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Erzherzog Franz Ferdinand - Persönlichkeit und Wirken

Am 2. und 3. Mai 2011 fand an der Landesverteidigungsakademie in Wien eine internationale Tagung "Franz Ferdinand: Vom Belvedere nach Sarajevo" statt. Thema war der ermordete Thronfolger Erz­herzog Franz Ferdinand und die Auseinandersetzung mit seiner Persönlichkeit.

Die Landesverteidigungsakademie richtete an zwei Tagen Anfang Mai 2011 gemeinsam mit der französischen Botschaft und dem französischen Kulturinstitut, der Universität Paris IV (Sorbonne) und dem Heeresgeschichtlichen Museum ein Symposium aus, das der Forschung einer bisher eher vernachlässigten Persönlichkeit der österreichischen Geschichte galt: Erzherzog Franz Ferdinand (1863 bis 1914). Den Meisten ist der österreichisch-un­garische Thronfolger - wenn überhaupt - als Opfer des Attentats von Sarajevo in Erinnerung. Allenfalls weiß man noch von seiner Liebesheirat mit Gräfin Sophie Chotek (1868 bis 1914, aus einem alten böhmischen Adelsgeschlecht), die er gegen den Willen des Kaisers durchsetzte, dafür aber auf die Thronfolgeansprüche seiner Kinder verzichten musste.

Insgesamt ist das Bild Franz Ferdinands eher zwiespältig. Er gilt - gerade wegen seiner Ehe - als liebender und vorbildlicher Familienvater, darüber hinaus gewissermaßen als "verkannter Held", dessen Reformpläne die Donaumonarchie vor ihrem Untergang hätten bewahren können. Seine Rolle als "erstes Opfer" des Weltkrieges gewinnt dadurch eine besondere Tragik, wurde doch gerade ein möglicher Reformer ermordet. Im Gegensatz dazu wird er von der "schwarzen Legende" der Habsburger als starrsinniger Reformgegner und besessener Jäger abgestempelt, dessen vermeintlicher Hass auf die Ungarn den Zerfall Österreich-Ungarns eher noch beschleunigt als aufgehalten hätte.

Wer aber war Franz Ferdinand wirklich? Auch die Beiträge dieser Tagung konnten kein vollständiges Bild liefern, zeigten aber immerhin weitere Facetten Franz Ferdinands auf und identifizierten jene Bereiche, in denen immer noch Forschungslücken bestehen, wo teilweise aber auch die Quellen fehlen, um endgültig seriöse Antworten zu geben.

Univ.-Prof. Dr. Catherine Horel (Sorbonne Paris) betonte in ihrem Eröffnungsvortrag die Rolle der Nationalitätenproblematik in Österreich-Ungarn. Franz Ferdinand hatte sicher Verständnis für die zunehmenden nationalen Bestrebungen, vor allem der slawischen Völker der Monarchie. Es gab aber keinen "Masterplan" für die Umwandlung der Monarchie in eine Föderation von mehr oder weniger nationale Entitäten. Auch die oft vorgebrachte Ansicht, er habe den "Dualismus" (der 1867 durch den "Ausgleich" zwischen Österreich und Ungarn eingerichtet worden war) durch einen "Trialismus" (mit den Slawen als drittem Element) ersetzen wollen, trifft so nicht zu - denn anders als Ungarn (als Königreich, nicht als magyarische Volksgruppe!) erstreckten sich die slawischen Gebiete von Böhmen bis nach Galizien und Bosnien. Sollte ein künftiger Trialismus in erster Linie von den Tschechen oder den Kroaten (mit-) getragen werden?

Univ.-Prof. Dr. Lothar Höbelt (Universität Wien) sprach über "Franz Ferdinand und die Parteien" - wobei sich das Ergebnis kurz mit "Er mochte sie nicht!" zusammenfassen ließe. Allenfalls erkannte Franz Ferdinand die Möglichkeit, verschiedene Parteien in seinem Sinn zu instrumentalisieren. So sehr er selbst überzeugter Katholik war, so wenig tief ging sein ideologisches Naheverhältnis zu den Christlichsozialen. Für die Zukunft erhoffte sich Franz Ferdinand wohl eine gewisse stabilisierende Rolle des (groß-)grundbesitzenden Adels, auch als Gegengewicht zu den zunehmend radikal-nationalistischen Parteien.

Letztlich wollte Franz Ferdinand, wie auch der emeritierte Univ.-Prof. Dr. Horst Haselsteiner (Universität Wien) betonte, in erster Linie einen zentral geführten Machtstaat mit einer starken Position des Herrschers. Der rumänische Historiker Dr. Gabriel Leanca ergänzte dieses Bild in seinem Beitrag über Aurel Constantin Popovici (1863 bis 1917), einen Abgeordneten aus Siebenbürgen (damals Teil Ungarns, heute bei Rumänien) der gegen die Magyarisierungstendenzen in der ungarischen Reichshälfte auftrat und zum engeren Kreis um Franz Ferdinand gehörte. 1906 veröffentlich­te er sein Projekt "Die Vereinigten Staaten von Groß-Österreich", das die Überwindung des Dualismus (Österreich-Ungarn) durch die Schaffung von 16 Provinzen vorsah - ein Projekt, das schon damals wenig Aussichten auf Verwirklichung hatte.

