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Hochwasserhilfe mit neuem österreichischem Brückengerät

Ihr erster Einsatz in Österreich: Hochwassermassen hatten im August 2002 die Kampbrücke in Rosenburg zerstört. Der Ortsteil Stallegg war dadurch für Fahrzeuge von der Außenwelt abgeschnitten. Die Villacher Pioniere ermöglichten mit der "Waagner-Biro Panel Bridge" die Wiederherstellung der zerstörten Brücke. Stallegg war nach kurzer Zeit wieder mit Fahrzeugen erreichbar und die Hilfsmannschaften konnten ihre Arbeit aufnehmen.

Von der Außenwelt abgeschnitten

In den ersten Augusttagen wurden große Teile Österreichs von schwersten Niederschlägen heimgesucht und das folgende Jahrhunderthochwasser verwüstete weite Teile des Landes. In der schwer getroffenen Kamptal-Gemeinde Rosenburg in Niederösterreich wurde der Ortsteil Stallegg praktisch von der Außenwelt abgeschnitten. Durch die Unterwaschung eines Brückenpfeilers der Verbindungsbrücke zur B34 war es für Einsatzfahrzeuge nicht mehr möglich, den Ortsteil zu erreichen. Einzige Verbindung blieb eine Radwegbrücke.

Zum Schutz der Bevölkerung vor den Auswirkungen der Hochwasserkatastrophe verlegte das Pionierbataillon 1 (mit Kdo, StbKp, vmind2.Kp, vstk3.Kp, teKp) am 13. August 2002 in den Einsatzraum Niederösterreich. Der Auftrag lautete: Wiederherstellung der dringend benötigten Brücken in allen betroffenen Teilen des Bundeslandes.

Nach einer ersten Erkundung zeigte sich rasch, dass nicht einmal das gesamte vorhandene Brückengerät der nieder­österreichischen Landesregierung für den Auftrag ausreichend war.

Aufgrund dieser Materialknappheit kam das Angebot der Firma Waagner-Biro Brückenbau sehr gelegen, der Gemeinde Rosenburg eine neue Stahl-Paneelbrücke, die "Waagner-Biro Panel Bridge", kostenlos für vier Monate zur Verfügung zu stellen. Diese Zeitspanne würde ausreichen, die beschädigte Brücke zu sanieren.

Die "Waagner-Biro Panel Bridge" ist in Österreich noch nicht sehr bekannt. Sie wurde vom Österreichischen Bun­desheer noch nie eingebaut, Bauplan und Bauablauf mussten erst mit den Firmen-Technikern erarbeitet werden.

Die "Waagner-Biro Panel Bridge"

Das Herzstück der Paneelbrücke ist das aus Regelprofilen zu einem fach­werk­artigen Rahmen verschweißte Paneel, das eine Systemhöhe von 2,15 m aufweist und in Systemlängen von 3,048 m (10 feet) und 3,5 m angeboten wird. Durch die Verbindung mehrerer Paneele mit Bolzen (hintereinander, aber auch neben- und übereinander) werden die Hauptträger der Brücke gebildet. Um die aufnehmbaren Lasten der Hauptträger zu erhöhen, können zusätzliche Ver­stärkungsgurte aufgeschraubt werden. Durch ihre modulare Bauweise lassen sich Paneelbrücken sehr einfach an unterschiedliche Stützweiten (bis zu 70 m), Fahrbahnbreiten und Verkehrslasten anpassen. Für militärische Einsätze ist es auch möglich, die Brücke für jede gewünschte Heereslastenklasse auszulegen. Standardisierte Querträger sind in den Fahrbahnbreiten 3,15 m und 4,20 m sowie 7,35 m erhältlich, auf besonderen Wunsch sind auch Zwischengrößen lieferbar. Um die Errichtung möglichst einfach zu gestalten, sind die Querträger zwischen den Paneelen über der unteren Bol­zenverbindung angeordnet. Ein umständliches Einfädeln der Querträger in die Paneele entfällt. Die Fahrbahn besteht aus Stahlelementen mit rutschfester Oberfläche; möglich ist auch ein Holzbelag auf Stahllängsträgern. Die Montage der Paneele, Querträger, Ver­bands­stäbe und Deckelemente erfolgt feldweise, also in Schritten von 3,048 m bzw. 3,5 m. Die vertikalen Kräfte werden über speziell ausgebildete Endpfosten gleichmäßig in die Lager abgeleitet. Die Paneelbrücken werden im Normalfall mit Hilfe einer Vorbaunase aus Paneelen und standardisierten Rollenbatterien im Taktschiebeverfahren eingeschoben. Auch ein Einheben des gesamten Tragwerkes ist möglich.

