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FLA-Taktik Teil 2

Das Zusammenwirken von Technik und Taktik ist ein wesentlicher Baustein einer erfolgreichen Auftragserfüllung. Die Fliegerabwehrtaktik wird durch die Leistungsparameter der Waffensysteme ganz entscheidend mitbestimmt.

Die im ersten Teil (TD-Heft 4/2011) gezogenen Lehren werden im so genannten Fliegerabwehr-Grunddispositiv umgesetzt. Dabei kommen die Stärken der 35-mm- und lFAL-Waffensysteme voll zur Wirkung. Die Schwächen werden minimiert, indem sie vom anderen Waffensystem wettgemacht werden. Allerdings darf nicht außer Acht gelassen werden, dass auch Lenkwaffen mittlerer Reichweite benötigt werden. Das FlA-Grunddispositiv ist somit eine adäquate Zwischenlösung bis zur Einführung eines mittleren Lenkwaffensystems, behält aber auch danach noch seine Gültigkeit.

Praktische Anwendung findet das FlA-Grunddispositiv mit Masse im sogenannten FlA-Schwergewichtsdispositiv.

Bei der Einhaltung der Einsatzgrundsätze der FlA werden die vorgeschlagenen FlA-Dispositive auf ihre Wirksamkeit hin überprüft. Wegen der besseren Verständlichkeit wird zunächst das FlA-Grunddispositiv grafisch dargestellt.

Beschreibung: Das fiktive Schutzobjekt hat eine horizontale Ausdehnung von etwa 500 x 500 m (z. B. ein Stadion, ein Konferenzzentrum, ein Hubschrauberstützpunkt). Es stellt den Mittelpunkt sämtlicher Radien dar. Um dieses Schutzobjekt werden zwei FlA-Ringe gelegt. Der innere Ring hat einen Radius von etwa einem bis knapp drei Kilometern. Er stellt gleichzeitig das entscheidende Gelände für das FlA-Bataillon dar. Auf der gedachten Kreislinie werden alle verfügbaren 35-mm-Feuereinheiten des FlA-Bataillons eingesetzt. Der Radius ergibt sich durch das Erfordernis der Mehrfachüberlappung der Feuerbereiche. In einem Radius von etwa sieben bis knapp neun Kilometern werden alle verfügbaren lFAL-Feuereinheiten des Bataillons eingesetzt. Dieser Radius ergibt sich einerseits durch den Mindestabstand zum Schutzobjekt für die beabsichtigte Tiefenstaffelung der Feuereinheiten, andererseits muss eine Mindestüberlappung der Feuerbereiche zwischen 35-mm- und lFAL-Feuereinheiten eingehalten werden. Im Idealfall ist das Objekt somit durch sechs 35-mm- und zwölf lFAL-Feuereinheiten geschützt.

Das Ziffernblatt der Uhr dient in der schulmäßigen Anwendung des FlA-Grunddispositivs als Führungshilfe. Die Himmelsrichtung Nord steht dabei für "zwölf Uhr". Auf "zwei, vier, sechs, acht, zehn und zwölf Uhr" werden die 35-mm-Feuereinheiten eingesetzt. Auf "ein bis zwölf Uhr" befinden sich die lFAL-Feuereinheiten.

In einem Radius von etwa 15 Kilometern werden alle verfügbaren Flugmeldetrupps als akustisch-optische Sensoren zur Frühwarnung der Feuereinheiten eingesetzt.

Beurteilung: Vergleicht man Einsätze der österreichischen Fliegerabwehr bis zum Jahr 1990, stellt man fest, dass dieses FlA-Grunddispositiv keine neue Erfindung ist. Als die FlA noch über 20-mm-Feuereinheiten verfügt hatte, wurden diese in einem inneren Ring eingesetzt. Die 35-mm-Feuereinheiten bildeten mit zusätzlichen 20-mm-Feuereinheiten einen äußeren Ring. Allmählich verschwand der innere FlA-Ring zugunsten des Einsatzes der 20-mm-Feuereinheiten in radarsichttoten Räumen im Außenbereich des Schutzobjektes. Das war der eigentliche Auslöser der gegenwärtigen FlA-Dispositive. Was heute für die 35-mm- und lFAL-Waffensysteme gilt, galt damals auch für das 20-mm-Waffensystem: Es wurden in radarsichttoten Räumen die Eigenheiten des 20-mm-Waffensys-tems unzureichend berücksichtigt. Nach Einführung der lFAL zu Beginn der 1990er Jahre scheint das Wissen über die FlA-Ringe und deren Nutzen weitgehend in Vergessenheit geraten zu sein. Daraus resultiert wohl auch der eingangs analysierte Ist-Zustand der derzeitigen Fliegerabwehr-Dispositive.

