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Minenräumsysteme

Weltweit lauern derzeit rund 100 Millionen (!) Minen in der Erde. Minenräumsysteme, deren Funktionsprinzip von Rollen, Pflügen und Fräsen über die Verwendung von Magnetismus und Explosivstoffen bis zum Einsatz von Lebewesen reicht, sollen einen Teil der Landminen zerstören oder kontrolliert zur Explosion bringen. Doch - ganz abgesehen von der ethischen Komponente - sind diese Systeme nicht gleichwertig. Man sollte daher ihre Funktion kennen, um zu wissen, was man von ihnen erwarten kann.

Das Minenproblem

Die Vereinten Nationen schätzen, dass weltweit 80 bis 110 Millionen Landminen in über 70 Ländern der Erde verlegt sind. Jährlich töten Minen und ähnliche Kriegsrelikte mehr als 15 000 Menschen, über 4 000 davon sind Kinder. Seit 1996 starben z. B. alleine in Bosnien und Herzegowina 94 Minensucher und noch immer gelten dort 1 573 km2 als Risikogebiet, in dem ca. 220 000 Minen (oft ohne Verlegepläne) vermutet werden. Neun von zehn Minenopfern sind Zivilpersonen.

Derzeit gelten folgende Staaten als am meisten mit Minen belastet: Ägypten (ca. 23 Millionen Minen), Iran (ca. 16 Millionen Minen), Angola (ca. zwölf Millionen Minen), Afghanistan, China und der Irak (jeweils ca. zehn Millionen Minen), Kambodscha (ca. sechs Millionen Minen), Vietnam (ca. dreieinhalb Millionen Minen), Bosnien und Herzegowina, Kroatien und Mosambik (jeweils ca. drei Millionen Minen), Somalia, der Sudan, die Ukraine und Eritrea (jeweils ca. eine Million Minen).

Darüber hinaus warten ca. 160 Millionen Schützenminen primär in den Arsenalen folgender Staaten auf ihren "Einsatz": ca. 110 Millionen in China, ca. 26,5 Millionen in Russland, ca. 10,4 Millionen in den Vereinigten Staaten von Amerika, ca. 6,7 Millionen in der Ukraine, ca. sechs Millionen in Pakistan und ca. fünf Millionen in Indien.

Den ca. 80 bis 110 Millionen verlegten Landminen stehen weltweit nur ca. 10 000 professionelle "Deminer" gegenüber. Demnach müsste jeder davon ca. 11 000 (!) Minen suchen und entschärfen bzw. vernichten. Dabei kommt nach Statistiken der Vereinten Nationen auf 1 000 entschärfte Minen mindestens ein tödlicher Unfall. Bei 110 Millionen Minen wären das allein bei den "Deminern" 110 000 Opfer.

Eine Schützenmine kostet am internationalen Markt im Durchschnitt zwischen drei und fünf Dollar, die händische Räumung eines Quadratmeters hingegen zwischen 300 und 1 000 Dollar (ca. 230 bis 765 Euro) und die maschinelle Räumung je nach Gelände zwischen zwei und 65 Dollar (ca. 1,5 bis 50 Euro).

Militärische und humanitäre Minenräumung:

Die militärische Minenräumung bezweckt die Wiederherstellung der Bewegungsfreiheit innerhalb einer verminten Fläche oder entlang einer verminten Bewegungslinie.

Die (aufwändigere) humanitäre Minenräumung stellt hingegen die de facto uneingeschränkte Wiederbenützbarkeit der Fläche oder der Bewegungslinie her (landwirtschaftliche Nutzung, Hoch-, Tief- und Straßenbau usw.).

Minenräumsysteme können und sollen dabei offen (sichtbar) verlegte, verdeckt verlegte und vergrabene Schützen- und Panzerminen effizient und effektiv vernichten (zur Explosion bringen) oder zerstören (unwirksam machen). Minenräumsysteme dienen primär

  • der großflächigen Entminung von Geländeteilen,
  • dem Aufklären und raschen Überwinden von Minensperren und verminten Hindernissen,
  • dem Schaffen minenfreier Gassen oder Fahrspuren sowie
  • dem Minenräumen auf Marschrouten.

Mechanische Systeme

Für die Konzeption mechanischer Minenräumsysteme gelten als Grundüberlegungen v. a.