Als wesentliche Vorteile sind die äußerst kurze Bauzeit und die sehr einfachen Verbindungen der Elemente zu nennen. Langwierige Planungen und Einschul­ungen des ausführenden Personals sind nicht nötig. Bei entsprechender Lager­haltung kann somit binnen weniger Tage auf Notfälle und Katastrophen reagiert werden. Der schwerste Einzelteil wiegt 400 kg. Somit ist es möglich, die Brücke zu montieren, ohne auf schweres Hebezeug angewiesen zu sein. Deshalb wurden möglichst leichte und handhabbare Teile entwickelt, die auch unter schwier­igen Bedingungen und mit Standardwerkzeugen zur fertigen Brücke zusammengefügt werden können.

Die Planung

Nach den Unwettern vom 7. und 8. August 2002 erkundeten die Waagner-Biro-Techniker bereits am 9. August in Stallegg das Ausmaß der Schäden. Nach dem Eintreffen des PiB1 wurde gemeinsam mit der Gemeinde Rosenburg und der Straßenmeisterei nach einer optimalen Lösung des Problems gesucht. Die 3. Kp/PiB1 sollte eine Notbrücke 50 m flussaufwärts des zerstörten Überganges errichten, um den abgeschnittenen Ortsteil wieder zugänglich zu machen und so die beschädigte Brücke sanieren zu können.

Vier Punkte mussten bei der Planung berücksichtigt werden:

  • die Art und die Ausführung der bei­den Landanschlüsse;
  • die Ausführung der Lagerung;
  • die Montage der Brücke und
  • der Bauplatz.

Die Landanschlüsse sollten beiderseits geschüttet werden; zum einen, um die Hindernisbreite - den Hochwasser führenden Kamp - von ca. 70 Metern auf 31 Meter zu reduzieren, zum anderen, um eine entsprechende lichte Höhe sicherstellen zu können, da noch mit Treibgut zu rechnen war. Erschwerend kam hinzu, dass das rechte Ufer mit nur einem schmalen Radweg keinen LKW-Einsatz zuließ und deshalb das Material für eine Schüttung von rund 450 Kubikmetern ausschließlich mit so genannten "Dumpern" (Baustellen-Lastenfahrzeuge) zugeführt werden musste. Und das über eine Strecke von zwei Kilometern.

Als Unterbau für die Lager sollten jeweils zwei nebeneinander liegende und verschraubte Landschwellen in der Dimension 20/35/800 cm eingebettet und verdichtet werden.

Ein klassischer Vorschub der Brücke war nicht möglich, da die Firma Waag-ner-Biro zu diesem Zeitpunkt keine Rol­lenkästen auf Lager hatte. Somit blieb nur mehr die Möglichkeit des Einhebens mit einem Mobilkran. Die Masse der Brücke betrug nach der Fertigstellung 19,5 Tonnen (ohne Fahr-bahnelemente). Die notwendige Mindest­auslegung des Kranarmes von 29,75 m (= halbe Brück­enlänge + 14 m bis zur Achse des Kran-Drehkranzes) überforderte den 40 Tonnen-Liebherr-Autokran der VOREIN/PiTS, der dem PiB1 für die Dauer des Hochwassereinsatzes unterstellt war. Im Zuge der österreichweiten Welle der Hilfsbereitschaft erklärte sich die Firma Prangl bereit, einen entsprechenden Mobilkran unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.

