigen Einsatzszenarien reagiert und wird noch in diesem Jahr einen mehrwöchigen Speziallehrgang, aufbauend auf dem Berechtigungsnachweis Gruppe C, durchführen.

Der Auftrag der Kampfmittelbeseitigungskräfte umfasst: - die Beseitigung aller nicht zur Wirkung gelangten Kampfmittel und versteckten Ladungen; - die Beseitigung von behelfsmäßigen Spreng-Brandvorrichtungen, welche die Auftragserfüllung behindern bzw. eine Gefährdung darstellen; - die Durchführung von Mine Awareness-Schulungen in der Einsatzvorbereitung sowie im Einsatzraum; - die Stellung einer EOD-Bereitschaft und MEDEVAC-Bereitschaft im Rahmen der MNB Southwest; - die Unterstützung bei kriminaltechnischen Untersuchungen; - die Unterstützung bei Hausdurchsuchungen der Züge; - die Unterstützung von CIMIC (Civil Military Cooperation), PMO (Provost Marshal Officer) und des ICTY (International Criminal Tribunal for the Former Yugoslavia); - die Weiterbildung der Team-Mitglieder gemäß den neuen Erkenntnissen im Einsatzraum.

Trotz des Einsatzes von EOD-Teams von verschiedenen truppenstellenden Kontingenten und der Arbeit von Entminungsfirmen im Dienste der UN gibt es noch immer UXOs, die das Leben der eingesetzten Soldaten sowie der Zivilbevölkerung bedrohen bzw. gefährden.

Seit dem Beginn der Auslandsmission AUCON/KFOR wurden durch österreichische Kampfmittelbeseitiger 29 721 UXOs (Granaten, Kleinbomben etc.), drei Bomben der MK.80-Familie sowie 204 Minen gefunden und vernichtet.

Zusätzlich wurden 21 Einsätze zur Entschärfung unkonventioneller Spreng- bzw. Brandvorrichtungen (USBV/IED) durchgeführt. Die Einsatzstatistik zeigt, dass die Intensität der IEDD-Einsätze zunimmt. Auch die Qualität der hergestellten IEDs steigert sich analog zu den Einsätzen. Waren es früher noch Sprengvorrichtungen mit simplen Auslösemechanismen und Bauteilen, so werden diese jetzt durch professionell hergestellte Sprengsätze mit guter am Markt vorhandenen Elektronik ersetzt.

Die österreichischen Kampfmittelbeseitiger haben sich seit Beginn dieses Einsatzes einen hervorragenden Ruf auf internationaler Ebene erarbeitet. Nicht nur bei der Erledigung von verschiedensten Aufträgen im eigenen Einsatzabschnitt, sondern auch bei Verwendungen in benachbarten Brigadebereichen konnten sie durch ihr Fachwissen, durch ihre Kompetenz und ihre Flexibilität überzeugen.

ATHUM/MOC

Austrian Humanitarian Contingent/Mocambique. Zu Beginn des Jahres 2000 brach über den Süden des afrikanischen Kontinentes eine Flut- und Wirbelsturmkatastrophe herein. Am schlimmsten wurden Südafrika und seine Nachbarstaaten, insbesondere aber Mosambik, betroffen. Hunderttausende Obdachlose und unzählige Tote waren die Folge dieser extremen Regenfälle. UN-Generalsekretär Kofi Annan rief die internationale Staatengemeinschaft auf, Mosambik durch jede erdenkliche Hilfe zu unterstützen.

Die rechtliche Basis für diesen Einsatz bildet der OCHA-(Office of Co-ordination of Humanitarian Affairs-)Geneva Request Situation Report vom 4. März 2000. Dem voraus ging ein Hilfeersuchen von UN/OCHA vom 10. Februar 2000, wonach ein fünf Personen umfassendes multinationales Team mit österreichischer Beteiligung in die Krisenregion entsandt wurde. Aufgrund der Dringlichkeit beschloss die österreichische Bundesregierung am 7. März 2000 die Entsendung von Einheiten zur Wasseraufbereitung.

Am 16. März erfolgte die Verlegung des Hauptkontingentes nach Maputo. Der Rest des Kontingentes wurde mit Unterstützung der deutschen Luftwaffe und der amerikanischen Luftstreitkräfte nach Chibuto verlegt. Gemäß vorsichtigen Schätzungen der UNO sind in Mosambik annähernd zwei Millionen Landminen verlegt. Durch die hochwasserführenden Flüsse und die damit einhergehenden Erdverfrachtungen wurden diese Minen weggeschwemmt und bilden anderenorts wiederum eine massive Gefahr für die dort lebenden Menschen. Darum wurde in diesem Einsatz auch ein Kampfmittelbeseitigungsteam gegen Minen auf Straßen oder an Wasserentnahmestellen entsandt.