Eine ganz andere Seite Franz Ferdinands zeigte Dr. Theodor Brückler (Bundesdenkmalamt), der über Franz Ferdinand und die Denkmalpflege sprach (sein Standardwerk zu diesem Thema erschien im Böhlau Verlag). Ähnlich wie Prinz Charles ein Jahrhundert später, interessierte sich Franz Ferdinand sehr für Kultur und Architektur. Dabei trat er für eher traditionelle, konservative Lösungen ein, und konnte auch in mehreren Fällen von der Zerstörung bedrohte Bauten retten. Die Jugendstil-Architektur eines Otto Wagner war ihm ein Gräuel, der Kampf gegen Wagner und seine "sezessionistischen" Schüler wurde legendär.

Am Abend erläuterte Univ.-Prof. Dr. Jean Paul Bled das komplizierte Verhältnis Franz Ferdinands zu seinem Onkel Kaiser Franz Joseph. Der Beraterkreis, den Franz Ferdinand im Belvedere um sich scharte, wurde manchmal als eine Art Gegen- oder Schattenregierung gesehen und gewann zunehmend Einfluss auf verschiedene Bereiche der Politik, obwohl sich die formellen Zuständigkeiten des Thronfolgers auf das Militär beschränkten. Dort spielte er als Generalinspektor der gesamten bewaffneten Macht in den Jahren vor 1914 eine zunehmend bedeutende Rolle.

Wie unterschiedlich (und oft falsch) das Bild Franz Ferdinands im Ausland gesehen wurde, zeigte Dr. Hélène de Lauzun (wie Professor Bled von der Sorbonne) in ihrem Referat am Beispiel der französischen Presse: Da galt der Thronfolger mal als deutsch-freundlich, mal als Vertreter eines "slawischen Reiches" - wobei die negative Sicht überwog, auch wenn die vorgebrachten Legenden wenig mit der Realität zu tun hatten.

Die beiden Vorträge von Professor Bled und Frau de Lauzun fanden im Rahmen einer Abendveranstaltung am französischen Kulturinstitut statt.

Die außenpolitische Sicht war auch Thema des Vortrags von Mag. Alma Hannig (Universität Bonn), deren gerade in Fertigstellung befindliche Dissertation über die k.u.k. Außenpolitik vor 1914 das Standardwerk zu diesem Thema werden dürfte. Sie betonte die Entwicklung, die Franz Ferdinand selbst von der Jahrhundertwende bis 1914 nahm, und die unterschiedlichen Einflüsse seiner Berater. Eine wichtige Zäsur war 1906, als Major Alexan­der Brosch Edler von Aarenau (1870 bis 1914) Flügeladjutant und Leiter der Militärkanzlei des Thronfolgers wurde. Zugleich wurden mit Außenminister Alois Lexa Graf Aehrenthal (1854 bis 1912) und Generalstabschef Franz Conrad von Hötzendorf (1852 bis 1925) zwei Männer in führende Positionen berufen, denen Franz Ferdinand vertraute.

Eine weitere Zäsur war 1912, als Leopold Graf Berchtold (1863 bis 1942) Minister des Äußern wurde. Durch ihn gewann der Thronfolger direkten Einfluss auf die Außenpolitik. Dabei bestanden außenpolitisch insgesamt wenige Unterschiede zwischen dem Thronfolger und dem Kaiser. Stärker noch als Franz Joseph hätte Franz Ferdinand ein Einvernehmen mit Russland angestrebt - eine Neuauflage des alten "Drei-Kaiser-Bündnisses" (zwischen Österreich, Russland und dem Deutschen Reich) wäre wohl sein Idealbild einer Neuordnung Europas gewesen. Dabei war ihm wichtig, dass Österreich(-Ungarn) nicht als "Anhängsel" Deutschlands, sondern als gleichwertige Macht auftrat.

Im abschließenden Vortrag widmete sich Univ.-Prof. Dr. Paul Miller (derzeit University of Birmingham) der Frage nach der Erinnerung an den Thronfolger. Hier - und damit kommen wir auf die eingangs gemachten Betrachtungen zurück - überwiegt das Gedenken an Franz Ferdinand und Sophie als die "ersten Gefallenen des Weltkrieges", werden ihre Persönlichkeiten doch vielfach vom folgenden Großen Krieg und dem Zerfall der Monarchie überlagert.

Zum Abschluss wurden die Tagungsteilnehmer in Artstetten von einem Enkel und einer Urenkelin Franz Ferdinands, Peter Fürst Hohenberg und Anita Hohenberg-Bardeau, empfangen. Mehrere Familienangehörige nahmen an der Tagung teil. Nicht zuletzt im Hinblick auf den künftigen 100. Jahrtages des Kriegsausbruchs von 1914 lieferte diese Konferenz wichtige Impulse für die Forschung und das bessere Verständnis dieser Epoche.


Autor: Hofrat Univ.-Doz. Dr. Erwin A. Schmidl, Jahrgang 1956. Studium der Geschichte, Völkerkunde und Kunstgeschichte an der Universität Wien, Promotion 1981 "sub auspiciis praesidentis". Ab 1981 Forschungstätigkeit im Heeresgeschichtlichen Museum. 1991 bis 1992 Dienstzuteilung beim Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten (UNO-Abteilung). 1993 Absolvierung des 3. Lehrganges der Europaakademie in Wien. 1994 UN-Beobachter in Südafrika. 1995 bis 1996 Senior Fellow am U.S. Institute of Peace, danach Leiter der Forschungsabteilung des Militärwissenschaftlichen Büros, seit 2001 Leiter des Fachbereichs Militär- und Zeitgeschichte am Institut für Strategie und Sicherheitspolitik der Landesverteidigungsakademie. Präsident der Österreichischen Kommission für Militärgeschichte und der Österreichischen Gesellschaft für Heereskunde, Generalsekretär der Internationalen Kommission für Militärgeschichte.

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