  • der größtmögliche Schutz der eigenen Soldaten bzw. des Personals des Minenräumsystems,
  • die Vernichtung der Minen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit bis zu einer Räumtiefe von ca. 0,50 m in möglichst kurzer Zeit bei möglichst geringen Kosten,
  • ein modularer oder kombinierbarer Aufbau, um möglichst viele Bedrohungsszenarien abzudecken,
  • ein niederer spezifischer Bodendruck, hohe Geländegängigkeit und hohe Ausfallsicherheit,
  • eine Einteilung in Gewichtsklassen (leicht, mittel, schwer) sowie
  • ein wahlweiser individueller oder gruppenweiser Einsatz.

Rollensysteme:

Metallräder oder Scheibenrollen werden in einem beweglichen Rahmen, der die gesamte Räumsystembreite einnimmt, oder in zwei getrennten Rollenblöcken vor dem Fahrzeugkörper hergeschoben. Die Scheibenrollen sind beweglich gelagert, damit können Geländeunebenheiten ausgeglichen werden. Der Bodendruck der Rollen wird dabei auch auf die Minen übertragen. Deren Auslösung ist aber nur gewährleistet, wenn die Minen mit Druckzündern ausgestattet sind. Rollensysteme eignen sich nicht für Minen mit Mehrfachzündern oder elektronischen Zündern. Bei getrennten Rollensystemen befindet sich in der Mitte des Systems meist eine aus einem beschwerten Stahlseil oder einer Stahlkette bestehende Zusatzeinrichtung für Minen mit Knickzünder (aus der Mine ragender Stab, der beim Abknicken die Explosion auslöst). Die Zusatzeinrichtung bringt den Knickzünder und damit die Mine vor dem Fahrzeugkörper zur Umsetzung.

Die Räumgeschwindigkeit hängt von der Motorleistung des Fahrzeuges, dem Fahrwiderstand und den Geländeformen ab. So bestimmt die Anpassungsfähigkeit an das Gelände bei hohen Fahrgeschwindigkeiten, inwieweit in Senken verlegte Minen geräumt werden können. Als Anhalt für die Räumgeschwindigkeit gelten acht bis zwölf Stundenkilometer. Die Räumsicherheit liegt bei ca. 95 bis 97 Prozent.

Die Detonationsfestigkeit der Rollengeräte liegt bei zehn bis fünfzehn Panzerminenexplosionen (d. h. das Räumsystem hält ohne gröbere Beschädigung so vielen Explosionen zwischen fünf und neun Kilogramm Sprengstoff stand). Rollensysteme sind permanent montiert oder Anbaugeräte an Kampfpanzern.

Schlagsysteme:

Den Kern der Schlagsysteme (auch Schlagketten-, Flegel- oder Dreschflegelsysteme genannt) bildet ein rotierender Zylinder mit Kettenstücken, die auf den Boden schlagen. Das freie Ende der Ketten ist bei manchen Systemen mit zusätzlichen Gewichten beschwert, es existieren aber auch Systeme ohne Zusatzgewichte. Der Antrieb des Zylinders erfolgt über einen Nebenantrieb des Hauptmotors oder durch einen gesonderten Motor. Das System eignet sich auch für Minen, deren Zünder zur Umsetzung mehrmalige mechanische Impulse benötigen. Die Drehrichtung des rotierenden Zylinders wird mit clockwise (im Uhrzeigersinn in Fahrtrichtung von links betrachtet) und anti-clockwise angegeben.

Flegelsysteme werden international in drei Kategorien eingeteilt:

  • Mini Flails mit einer Masse unter sechs Tonnen;
  • Medium Flails von sechs bis 20 Tonnen;
  • Heavy Flails über 20 Tonnen.

Die Antriebsleistung des Motors, die Schlagdichte und die Bodenbeschaffenheit bestimmen die Räumgeschwindigkeit. Diese ist grundsätzlich geringer als bei Rollensystemen und liegt meist zwischen 0,8 und drei km/h. Die Räumsicherheit dieser Systeme beträgt 75 bis 80 Prozent, weil dabei Minen oder Minenteile weggeschleudert oder weiter in den Boden gedrückt werden können. Deshalb kann für das humanitäre Minenräumen ein Schlagsystem nur der Vorbereitung einer händischen Räumung dienen. Weiters existieren Minen, die durch ein Schlagsystem überhaupt nicht zur Auslösung gebracht werden. Eine händische Nachkontrolle (Qualitätskontrolle) ist deshalb unerlässlich.

Die Detonationsfestigkeit ist unterschiedlich, aber geringer als bei Rollensystemen. Die Gliederketten sind so konstruiert, dass sie im Falle einer Beschädigung durch eine Explosion rasch und einfach ersetzt werden können. Als besonders anfällig für Zerstörungen gelten auch die Trommeln und ihre Kraftübertragungselemente.