Die Aufträge für dieses Team waren: - Überprüfen der Wasserentnahmestellen; - Verbindungsaufnahme mit örtlichen Polizeibehörden zur Abklärung möglicher Minenfelder; - Sichtkontrolle der Straßen bei Wassertransporten in die verschiedenen Dörfer.

Aufgrund der klimatischen Verhältnisse im Einsatzland wurde das komplette Kontingent mit einer Sonderbekleidung (Wüstenuniform) ausgerüstet. Mit mehr als 8 000 km Entfernung von Österreich war dieser Einsatz der am weitesten entfernte in der bisherigen Geschichte des Bundesheeres.

AUCON/EUFOR "CONCORDIA"

Austrian Contingent/European Force "CONCORDIA". Am 27. Jänner 2003 wurde erstmals in der Geschichte der EU ein gemeinsamer Einsatz als Nachfolgemission für die NATO geführte Operation "ALLIED HARMONY" in Mazedonien beschlossen. Diese im Rahmen der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) geführte Krisenbewältigungsoperation trug den Namen "CONCORDIA". Bei dieser Mission kamen fast 400 Soldaten aus 28 verschiedenen Ländern zum Einsatz. Auch Österreich beteiligte sich mit Stabspersonal, einem Light Field Liaison Team und einem Kampfmittelbeseitigungsteam.

Zu den Aufgaben dieser unter französischem Kommando geführten Mission zählten die Präsenz in konfliktbedrohten Gebieten wie Tetovo und Kumanovo, die Beratung der örtlichen Behörden bei Sicherheitsangelegenheiten und die Unterstützung internationaler Beobachter.

Nach der Entsendung am 25. März 2003 wurden die zugeordneten Aufgaben mit 1. April 2003 vom österreichischen Kontingent übernommen. Durch die speziellen Erfordernisse eines Kampfmittelbeseitigungsteams in Bezug auf erweiterte Lagermöglichkeiten für Gerät, Sprengstoff und Munition und für den Fernlenkmanipulator (EOD-Manipulatorfahrzeug) musste das Team im norwegisch geführten Camp "Banski Rid" südlich von Skopje stationiert werden. Diese Stationierung brachte aber den Vorteil, dass die Kommunikation und Koordinierung mit dem italienischen EOD-Team vereinfacht wurde. Erstmals war der "Pandur" das Einsatzfahrzeug des österreichischen EOD-Teams. Diese Maßnahme resultiert sowohl aus der Analyse über die Bedrohung im Einsatzraum als auch aus den Vorgaben der Führungsnation.

Das Haupteinsatzgebiet erstreckte sich im nördlichen Teil Mazedoniens vom albanischen Grenzgebiet um Gostivar im Westen bis zum östlichen Grenzgebiet zu Serbien im Gebiet um Kumanovo. In diesen problematischen Geländeabschnitten kam es zu mehreren Minenunfällen mit tödlichem Ausgang.

So fuhren im März 2003 eine polnische Patrouille und im Juni ein Konvoi der mazedonischen Grenzpolizei auf Minen auf. Bei diesen Unfällen bestand die berechtigte Vermutung, dass diese Minen oder Sprengsätze neu verlegt wurden, da diese Strecken an den vorhergehenden Tagen mehrmals ohne Vorkommnisse befahren worden waren.

Die Aufträge im sehr gebirgigen Grenzgebiet zum Kosovo mit Höhenunterschieden von mehr als 2 000 m mussten sehr genau geplant werden. Informationen über die lokale politische Situation in den Dörfern waren ebenso wichtig wie neuestes Kartenmaterial (Mine Maps) über kampfmittelbelastete Geländeabschnitte im geplanten Bewegungsstreifen. Oft war es auch nötig, mit lokalen albanischstämmigen Führern Verbindung aufzunehmen, um nicht eine "falsche" (neu verminte) Straße zur nächsten Ortschaft zu nehmen.

Der Auftrag des Kampfmittelbeseitigungsteams umfasste: - Vernichtung von UXOs und Sprengfallen, wenn diese die Bewegung von EUFOR einschränkten; - Durchführung von IEDD-Einsätzen, welche das Umfeld von EUFOR bedrohten; - Rettung von verletzten EUFOR-Angehörigen aus kampfmittelbelasteten Geländeabschnitten; - Überprüfung von Hubschrauberlandeplätzen im Einsatzraum von EUFOR; - Durchführung von Mine Awareness-Training mit den eingesetzten österreichischen Soldaten und dem Stabspersonal von EUFOR.