Folgerung: Der Nutzen des FlA-Grunddispositives muss anhand der Einsatzgrundsätze der FlA überprüft und hinsichtlich deren Einhaltung bewertet werden.

Lückenloser Rundumschutz (balanced fires) Der Kommandant des FlA-Bataillons hat beim Einsatz einen inneren FlA-Ring mit seinen 35-mm-Feuereinheiten zu bilden. Der innere FlA-Ring ist die Konstante des FlA-Grunddispositivs. Der Kommandant hat hier keinerlei Handlungsspielraum in seiner Beurteilung. Entscheidender Faktor im K(raft)-R(aum)-Z(eit)-I(nformations)-Kalkül ist der Raum (das Gelände), wo im Detail die 35-mm-Waffensysteme in Stellung gebracht werden. Im FlA-Grunddispositiv bilden die lFAL-Feuereinheiten noch einen zweiten FlA-Ring. In der Praxis wird dieser zweite Ring jedoch aufgrund der begrenzten Anzahl an lFAL-Feuereinheiten nicht lückenlos besetzt sein. Vielmehr wird der Kommandant aufgrund der Faktoren Kraft (Luftbedrohung) und Zeit (eigene Reaktionszeit) einen schwergewichtsmäßigen Einsatz seiner lFAL durchführen. Hier hat der Kommandant Handlungsspielraum.

Bewertung: Zumindest der innere FlA-Ring kann gleichmäßig in alle Richtungen wirken. Im FlA-Grunddispositiv gilt dies auch für den äußeren FlA-Ring. Der Führungsgrundsatz wird somit eingehalten.

Gegenseitige Unterstützung (mutual support) Durch den sehr kleinen Radius des inneren FlA-Ringes können die 35-mm-Feuereinheiten in etwaige tote Zonen benachbarter Feuereinheiten wirken. Auch nach außen, das heißt vom Schutzobjekt weg, kann gewirkt werden. Gleichzeitig können die lFAL-Feuereinheiten im Nachschuss (Bekämpfung abfliegender Flugzeuge) Richtung Schutzobjekt wirken.

Bewertung: Die 35-mm-Feuereinheiten können sich gegenseitig unterstützen. Gleiches gilt auch für die vorgestaffelt eingesetzten lFAL-Feuereinheiten. Zusätzlich unterstützen sich die beiden Waffensysteme auch noch radial.

Überlappung der Feuerbereiche (overlapping fires) Bei einem Radius von zwei Kilometern für den inneren FlA-Ring beträgt der idealtypische Abstand zwischen den sechs 35-mm-Feuereinheiten jeweils rund zwei Kilometer. Die Abbildung des FlA-Grunddispositives zeigt die Mehrfachüberlappung im inneren FlA-Kreis. Auch im äußeren FlA-Ring überlappen sich die Feuerbereiche der lFAL-Feuereinheiten. Zusätzlich überlappen sich noch die Feuerbereiche der 35-mm-Waffen mit jenen der lFAL. Wie aus der Abbildung auf Seite 438 ersichtlich ist, muss dabei eine gewisse Mindestüberlappung gegeben sein. Diese wird mit einem Kilometer horizontal festgelegt.

Die Mehrfachüberlappung im inneren FLA-Ring ist von entscheidender Bedeutung bei der wirksamen Bekämpfung von Kleinstzielen. Insbesondere dann, wenn keine spezielle Munition hiefür vorhanden ist (z. B. Advanced Hit Efficiency And Destruction Ammunition - AHEAD-Munition). Durch die Feuerzusammenfassung mehrerer 35-mm-Waffensysteme gegen ein Kleinstziel (z. B. Flugkörper, Drohne) kann dieses aufgrund der hohen Munitionsdichte im Ziel vernichtet werden.

Bewertung: Dieser Einsatzgrundsatz hängt eng mit der gegenseitigen Unterstützung zusammen und ist im FlA-Grunddispositiv gegeben.