Beispiel "Bozena" 4: Das Schlagsystem "Bozena" 4 ist ein Mini Flail-System, das Schützen- und Panzerminen bis zu einem Explosivstoffgewicht von acht Kilogramm zerstören kann, ohne dabei selbst unbrauchbar zu werden. Weiters kann dieses System Spanndrähte und Vegetation (letztere bis ca. 19 cm Stammdurchmesser) entfernen. "Bozena" 4 wird funkferngesteuert betrieben, die Reichweite liegt bei ca. 2 000 m. Ein Schutzschild und eine dicke gepanzerte Abdeckhaube zwischen den rotierenden Walzen und der Maschine vermindern deren Zerstörung durch Explosionen oder hochgeschleuderte Teile (z. B. Steine). Aufgrund der flexiblen Aufbauweise können bis zu 19 unterschiedliche Geräte, wie z. B. ein Bohrhammer oder eine Bohrmaschine, am Grundsystem angebracht werden. Mit den 36 Kettenstücken der Schlageinheit, kann das System bis zu einer Tiefe von ca. 15 cm - abhängig von den Bodenverhältnissen - Schützen- und Panzerminen zerschlagen oder zur Explosion bringen.

Das System wurde bereits in Albanien, in Bosnien und Herzegowina, in Kroatien, in Eritrea, im Kosovo, im Libanon und im Nordirak erfolgreich eingesetzt.

Pflugsysteme:

Die Wirkung der Pflugsysteme beruht auf Räumschilden mit Grabzähnen. Bei der Vorwärtsbewegung des Minenräumsystems durchpflügen die Grabzähne das Erdreich und heben die Minen an die Erdoberfläche. Mit den Räumschilden werden die Minen seitlich zur Bewegungsrichtung weggeschoben. Aufgrund ihrer Arbeitsweise werden diese Systeme auch Grabsysteme, Messerräumsysteme oder Räumpflugsysteme genannt.

Der Räumerfolg und die Räumgeschwindigkeit sind abhängig

  • von der Größe der zu räumenden Minen (Panzerminen oder Schützenminen),
  • vom Abstand der Pflugzähne,
  • von der Verlegetiefe der Minen,
  • von der Breite des Räumsystems (durchgehender Pflug oder Spurbreite),
  • von der Bodenart (bei felsigem oder gefrorenem Boden können diese Systeme nicht eingesetzt werden) und
  • von der Motorleistung des Fahrzeuges an dem das System montiert ist.

Der Durchschnittswert der Räumgeschwindigkeit liegt bei ca. fünf bis acht Stundenkilometern. Mit Pflugsystemen kann eine fast hundertprozentige Räumsicherheit für sämtliche Minenarten erreicht werden (Erfordernis des humanitären Minenräumens im Gegensatz zum militärischen), allerdings können Minen beschädigt werden, was eine manuelle Nachsuche zwingend erforderlich macht.

Beispiel "Amir": Das Pflugsystem "Amir" der Firma Rheinmetall wird von einem Basisfahrzeug (z. B. einem Panzer) geschoben. Schützenminen und Panzerminen werden konstruktionsbedingt zur Seite geschert oder zur Umsetzung gebracht. Die minimale Räumbreite beträgt vier Meter, die maximale Räumtiefe ca. 0,30 m. Das System ist an den meisten Ketten- und Räderfahrzeugen nach kurzer Adaptierung einsetzbar. Um die Hydraulik mit Energie zu versorgen, ist jedoch ein Stromanschluss am Basisfahrzeug notwendig. Die Hydraulik ermöglicht dem Fahrer das Heben und Senken des Pflugsystems. Die 15 Haupträumelemente können alleine oder in Gruppen am Rahmen befestigt bzw. ausgetauscht werden. Unebenheiten des Geländes gleicht die Hydraulik automatisch aus. Das System wird auf Straßen mit festem Untergrund bzw. auf anderen festen Oberflächen zusätzlich von Rädern gestützt.