Obwohl der Einsatz nicht lange dauerte - die EUFOR-Mission war mit 15. Dezember 2003 beendet - wurden wichtige Erfahrungen für weitere Einsätze gewonnen. Trotz der unterschiedlichen nationalen Bestimmungen, Vorschriften und Richtlinien konnte unter der Führung Frankreichs ein gemeinsamer, erfolgreicher Weg eingeschlagen werden.

Eine wichtige Erfahrung ist, bei allen weiteren Entsendungen, Kampfmittelbeseitigungsteams in einer Mindeststärke von zwei Kampfmittelbeseitigern mit EOD/IEDD-Qualifikation und drei Kampfmittelsuchern zu entsenden. In der sehr komplexen Materie Kampfmittelbeseitigung sind Aufgaben durchzuführen, die nur von einem mehrköpfigen, gut eingespielten Team bewältigbar sind - jedes Teammitglied hat dabei seinen speziellen Arbeitsbereich.

Ein weiteres Lernfeld aus diesem Einsatz liegt im Bereich der Zuführung von EOD/IEDD-Gerät: aufgrund der heiklen elektronischen Bauteile in einigen Gerätschaften muss von einem Transport ohne spezielle Verpackung (stoßfest und staubdicht) Abstand genommen werden. Nicht adäquate Transporte führen zu Totalausfällen von dringend benötigtem Einsatzgerät.

Sri Lanka

Am 26. Dezember 2004 ereignete sich im Indischen Ozean vor der Insel Sumatra ein Seebeben mit der Stärke 9,0 auf der nach oben offenen Richter-Skala. Dieses Seebeben löste die bisher größte Flutwellenkatastrophe im südasiatischen Raum aus. Verschiedene internationale Hilfsorganisationen starteten unmittelbar nach der Katastrophe mit Hilfeleistungen in Form von Material, Gerät und Spezialisten für unterschiedlichste Anforderungen.

Aufgrund eines Hilfeansuchens seitens der Regierung von Sri Lanka wurde am 4. Jänner 2005 ein 77 Mann starkes AFDRU-(Austrian Forces Disaster Relief Unit-)Kontingent, welches auch ein Kampfmittelbeseitigungselement umfasste, entsandt.

Die Hauptaufgabe des Kampfmittelbeseitigungsteams war die Unterstützung und Sicherstellung der Bewegungsfreiheit der einzelnen Wassertransport- und Brunnenreinigungsteams hinsichtlich der Minen- und Kampfmittelbedrohung im Einsatzraum.

Aus diesem Einsatz konnten wertvolle Erkenntnisse, vor allem hinsichtlich der Behandlung und Verpackung von Spezialgerät für Einsätze mit kurzer Reaktionszeit, gewonnen werden.

Schilderungen eines österreichischen Kampfmittelbeseitigers im Rahmen eines Einsatzes während derMedical Evacuation-(MEDEVAC-)Bereitschaft bei Pec im Norden des Kosovo

Am 22. Juni 2003 wurde gemäß den Einsatzaufgaben des österreichischen Kampfmittelbeseitigungsteams die MEDEVAC-Bereitschaft für den Einsatzraum gestellt.

An diesem Sonntag um ca. 0800 Uhr alarmierte ein Anruf des Duty Officers (DO) im Tactical Operations Centre der Task Force Dulje unser Team und wir stellten die unverzügliche Abmarschbereitschaft her.

Laut Aussage des DO war es im Norden des Kosovo in der Nähe der Stadt Pec zu einem Schusswechsel zwischen Kosovaren und der UNMIK-Polizei sowie mit dem KPC (Kosovo Police Corps) gekommen.

Unverzüglich zog ich mir die Schutzausrüstung an, bestehend aus dem Kevlarhelm, dem Schutzanzug mit Kevlareinlagen und den Spezialschuhen "Spyderboots". Zusätzlich nahm ich noch einige Paar Einweghandschuhe in meinem Ausrüstungssatz mit.

Nach der Überprüfung der bereitgelegten Ausrüstung begab ich mich zum Hubschrauberlandeplatz. Kurz nach Erreichen der Landezone hörte ich schon das typische Geknatter des deutschen SAR-(Search and Rescue-)Helikopters, der mich nach einem 40-minütigen Flug am Einsatzort absetzte. Während des Fluges konnte ich noch eine Lagebeurteilung hinsichtlich der kampfmittelbelasteten Geländeteile am Absetzpunkt anhand der mitgeführten Minenlagekarten durchführen. Da die Gefahr durch Kampfmittel als gering einzustufen war, konnte auf den Einsatz der Seilwinde verzichtet werden. Wegen der Hangneigung konnten wir allerdings erst nach einigen Versuchen anlanden.

