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Bildung in Streitkräften

Podiumsdiskussion anlässlich "40 Jahre TRUPPENDIENST"

TRUPPENDIENST:

Herr Brigadier Segur, Sie haben als langjähriger Leiter der Operationsabteilung den Wandel von der Ausbildungsarmee aus der Zeit des Kalten Krieges hin zur Einsatzarmee miterlebt und mitge­staltet. Welche Veränderungen im militärischen Bildungssystem und in den Inhalten der Ausbildungsgänge macht dieser Wandel jetzt und in Zukunft aus ihrer Sicht notwendig?

Brigadier Segur-Cabanac:

Ich darf kurz resümieren, welche mili­tärstrategischen Rahmenbedingungen die österreichische Position in militärischer Hinsicht in den letzten zwanzig Jahren beeinflusst haben. Zunächst war das der in seiner Bedeutung alles überstrahlende mögliche Bündniskonflikt zwischen der NATO und dem Warschauer Pakt. Keine noch so gefinkelte Strategie oder operative Idee hat es seit der Aufstellung des Zweiten Bundesheeres möglich gemacht, sich aus unserer exponierten geo­stra­tegischen Lage an der Schnittlinie der beiden Paktsysteme wegzustehlen. Weder die Konzeption nachhaltiger Verzögerung, noch die Konzeption der Raumver­tei­digung waren eine wirklich glaubhafte Antwort auf die aktuelle Bedrohung. Ein weiterer Paradigmenwechsel gegenüber der Zeit vor dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes hat sich dadurch ergeben, dass mit Beginn der 90er Jahre die Einsatzfähigkeit der Armee nicht mehr ausschließlich von der Mobilmachung abhängig gemacht wurde. An deren Stelle traten so genannte Präsenzkräfte.

Damit komme ich zu der mir gestellten Frage im Hinblick auf die Veränderungen im militärischen Bildungssystem und in den Inhalten der Ausbildungsgänge.

Als Wichtigstes möchte ich festhalten, dass wir in den 70er und 80er Jahren im Bundesheer einer gewissen Fehlent­wick­lung unterlegen sind. Wir haben in der Offiziers- und Unteroffiziersausbildung viel zu stark den Lehrer und den Ausbilder in den Vordergrund gestellt. Darüber haben wir weitgehend vergessen, dass das Ziel jeder militärischen Ausbildung eine funktionierende Kampf­­gemeinschaft sein muss.

Erstes und oberstes Ziel aller Ausbildungsinhalte im Bereich der Offiziersausbildung muss daher ebenenadäquat der Trupp-, Gruppen- bzw. Zugskom­mandant in der jeweiligen Waffengattung sein. Eine zweite Forderung, die ich in diesem Zusammenhang aus militärischer Einsatzsicht zur Herstellung einer geforderten Interoperabilität erheben möchte, ist die Befähigung zur Anwendung der englischen Sprache in Wort und Schrift. Dies in einem solchen Ausmaß, dass eine internationale Zusammenarbeit im Einsatz möglich wird. Dazu gehört natürlich auch die Befähigung, in internationalen Stäben und Hauptquartieren in unterschiedlichen Funktionen Stabsarbeit leisten zu können.

Gestatten Sie mir aber zu Beginn, vom Podium aus, noch eine kritische Bemerkung zu den aktuellen Überlegungen eines militärischen Bildungssystems.

Es ist vielleicht etwas provokant an­gesichts derjenigen Persönlichkeiten, die entweder theoretisch oder sehr praktisch mit der Implementierung des Fachhoch­schul-Studienganges befasst waren. Aber ich glaube, es ist gute Tradition, bei Veranstaltungen aus Anlass von Jubiläen vom TRUPPENDIENST vielleicht auch etwas Provozierendes von sich zu geben: Wert und Unwert von Ausbil­dungs­­gängen und Ausbildungsinhalten können, nach meinem Dafürhalten, nicht dadurch bestimmt werden, ob ein Ausbildungsgang mit einer akademischen Gra­du­ierung endet oder nicht. Die Beurteilung hat sich ausschließlich nach den Grundsätzen der militärischen Zweck­mäßigkeit und Einsatztaug­lich­keit auszurichten, noch dazu wo die derzeitige Graduierung der Leutnante zu Magistri (FH) be­dauer­licherweise bisher mit keiner finanziellen Bes­ser­stellung verbunden ist.