Beispiel AS 200: Um der Bedrohung durch Minen und Blindgänger weltweit entgegentreten zu können, sind heute extrem bewegliche, geländegängige, moderne, lufttransporttaugliche und leicht adaptierbare Arbeitsmaschinen unerlässlich. Eine davon ist das Schwenkladegerät AS 200 der Firma Ahlmann. Dieses findet in unterschiedlichen Versionen weltweit Anwendung, unter anderem als "Pistenräumgerät". Damit können Minen, Munition und Streumunition bis zu einem maximalen Explosivstoffgewicht von ca. zwei Kilogramm beseitigt werden. Zum Schutz des Lenkers der Arbeitsmaschine verfügt das AS 200 über eine Zusatzpanzerung. Der Überlebensfähigkeit des Systems dienen u. a. ausgeschäumte Spezialreifen. Das AS 200 ist primär zur Räumung von Hauptverkehrsstraßen und Sicherheitsbereichen sowie von Start- und Landebahnen (Flugplätzen) konzipiert. Aufgrund der hohen Räumgeschwindigkeit können bis zu 15 000 m2 pro Tag geräumt werden.

Frässysteme:

Das Wirkungsprinzip der Frässysteme beruht auf einem rotierenden Zylinder mit Grabzähnen aus Hartmetall, die in einem definierten Abstand zueinander angebracht sind. Das System ist dem Basisfahrzeug vorgelagert und ist breiter als dieses. Man unterscheidet einfache Walzensysteme und Mehrfachwalzensysteme. Bei den Einfachwalzensystemen gräbt nur eine Walze den Boden um, bei den Mehrfachwalzensystemen laufen zwei oder mehrere Walzen gegengleich zueinander. Die Minen explodieren bei beiden Systemen vor der Walze bzw. beim Mehrfachwalzensystem auch zwischen den gegengleich laufenden Walzen. Die Explosion der Minen wird dabei durch den Fräsaushub vor den Fräswalzen gedämpft. Die Fräswalzen befinden sich meist auf beweglichen Auslegern (starre Ausleger würden bei Minendetonationen brechen). Nicht detonierte Minen werden zerschlagen und müssen nach dem Fräsvorgang mit einer Spiralwalze bzw. einer Scheibenegge eingesammelt werden. Frässysteme fallen generell in die Kategorie "schwer". Als Vorteile gelten, dass das gesamte Erdreich durch die Fräse transportiert wird, der Oberflächenbewuchs einschließlich kleiner Bäume und Sträucher in das Erdreich eingearbeitet wird, der Boden gelockert wird, der spezifische Bodendruck gering ist und eine fast hundertprozentige Räumsicherheit vorliegt. Allerdings bleiben Sprengstoffreste am bzw. im Boden.

Beispiel "Minebreaker 2000": Das Frässystem "Minebreaker 2000" der Firmengruppe Diehl eignet sich für nahezu alle Bodenarten und Witterungsverhältnisse nicht jedoch für weichen Untergrund und Tiefschnee. Der An- und Abtransport erfolgt mit einem handelsüblichen Schwertransportersystem (Tieflader). Aufgrund der geringen Eigengeschwindigkeit des Systems sollte der Einsatzort allerdings nicht zu häufig gewechselt werden. Der erste Einsatz erfolgte 1997/98 in Bosnien und Herzegowina. Dabei wurden im Raum Tuzla ca. 252 000 m2 und im Raum Sarajewo ca. 80 000 m2 Gelände gesäubert und dabei 595 Antipersonenminen, neun Panzerminen und mehr als 20 Blindgänger unschädlich gemacht. Aufgrund der Bodenverhältnisse lag die Räumleistung über 1 000 m2 pro Stunde und die Tageshöchstleistung über 7 000 m2. Insgesamt war der "Minebreaker 2000" von November 1997 bis Juni 1998 ohne nennenswerte technische Ausfälle 680 Stunden in Betrieb. Bei der Nachsuche mit Sprengstoffspürhunden wurden keine Minen mehr aufgefunden. Das System eignet sich somit auch zur humanitären Minenräumung. Der "Minebreaker 2000" wurde inzwischen auch in Afghanistan und in Korea erfolgreich eingesetzt.

Beispiel "Rhino": Der Grundtyp des Minenräumsystems "Rhino" besteht mit Masse aus Teilen handelsüblicher Baumaschinen, was die Ersatzteilversorgung in den Einsatzgebieten erleichtert. Um eine größtmögliche Sicherheit des Entminungspersonals zu erreichen, ist das System ferngesteuert. Die Hauptkomponenten sind das Trägerfahrzeug, die Fräseinrichtung und der Bedienungsstand. Die Fräseinrichtung besteht aus zwei gegenläufig drehenden, mit Wolframkarbidmeißeln bestückten Walzen. Diese Walzen sind so angeordnet, dass beim Durchlauf des verminten Erdreiches eine maximale Spaltbreite von ca. drei Zentimetern verbleibt. Dadurch werden auch die relativ kleinen Schützenminen sicher erfasst und die Minen entweder zur Explosion gebracht oder mechanisch zerstört. Beschädigte Meißel können rasch und einfach ausgetauscht werden. Eine kroatische Minenräumfirma setzt "Rhino" seit 1998 erfolgreich zum Räumen minenverdächtiger bzw. minenverseuchter Flächen ein.