Nach einer kurzen Einweisung durch zwei UNMIK-Polizisten in die Lage vor Ort setzte ich mich mit dem deutschen Notarzt-Team des SAR-Helikopters in Richtung der beiden schwer verletzten Kosovaren in Marsch. Bei der Einweisung erfuhren wir, dass jene beiden leicht verletzten UNMIK-Polizisten schon durch Selbst- und Kameradenhilfe versorgt waren und den Fußmarsch ins Tal angetreten hatten.

Nach einem kurzen Marsch auf einen steilen Hang erreichten wir die beiden schwer verletzten Einheimischen. Ein Kosavare hatte bereits aufgrund zahlreicher Schussverletzungen und dem daraus resultierenden Blutverlust das Bewusstsein verloren. Der andere - sein Kontrahent - hatte Schussverletzungen an den Beinen und war noch bei vollem Bewusstsein.

Es war für mich das erste Mal, dass ich bei der Erstversorgung derart schwer verletzter Personen dabei war. Nach kurzer Einweisung in den Notarztkoffer assistierte ich dem deutschen Notarzt bei seinen lebensrettenden Sofortmaßnahmen. Es dauerte fast eine Stunde, bis der erste Patient versorgt werden konnte - die exponierte Lage des Verletzten im steilen Gelände erschwerte uns den Zugang. Nachdem sich nun der Arzt um den zweiten Verletzten kümmerte, war es meine Aufgabe, die Vitalfunktionen des ersten Verwundeten aufrecht zu erhalten. Das EKG (Elektrokardiogramm) musste überwacht werden, diverse Infusionen waren angelegt und der intubierte Patient wurde künstlich beatmet.

Der Schwerverletzte wurde mit dem SAR-Helikopter nach Prizren geflogen und der weiteren Sanitätsversorgung zugeführt. In der Zwischenzeit organisierte ich den Abtransport des anderen Verletzten und überprüfte mit meinem Metalldetektor den Landeplatz für den Helikopter. Gleichzeitig musste ich die kosovarischen Polizisten des KPC vehement daran hindern, den Verletzten zu verhören. Vielmehr machte ich sie darauf aufmerksam, dass sie besser daran täten, das Angelände zu sichern, weil kriminelle Bewaffnete aus einiger Entfernung das Geschehen beobachteten.

Nach Einweisung des Helikopters und Verladung des Verletzten konnte ich mit dem Helikopter den Rückflug antreten und ersparte mir den beschwerlichen Fußmarsch zurück.

Einige Wochen später habe ich erfahren, dass diesem Schusswechsel eine Entführung mit Lösegeldforderung voraus gegangen war.

Allen beteiligten Soldaten wurde zur Würdigung ihrer außergewöhnlichen Dienstleistungen der KFOR-Command Coin (Sondermünze des eingesetzten Führungsverbandes) verliehen. Auch in der deutschen Einsatzzeitung "MAZ&MORE" war ein Beitrag mit Foto über diesen Einsatz abgedruckt. Solche Ereignisse zeigen, dass jedermann angehalten ist, auch über seinen eigenen fachlichen "Tellerrand" zu schauen und sich weiterzubilden. Unser Team unterzog sich in den darauf folgenden Tagen einer genauen Einweisung in die Ausrüstung und Handhabung der Notfallausrüstung der im Kosovo stationierten Ärzte, um bei Bedarf rascher und effizienter helfen zu können.

___________________________________ __________________________________ Autor: Vizeleutnant Josef Scherz, Jahrgang 1964. 1983 beim Landwehrstammregiment 37 in Wiener Neustadt eingerückt, Ausbildung zum Artilleristen. 1986 Auslandseinsatz bei UNDOF/AUSBATT, 1990 bei UNFICYP. 1997 Ausbildung zum Kampfmittelbeseitiger und Munitionsunteroffizier; 1999 bis 2004 Dienst beim Jagdkommando. 1999 bis 2000 bei KFOR als Teamleader eines EOD-Teams, 2003 bei AUCON/EUFOR FYROM als stellvertretender Teamleader eines EOD-Teams. Seit 2004 Lehrunteroffizier für Munitionstechnik im Schulungszentrum Munitionstechnik der Heeresversorgungsschule.

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