Als Bauplatz bot sich der Einfachheit halber die B34 an; sie war eben, frei und für einen Radladereinsatz gut geeignet. Die bei der Bezirkshauptmannschaft Horn beantragte Totalsperre der B34 zwischen Rosenburg und Gars am Kamp für den gesamten 23. August wurde völ­lig unbürokratisch genehmigt. Auch die Zusammenarbeit mit den Behörden, der Exekutive, der Straßenmeisterei Horn, der Brückenmeisterei Zwettl, den Feuerwehren und dem Roten Kreuz war hervorragend.

Die Errichtung der Brücke

Am Donnerstag, dem 22. August 2002, wurden die Brückenteile durch die teKp/PiB1 auf drei Schwerlastsysteme 30 t verladen und vom Lagerplatz in Wien im gelotsten Sondertransport zum Bauplatz geliefert. Von Waagner-Biro konnte schließ­­­­­­lich auch das benötigte Werkzeug (Drehmomentschlüsselsätze, Ring- und Gabel­schlüsselsätze, Hämmer, Fangdorne, Sägeringzangen - das sind Werkzeuge zum Einsetzen von Bolzensich­erungen - Feilen, Winden usw. ) besorgt werden, da die kompanieeigenen Werkzeugsätze zur gleichen Zeit anderwärtig dringend benötigt wurden.

In den frühen Morgenstunden des 23. August 2002 traf der 300-Tonnen-Kran inklusive zweier Schwerlastsysteme mit Ballastplatten und dem Windenaufsatz für den Kran in einem Nahverfügungsraum am Rande des späteren Bauplatzes ein. Um 0730 Uhr begann die Errichtung der Brücke. Es zeigte sich, dass die Straßensperre von vielen Einheimischen und "Katastrophentouristen" einfach ignoriert wurde. Immer wieder standen Fahrzeuge mitten auf der Baustelle und mussten beim Reversieren unterstützt werden. Dies hielt die Arbeiten unnötig auf. Deshalb wurden zwei STEYR 12M18 als nachhaltiges Hindernis 100 m von der Baustelle entfernt nebeneinander abgestellt. Nach dem Antransport des ersten Querträgers durch den Schwenklader Tross konnten die beiden Paneele des ersten Feldes an diesen angeschraubt werden; danach folgte der zweite Querträger. Ab dem zweiten Feld war eine Verstärkung der Paneele durch angeschraubte Verstärkungsgurte notwendig. Nach der Montage der Gurte wurden diese Paneele mit den Paneelen des ersten Brückenfeldes verbolzt.

Aus Gründen der Statik war in jedem Feld ein Windverband (leitet horizontale, quer zur Brückenachse wirkende Kräfte - Lenkbewegungen, Wind - in die Unterstützungen der Brücke ab), und in jedem zweiten Feld ein Bremsverband (leitet horizontale, parallel zur Brückenachse wirkende Kräfte - Abbremsen/Anfahren schwerer Fahrzeuge - in die Unterstützungen der Brücke ab) zu montieren. Diese Verbände werden durch diagonal laufende U-Profile gebildet, die an die Querträger anzuschrauben waren. Nach wenigen Handgriffen waren die Rekruten und der Kader mit dem System der Brücke vertraut, und mit jedem weiteren Feld schritt die Errichtung rascher voran. Nach fünf Stunden reiner Bauzeit war die neunfeldrige, 31,5 m lange Brücke fertiggestellt. Ein Kaderschraubtrupp überprüfte noch einmal sämtliche Bolzen und Schraubenverbindungen.

