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Psychologie: Gemobbt - und wie geht’s weiter ...?

Erst vor wenigen Wochen wurde ich von einem Mitarbeiter auf einen Artikel auf der ORF-Homepage hin-gewiesen, in dem eine Studie zu Mobbing im Österreichischen Bundesheer (ÖBH) dargestellt wurde. Darin war zu lesen, dass für sechs Prozent der befragten männlichen Teilnehmer und sogar für 20 Prozent der befragten Soldatinnen in der Stichprobe von fast 450 Personen die wissenschaftliche Definition von Mobbing zutreffend wäre. Jede fünfte Befragte und damit fast dreimal so viele Frauen wie Männer seien aggressiven Handlungen über einen längeren Zeitraum ausgesetzt gewesen.

Kritisch anzumerken ist, dass ein Stichprobenumfang von 20 Soldatinnen die Repräsentativität der Aussagen in Frage stellt. Dies soll aber nicht die Bedeutung der Studie herabwürdigen, denn Mobbing ist genauso wie Burnout oder Alkohol ein Thema im Bundesheer.

Der Blick auf die Dropout Rate seit Öffnung des Bundesheeres für Soldatinnen spricht eine eindeutige Sprache, denn fast 60 Prozent der "eingerückten" Frauen haben zwischenzeitlich aus diversen Gründen den Dienst mit der Waffe wieder quittiert. Offensichtlich sind wir nicht in der Lage, interessierte und "berufene" Frauen, die sich der Ausnahmesituation beim Österreichischen Bundesheer stellen, zu halten und die erforderlichen Rahmenbedingungen herzustellen. Mit einem Anteil von nicht einmal zwei Prozent an Soldatinnen im Verhältnis zum Gesamtkaderanteil stellt das Österreichische Bundesheer im internationalen Vergleich ein Schlusslicht dar, wenngleich die Bemühungen für die Gewinnung von Soldatinnen intensiv sind. Dass es Mobbing gibt, immer gegeben hat und vermutlich immer geben wird, kann als Tatsache betrachtet werden. Dass gerade im Öffentlichen Dienst die dreifache Wahrscheinlichkeit besteht, gemobbt zu werden, und dass der Anteil der Frauen gegenüber den Männern hinsichtlich Mobbing generell höher ist, wurde in Studien der vergangenen Jahre belegt. Laut Schätzungen des Österreichischen Gewerkschaftsbun-des gibt es alleine in Österreich rund 300 000 betroffene Bedienstete. Je Mobbingfall und Jahr werden, abhängig von der Studie, Kosten von 20 000 bis 70 000 Euro für Fehlzeiten, reduzierte Arbeitsleistung, Schlichtungsgespräche etc. genannt.

Gerade im Öffentlichen Dienst wird vielfach dokumentiert, dass sich die Dauer eines Mobbingfalles nicht selten über Jahre erstreckt, bis aufgrund des Leidensdrucks externe Hilfe von den Betroffenen in Anspruch genommen wird.

Bemerkenswert in der vorliegenden Studie ist, dass besonders oft das "vertikale" Mobbing genannt wird d. h., dass von oben nach unten ("bossing") oder von unten nach oben ("staffing") gemobbt wird, während in einschlägigen Studien besonders häufig die systematischen aggressiven Handlungen auf der gleichen Ebene ("horizontales Mobbing") Erwähnung finden.

Während viele Studien die Persönlichkeit der Opfer im Visier der Forschung haben, so gibt es relativ wenig wissenschaftliches Material über die Täter. Tendenzen als Ergebnis der einschlägigen Forschung dürfen aber nicht den Schluss zulassen, dass es den "typischen" Mobbingtäter oder das "typische" Mobbingopfer gibt.

Generell stellt sich die Frage, ob das ÖBH Rahmenbedingungen bietet, die einen Nährboden für Mobbing darstellen. Die Frage wäre aus meiner Sicht eindeutig mit Ja zu beantworten:

  • Die mangelnde Betriebskultur (z. B. das Ignorieren von Problemen) verhindert eine rechtzeitige Offenlegung von zwischenmenschlichen Konflikten und führt oftmals zu einer Hinterfragung der Führungsfähigkeit von Kommandanten. Die Wahrnehmung der Fürsorgepflicht wird damit zu einer laufenden Bedrohung für Führungskräfte.
  • Fehlende bzw. mangelnde Kennzahlen zum Leistungsnachweis führen zu einem Defizit von objektiven Entscheidungsparametern, weshalb auf subjektiver Ebene mit lauteren und unlauteren Mitteln Unterschiede geschaffen werden.
  • Es gibt keine umfassende Bewußtmachung oder Sensibilisierung zum Thema Mobbing im ÖBH.
  • Es gibt derzeit keine Anlaufstellen im ÖBH, die für Mobbingopfer professionelle Unterstützung bieten.
  • Das weithin fehlende Wissen zum Thema Mobbing führt zu einer "inflationären" Verwendung des Begriffes, weshalb dieser und dessen Bedeutung verwässert wird, was die Sensibilität dafür vermindert.
  • Mobbing ist eine häufig genannte Begleiterscheinung bei organisatorischen Anpassungsprozessen, die seit Jahrzehnten im ÖBH gegeben sind.

Aus meiner Sicht als Arbeitpsychologe wäre es jedenfalls sinnvoll, sich besonders dem Thema Mobbing sowie anderer arbeitsplatzbezogener Belastungen und Beanspruchungen in einem Maßnahmenpaket anzunehmen. Faktum ist, dass es im Bundesheer Mobbing gibt. Faktum ist auch, dass nur eine vernetzte, systemische Herangehensweise mit einer Top-Down-Bearbeitung wirksame Gegenmaßnahmen erzeugen kann.

Autor: Oberst dhmfD Mag. Christian Langer

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