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Internationale Sicherheits- und Assistenzkräfte in Afghanistan

AUCON 2

Die österreichische Beteiligung an der internationalen Sicherheitstruppe in Afghanistan ist - bis auf eine kleine Gruppe im Land verbleibender Soldaten - beendet. Der richtige Zeitpunkt, um die Aufgaben der österreichischen Wach- und Sicherheitskräfte sowie die Tätigkeitsbereiche einzelner Funktionsträger näher zu erläutern und zusammenzufassen.

Grundlagen

"Die Unterstützung bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit in Kabul und Umgebung sowie die Forderung zum Abzug aller afghanischen militärischen Einheiten aus Kabul." Dieser Auftrag erging an die Kräfte der International Security Assistance Force (ISAF) auf der Basis der Resolution des UN-Sicherheitsrates vom 21. Dezember 2001 in Abstimmung mit Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen.

Deutschland hat sich daraufhin bereit erklärt, die Führung von AUCON/ISAF zu übernehmen, das Kommando für Internationale Einsätze wurde mit der nationalen Führung der österreichischen Soldaten beauftragt. Der Auftrag beinhaltete die Unterstützung der Übergangsregierung Afghanistans bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit in Kabul und Umgebung, sodass diese und das Personal der Vereinten Nationen in einem sicheren Umfeld arbeiten können. Dazu gehören die Reform der Polizei, die Hilfe beim Aufbau der ANA (Afghanische Nationalarmee), CIMIC-Maßnahmen (Civil Military Cooperation - zivilemilitärische Zusammenarbeit) sowie humanitäre Hilfeleistungen.

Der Einsatz unter Kapitel VII der UN-Charta geht davon aus, dass sowohl die militärische als auch die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan und Kabul sehr instabil sind. Landesweit gibt es weiterhin Widerstandsräume von Taliban- und Al Qaida-Kämpfern. Auch die Spannungen zwischen einzelnen regionalen Warlords könnten jederzeit zur Anwendung von Waffengewalt führen. Aus diesen Gründen muss die Truppe über weitreichende Fähigkeiten zur Selbstverteidigung und Abschreckung verfügen. Die ISAF ist autorisiert, "alle erforderlichen Maßnahmen - einschließlich der Anwendung militärischer Gewalt - zu ergreifen, um den Auftrag gemäß der Resolution des Sicherheitsrates durchzusetzen". Den Soldaten der ISAF wird auch die Befugnis zur Wahrnehmung des Rechts auf bewaffnete Nothilfe zugunsten jedermannes erteilt. Die Aufgaben der ISAF beinhalten die Verlegung in das Einsatzgebiet, die Eigensicherung, die Unterstützung bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit in Kabul und Umgebung sowie im Bedarfsfall die Eigenevakuierung als auch die Rückverlegung.

Vor dem Ende der österreichischen Beteiligung befehligte ISAF etwa 4 800 Soldaten aus insgesamt 22 Nationen.

Einsatzgebiet

Das Einsatzgebiet ist Kabul und seine Umgebung. Die genaue Festlegung erfolgte durch Großbritannien als erste Leitnation in Abstimmung mit den Truppenstellerstaaten gemeinsam mit der afghanischen Führung in einem Military Technical Arrangement (MTA). Der Flughafen Bagram und die Verbindungsstraße nach Kabul gehören zum Einsatzgebiet. Die AOR (Area of Responsibility - Verantwortungsbereich) darf kein ISAF-Soldat verlassen. In allen übrigen Gebieten Afghanistans dürfen die ISAF-Streitkräfte über die Wahrnehmung des individuellen und kollektiven Selbstverteidigungsrechts und des Nothilferechts hinaus nicht zu Kampfhandlungen eingesetzt werden. Territorien außerhalb Afghanistans können für Zugang und Versorgung mit Zustimmung des jeweiligen Staates nach Maßgabe der mit ihm getroffenen Vereinbarungen genutzt werden. Ansonsten richten sich Transit- und Überflugrechte nach den bestehenden internationalen Bestimmungen.

Österreichische Beteiligung

Österreichische Soldaten waren im Rahmen von ISAF in den verschiedensten Aufgabenbereichen und Funktionen eingesetzt; im ISAF-Hauptquartier und in der "Kabul Multinational Brigade" (KMNB).

Der Kontingentskommandant: Ihm wurde die Aufgabe übertragen, einerseits dem AUCON als Kommandant (NCC - National Contingent Commander) vorzustehen, andererseits als Planungsoffizier im Stab der Brigade zu arbeiten. Als Kontingentskommandant war er formal Disziplinarvorgesetzter der bei ISAF eingesetzten österreichischen Soldaten.

Als einer von vier Planungsoffizieren in der Multinationalen Brigade setzte er die Vorgaben des Brigadekommandanten in konkrete Handlungsanweisungen um. Dies beinhaltete sowohl zeitlich wie räumlich eng begrenzte Einsatzplanungen für die Mitwirkung beim Schutz von Konferenzen oder von hochrangigen Persönlichkeiten als auch grundlegende Planungen zur Vorbereitung für ein Herauslösen von ISAF oder Maßnahmen der Selbstverteidigung.