Für mich gilt daher die Devise: Berufsausbildung von Offizieren und Unteroffizieren so militärisch und einsatzbezogen wie möglich und so akademisch wie unbedingt notwendig.

TRUPPENDIENST:

Aus der letzten Zeit, die wir auch journalistisch mitverfolgt haben, sind viele Beispiele militärischen Handelns in politisch schwierigen Situationen im Gedächtnis. Einer, der letztlich alleine handeln musste in dem so genannten Feuergefecht an der mazedonischen Grenze, war ein Halbzugskommandant, ein Stabswachtmeister. Der Soldat jeder Führungsebene muss also offenbar dazu befähigt sein, selbstständig richtig zu handeln, wenn er nicht mit einem einzigen dummen Fehler ein politisches Problem für die Republik erzeugen will. Wohin soll das im Bereich der Ausbildung führen? Was sind die Dinge, die er wissen soll? Gibt es da vielleicht schon Erfahrungen, etwa aus den laufenden Auslandseinsätzen, Herr Brigadier Höfler?

Brigadier Höfler:

Ich werde Ihnen zum Verständnis viel­leicht ein aktuelles Beispiel aus dem Einsatzraum Afghanistan bringen. Nachtpatrouille in Kabul. In Kabul ist von 22 Uhr nachts bis 4 Uhr früh Ausgangsverbot. Aufgrund des Strommangels ist es meist sehr dunkel. Die Patrouillen der ISAF fahren von Abschnitt zu Abschnitt, da alle paar Kilometer Checkpoints der afghanischen Sicherheitskräfte eingerichtet sind. Eine Patrouille fährt auf so einen Checkpoint auf. Es springen zwei Soldaten mit dem Gewehr auf die Straße, bedrohen das Führungsfahrzeug. Daneben fallen einige Schüsse. Was macht der Patrouillenkommandant? Er hält an, ein kurzer Funkspruch an das zweite Fahrzeug, um Feuerschutz aufzubauen. Er steigt mit dem Sprachmittler aus, geht auf den Soldaten zu und spricht ihn in Paschtu an. In weiterer Folge spricht er länger mit dem Soldaten unter Zuhilfenahme des Sprachmittlers. Der Kommandant dieser Patrouille war ein österreichischer Vizeleutnant. Dieser Patrouillenkommandant hat verantwortungsbewusst gehandelt. Er war sich, wir haben dann auch später mit ihm gesprochen, über sein Handeln völlig klar. Wenn er anders reagiert hätte, was hätte alles passieren können?

Das ergibt natürlich Anregungen für die weiteren Kontingente, besonders für die Vorbereitung und Ausbildung der Soldaten für Auslandseinsätze. Die Soldaten müssen militärische Kenntnisse haben. Sie müssen ihr Handwerk verstehen, daran führt kein Weg vorbei. Ein Soldat muss aber auch Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen, um vorher nicht trainierte Situationen bewältigen zu können. Dies setzt ein hohes Maß an Bildung voraus. Darüber hinaus muss er die Folgen seines Handelns abschätzen können. Sehr wesentlich für die Vorbereitung ist, dass Soldaten vor dem Einsatz auf Grundlage ihres militärischen Wissens in den so genannten Peace-Support-Operating-Techniques ausgebildet werden. Dazu gehört z. B. auch die Ge­sprächsfähigkeit (Negotiations-Tech­niques): wie spreche ich mit der einheimischen Bevölkerung? Wie verhalte ich mich in diesem Gastgeberland? Wie ist die Kultur? Wie ist der soziale Hintergrund? Wie bewege ich mich? Alle diese vielen - kleinen - Dinge sollte der Soldat, der in einen friedensunterstützenden Einsatz des 21. Jahrhunderts geht, beherrschen. Er soll auch die Fähigkeit haben, mit Soldaten anderer Nationen zu kommunizieren. Hierzu kann ich feststellen, dass die Englischkenntnisse der öster­reichischen Soldaten generell sehr gut sind. Hier wirken sich zweifellos die Ausbildung an der Heeresunteroffiziersaka­demie und die vielen bei den Einheiten des Bundesheeres durchgeführten Englisch-Sprachkurse positiv aus.

