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Going International: Internationale Herausforderungen - Längerfristige Betrachtung

Das Österreichische Bundesheer steht in einem der umfassendsten Transformationsprozesse seit seinem Bestehen. Ein wesentlicher Grund für die Transformation ist, das Bundesheer noch stärker auf die Aufgaben zu konzentrieren, die sich aufgrund internationaler Aspekte ergeben. Dabei stand das klare Bekenntnis Österreichs zur EU und damit zur GASP und zur ESVP im Vordergrund. Auch der vorläufige fehlgeschlagene Versuch, zu einer Europäischen Verfassung zu finden, ändert daran nichts, jedenfalls nichts Grundsätzliches.

Dennoch werden Zweifel vernehmbar, ob die ESVP in Zukunft das Leitmotiv für die Gestaltung und Wirksamkeit des Bundesheeres im internationalen Umfeld bleibt. Damit wird auch die Frage verbunden, ob es nicht verfrüht sei, eine derart tiefgehende Transformation einzuleiten.

Jede ernsthafte Analyse muss sich mit einem breiten Spektrum an Möglichkeiten auseinandersetzen. Je weiter die Analyse in die Zukunft reicht, desto schwieriger wird die Auswahl glaubwürdiger Optionen. Das Abnehmen des Einflusses der EU bzw. das Scheitern des Prozesses der politischen Vertiefung sind Denkvarianten, die betrachtet werden müssen. Sie sind aber nicht die Einzigen, nicht die Wahrscheinlichsten und damit auch nicht die Wichtigsten.

Nicht die Einzigen

Die EU hat das Potenzial, ein wesentlicher globaler Akteur zu werden. Aktive politische Mitgestaltung des Weltgeschehens als gleichwertiger Partner ist ein erreichbares Ziel. Der politische Wille dazu muss in der Union erst erarbeitet werden. Zwischen diesem Maximalziel und einem Zurückgehen hinter den bereits erreichten Integrationsgrad existiert ein breites Feld von Möglichkeiten. In jeder dieser Möglichkeiten haben die GASP und damit auch die ESVP eine - jeweils angepasste - Rolle zu spielen.

Nicht die Wahrscheinlichsten

Trotz des vorläufigen Scheiterns des Verfassungsvertrages hat die EU mittlerweile ein politisches Potenzial, das die Entwicklung hin zu einer stärkeren Integration begünstigt. Vorbehaltlich unvorhersehbarer Entwicklungen, ist eine langsame Vorwärtsbewegung des politischen Integrationsprozesses wahrscheinlich. Die Möglichkeit von Rückschlägen ist immer gegeben, aber das strategische Umfeld Europas bietet auch Raum für Entwicklungen, die es für die Europäer deutlich und einsichtig machen, dass sie politisch zusammengehören. Die Wahrscheinlichkeit einer Entwicklung lässt sich auch beeinflussen. Wenn man der Neigung nachgibt, immer die schlechteste Variante zukünftiger Entwicklungen auch als die wahrscheinlichste zu betrachten, dann macht man damit Politik. Das gilt freilich auch für das gegenteilige, Europa gegenüber positiv eingestellte Verhalten.

Ein kurzer Blick über die EU hinaus

Selbst wenn man die wenig wahrscheinliche Variante eines mittel- bis langfristigen Bedeutungsverlustes der ESVP in Betracht zieht, bedarf die künftige Rolle des Bundesheeres einer unvoreingenommenen Analyse. Diese wurde im Vorfeld des Transformationsprozesses angestellt. Aus dieser Analyse dürfen mehrere Tatsachen in Erinnerung gerufen werden:

Eine gegen Österreich gerichtete Absicht, die den Einsatz militärischer Mittel als Möglichkeit einschließt, ist derzeit nicht erkennbar.

Sollte eine solche Absicht erkennbar werden, ist es höchst unwahrscheinlich, dass sie sich gegen Österreich alleine richtet. Sollte in der Zukunft eine solche Bedrohung wieder auftreten, dann ist sie komplex und umfassend. Sie wird nur in einem internationalen Kontext zu bewältigen sein. In der derzeitigen Verfassungslage Österreichs verdient hier die Zukunftsperspektive einer gemeinsamen österreichischen Verteidigung weiterhin Beachtung. Sie ist aber, objektiv betrachtet, nicht die einzige Möglichkeit, die es erlaubt, Abwehrmaßnahmen international zu organisieren.

Österreich ist schon jetzt, vorwiegend im Rahmen der EU, in ein wirtschaftliches, gesellschaftliches und politisches Netzwerk eingebunden, das es notwendig macht, seine Interessen vor einem internationalen Hintergrund zu analysieren und Strategien zu ihrer Sicherstellung abzuleiten. Diese Analyse hat auch eine militärische Dimension. Die militärischen Herausforderungen sind daher auch über die EU hinaus in einem internationalen Zusammenhang zu sehen.

Militärische Beiträge zu internationalen Operationen sind nicht nur im Rahmen der EU zu leisten. Auch in Zukunft werden die NATO-Partnerschaft für den Frieden, die Vereinten Nationen und die Möglichkeit des Zusammenwirkens von Staatengruppen in bestimmten Situationen - unabhängig von den Möglichkeiten, die der EU-Verfassungsvertrag dafür vorsieht - Bestandteil des Netzwerkes der internationalen Sicherheit sein.

Das angestrebte internationale Engagement ist nicht ausschließlich und in vielen Bereichen auch nicht überwiegend von der Entwicklung der ESVP abhängig. Auch wenn die politische Vertiefung der Union langsamer vonstatten geht, als das ursprünglich - sehr deutlich auch von Österreich - angestrebt wurde, bleibt die internationale Herausforderung für Österreichs Sicherheit und die damit verbundene Erwartung an das Bundesheer in vollem Umfang erhalten. Das steht nicht im Widerspruch zur Erfüllung der Aufgaben im Inneren. Wichtig bleibt, dass beide Gruppen von Aufgaben in einem Verhältnis zueinander stehen, das auf die internationalen Gegebenheiten Rücksicht nimmt.

Autor: Brigadier Wolfgang Wosolsobe

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