Der Wach- und Sicherungszug: Neben den Aufgaben zur Bewachung des Camp Warehouse (Streifendienst, Tor- bzw. Turmwache), der Flughafenbewachung und dem Einsatz als Bataillonsreserve und Quick Reaction Force der Multinationalen Brigade lag das Hauptbetätigungsfeld unserer Soldaten im zugewiesenen Polizeidistrikt Kabuls. Hier wurden unter anderem Joint-Patrouillen (mit örtlichen Polizeikräften) und so genannte Recce-Patrouillen (Kontrollfahrten ohne Polizei), je nach Auftragslage, durchgeführt. Weiters stellte die jeweils diensthabende österreichische Patrouille Verbindungsorgane zur Bevölkerung sowie zu den verschiedenen Polizeistationen ab.

Im Oktober 2002, nach mehreren fehlgeschlagenen Raketenangriffen auf das Camp Warehouse, wurden Zusatzaufträge wie ein Joint Command Post (Vorgeschobener Gefechtsstand) in Bagrami und die dazugehörige Außensicherung, in einer Entfernung von rund 2 000 Metern vom Lager, befohlen.

Der österreichische Wach- und Sicherungszug von AUCON 2 konnte alle geforderten Aufträge voll erfüllen - nicht zuletzt deshalb, weil er mit einer CRC-Ausrüstung (Crowd and Riot Control - Schutzausrüstung zur Kontrolle von Menschenansammlungen) ausgestattet war.

Der 9. Polizeidistrikt: Die Einteilung Kabuls in die einzelnen Polizeidistrikte stammt noch aus der Zeit vor dem Taliban-Regime. Der den Österreichern zugewiesene Bezirk hatte eine Größe von 28,8 qkm; mit 127 000 Einwohnern. 30 000 Menschen des Distriktes sind ehemalige Flüchtlinge, welche meist bei Verwandten oder Freunden untergebracht sind.

Die wichtigsten öffentlichen Einrichtungen im 9. Polizeidistrikt sind vier Ministerien der afghanischen Regierung, das Hauptquartier der ISAF, das Camp Warehouse und das Hauptquartier des afghanischen Geheimdienstes.

Die Zusammenarbeit mit der örtlichen Polizei war hervorragend. Die Kriminalitätsrate lag im Vergleich zu anderen Polizeidistrikten unter dem Durchschnitt. Der letzte Mordversuch fand am 5. August 2002 statt, jedoch gab es fast täglich Diebstähle bzw. gewalttätige Auseinandersetzungen um Wohnraum. Problematisch sind auch heute noch der südliche Bereich des Polizeidistriktes 9, da dieses Gebiet eine frühere Taliban-Hochburg war und noch immer Verbindungen zu diesen extremen Fundamentalisten bestehen. Weiters treten des Öfteren Probleme mit ehemaligen Mitgliedern der Nordallianz auf, weil sich verschiedene Milizen den Friedensbestrebungen entgegenstemmen.

Die Liaison Organisation: Die Stabsabteilung LNO (Liaison Organisation) mit ihren LOs (Liaison Officers) ist ein Bestandteil der Multinationalen Brigade in Kabul. Sie ist das Bindeglied zu den afghanischen politischen und militärischen Einrichtungen, zu den Behörden sowie den internationalen Organisationen. In dieser Abteilung tätige Verbindungsoffiziere kamen aus Österreich, Deutschland, Dänemark, Schweden und Finnland. Im Wesentlichen bemühen sich die einzelnen Verbindungsteams um ein gutes und professionelles Verhältnis zum Verteidigungsministerium, zum Innenministerium, zur Polizei, zum Geheimdienst, zur Stadtverwaltung und zu anderen Ministerien zum Zwecke des Informationsaustausches und der gegenseitigen Unterstützung. Die Teams setzen sich aus einem Offizier, einem Unteroffizier und einem Mannschaftsdienstgrad zusammen. Ihr Auftrag lautet: Informationsaustausch, Hilfestellung und gemeinsame Aktivitäten mit den oben genannten Einrichtungen. Die LOs berichten über so genannte Hot Spots (gefährliche Geländeteile bzw. Situationen). Sie fassen diese Informationen zusammen und leiten sie im direkten Gespräch an das Kommando der KMNB weiter.

Die Stabsabteilung wurde zeitweilig durch den stellvertretenden NCC Österreichs geführt. Er erteilte die Aufträge und trug dem Kommandanten oder Chef des Stabes die Ergebnisse vor. Parallel dazu war er der verantwortliche Ansprechpartner für das Verteidigungsministerium und verhandelte dort regelmäßig mit dem stellvertretenden Verteidigungsminister.

Der Schwerpunkt der LNO-Arbeit liegt bei der Verbindung zur örtlichen Polizei. Bearbeitet werden vor allem Fälle von Kleinkriminalität und Waffenschmuggel, aber auch alle jene Fälle, bei denen es um das Auffinden von Explosivstoffen, Minen und anderen Kampfmitteln geht.

