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Entwicklungen im Bereich der Systembrücken (I)

Bestandsaufnahme und Vergleich von verschiedenen Systemen

Das Hochwasser im August 2002 hat in Niederösterreich zahlreiche Brücken beschädigt, viele davon zerstört. Um zukünftig derartigen Katastrophen besser begegnen zu können, muss der Einsatz der vorhandenen Brückensysteme bereits vorgestaffelt geplant sein.

Das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung hat das Militärkommando Niederösterreich um Assistenz ersucht. Pioniere aus Kärnten und Niederösterreich haben zehn Brücken unterschiedlicher Systeme für den Fahrzeugverkehr errichtet. Nachdem es in Niederösterreich nicht genug Brückengerät gab, wurde zusätzliches Gerät aus Wien und der Steiermark eingebaut. Insgesamt wurden drei verschiedene Brückensysteme eingesetzt. Bei den verwendeten Brücken ergaben sich naturgemäß Einschränkungen für den öffentlichen Verkehr, weil das Gerät - bezogen auf die erforderlichen Spannweiten - nicht ausreichend leistungsfähig war.

Dieser Beitrag geht der Frage nach, wie sich die Lage in dem für Katastropheneinsätze besonders wichtigen Bereich der Systembrücken darstellt und welche Entwicklungen bereits eingesetzt haben, bzw. welche Systembrücken-Konfiguration für die Bewältigung künftiger Katastropheneinsätze am zweckmäßigsten erscheint.

Begriffsbestimmungen im Brückenbau

Systembrücken bestehen im Unterschied zu herkömmlichen Brücken aus vorgefertigten, normierten Teilen und funktionieren wie ein Baukasten. Abhängig von Spannweite und erforderlicher Tragkraft kann eine passende Bauform gewählt werden.

Bauformen werden durch die Anzahl der nebeneinander und übereinander eingebauten Haupttragelemente unterschieden. So unterscheidet man ein-, zwei-, drei- und vierwandige bzw. ein- und zweistöckige Bauformen. In der verstärkten Bauweise werden die Ober- und Untergurte der Hauptträger durch Zusatzgurte ertüchtigt.

Als Kurzbezeichnung hat sich folgender Standard (Ursprung dafür ist die Bailey-Brücke, siehe S. 435 f.) etabliert (siehe Beispielskizzen unten):

Die Spannweite (gebräuchlich ist auch der Begriff Stützweite) gibt die Entfernung zwischen den Auflagern der Brücke an.

Die erforderliche Tragkraft wird durch die ÖNORM B 4002 definiert:

- Die Brückenklasse I erlaubt ein 60-t-Raupenfahrzeug im Alleingang bzw. 25-t-LKW je Spur bzw. 500 kg/m² Gleichlast auf der restlichen Fläche und entspricht in etwa der Militärischen Lastenklasse (MLC) 70 (70-t-Kettenfahrzeug).

- Die Brückenklasse II erlaubt 16-t-LKW je Spur bzw. 400 kg/m² Gleichlast und entspricht in etwa der MLC 30 (30-t-Kettenfahrzeug).

- Kettenfahrzeuge haben eine größere Auflagefläche als Räderfahrzeuge, daher ist die Lastverteilung günstiger. Das Fahrzeuggewicht des Kettenfahrzeuges kann höher sein.

Beim Bau von Systembrücken unterscheidet man folgende Errichtungsarten:

- Tragwerk widerlagerseitig vorfertigen und segmentweiser Vorschub mit Vorbauschnabel.

- Tragwerk widerlagerseitig vorfertigen und segmentweiser Vorschub mit entsprechender Kranunterstützung ohne Vorbauschnabel.

- Komplette Vorfertigung und Einheben des gesamten Tragwerkes.

Systembrücken können bis zu einem Einzelstückgewicht der Systembauteile von bis zu 500 kg noch händisch zusammengebaut werden.

In jedem Fall kann eine Systembrücke innerhalb weniger Stunden errichtet werden und eignet sich daher besonders als Notfall-, Ersatz-, Behelfs- und Baustellenbrücke.

Verfügbarkeit von System-Brückengerät: IST-Stand

Gerät in Niederösterreich und Wien

Im Bundesland Niederösterreich gibt es sowohl militärisches System-Brückengerät als auch Gerät der Niederösterreichischen Landesregierung:

- vom BMLV beschafftes Gerät beim Pionierbataillon 3 (PiB3) in Melk/Donau - 70 lfm (Laufmeter) D-Brücke; - von Niederösterreich und Wien beschafftes Gerät beim PiB 3 - 300 lfm D-Brücke; - Landes-Gerät an der Pioniertruppenschule Klosterneuburg - 36 lfm Bailey-Brücke.