TRUPPENDIENST:

Einer der unmittelbar Angesprochenen vertritt den Fachhochschul-Diplomstudien­gang "Militärische Führung". Es wurde gesagt, wir sollten so militärisch einsatzbezogen wie möglich und so akademisch wie unbedingt notwendig ausbilden. Das wäre zu diskutieren.

Oberst dG Pichlkastner:

Genau diese Stichworte verfolgen mich die letzten fünf Jahre. So, als ob "Einsatzbezogenheit" und "akademisch" ein Gegensatz wäre!

Das Fachhochschulrecht hat als obersten Leitsatz, dass eine wissenschaftlich fundierte Berufsausbildung im Vordergrund zu stehen hat. Und wer das Konzept des Fachhochschul-Diplomstu­dien­ganges für die nächsten fünf Jahre anschaut, wird erkennen, dass die Erfüllung von Einsatzaufgaben als Berufsfelder­fordernis oberste Priorität besitzt. Es ist nur die Frage: sind unsere Einsatzaufgaben wirklich qualitativ so gering einzuschätzen, dass wir wissenschaftliche Erkenntnisse dazu nicht brauchen? Ist es so, dass es reines Handwerk ist? Ist es so, dass wir reine (jetzt möchte ich auch bewusst provozierend kontern) Fachidioten brauchen, die gar nicht wissen, warum sie was tun? Also für mich verlangt eine praktische Aufgabenstel­lung immer eine dahinter stehende Theorie. Ich wende dieses System immer wieder an: In der Praxis kommen wir vielleicht darauf: "Halt! Die Theorie gehört modifiziert!" Diese Modifikation geht wieder in die Praxis ein usw. So entwickelt sich die Theorie-Praxis-Beziehung den jeweiligen Umständen angepasst weiter.

Ich erinnere mich auch an das, was General Majcen gesagt hat: "Handwerk, weniger Mundwerk. Wenn ich einen Bankbeamten brauche, dann will ich ordentlich, rasch und höflich behandelt werden, und ich will keinen Vortrag über die dahinter stehende Firmenphilosophie." Richtig. Aber nur das Bankinstitut, dessen Bediensteter die dahinter stehende Firmenphilosophie verinnerlicht hat, wird am Markt überleben.

Ich sehe überhaupt keinen Gegensatz zwischen der Abstützung auf wissenschaftliche Grundlagen und dem obersten Ziel der Einsatzbezogenheit, und es gibt kein Dokument, das im Fachhoch­schul-Diplomstudiengang etwas anderes aussagt.

Oberst dhmfD Dr. Micewski:

Ich möchte beide Standpunkte unterstützen. Zum einen glaube ich, dass Brigadier Segur recht hat, wenn er meint, Wert und Unwert eines militärischen Führers könne nicht am akademischen Grad hängen, andererseits ist es aber auch so, dass der akademische Grad oder die akademische Bildung diese Führungsfähigkeit nicht behindern muss, im Gegenteil. Abgesehen davon ist es Tatsache, dass der Truppenoffizier von der mit dem Führungslehr­gang 1 beginnenden Offiziersfort- und -wei­terbildung an der Militärakademie bis zum Führungslehrgang 3 an der Lan­­desver­teidigungsakademie derzeit 63 Wochen an hochwertiger Fort- und Weiterbildung absolviert, und selbstverständlich ist diese Fort- und Weiterbildung in erster Linie orientiert an den beruflichen Führungserfordernissen, denen er gerecht zu werden hat. Das ist aber kein Schaden, weder für das System noch für ihn - ganz im Gegenteil. Wenn es um die akademische Anerkennung dieser Ausbildung geht, könnte man sagen, dass 60 bis 80 Prozent der Ausbildungsinhalte in den derzeit geltenden Curricula ohne weiteres universitär ver­kaufbar wären. Und dasselbe trifft sicher­lich auch für den Fachhochschul-Diplomstudiengang zu. Wie richtig festgestellt wurde, haben auch jene, die noch nicht zu den Fachhoch­schülern gezählt haben, ein unglaubliches Ausmaß an wissenschaftlichen Inhalten vermittelt bekommen, nur wird es eben jetzt auch universitär anerkannt. Im Vordergrund muss jedoch weiterhin die Vorbereitung auf die tatsächliche Aufgabenstellung stehen.

TRUPPENDIENST:

Genau zu diesem Thema könnte uns Brigadier Entacher aus seiner langjährigen Erfahrung als Brigadekommandant etwas sagen.

Brigadier Entacher:

Ich meine, Führungskräfte - egal ob Unteroffiziere oder Offiziere - haben für die Bildung Zeit zu haben. "Handwerk statt Mundwerk": ein netter Spruch. Er könnte von einem "Generalstäbler" sein, klingt gut, ist aber praktisch unbrauchbar. Die Wahrheit ist nämlich: selbstverständlich brauchen wir beides. Natürlich ist es so, dass die Masse der Führungs­inter­aktionen mit Worten geschieht. Auch wenn Technokraten und Bürokraten meinen, nur die Beherrschung der neuen Medien wäre wesentlich für eine Führungskraft, ist der Mensch dadurch in keinster Weise zu ersetzen.

Afghanistan, Bosnien, Golan, Ko­sovo; das ist alles ganz wichtig, und ich freue mich auch sehr, wenn ich höre, dass unsere Soldaten dort gut sind. Dies alles spricht für eine hohe Bildung. Wir haben also mit den heutigen Systemen die einmalige Chance, für Bildung und Forschung den Hochschulen Module zu entnehmen, die dem Stand der Zeit entsprechen.

Handwerk und Bildung sind über­haupt kein Widerspruch, sondern es ist ein Kraftfeld, wo die Linien ein biss­chen hin und her laufen. Aus den Wirren des Sie­ben­jährigen Krieges hat man die The­resianische Militärakademie gegründet, weil die Bildung einfach zu niedrig war, und es gab einen Bedarf an Bildung und an Vereinheitlichung. Für damals hat man mit dieser Gründung eine sensationell moderne Form gewählt.

Dieses Modell war ungefähr 50 Jahre recht gut. Später einmal, so um die Zeit Radetzkys herum, kam die Zeit der groben Oberste. Die sind aus dem Feld zurückgekommen und haben sinn­­gemäß festgestellt: die Kerle sind nicht mehr zu gebrauchen, die reden nur mehr gescheit daher, sind aber nicht im Stande, den Erfolg zu bringen im Gefecht, dort, wo die Kugeln pfeifen. Damit wurden die Jahre eingeleitet, in denen fast nur mehr das Handwerk zählte. So ungefähr im Abstand von 10 bis 15 Jahren wird man das Verhältnis Bildung - Training - Handwerk eben jeweils neu justieren müssen.