Der S3-Movement: Die Funktion des S3-Movement ist im Brigadestab in der multinationalen Abteilung J4 (Joint 4), in der Zelle Movement/Control (Transportführung) angesiedelt. Der österreichische Offizier in dieser Funktion war mit verantwortlich für die Planung und Koordination von Lufttransporten (Personal und Material) sowie von sonstigen Transporten. Sowohl die gesamte Anschlussversorgung und die Personalrotationen als auch mögliche Evakuierungen aller Nationen der ISAF laufen über die Luftbrücke von und nach Kabul bzw. Bagram. Deshalb gehörte es zur täglichen Routine des S3-Movement, zum Kabul International Airport (KIA) zu fahren, um die Übergaben bzw. Übernahmen des Personals und der Fracht zu steuern.

Ein weiterer maßgeblicher Aufgabenbereich war die Erarbeitung und Aktualisierung eines Evakuierungsplanes der ISAF in Bezug auf Transportkapazität und Optimierung des Transportraumes.

Das Sanitätskontingent: Das österreichische Sanitätskontingent verteilte sich auf das Einsatzlazarett und die MEDEVAC-(Medical Evacuation-) Kompanie im Camp Warehouse. Aufgrund der dienstlichen Verpflichtungen in der Heimat wechselte das Sanitätskontingent in kürzeren, unregelmäßigen Abständen als das restliche Kontingent. Die notärztliche Versorgung bei EOD- (Explosive Ordnance Disposal-) Einsätzen, beim Scharfschießen und bei Sprengvorhaben sowie die Patrouillenbegleitung und Patiententransporte gehörten zu den täglichen Aufgaben der Ärzte.

Zusätzlich zu den genormten Aufgaben waren sie je nach Fachrichtung für die Primärversorgung von Frischverletzten oder als Konsiliarfachärzte in der Feldambulanz des deutschen Kontingentes tätig. Notarzteinsätze in der MEDEVAC-Primärversorgung von Frischverletzten oder Assistenzleistungen bei Narkoseeinleitungen und operativen Eingriffen wurden ebenfalls von Österreichern geleistet.

Sanitätspersonal in Unteroffiziersfunktion machte Dienst als Diplomierter Gesunden- und Krankenpfleger (DGKP) sowie als Heilmasseur. Der Tätigkeitsbereich umfasste die sanitätsdienstliche Versorgung bei EOD-Einsätzen, beim Scharfschießen bzw. bei Sprengvorhaben und Patrouillenbegleitung, bei Patiententransporten, Standortbereitschaft im Camp Warehouse in der Notfallaufnahme bzw. im Schockraum wie auch im Hauptquartier der ISAF. Darüber hinaus war der Sanitätsunteroffizier in die sanitätsdienstliche Ausbildung des Kontingentes eingebunden und fungierte als Rettungsassistent bei den Patrouillen.

Der diensthabende Offizier: Zur Aufrechterhaltung der Führungsfähigkeit des Stabes der Multinationalen Brigade Kabul gibt es die Duty Officers, von denen einer ein österreichischer Offizier war.

Der diensthabende Offizier ist im weitesten Sinne die Meldesammelstelle der Multinationalen Brigade in Kabul. Er besetzt das Funkgerät, erfasst und bewertet jede eingehende Meldung, reagiert dementsprechend und erteilt Befehle im Sinne des Kommandanten der KMNB. Der diensthabende Offizier führt die Lagekarte, ist in den taktischen Brigadefunkkreis und die taktische Satellitentelefonverbindung eingebunden. Er gibt Meldungen an die Fachoffiziere der KMNB weiter und zeichnet Befehle und Anordnungen des Kommandanten im Kommandotagebuch auf. Er ist für die sichere Verwahrung der wichtigsten Schlüssel im Hauptquartier der KMNB verantwortlich.

Weiters erstellt er die tägliche Lagemeldung und meldet diese sowie andere wesentliche Ereignisse an das HQ ISAF (Hauptquartier). Laufende Meldungen, Informationen und Rücksprachen mit verschiedensten militärischen und zivilen Einrichtungen sind die Voraussetzung, um eine aktuelle Lagemeldung erstellen zu können.

Die QRF (Quick Reaction Force) besteht aus zwei Infanteriegruppen, einem Verbindungstrupp, einem EOD- und einem Sanitätstrupp sowie zwei Militärpolizisten. Sie ist innerhalb von 15 Minuten abmarschbereit, wird alle 24 Stunden abgelöst und erhält die Aufträge ebenfalls vom diensthabenden Offizier. Die Einweisung beinhaltet unter anderem die Verhaltensmaßregeln für die Soldaten, die neuesten Erkenntnisse über die Minenlage sowie die Rückwärtsverbindung über Funk- und Satelliteneinrichtungen inklusive der Funküberprüfung selbst.

(wird fortgesetzt)


Dieser Beitrag entstand unter der Federführung des Presse- und Informationsoffizieres ISAF/AUCON 2, Hauptmann Michael Mayerböck, durch die Mitarbeit einer Vielzahl an Kontingentskameraden. Er soll einen Eindruck von der Situation vermitteln, wie sie sich den in Afghanistan eingesetzten Soldaten darstellte.

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