Das Bundesheer hat das Pionierbataillon mit D-Gerät zum Einsatz gemäß Wehrgesetz ausgerüstet, also auch für den Katastropheneinsatz. Das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung hat weiteres D-Gerät beschafft und dem Bundesheer in das Eigentum übertragen, um eine ausreichende Ausstattung der Pioniere in Niederösterreich für den Katastropheneinsatz und im öffentlichen Interesse sicherstellen zu können.

Das Bailey-Gerät wurde nach dem zweiten Weltkrieg von den Briten zurückgelassen und ist im Eigentum des Landes Niederösterreich. Es befindet sich an der Pioniertruppenschule und wird zur Ausbildung des Pionierkaders verwendet. Wegen des Alters des Brückengerätes ist in Niederösterreich sowohl das vorhandene Bailey-Gerät als auch das D-Gerät nicht mehr generell für die Brückenklasse I einsatzfähig.

Die Bundesländer Wien und Niederösterreich sowie das Österreichische Bundesheer trafen im Sommer 2003 ein Übereinkommen mit folgendem (gekürzten) Inhalt:

- Das Bundesland Wien überträgt sein D-Brückengerät dem Bundesheer; Lagerung und Wartung obliegen den Pioniereinheiten in Niederösterreich und Wien.

- Das Bundesland Niederösterreich trägt die Kosten für zusätzliche erforderliche Brückenteile.

- Niederösterreich führt mit seinen Brückenmeistereien die bauliche Instandsetzung durch.

- Das Bundesheer errichtet im Katastrophenfall mit diesem Gerät Brücken in Wien oder Niederösterreich; der Zeitpunkt der Anforderung entscheidet über die Priorität.

- Bei anderen Einsätzen ist die Zustimmung dieser beiden Bundesländer einzuholen.

- Die Verbringung des Gerätes aus dem Raum Wien und Niederösterreich bedarf der Zustimmung beider Bundesländer.

Das Brückengerät wurde 1976 von der Stadt Wien angekauft, um eine Straßenbahn-Ersatzbrücke für die eingestürzte Reichsbrücke errichten zu können. Daher fehlen Fahrbahnplatten, um das Gerät für den Straßenverkehr einsetzen zu können. Eine Inventur dieses Wiener D-Gerätes hat einen sehr großen Bestand an wesentlichen Brückenteilen ergeben (529 Hauptträger, 144 Querträger einspurig, 38 Querträger zweispurig, 324 Verstärkungsgurte).

Das Übereinkommen bringt allen Unterzeichnern Vorteile:

- Wien erspart sich hinkünftig die Lagerkosten und bekommt bei Bedarf die notwendige Unterstützung.

- Niederösterreich konnte durch Ergänzung und Leistungssteigerung des Gerätes seinen Bedarf decken. Durch den Ankauf von verstärkten Fahrbahnplatten sowie die Adaptierung von 70 Stk. Hauptträgern ist seit Anfang 2005 die Errichtung von 150 lfm D-Brücke für Brückenklasse I möglich.

- Das Bundesheer ist der Eigentümer dieses Gerätes und kann es für Zwecke der militärischen Landesverteidigung gemäß Wehrgesetz einsetzen.

Gerät im übrigen Bundesgebiet

Das Bundesheer verfügt im Bereich der Pionierbataillone in Salzburg und Kärnten über je 58 lfm militärisches D-Brückengerät.

Die immer wieder von Hochwässern betroffenen Bundesländer haben - wie Wien und Niederösterreich - Übereinkommen mit dem Bundesheer getroffen und Brückengerät für den Katastropheneinsatz beschafft.

In einer Notsituation - wie sie beim Hochwasser im August 2002 gegeben war - ist es möglich, Gerät von anderen Bundesländern zu bekommen. Bei einer Planung im Zuge der Katastrophenvorsorge sollte allerdings davon ausgegangen werden, dass mehrere Bundesländer gleichzeitig betroffen sein könnten und die eigenen Ressourcen selbst benötigt werden.

Beschreibung der in Österreich verwendeten Systembrücken

Bailey-Brücke

Die Bailey-Brücke ist ein britisches Gerät und wurde 1940 von Sir Donald Bailey entwickelt. Sie entsprach den damaligen (Kriegs-)Erfordernissen für 35-Tonnen-Panzer und wurde in sehr großer Stückzahl gebaut.

In der Konstruktion der Bailey-Brücke wurde die Idee des Baukastensystems hervorragend umgesetzt. Daher hat das Konzept unverändert sehr großen Erfolg. Viele moderne Brückensysteme sind Weiterentwicklungen des Bailey-Gerätes.

Der Zusammenbau der einzelnen Teile der Hauptträger ist vor allem deshalb so einfach, weil die Verbindung der Gurte nur durch jeweils einen Bolzen erfolgt.