Zum Produkt Magister (FH) darf ich sagen: ich habe selber die ersten zwei Jahrgänge in die Brigade aufgenommen. Ich möchte die Militärakademie und die Bildungsverantwortlichen nicht frustrieren, aber es ist nicht viel anders als früher. Der Erfolgsschlüssel ist der Einstieg in die Kompanie. Wenn dort ein guter Hauptmann der Kommandant ist und er den jungen Leutnant gut betreut und gut erzieht, wird was aus ihm. Wenn er das Doppelpech hat: zuwenig Training und Handwerk und einen schlech­ten Kompaniechef, dann wird es problematisch. Ich möchte allerdings hinzufügen, ich bin tief davon überzeugt, dass die erhöhten Bil­dungswerte, welche die Absolventen heute mitbringen, durchaus Sinn machen und ihre Früchte bringen werden.

TRUPPENDIENST:

Steigen wir nun in die Publikumsrunde ein.

General i. R. Segur-Cabanac:

Der Ausgangspunkt jeder Ausbildung, egal in welche Richtung und in welcher Höhe, ist die charakterliche Eignung. Das zweite, was ich sagen wollte, ist das Vorbild, das ich eigentlich bisher zu wenig betont gehört habe. Es gibt keine Truppe der Welt, Gruppe, Zug oder Kompanie, die nicht einem Kommandanten oder ihrem militärischen Führer folgt, wenn er vorangeht.

Nun zur Bildung und Ausbildung. Bei­des ist erforderlich. Die Krankheit einer Armee, die sich faktisch im Rahmen der Gesamtentwicklung nicht vermeiden lässt, ist die Überbetonung des Wortes Bildung im Hinblick auf die Tatsache, dass der Normalzustand einer Armee praktisch der kriegerische Einsatz ist. Ich habe nichts gegen Bildung. Zahlreiche Angehörige aus den Jahrgängen, die ich geführt habe, haben Spitzenbeurteilungen bei allen Kursen in den USA, in Frankreich, Italien und in England erreicht. Sie waren effektiv gut ausgebildet und gebildet. Man soll immer versuchen, ein Gleich­gewicht herzustellen. Verhindern wir das Übergewicht der Theorie gegenüber der Praxis!

TRUPPENDIENST:

Danke, Herr General. Ich möchte den Gedanken der Ausgewogenheit zwischen Handwerk - also Ausbildung - und Bildung gleich einmal aufnehmen, vor allem im Zusammenhang mit der Ausbildung an der Heeresunteroffiziersakademie. Von einer Arbeitsgruppe in der Akademie stammt ja auch der Entwurf der dritten Bildungsebene für Unteroffiziere und, soweit ich das verstanden habe, geht es ja genau auch um diese Ausgewogenheit, Herr Brigadier Winkler.

Brigadier Winkler:

Aufgrund von geänderten Aufgabenbereichen tritt ein Verschieben der tatsächlichen Führungstätigkeit um bis zu drei Führungsebenen nach unten ein. Die Führungstätigkeit in den Teams, den Gruppen und dem Zug ist gefragt. Dadurch ist die Führungsverantwortung in sehr vielen Bereichen auf die Ebene der Unteroffiziere gerutscht. Wenn man das bisher Gesagte kritisch bewertet, muss man eines feststellen: Für Offiziere ist in der Aus-, Fort- und Weiterbildung mit dem Fachhoch­schul­studium und der integrierten universitären Ausbildung im Generalstabskurs viel gemacht worden. Bei den Unteroffizieren - und das möchte ich festhalten - wurde nicht einmal daran gedacht, irgend einen Akzent eines Bildungsschubes oder Ähnliches zu setzen. Es hat niemals einen Auftrag an die Heeresunteroffiziersakademie gegeben, darüber nachzudenken, ob nicht unter Berücksichtigung einer neuen, erhöhten Führungsfähigkeit etwas zu geschehen hätte. Die positiven Beispiele von Unteroffizieren bei Auslandseinsätzen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass im Bereich der Bildung für die Unteroffiziere ein krasses Manko besteht. Es geht nur eine Minderheit von Unteroffizieren ins Ausland, und noch einmal eine Minderheit dieser Minderheit sind extrem gute, ausgezeichnete Leute mit solchen beispielhaften Leistungen.