Pyrotechnische Systeme

Diese Systeme verwenden eine Technik, die bereits vor dem Zweiten Weltkrieg entstanden ist. Sprengstoff wird (z. B. in einem Rohr) in das Minenfeld gebracht, dessen Detonationswelle bringt Minen zur Explosion und schafft so eine Minengasse. Die pyrotechnischen Systeme wurden während und nach dem Zweiten Weltkrieg weiterentwickelt. Heute werden Sprengschnüre und Sprengleitern mittels Raketen in bzw. über das Minenfeld geschossen und anschließend gezündet. Zur großflächigeren Minenräumung dienen sogenannte Fuel Air Explosives (FAE). Allerdings sind manche Minen (z. B. die Schützenmine VS 50 "Vasella") schockresistent und ein momentaner Impuls einer Detonationswelle löst deren Zünder nicht aus.

Minenräumschnüre:

Auf einer Sprengschnur (Knallzündschnur) sind in einem definierten Abstand Sprengladungen angebracht, die sämtliche Minen unter der Sprengschnur zur Detonation bringen, sofern diese nicht schockresistent sind. Die Minenräumschnur wird mittels einer beigepackten Rakete in das Minenfeld geschossen und entweder mit Verzögerung automatisch oder mit einer elektrischen Zündung händisch zur Umsetzung gebracht. Um eine geradlinige Ausbreitung der Minenräumschnur zu gewährleisten dient meist ein Fallschirm, der sich nach dem Abschuss hinter der Minenräumschnur öffnet. Bei der elektrischen Zündung der Sprengschnur kann der Zündzeitpunkt exakt festgelegt werden, was ein Höchstmaß an Sicherheit für die bedienenden Soldaten gewährleistet. Das System ist stationär oder von Fahrzeugen aus einsetzbar. Die durchschnittliche Räumbreite beträgt ca. 0,30 m.

Beispiel Minenräumschnur "Comet": Bei der Minenräumschnur der Firma Comet sind auf einer Knallzündschnur im Abstand von jeweils ca. einem Meter ca. 0,1 kg schwere Pakete mit plastischem Sprengstoff angebracht. Die Gesamtlänge der Minenräumschnur beträgt 82 m, die Wirklänge ca. 72 m und die Wirkbreite mindestens 0,30 m. Die Raketenabschussvorrichtung mit der Schleppvorrichtung (zwei ca. 2,60 m lange Drahtseile) wird ca. 20 m vor dem Minenfeld aufgestellt bzw. aufgelegt. Die Rakete zieht dann die Sprengschnur über das Minenfeld. Zur Minimierung der Gefährdung der Bedienung zündet die Rakete mit einer Verzögerung von sechs Sekunden und die Sprengschnur nach weiteren acht Sekunden. Die Räumlänge kann durch die Verwendung weiterer Minenräumschnüre gesteigert werden.

Minenräumleitern:

Minenräumleitern basieren auf dem gleichen Prinzip wie Minenräumschnüre, sehen jedoch Strickleitern ähnlich. Sie bestehen aus zwei getrennten Sprengschnüren (Knallzündschnüren), die in einem definierten Abstand mit Sprengladungsstäben verbunden sind. Die Minenräumleiter bringt sämtliche Minen unter ihr zur Detonation, sofern diese nicht schockresistent sind. Die Minenräumleiter wird ebenfalls mit einer beigepackten Rakete in das Minenfeld geschossen und mit Verzögerung oder einer elektrischen Zündung zur Umsetzung gebracht. Wird die Sprengleiter elektrisch gezündet, kann der Zündzeitpunkt exakt festgelegt und so die Sicherheit der bedienenden Soldaten sowie anderer, in der Nähe befindlicher Personen erhöht werden. Minenräumleitern sind auch vom Boden oder von Fahrzeugen aus einsetzbar. Die durchschnittliche Räumbreite beträgt ca. 0,6 m.

Beispiel Minenräumleiter 80 "Comet": Die Minenräumleiter 80 der Firma Comet wird auch als L- (Light-) bzw. H-PEMBS (Heavy-Portable Explosive Mine Breaching System) bezeichnet. Aufgrund ihres geringen Gesamtgewichtes kann die zweiteilige Minenräumleiter auch von Infanterieeinheiten bzw. Pioniereinheiten problemlos transportiert (zwei Transportbehälter mit Kufen und je zwei Tragestangen) und eingesetzt werden. Vor dem Einsatz werden die beiden Teile der Minenräumleiter aufgelegt und miteinander verbunden. Der Einsatz erfolgt ähnlich dem der Minenräumschnur.