Schwergewichtsbildung (weighted coverage) Wie beim lückenlosen Rundumschutz setzt der Kommandant des FlA-Bataillons seine lFAL-Feuereinheiten aufgrund der Beurteilung der Lage ein. In den beurteilten Hauptangriffsrichtungen wird er Feuerzusammenfassungen erzwingen. Speziell beim Einsatz der lFAL im Außenbereich des Schutzobjektes gilt der Grundsatz "Klotzen statt Kleckern". Die in der Praxis entstehenden Lücken im äußeren FlA-Ring müssen durch sonstige Mittel (z. B. schweres Maschinengewehr auf Fliegerabwehrlafette) und/oder Scheinstellungen geschlossen werden.

Bewertung: Im FlA-Grunddispositiv liegt das Schwergewicht im inneren FlA-Ring. Hier wird konzentriertes Feuer sichergestellt. Da das FlA-Grunddispositiv in der Praxis kaum vorkommen wird, bilden zusätzlich zum "inneren" Schwergewicht auch die konzentriert eingesetzten lFAL-Feuereinheiten im Außenbereich ein "äußeres" Schwergewicht. So wird der Einsatzgrundsatz eingehalten.

Rechtzeitige Bekämpfung (early engagement) Der Luftfeind strebt immer zuerst den Einsatz von Abstandswaffen an. Damit will er sich der Waffenwirkung der FlA entziehen. Ziel der FlA ist aber die wirksame Bekämpfung des Luftfahrzeuges vor dem Auslösen seiner Bordkampfmittel. Der äußeren FlA-Ring mittels lFAL bildet hiefür die Basis. Infolge weiterer dem Schutzobjekt vorgestaffelter lFAL-Feuereinheiten wird die Erfolgswahrscheinlichkeit der FlA erhöht. An dieser Stelle sei auch die Notwendigkeit der Beschaffung eines Lenkwaffensystems mittlerer Reichweite erwähnt.

Bewertung: Die Flugmeldetrupps alarmieren frühzeitig in Zusammenwirken mit dem AZR (Aufklärungs- und Zielzuweisungsradar) die Feuereinheiten. Diese nehmen daraufhin auf die maximale Einsatzschussweite/-höhe das Feuer auf. Mit Vergrößerung des Abstandes der lFAL zum Schutzobjekt werden die Feuereinheiten vom reagierenden zum agierenden Element.

Tiefgestaffelter Einsatz (defence in depth) Im FlA-Grunddispositiv gibt es Richtung Schutzobjekt lediglich zwei hintereinander eingesetzte Feuereinheiten: außen die lFAL- und innen die 35-mm-Feuereinheit. Wie bereits erwähnt, wird das FlA-Grunddispositiv in der Praxis kaum zur Anwendung gelangen. Es ist eine Art Grundaufstellung von der zum schwergewichtsmäßigen FlA-Einsatz übergegangen wird. Das FlA-Grunddispositiv wird auch dann angewendet, wenn die Beurteilung der Lage ergibt, dass der Luftfeind aus allen Richtungen angreifen kann. Das trifft allerdings nur in den seltensten Fällen, unter anderem aufgrund der topografischen Gegebenheiten in Österreich, zu. Ein bloßes Einnehmen des FlA-Grunddispositives wegen einer unzureichend durchgeführten Beurteilung der Lage hat jedenfalls zu unterbleiben.

Bewertung: Speziell die derzeitigen FlA-Dispositive weisen keinerlei Tiefenstaffelung auf. Hingegen nimmt beim FlA-Grunddispositiv bzw. beim schwergewichtsmäßigen FlA-Einsatz die Feuerkonzentration Richtung Schutzobjekt hin zu. Je näher der Luftfeind dem Angriffsziel kommt, desto stärker ist er dem Abwehrfeuer ausgesetzt. Dies wäre ein Musterbeispiel für die Einhaltung des Einsatzgrundsatzes.

Einheit der FlA-Führung im Raum (unity of Air Defence Command) Die im FlA-Schwergewichtsdispositiv durch die Tiefenstaffelung bewusst in Kauf genommenen Lücken müssen unter anderem durch zusätzliche Kräfte anderer Waffen- und Truppengattungen geschlossen werden. Hiezu können beispielsweise die Schützenpanzer "Ulan" mit ihren 30-mm-Maschinenkanonen verwendet werden. Diese Kräfte können mit Zieldatenempfängern der FlA in deren Aufklärungs- und Wirkungsverbund eingebunden werden. Außerdem stehen sie als bereitgehaltene Eingreifkräfte bei infanteristischer Bedrohung zur Verfügung.

