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Im Mittelpunkt steht der Mensch: Im falschen Film

Es ist 0730 Uhr. Dienstbeginn in einer Dienststelle des Österreichischen Bun­des­­heeres. Das Telefon läutet, der Dienst­­habende hebt ab und hört eine aufgeregte Stimme: "Schnell! Schnell! Mein Keller steht unter Wasser! Meine Waschmaschine ist kaputt! Schickt mir sofort den In­stand­setzungszug vorbei, der muss das wieder reparieren!" Der Diensthabende stutzt kurz, denkt: "Bin ich im falschen Film?" und entgegnet dem ihm bekannten Anrufer, dass solche Probleme in Österreich normalerweise von Elektrikern oder Servicetechnikern behoben würden.

Auf das eindringliche Ersuchen des hörbar gestressten Anrufers sucht der Angerufene die Nummer des nächsten Elektrikers heraus, gibt diese weiter und macht den Anrufer darauf aufmerksam, dass es ratsam sei, den Wasserhahn bei der Waschmaschine abzudrehen.

Begebenheiten wie diese sind beim ersten Hinsehen für die meisten Beteiligten ganz lustig und bieten den Stoff für Anekdoten. Wenn man aber weiß, dass der traurige Held dieser kleinen Begebenheit ein gestandener Soldat ist, der auf lange Einsatzerfahrung zurückblickt, kann man sich vorstellen, dass dieser Vorfall nur für Außenstehende lustig ist - keineswegs aber für den Betroffenen.

Es waren zwar Einsätze, die im Kreis altgedienter Auslandseinsatzsoldaten zu­meist als "Sunshine-Missions" bezeichnet werden, aber dafür war er lange dort. Vielleicht sogar ein bisschen zu lange.

Solche Geschichten gibt es viele. Die meisten davon lassen sich auch ganz einfach erklären: Man gewöhnt sich an veränderte Lebensbedingungen. Man legt sich Verhaltensmuster zu, die es ermöglichen, in seiner Umwelt gut über die Runden zu kommen. Der Mensch erlernt Verhaltensweisen - so wie der Held unserer Geschichte eben auch - die in einer bestimmten Umgebung nützlich oder manchmal sogar überlebensnotwendig sind.

Wenn im Einsatzraum die Waschmaschine kaputt war, dann hat man den Duty-Officer angerufen und der hat einen bei der Lösung des Problems unterstützt, indem er zum Beispiel den Instand­setzungszug verständigte.

Die Wiedereingewöhnung an öster­reichische Verhältnisse ist in diesem Fall nicht optimal verlaufen. Solche Phänomene, die mit Gewöhnung bzw. mit dem Erlernen von Verhaltensmustern zusammenhängen, sind keine Seltenheit und treten bei vielen Menschen unterschiedlich auf.

So berichten manche Heimkehrer, dass es nach dem Einsatz ein eigenartiges Gefühl sei, ohne Pistole im Kaffeehaus zu sitzen. Man hat sich an das Ding gewöhnt. Wieder zu Hause fehlt dann etwas. Andere berichten davon, dass es für sie eigenartig war, wenn sie nach einem Auslandseinsatz in der Heimat in eine Wiese getreten sind. Im Einsatzraum wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass der Aufenthalt abseits von geclearten Flächen aufgrund der Minengefahr lebensgefährlich ist. Die Lebensgefahr aus dem Einsatzraum ist zwar nicht mehr da, geblieben aber ist die Angst vor dem Betreten einer Wiese.

Viele Soldaten berichten auch darüber, dass Ihnen nach dem Einsatz "Probleme", die andere in Österreich haben, wie z. B. tolle Autos oder eine Postenbewertung, als Nichtigkeit erscheinen. Im Vergleich zu dem Leid, das sie in den Einsatzräumen hautnah miterlebt haben, stimmt das natürlich - für die Daheim gebliebenen ist das jedoch meist irrelevant.

Viele Einsatzteilnehmer bewerten solche Erfahrungen für sich als geistige Reifung oder als eine Erweiterung ihres Erfahrungshorizontes - was es auch tatsächlich ist. Manche fragen sich aber auch, ob sie im falschen Film sind, wenn sie bemerken, mit welchen scheinbaren Bagatellen sich manche Menschen in der Heimat herumschlagen.

Nicht nur Einsatzteilnehmer berichten über solche Erfahrungen, sondern auch deren Angehörige. Auch sie müssen sich an die neue Situation gewöhnen und für die Zeit des Einsatzes ohne ihren Partner auskommen. Nach dem Einsatz müssen sich beide neuerlich anpassen.

Alle Beteiligten brauchen also Zeit, sich auf die neuen Gegebenheiten - sowohl am Beginn des Einsatzes, als auch in der ersten Zeit nach dem Einsatz - einzustellen.

In der Zeit der Einsatzvorbereitung ist die Vermittlung einsatzrelevanter Inhalte eine Selbstverständlichkeit. Vergleicht man aber den Zeit- und Ausbildungsaufwand der Einsatzvorbereitung mit dem der Heim­kehrervorbereitung, ist für zweiteres ein Defizit erkennbar.

Die Vorbereitung auf den Friedensbetrieb in der Heimat bzw. die Nachbereitung von Einsatzerfahrungen gewinnen immer mehr an Bedeutung.

Mittlerweile sind Programme zur Wieder­eingewöhnung in den Friedensbetrieb internationaler Standard und auch im Österreichischen Bundesheer gibt es nun erste Versuche, für die die Militärpsychologie mitverantwortlich ist.

Diese Heimkehrerprogramme müssen an den Schweregrad und an die Bedingungen des Einsatzes angepasst sein. Ausmaß und Inhalt der Maßnahmen der Einsatznachbereitung müssen sich an den Gegebenheiten des geleisteten Einsatzes orientieren. In diesen Heimkehrerprogrammen muss es unter anderem auch Raum dafür geben, Lösungsmög­lichkeiten für einsatzbedingte Probleme im sozialen bzw. im familiären Bereich zu erarbeiten, Erfahrungen nachzube­sprechen und neu zu bewerten.

Weiters muss ein Soldat, der Probleme hat, die Möglichkeit bekommen, sich auch längere Zeit nach dem Einsatz an eine kompetente Betreuungsstelle wenden zu können. Diese Möglichkeit soll es aber nicht nur für die Soldaten, sondern auch für deren Angehörige geben. Denn ein intaktes soziales Umfeld ist ein wesentlicher Faktor bei der Wiedereingewöhnung in den Friedensbetrieb.

Diese Heimkehrerprogramme sollen mit dazu beitragen, dass gemachte Erfahrungen und Erlebnisse nachbearbeitet werden können und dass sich der Gedanke an den falschen Film vielleicht etwas weniger oft in unser Bewusstsein drängt.

Mag. Alexander Birner

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