Sprengrohre (Bangalore):

Captain McClintock von der britischen Armee entwickelte 1912 ein unter dem Namen Bangalore bekannt gewordenes Sprengrohr zur Räumung von Stacheldrahthindernissen, zum Beispiel von Flandernzäunen. Der Name Bangalore stammt von der indischen Stadt Bengaluru (die 1912 noch Bangalore hieß). Sprengrohre sind mit Sprengstoff gefüllte Rohre aus Metall oder Kunststoff, die in beliebiger Länge zusammengeschraubt oder -gesteckt werden können. Um eine sichere Explosion zu gewährleisten, befinden sich an beiden Enden des Rohres meist Initialverstärker (z. B. Tetryl). Eine konische Spitze erleichtert das Einbringen in ein Minenfeld oder in eine Drahtsperre. Mit Sprengrohren können Minengassen auch unter Feindfeuer geschaffen werden, da das Einbringen und die Zündung aus der Deckung ("Schützengraben") erfolgen kann. Sprengrohre können minenfreie Gassen von ca. 0,80 m bis zu einem Meter schaffen oder Sprengfallen aus größerer Distanz vernichten. Aufgrund ihrer Unhandlichkeit (Starrheit) und des relativ hohen logistischen Aufwandes - die Rohrteile sind eineinhalb bis zwei Meter lang - wurden die Bangalore-Sprengrohre durch Minenräumschnüre und Minenräumleitern abgelöst. Allerdings kommen Sprengrohre immer noch bei der Überwindung von (verminten) Holz- bzw. Drahthindernissen (z. B. Flandernzäune) zur Anwendung.

Fuel Air Explosives:

Fuel Air Explosives (FAE) werden aufgrund ihrer Wirkung auch als Sprengaerosole bzw. als Druckwellenwaffen bezeichnet. Ihr Wirkungsprinzip ist die Detonation brennbarer Gase oder winziger Flüssigkeitströpfchen in der Luft. Eine versprühte Flüssigkeit, Staub oder ein Gas bildet mit dem Luftsauerstoff ein explosives Gemisch, das gezündet wird.

Die Explosion erzeugt eine Druckwelle, die sich mit Überschallgeschwindigkeit ausbreitet und Minen zur Explosion bringen kann. Als Ladung dienen flüchtige Kohlenwasserstoffe mit hohem Energiegehalt (z. B. flüssige Raketentreibstoffe bzw. deren Bestandteile wie Ethylenoxid, Propylnitrat und Dimethylhydrazin). Erprobungen zeigten, dass eine Explosion eines Ethylenoxid-Luft-Gemischs die Wirkung der entsprechenden Menge TNT um das 2,7- bis Fünffache übersteigt. Neue Gemische, z. B. MAPP (Methan, Azetylen, Propadien und Propan) können die zehnfache Leistung von TNT erreichen. Darüber hinaus steigert die Konstruktion der Munitionsträger der so genannten zweiten bzw. dritten Generation der FAE die Wirkung der Druckwelle um ein Vielfaches.

Weil aber manche Minen schockresistente Zünder haben, kann nach dem Einsatz eines FAE nicht mit hundertprozentiger Sicherheit von einer "Minenfreiheit" ausgegangen werden. Relativ verlässlich wirken FAE nur gegen freiliegende und verdeckt verlegte Minen, nicht aber gegen eingegrabene.

Beispiel "Carpet": Das FAE-Minenräumsystem "Carpet" der israelischen Firma Rafael wird von einem Trägerfahrzeug aus eingesetzt. Aufgrund der modulartigen Bauweise kann das System rasch und einfach auf jedes Trägerfahrzeug montiert werden. Aus dem sicheren Gelände werden 20 Raketen in hoher Schussfolge und einer Schussweite von ca. 65 m bis ca. 165 m fächerartig über das Minenfeld abgefeuert. Nach dem Ausstoß der Wirkfüllung entsteht dort eine FAE-Wolke. "Carpet" kann binnen einer Minute eine ca. 100 m lange und ebenso breite Minengasse schaffen. Es ist im "Ruhezustand" zwar feuergefährlich aber nicht explosiv. Zu Trainingszwecken sind Übungsraketen verfügbar.

