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Die Lehren aus London

Anfang August erreichten uns Alarmmeldungen von den Britischen Inseln, die man kaum glauben konnte oder besser, deren Inhalt unserer bisherigen Vorstellung widersprach. Die Rede war von gewaltsamen und blutigen Ausschreitungen in London die von Nacht zu Nacht ein immer größeres Ausmaß annahmen.

Die in erster Linie zuständige Polizei war machtlos, wurde überrannt und tätlich angegriffen. Tausende Jugendliche stürmten durch die Straßen der Hauptstadt und lieferten den wenigen sichtbaren Ordnungshütern einen regelrechten Kampf, so wie man ihn aus den militärischen Ausbildungsvorschriften oder aus den realen Szenarien von Ländern im Bürgerkrieg kannte. Ganze Häuserzeilen brannten und stürzten ein, Straßenzüge wurden verwüstet und demoliert, in vielen Stadtteilen regierten Plünderer und viele Bürger rannten um ihr Leben.

Diese Kampfhandlungen dauerten mehrerer Tage und griffen dann auf Städte wie Liverpool, Manchester und andere über. Augenzeugen berichteten später, weder Polizei noch Rettung oder Feuerwehren waren vor Ort bzw. wurden von den Randalierern dermaßen in die Defensive gedrängt, dass ihr Angriff wirkungslos blieb. Die Unruhen wuchsen zum Flächenbrand, ohne dass die Sicherheitskräfte in der ersten Phase in der Lage waren, die Bürger zu schützen - die Innenministerin war auf Sommerurlaub, der Armeechef auf Dienstreise und der Premierminister weilte in der Toskana. Der ganze Führungsapparat war gelähmt und die Menschen griffen zum letzten Mittel in der Demokratie: sie begannen den Selbstschutz zu organisieren. Blitzartig aufgestellte Bürgerwehren sollten die fehlenden Polizeieinheiten ersetzen.

Premier David Cameron erkannte jedoch die dramatische Lage, unterbrach seinen Urlaub und zog die politische Notbremse. Alle britischen Zeitungen kannten nur ein Thema: den unvorstellbaren Ausbruch von Gewalt in Großbritannien. Vielfach verglich man die Zerstörungen mit den Folgen der V2-Raketenangriffe im Zweiten Weltkrieg, allerdings - so die Karikaturisten - könne man diesmal die Verantwortung dafür "nicht den Deutschen in die Schuhe schieben". Das sagt schon alles über jene Zerstörungen in den englischen Städten, wie sie eine geschockte Öffentlichkeit zur Kenntnis nehmen musste. Der Regierungschef griff zu ungewöhnlichen Mitteln. Maßnahmen zum Einsatz der Armee wurden angeordnet. Eine noch nie da gewesene Entscheidung im Lande Ihrer Majestät. Nur durch die Aufbietung von mehreren zehntausend Polizisten kam es letztlich zu einer Beruhigung der Lage. Der Armeeeinsatz blieb der geschockten Öffentlichkeit erspart. (Auch die Opposition hat einen möglichen Militäreinsatz und schließlich das "Law und Order"-Vorgehen der Polizei im Unterhaus vorbehaltlos unterstützt!) Jetzt aber ist es Zeit Bilanz zu ziehen und entscheidende Fragen zu stellen:

  • Wer waren die Randalierer?
  • Wie war es möglich, dass sich die Unruhen wie ein gefährlicher Flächenbrand so rasch ausbreiten konnten?
  • Warum versagte der Sicher­heits­apparat?

Die wahrscheinlichste Ursache dieser Unruhen mit sechs Toten, Schäden in der Höhe von ca. 250 Millionen Euro und bisher mehr als 1 700 angeklagten Gewalttätern - so die Meinung der britischen Presse - liegt in der Migrationsfrage und der Perspektivlosigkeit der englischen Jugend. Natürlich rechtfertigt diese Analyse nie und nimmer die Anwendung von Gewalt.

Eigenartig berührt angesichts der Krawalle sind die Reaktionen mancher deutscher und österreichischer Politiker. "In Deutschland" so Innenminister Friedrichs (CSU) "seien solche Ereignisse undenkbar. Die Integration funktioniere viel besser als in England. Solche Unruhen sind ausgeschlossen." Und bitte die Brandanschläge auf Autos in Berlin? Ein Einzeltäter? Kaum zu glauben. Und auch die österreichische Innenministerin beruhigt "… alles in Ordnung". Wirklich keine Gefahr? Wir hoffen es! Aber man muss Österreich und Deutschland auch loben. Unter 27 EU-Staaten belegen sie die Plätze 2 und 3 im Ranking der besten Länder. Ganz besonders wichtig ist die Antwort auf die zuvor gestellte zweite Frage. Dazu schreibt DIE ZEIT vom 11. August 2011, "In London wird das Smartphone zur Waffe des Partisanen. Die Ratlosigkeit der Polizei rührt vor allem vom partisanenhaften Vorgehen der Randalierer her. Mit Entsetzen wird registriert, auf welch geschickte Weise sich die Aufständischen über Smartphones wie Blackberry und iPhone, (...) organisieren. Ein Geländegewinn ergibt sich im kleinen Krieg schon immer durch geschickte Kommunikation, nicht durch schwere Artillerie. Und die Lehre? Nicht nur die Schuldenkrise, auch der digitale Partisanenkrieg vermag es, von einem Land auf das nächste ganz mühelos überzuspringen." In dieser Lage mit gefährlich neuen Bedrohungen für die Demokratie, im Sicherheitsbereich bei Polizei und/oder Armee zu sparen ist wahrscheinlich grob fahrlässig - siehe London. Und wer will dafür die politische Verantwortung übernehmen?

Professor Walter Seledec

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