Ich würde sagen, dass es nicht ausreichend ist, dem Unteroffizier das Handwerkszeug für seine unmittelbare Aufgabenerfüllung am Arbeitsplatz zu vermitteln. Arbeitsplatz (Funktion) und Aufgabenstellung ändern sich sehr rasch im Einsatz. Flexibilität, um neue Aufgaben ohne Vorbereitung übernehmen zu können, ist gefragt, was bei den Unteroffizieren - generell gesehen - zu verbessern wäre.

Das Image des Bundesheeres in der Öffentlichkeit hängt sehr wohl auch von der Bildung ihrer Kadersoldaten ab. Dieser Tatsache kann ganz sicher nicht durch eine noch höhere universitäre Bildung der Offiziere Rechnung getragen werden, sondern vor allem durch eine bessere Bildung der Unteroffiziere, die mit über 11.000 wesentlich mehr Personen stellen als 2.500 Offiziere.

Oberst Vyskocil:

Einige ganz konkrete Fragen: Wie sieht der gebildete Soldat heute aus? Zweite Frage: Wer zeichnet dieses Bild? Und die dritte Frage: Wer koordiniert die Durch­setzung, von der Landesverteidigungsakademie über die Militärakademie und die Heeresunteroffiziersakademie zur Truppe?

Brigadier Prof. Dr. Mäder:

Meine Vorredner haben sicher vieles richtig gesagt. Ich kann vieles unterstützen, beginnend von den Aussagen des Generals Segur, dass gerade bei Füh­rungs­per­sön­lichkeiten die Charakterbildung etwas ganz Entscheidendes ist. Aber es gibt verschiedene Möglichkeiten, Bildung zu betrachten: Die allgemeine Bildung, wie sie Professor Schirlbauer angesprochen hat, und die Praxis, wie sie von Brigadier Winkler aufgezeigt wurde. Und auf die möchte ich zurückkommen. Das Bundesheer besteht heute in den Kasernen, und ob das Bundesheer weiter besteht, entscheidet sich nicht in Afghanistan, sondern in den Kasernen, abhängig davon, wie unsere Soldaten behandelt und ausgebildet werden. Werden sie von intelligenten, gebildeten Unterführern ausgebildet, dann hat das Bundesheer weiterhin eine Chance. Wenn nicht, bleibt der massive Trend gegen das Bundesheer aufrecht, und er kann sich so weit fortsetzen, dass das Bundesheer gar nicht nach Afghanistan kommt. Daher ist die Bildung der Ebene der Unteroffiziere etwas ganz Entscheidendes. Ich bin daher ein ausgesprochener Befür­worter der Linie, dass ganz be­son­ders auf der Ebene der Unteroffiziere mit der Vermittlung von Bildung in erster Linie anzusetzen sein wird.

TRUPPENDIENST:

Ich darf die Herren auf dem Podium bitten, jetzt in die Schlussrunde zu kommen und dabei auf die vorhin gestellten drei Fragen Bezug zu nehmen.

Oberst dhmfD Dr. Micewski:

Zunächst muss ich festhalten, dass das Image des Bundesheeres nicht von quantitativen Personalangelegenheiten alleine abhängig gemacht werden kann. Dass es fünfmal mehr Unteroffiziere als Offiziere im ÖBH gibt, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Vertretung von Anliegen des Ressorts gegenüber der Öffentlichkeit grundsätzlich durch Offiziere erfolgt. Deren Einfluss ist mit Sicherheit größer als das Stärkeverhältnis zu den Unteroffizieren. Allerdings soll mit dieser Aussage die Bedeutung des Unteroffiziers keinesfalls geschmälert werden, da ihm natürlich mittelbar, über die Tätigkeit mit den Wehrpflichtigen, eine imagebildende Funktion für das ÖBH zukommt.