Die Breite der Brücke wird durch die nutzbare Länge der Querträger bestimmt. Im breitest möglichen Fall stehen die inneren Hauptträgerwände in ihren Achsen im Abstand von 3,997 m. Daraus ergibt sich eine Verkehrsbreite von 3,76 m und eine Fahrbahnbreite von 3,28 m.

Die Bailey-Brücke kann wegen des geringen Gewichtes der einzelnen Bauteile und aufgrund der einfachen Verbindungen von eingeschulten Arbeitskräften ohne besondere Hilfsgeräte in sehr kurzer Zeit eingebaut werden und ist daher bestens dazu geeignet, in Katastrophenfällen eine rasche Behebung von Verkehrsunterbrechungen zu gewährleisten.

1993 wurde das von den Engländern zurückgelassene und im Bestand des Landes Niederösterreich befindliche Bailey-Gerät auf seine Tragfähigkeit hin überprüft.

Danach wurde festgelegt, dass - dieses Gerät vor Gebrauch auf Korrosionsschäden überprüft werden muss, - die Bauteile vor dem Einbau auf Anrisse im Bereich der Schweißnähte zu überprüfen sind, - der Einbau immer nach der Bailey-Vorschrift (von 1947) durchgeführt werden muss, - das Gerät nur für Provisorien verwendet werden darf und bei einem dauernden Einsatz von mehr als einem Jahr eine Brückeninspektion durchzuführen ist, - die Bailey-Brücke nur als zwei- oder mehrwandiges Brückensystem ausgeführt werden darf, - hinsichtlich der Belastbarkeit eine Begrenzung mit Brückenklasse II (16-t-LKW) vorzunehmen ist sowie - die Geschwindigkeit auf der Brücke mit 30 km/h zu begrenzen ist.

Das Bailey-Gerät wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges von der britischen Firma Mabey & Johnson kontinuierlich weiterentwickelt, und sie versorgt nach wie vor alle Besitzer von Bailey-Brücken in aller Welt mit Ersatzteilen. Entsprechend den sich wandelnden Anforderungen hinsichtlich der Tragfähigkeit von Brücken haben Mabey & Johnson folgende Brückentypen auf Basis des bewährten Bailey-Konzeptes entwickelt:

- Compact 200 (C 200), Fahrbahnbreiten: 2,10 m, 3,15 m, 4,20 m, 7,35 m; - die Logistic Support Bridge (LSB) (baugleich mit der Compact 200) für den militärischen Markt; - Mabey Universal (MU), Fahrbahnbreiten: 3,15 m, 4,20 m, 7,35 m, 10,50 m.

Mabey & Johnson verfügen über adäquate Herstellungs-, Prüf- und Lagerkapazitäten.

Die Mabey-Universal-Brücke erlangte 1974 Marktreife. Ihre Stärke liegt vor allem in den großen Spannweiten, hohen Lasten und einer hohen Belastungsfrequenz. Seit ihrer Einführung sind ca. 100 000 Tonnen Brückenelemente an Endkunden ausgeliefert worden, das sind etwa 30 000 lfm Brücken. Dies entspricht der Distanz zwischen St. Pölten und Pöchlarn.

Der Name Mabey Logistic Support Bridge (Mabey LSB) steht für eine leistungsfähige Brücke, die für militärische Zwecke im Rahmen internationaler Missionen verwendet wird. Diese Brücke entspricht dem NATO-Standard. Die USA, Großbritannien, die Schweiz, Italien, Deutschland, Spanien, die Niederlande, Frankreich, Kanada, Slowenien, Ungarn, Polen und Tschechien haben dieses System eingeführt.

Den österreichischen Soldaten begegnen Mabey-Brücken während der Auslandseinsätze auf dem Balkan. So haben österreichische KFOR- und SFOR/EUFOR-Soldaten gemeinsam mit Kameraden aus anderen Staaten bisher etwa 1 021 lfm Mabey-Brücken im Einsatzgebiet am Balkan gebaut.

(wird fortgesetzt) ___________________________________ __________________________________ Autor: Oberstleutnant Werner Suez, Jahrgang 1959. 1983 Ausmusterung zum Heerespionierbataillon in Melk. Ab 1992 Ausbildungsoffizier und Kommandant der Stabskompanie des Militärkommandos NÖ in St. Pölten, anschließend Referatsleiter für territoriale Angelegenheiten bei der 1. Betriebsversorgungsstelle. 1999 bis 2000 als Pionier- und Sperroffizier sowie seit 2000 als Referent für Pionier- und MilGeowesen im Militärkommando NÖ tätig. Mitwirkung beim Hochwasser-Assistenzeinsatz 2002 als S3 und fachlicher Einsatzleiter.

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