Physikalische Systeme

Magnetische Minenräumung:

Die magnetische Minenräumung erfolgt nach den Grundsätzen der Elektrotechnik. Spulen oder Elektromagnete am Trägerfahrzeug erzeugen vor dem Fahrzeug ein starkes Magnetfeld, das Minen mit magnetischen Zündern vorzeitig auslösen soll. Magnetische Minenräumsysteme werden meist in Verbindung mit anderen Räumsystemen, wie z. B. Walzen- oder Pflugsystemen eingesetzt.

Elektronische Minenräumung:

Auch elektronische Minenräumsysteme nutzen die Grundlagen der Elektrotechnik. Es werden jedoch verstärkt elektronische Komponenten verwendet, um bestimmte elektrische, optische bzw. akustische Effekte, die den Zünder der Mine auslösen sollen, zu erzeugen bzw. zu simulieren. Elektronische Minenräumsysteme enthalten meist Multi-Sensoren, die auch die Form und die Größe von Minen erkennen können. Über Infrarot-Sensoren lassen sich Bodenveränderungen - wie sie beim Vergraben von Minen entstehen - lokalisieren. Infrarot-Sensoren reagieren aber auch auf die unterschiedlichen Temperaturen von Boden und Mine. Minen werden auch mittels Oberflächen durchdringendem Radar (Surface Penetrating Radar) und dessen hochauflösenden, dreidimensionalen Bildern aufgespürt. Danach werden Signale ausgesandt, um Minen mit elektronischen Komponenten auszulösen. Elektronische Minenräumsysteme sind meist mit anderen Minenräumsystemen gekoppelt, um die Räumsicherheit zu erhöhen.

Biologische Systeme

Die großflächige Räumung von Minenfeldern kann nicht nur mit technischen Mitteln erfolgen, sondern auch biologisch - mit Menschen oder Tieren. Derartige Räumaktionen erfolgten u. a. im Ersten und im Zweiten Weltkrieg sowie kurz nach letzterem zur Beseitigung von Kriegsrelikten, im Ersten Golfkrieg, im Falkland-Krieg oder in den jugoslawischen Zerfallskriegen: Entweder wurden nicht speziell ausgebildete Menschen in die Minenfelder geschickt oder Tiere darüber getrieben, um die Minen zur Umsetzung zu bringen.

Entminung durch Menschen:

Neben den (völkerrechtskonform) eingesetzten speziell ausgebildeten und ausgerüsteten Soldaten (Pioniere, Kampfmittelbeseitiger) zur Minenräumung wurden im Ersten und Zweiten Weltkrieg Soldaten verschiedener Nationen in "Bewährungsbataillonen" zu dieser gefährlichen Arbeit gezwungen, z. B. im Strafbataillon 500 der deutschen Wehrmacht. Die von einem Militärgericht Verurteilten mussten mit bloßen Händen Minen suchen und freilegen. Auf den Erhalt des Lebens der Soldaten wurde dabei kein besonderer Wert gelegt, allerdings durften sie nach Verbüßung ihrer Strafe fallweise wieder in reguläre Einheiten zurückkehren. 1946 setzte die französische Regierung deutsche Kriegsgefangene zur Räumung von Minen ein, z. B. über 50 000 ehemalige deutsche Soldaten im Raum Deauville (Normandie), obwohl auch das nach der Genfer Konvention verboten war. Die großflächige Entminung durch Menschen erfolgte in manchen Konflikten systematisch - mit grauenhaften Folgen.

Beispiel "Basitschi-e Mostasafan": Die paramilitärische iranische Freiwilligenorganisation "Basitschi-e Mostasafan" ("Die Mobilisierten der Unterdrückten", auch Basij, Bassiji, Bassidji oder Bassidschi) dient der Unterstützung der Kampftruppen des Iran. Die Basitschi kamen erstmals während des Ersten Golfkrieges (1980 bis 1988) bei der iranischen Gegenoffensive bei Mandali am 30. September 1982 gegen irakische Truppen zum Einsatz. 14- bis 20-jährige Mitglieder der Organisation wurden dabei über Minenfelder geschickt, um diese für die nachfolgenden Kampftruppen zu "entminen". Ein weiterer dokumentierter Einsatz erfolgte am 16. Februar 1984 bei den Operationen "Morgenröte" V und VI. Bis 1985 wurden - nach Angaben des Iran - über eine Million Basitschi in den Krieg geschickt. Ihr Einsatz bestand u. a. darin, aufrecht und in nebeneinander (gleichsam in Schützenkette) durch Minenfelder zu laufen. Tausende fanden dabei den Tod.