Die Frage, wie der gebildete Soldat ausschaut, das kann man nicht einfach beschreiben. Der ideale Soldat ist eben der, der den militärischen, sicherheitspo­li­tischen, gesellschaftlichen, sozialen und menschlichen Herausforderungen in all ihren Facetten gerecht wird. Was die Organisation zwischen den Instituten betrifft, habe ich durchaus den Eindruck, dass es hier einen dringenden Handlungsbedarf gibt. Aber aufgrund dieser komplexen Herausforderungen kann ich persönlich nur sagen: Wenn die Reorganisation der Zen­tralstelle abgeschlossen ist, erhoffe ich mir dahingehend entsprechende Impulse, weil dann werden z. B. die Militärakademie und die Landesverteidigungsakademie dem Ge­neral­stabschef angehören.

Univ. Prof. Dr. Schirlbauer:

Natürlich kommt es darauf an, wie der Offizier bei der Truppe reüssiert, und dafür muss ihm das notwendige Rüstzeug gegeben werden. Ich glaube auch nicht, dass das, was wir unter Bildung angesprochen haben, nur ein netter Zusatz ist, der sich dann möglicherweise im Titel Magister (FH) ausdrückt.

Speziell die Sozialwissenschaften - würde ich sagen - machen nur dann einen Sinn, wenn sie genau dem Bildungsziel entsprechen. Natürlich hat der Offizier Vorbild zu sein. In einer pädagogischen Lehrveran­staltung an der Militäraka­demie sollte daher auf einem gewissen Niveau geklärt werden, was das heißt, ein Vorbild zu sein, Autorität zu besitzen oder bloß Macht zu haben, ohne Vorbild zu sein. Wenn diese Dinge nicht in den entsprechenden so­zial­wis­sen­schaftlichen Fächern angesprochen werden und wenn man meint, dass "Vorbild-Sein" sich von selber einstellen würde, dann ist man leider schief gewickelt.

TRUPPENDIENST:

Das Schlusswort dieser Diskussion hat Brigadier Segur.

Brigadier Segur-Cabanac:

Ich möchte auf die Fragen des Herrn Oberst Vyskocil eingehen. Wie sieht der gebildete Soldat aus, wer zeichnet dieses Bild, und wer setzt das durch, nämlich dass dieses Bild auch eingenommen wird?

Brigadier Winkler hat zurecht moniert, dass die Verengung der Frage der Ausbildung auf den Offizier vor allem in einer Armee, die nach wie vor und bis auf Weiteres eine Wehrpflichtigenarmee ist, für die der Unteroffiziersbereich natürlich un­verzichtbar ist, nicht richtig ist. Der Herr Oberst ist in seiner Frage aber gleich weiter gegangen und hat nicht gesagt: wie sieht der gebildete Offizier oder Unteroffizier, sondern der gebildete Soldat, aus. Diese Frage stellt sich, solange wir eine Wehrpflichtigenarmee haben, garantiert nicht. In drei Jahren Militärakademie muss ich ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Bildung und Ausbildung finden. Das gleiche gilt auch für eine Armee, die eine sieben- oder achtmonatige Wehr­dienstzeit hat. Also hier von einem gebildeten Soldaten zu sprechen, wird etwas schwierig werden. Ich glaube, dass über die Zielsetzungen einer wehrpolitischen Ausbildung, also das berühmte "kämpfen wofür, kämpfen warum" hinaus nicht viel mehr an Bildung für den Soldaten drinnen sein wird. Er wird mit einer gewissen Bildung kommen und - vielleicht - mit einer gef­e­s­tigteren das Heer wieder verlassen.

Es sind sicherlich hier am Podium zu kurz gekommen: die Frage des Charakters und die Frage von ethischen Werten oder, wie Goethe in einem der Artikel der hier am Podium Sitzenden zitiert wird, der immer vom tugendhaften Offizier spricht. Das ist nicht etwas, das verzopft, altmodisch und zu belächeln ist, sondern der tugendhafte Offizier ist für mich die Inkarnation eines gebildeten - und zwar im Sinne von gebildet nach wissenschaftlichen Kriterien und Inhalten - und eines herzensgebildeten Menschen, der auch die notwendige Befähigung, das Charisma, die Führungseigenschaften und die handwerklichen Befähigungen besitzt, um seine Aufgabe ausführen zu können. Das ist für mich der Inbegriff des gebildeten Offiziers oder auch Unterführers, ganz gleich auf welcher Ebene man das sieht.