Um den Kamp überspannen zu können, war eine Konfiguration mit einer Paneelreihe pro Hauptträger ausreichend, die in den mittleren sieben Feldern durch zusätzliche Gurte verstärkt wurde. Mit den zur Verfügung stehenden "Extra Wide"-Querträgern war eine Fahrbahnbreite von 4,20 m gegeben. Nach der derzeit geltenden ÖNorm B4002 lässt sich die Brücke in der Brückenklasse II klassifizieren (16 t LKW + 400 kg/Quadratmeter). Aus technischer Sicht ist eine Belastung durch Schwerfahrzeuge bis maximal 40 t im Alleingang möglich.

Bereits während der Bauphase wurde die Brücke zum Heben vorbereitet: Dazu wurden nach dem Einpassen von Futterholz vier schwere Sicherheitsketten um den Untergurt gelegt. Parallel dazu baute man den 300-Tonnen-Kran am dafür eigens geschütteten und planierten Aufstellungsort auf. Auf das Kommando "Seil ein" hob der Kran die nicht eingedeckte Brücke vorsichtig von der Strasse auf. Nach der kritischen Phase in Bodennähe wurde die Brücke ca. 25 Meter hoch gehoben. Danach wurde sie mit einer 180-Grad-Drehung über die Bäume am Kampufer geschwenkt und über dem Kamp abgesenkt.

Das Absetzen auf die vorbereiteten Lager gestaltete sich schwieriger als erwartet und erforderte eine genaue Einweisung; doch nach 15 Minuten stand die Brücke in den Lagern.

Nach einer verdienten Pause für die Mannschaft wurde das Eindecken der Brücke in Angriff genommen. Die Fahrbahn besteht aus elf aneinander liegenden Fahrbahnelementen, wobei jedes Element eine Masse von 170 kg aufweist und mit den Querträgern verschraubt wird.

Parallel dazu stellte ein Trupp in der Stärke von drei Mann Pfostenverscha­lungen für die beiden Brückenenden her. Die Schüttung der Anfahrtsrampen konnte somit noch am selben Abend durchgeführt werden.

Resümee

Die 3. Kp/PiB1 und Waagner-Biro Brückenbau ermöglichten mit der Errichtung dieser Brücke in Stallegg, dass der Straßenverkehr rasch wieder aufgenommen werden konnte sowie Einsatzfahrzeuge wieder zufahren konnten. Die Sanier­ungsarbeiten am zerstörten Übergang sowie Aufräumungsarbeiten nach der Hochwasserkatastrophe konnten damit beginnen.

Vor der offiziellen Freigabe der Brücke durch die Behörde war die 3.Kp/PiB 1 bereits wieder im Hilfseinsatz. Die Villacher Pioniere können mit Stolz darauf zurückblicken, den weltweit erstmaligen Einbau eines beeindruckenden, neuartigen Brückengerätes durchgeführt zu haben - und das im Einsatz!


Autoren: Leutnant Mag. (FH) Patrick Kremer, Jahrgang 1978. Einjährig-Freiwilligen-Ausbildung 1996; Theresianische Militärakademie von 1997 - 2001. Ausbildung zum Pionieroffizier. Stellvertretender Kompaniekom­mandant und Ausbildungsoffizier der 3.Kp/PiB 1 seit 2001.

Dipl.-Ing. Martin Lechner, Jahrgang 1971. 1992 - 2000 Studium Bauingenieurwesen an der Universität Innsbruck, der Technischen Universität Wien und der Heriot-Watt University, Edinburgh, UK. Er arbeitet seit Juni 2000 als Ingenieur bei Waagner-Biro Brückenbau und war führend an der Entwicklung der Waagner-Biro Panel Bridge beteiligt. Hauptarbeitsgebiet ist die technische Bearbeitung von Paneelbrückenprojekten für Kunden in der ganzen Welt.

Dipl.-Ing. Werner Wenighofer, Jahrgang 1977. 1996 - 2002 Studium Bauingenieurwesen an der Technischen Universität Wien. Er arbeitet seit seinem Studienabschluss im Juni 2002 als Ingenieur bei Waagner-Biro Brückenbau und ist als Mitarbeiter der technischen Abteilung für technische Fragen bezüglich der Paneelbrücken zuständig.

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