Entminung durch Tiere:

Vor allem in Ex-Jugoslawien wurden während des Bürgerkrieges und kurz danach Nutztiere wie Rinder, Schafe, Schweine, Ziegen, Esel und Pferde in "unbekannte Gebiete" getrieben, um Minen auszulösen. Dabei ging der Hirte in einem Sicherheitsabstand hinter den Tieren, um eine optische Kontrolle durchzuführen und um erkannte Minen und Blindgänger am Rand der Spur zu markieren. Die aufgefundenen Minen und Kampfmittel wurden je nach der Wichtigkeit der Fläche danach von Spezialisten beseitigt. Im Raum Sanski Most (Westbosnien) benutzte man z. B. Esel und Schafe zur Minenbeseitigung. Auch im Ersten Golfkrieg dienten Schafe der Entminung. Der Einsatz der Tiere erfolgte dabei aber nicht nur auf großflächigen Weiden, die Schafe wurden auch über unbefestigte Wege und entlang von Straßenrändern getrieben, um minenfreie Zonen zu schaffen. Allerdings stoben die Schafe meist bei der ersten Detonation davon, so dass von einer lückenlosen Entminung keine Rede sein konnte. Ein Entminungseffekt ergibt sich auch durch Wildtiere wie Rehe, Hirsche, Wildschweine und Füchse, denn auch diese bringen Minen und Blindgänger zur Explosion. In Asien und Afrika kommen einheimische Tiere wie Elefanten, Löwen, Giraffen und Tiger hinzu. Allerdings machen diese nur häufig genutzte und bekannte Wildwechsel "minenfrei", nicht aber offene Geländeteile.

Minenräumsysteme auf einen Blick

Mechanische Systeme:

  • Rollensysteme
  • Schlagsysteme
  • Pflugsysteme
  • Frässysteme

Pyrotechnische Systeme:

  • Minenräumschnüre
  • Minenräumleitern
  • Sprengrohre (Bangalore)
  • Fuel Air Explosives

Physikalische Systeme:

  • Magnetische Minenräumung
  • Elektronische Minenräumung

Biologische Systeme:

  • Entminung durch Menschen
  • Entminung durch Tiere

Politischer Wille und Geld sind zuwenig

Es gibt unterschiedlichste Systeme, um Minen beizukommen. Allerdings sind die unterschiedlichen Räumsysteme nicht für jeden Einsatzort und Einsatzzweck verwendbar. Deshalb muss stets eine Qualitätskontrolle durch Fachpersonal erfolgen. Dieses riskiert nach wie vor Leib und Leben, um kampfmittelfreie Flächen zu schaffen.

Die Vereinten Nationen und die Europäische Union stellen erhebliche finanzielle Mittel für die Beseitigung von Kriegsaltlasten zur Verfügung. Doch alleine durch den politischen Willen und durch Geld können keine kampfmittelbelasteten Flächen geräumt werden. Dazu bedarf es eines massiven Auf- und Ausbaues des technischen "Know-hows", u. a. um effizientere und effektivere Räummethoden und Räumtechnologien zu erforschen und zu entwickeln. Denn trotz aller technologischen, politischen und finanziellen Fortschritte ist die Räumung von Minen und Blindgängern nach wie vor lebensgefährlich!


Autor: Hofrat Ing. Mag. Gerd Luschnitzky, Jahrgang 1958. Eingerückt 1977, anschließend Unteroffizierslaufbahn bis zum Zugskommandanten, Fachrichtung Nachschub und später Munitionstechnik. Ab 1982 Munitionsunteroffizier an der Theresianischen Militärakademie, von 1992 bis 1999 Lehroffizier für Spreng- und Munitionstechnik an der Heereslogistikschule. 1987 bis 1992 HTL-Elektrotechnik (Abendschule), 1993 Grundausbildungslehrgang A2 technischer Dienst. 1995 Sonderlehrgang Munitionstechnik in Deutschland, 1996 bis 1997 Aufstiegslehrgang an der Verwaltungsakademie des Bundes. 1997 Grundausbildungslehrgang A1 rechtskundiger Dienst. Ab 1998 diverse Ausbildungen im Bereich Minen und Kampfmittelbeseitigung; ab 1999 verschiedene Funktionen im Bundesministerium für Landesverteidigung. 2002 Auslandseinsatz im Kosovo als EOD-Spezialist. 2004 bis 2007 Studium der Politikwissenschaften an der Universität Wien. Seit 2005 Bereichsleiter der Zentralen Technischen Produktdokumentation im Amt für Rüstung und Wehrtechnik.

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