Nun, wer zeichnet dieses Bild? Oberst Micewski hat das schon gesagt. Die Reorganisation unseres Bundesheeres sieht vor, dass es zukünftig erstmals einen militärischen Verantwortlichen im Bundesheer geben wird, der Planung, Führung und Beschaffung in einer Hand haben wird. Ohne Zweifel wird die Verantwortung für die Heeresunteroffiziersaka­demie, für die Mili­tärakademie und natürlich auch für die Landesverteidigungsakademie in einer Hand liegen. Und es wird zu gewissen Harmonisierungen kommen müssen. Denn es kann ja nicht sein, dass die mittlere Ausbildung, die Offiziersausbildung, mit einem akademischen Grad abschließt, aber die nachfolgende höhere Offiziersausbildung als Generalstabsoffizier nicht zu einem vollwertigen akademischen Grad führt. Ein Magister (FH) kann ja nicht als Berufsziel am Generalstabskurs den Major dG haben, da wird etwas nachgedacht werden müssen. Im Zuge des nächsten und übernächsten Generalstabslehrganges werden die notwendigen Adaptierungen Platz greifen. Für den Unteroffiziersbereich bin ich fest der Auffassung, dass etwas getan werden muss im Hinblick auf das Heranführen des Unteroffiziers an eine Berufsreifeprüfung.

Wer setzt das durch? Das ist im Zusammenhang zu sehen mit: Wer zeichnet das Bild? Die gleiche Person, der Chef des Generalstabes, dem zukünftig diese Verantwortung zugeordnet ist, und ich bin ganz sicher, dass dieses Konzept eine entsprechende Wirkung zeigen wird.

TRUPPENDIENST:

Danke für diese angeregte Diskussion.


TRUPPENDIENST unterstützt seit längerer Zeit Bemühungen, das Verständnis für die Vermittlung von Bildungsinhalten und die Entwicklung des Bildungswesens im Öster­reichischen Bundesheer zu fördern. Aus Anlass des 40-jährigen Be­stehens von TRUP­PENDIENST diskutierten am 6. Juni 2002 Kommandanten und Dienst­stel­len­leiter mit Vertretern der Akademien des Österreichi­schen Bundesheeres über die Bildungsanforderungen an den modernen Soldaten. TRUPPENDIENST berichtet in dieser Ausgabe auszugsweise über die Podiumsdiskussion.

Unter der Leitung des stellvertretenden Chefredakteurs diskutierten:

Brigadier Edmund Entacher, Kommandant der 3. Panzergrenadierbrigade, seit 01 12 02 Kommandant des Kommandos der Landstreitkräfte.

Brigadier Günter Höfler, Kommandant des Kommandos für Internationale Einsätze.

Brigadier Christian Segur-Cabanac, Leiter der Operationsabteilung im BMLV, seit 01 12 02 Leiter des Führungsstabes.

Brigadier Günter Winkler, Kommandant der Heeresunteroffiziersakademie.

Oberst dG Karl Pichlkastner, Leiter des Lehrkörpers des Fachhochschul-Diplomstudienganges "Militärische Führung" an der Theresianischen Militärakademie.

Ao. Univ.-Prof. Dr. Alfred Schirlbauer, lehrt am Institut für Erziehungswissenschaften der Universität Wien und ist seit 1997 am Fachhochschul-Diplomstudiengang "Militärische Führung" als Gastlehrer tätig.

Oberst dhmfD Mag. Dr. Edwin Micewski, Leiter des Instituts für Militärsoziologie und Militärpädagogik an der Lan­desver­tei­di­gungsakademie.

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