Bewertung: Insbesondere das FlA-Schwergewichtsdispositiv sieht den Einsatz von ergänzenden und verstärkenden Kräften prinzipiell vor. Zur Effizienzsteigerung der Abwehrmaßnahmen und auch um die Gefährdung eigener Luftfahrzeuge bzw. des sonstigen zivilen Luftverkehrs zu verhindern, werden diese Kräfte dem FlA-Bataillon unterstellt oder auf Zusammenarbeit angewiesen. Die Einheit der FlA-Führung im Raum des FlA-Dispositivs ist gegeben und der Einsatzgrundsatz eingehalten.

Fazit und Ausblick Aus der bisherigen Beurteilung der derzeitigen FlA-Dispositve und der Analyse der Eigenheiten der beiden 35-mm- und lFAL-Waffensysteme hat sich klar ergeben, dass eine Änderung der FlA-Taktik samt Begleitmaßnahmen im ÖBH erforderlich ist.

Die konsequente Umsetzung der Eigenheiten der beiden Waffensysteme ist ein FlA-Grunddispositiv. Dieses besteht aus einem konstanten inneren FlA-Ring und wird durch die 35-mm-Feuereinheiten gebildet. Die Feuereinheiten stehen im entscheidenden Gelände des FlA-Bataillons und stellen die Ultima Ratio dar. Die erforderliche hohe Munitionsdichte am Luftziel wird durch das enge Heranhalten der 35-mm-Feuereinheiten an das Schutzobjekt erzielt. Dem 35-mm-FlA-Ring wird ein äußerer FlA-Ring vorgestaffelt, gebildet durch die lFAL-Feuereinheiten.

In der Praxis wird dieser äußere FlA-Ring aber nur in den seltensten Fällen zustande kommen. Aufgrund der Beurteilung der Lage werden die lFAL-Feuereinheiten nämlich schwergewichtsmäßig und tiefgestaffelt eingesetzt. Lücken werden im äußeren FlA-Ring bewusst in Kauf genommen. Zur Erhöhung des Wirkungsraumes des FlA-Bataillons hat die lFAL einen Mindestabstand zum Schutzobjekt einzuhalten. Der Nachteil der geringen vertikalen Waffenwirkung muss durch den Einsatz der lFAL auf Höhenstellungen weitestgehend ausgeglichen werden.

Mit diesem Lösungsvorschlag bietet die österreichischen Fliegerabwehr unter den gegebenen personellen, materiellen und budgetären Rahmenbedingungen die größtmögliche Wirkung gegen Bedrohungen aus der Luft.

Dieser Lösungsvorschlag soll bei Übungen durch die FLA-Bataillone zur praktischen Umsetzung kommen. Dabei werden sich für den FLA-Einsatz weitere Herausforderungen stellen:

  • taktische Maßnahmen im Objektschutzeinsatz im Falle der nachträglichen Abgabe von lFAL-Feuereinheiten zu einem Begleiteinsatz für die Landstreitkräfte;
  • gleichzeitiger Schutz von einem Objekt hoher Priorität und einem mit niedrigerer durch das FlA-Bataillon;
  • Anwendung des FlA-Grunddispositives beim Schutz eines Objektes in einer Großstadt.

Die Lösung dieser Herausforderungen soll gleichzeitig Anstoß zu weiteren Überlegungen zur Steigerung der Wirksamkeit der österreichischen Fliegerabwehr sein.


Autor: Oberstleutnant Klaus Steindl, MBA MSD, Jahrgang 1961. 1981 bis 1984 Theresianische Militärakademie, Waffengattung Fliegerabwehr, Ausmusterung zur Fliegerabwehrtruppenschule. Verwendung in Ausbildungs- und Stabsfunktionen, 2004 bis 2005 Führungslehrgang 2, 2005 bis 2006 Projektoffizier Militärvertretung BRÜSSEL (österreichische EU Ratspräsidentschaft), 2007 - 2009 J2/EUCE/JFC NAPLES; seit 2007 Referatsleiter/FlA/GLAbt/FlFlATS.

Major dG Thomas Reiter, Jahrgang 1971. 1997 bis 2000 Theresianische Militärakademie, Waffengattung Fliegerabwehr. Ausmusterung zum Fliegerabwehrregiment 3, Zugskommandant, stellvertretender Batteriekommandant, Batteriekommandant und Stabsoffizier. 2008 bis 2010 Absolvierung 18. Generalstabslehrgang. Seit 2010 als G5 beim Verband Luftraumüberwachung.

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