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Fliegerabwehr in Seminarform

"Fliegeralarm!" "Decken!" Das war’s?

Das Thema Fliegerabwehr aller Truppen war im Österreichischen Bundesheer bis dato ein Stiefkind. "Fliegeralarm!" "Decken!" Das kann noch nicht alles gewesen sein. Die aktive Fliegerabwehr aller Truppen hat ihre Berechtigung - Erfahrungen der letzten Jahrzehnte rund um die Welt beweisen dies.

Während der Operation "ANACONDA" in Afghanistan wurden am 2. März 2002 vier von fünf eingesetzten US-Kampfhubschraubern AH-64 "Apache" durch aktive Fliegerabwehr aller Truppen erheblich beschädigt. Die Piloten wurden zum Abbruch des Auftrages gezwungen und die Hubschrauber standen zwei Monate im Hangar.

Zwischen dem 2. und dem 4. März 2002 wurden noch ein UH-60 "Black Hawk" und zwei MH-47 "Chinook" abgeschossen. Zwei weitere "Chinook" wurden beschädigt.

Die Taliban bekämpften die Hubschrauber mit Maschinengewehren vom Kaliber 7,62 mm, 12,7 mm und 14,5 mm. Panzerabwehrrohre und Sturmgewehre trugen das Ihrige bei. Dem Feuer der Bodentruppen hielt selbst der schwer gepanzerte Kampfhubschrauber AH-64 "Apache" nicht stand.

Im Raum Kerbala im Irak erlebte das 11th Aviation Regiment, ein US-Kampfhubschrauberregiment, im März 2003 eine böse Überraschung. Das mit AH-64D "Longbow" ausgerüstete Regiment hatte den Auftrag, die "Medina-Division" der Republikanischen Garde anzugreifen. Durch den Einsatz von Flugmeldern wurden jedoch die irakischen Kräfte alarmiert, und die US-Kampfhubschrauber gerieten in einen Hinterhalt. Durch den Beschuss aus Maschinengewehren, Sturmgewehren und Panzerabwehrrohren wurden die meisten der eingesetzten Kampfhubschrauber beschädigt und somit zum Auftragsabbruch gezwungen. Ein AH-64D "Longbow" musste notlanden - Saddam Hussein und seine Soldaten erzielten einen Propagandaerfolg.

Die britische Armee verweist auf ihre positiven Erfahrungen im Falkland-Krieg 1982, als argentinische Erdkampfflugzeuge "Pucara" erfolgreich mit Sturm- und Maschinengewehren bekämpft wurden. Die Fliegerabwehr aller Truppen hatte eine äußerst hohe moralische Wirkung auf die eigene Truppe - sie nimmt dem Soldaten das Gefühl der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins gegenüber seinem Gegner.

Die Heeresflugabwehrschule der Deutschen Bundeswehr hebt die Bedeutung der aktiven Fliegerabwehr aller Truppen hervor. Nach dem Prinzip "Viele Jäger sind des Hasen Tod", können auch kleine, scheinbar harmlose Geschoße, insbesondere an modernen Luftfahrzeugen, zu Beschädigungen führen, die einen Auftragsabbruch bedingen. Die Heeresflugabwehrschule führt jährlich Kurse für Offiziere des Aktiv- und Reservestandes aller Waffengattungen durch.

Fliegerabwehr aller Truppen - Das österreichische Seminar

Die Fliegerabwehrschule des Österreichischen Bundesheeres führt seit 2003 zweimal jährlich das Seminar "Fliegerabwehr aller Truppen für alle Waffengattungen" durch.

Seminarziele

- Erhöhung der Selbstverteidigungsfähigkeit gegen Luftfahrzeuge durch Kenntnis der aktiven und passiven Fliegerabwehrmaßnahmen; - Bekämpfung eines Schleppzieles gemäß Erlass "Schießprogramm für das Erd- und Luftzielschießen der Fliegerabwehrwaffen und die Fliegerabwehr aller Truppen"; - Information über die Bewaffnung, Ausrüstung und das Angriffsverfahren von Luftfahrzeugen.

Der Teilnehmerkreis erstreckt sich auf Offiziere, Unteroffiziere sowie Chargen aller Waffengattungen; zwölf Seminarplätze stehen zur Verfügung.

Notwendigkeit

Die Notwendigkeit eines solchen Seminars ergibt sich durch die Vernachlässigung des Themas Fliegerabwehr aller Truppen in der Ausbildung. Der drastische Mangel an Ausbildungszeit und die Wissensverlagerung auf andere Themenbereiche sind vermutlich die Auslöser. Weiters muss berücksichtigt werden, dass dem Jägerbataillon nach Wegfall der 20-mm-Maschinenkanonenzüge die aktive Fliegerabwehr aller Truppen als einziges Element zur Fliegerabwehr bleibt.

Lerninhalte

Das viertägige Seminar gliedert sich in einen theoretischen Teil mit Unterrichten zu den Themen:

- aktive und passive Fliegerabwehr aller Truppen; - Luftaufklärung; - Feuerkampf auf Luftziele; - Sicherheitsbestimmungen beim Luftzielschießen; - Bewaffnung; - Angriffsverfahren von Luftfahrzeugen.

Der praktische Teil des Seminars besteht aus dem Vorüben des Schießprogrammes und den Schießübungen. Die einzelnen Schießübungen werden dabei grundsätzlich von jedem Teilnehmer zweimal geschossen.

Scharfschießen

Bei jeder Übung mit dem Kaliber 7,62 mm bekämpfen gleichzeitig drei bis sechs Schützen ein Schleppziel. Bei den Übungen mit dem Kaliber 12,7 mm werden gleichzeitig zwei bis vier Waffen auf ein Schleppziel gerichtet.

Durch die Bekämpfung des Schleppsackes mit mehreren Waffen gleichzeitig wird der Einsatzgrundsatz der Fliegerabwehr "hohe Munitionsdichte am Feind" eingehalten. Außerdem steigt dadurch selbstverständlich die Treffwahrscheinlichkeit.

Beim Schießen mit der Bordkanone MK-66 des Schützenpanzers "Saurer" schießen zuerst die Richtschützen die Übungen einzeln. Eine Bekämpfung durch mehrere Bordkanonen ist ebenso möglich.

Schießprogramm

Im Erlass "Schießprogramme für das Erd- und Luftzielschießen der Fliegerabwehrwaffen und der Fliegerabwehr aller Truppen" vom 1. September 1999 sind jene Schießübungen für "alle Truppen" dargestellt.

Dieses Schießprogramm gilt für alle zur Fliegerabwehr aller Truppen geeigneten und vorgesehenen Waffen des Österreichischen Bundesheeres, nämlich:

- das 7,62-mm-Maschinengewehr MG-74 und alle 7,62-mm-Bordwaffen von gepanzerten Kampf- und Gefechtsfahrzeugen (GKGF) aus - das 12,7-mm-überschwere Maschinengewehr üsMG M-2 und die 12,7-mm-Bordwaffen von GKGF aus, sowie für - die 20-mm-Maschinenkanone MK-66 von Schützenpanzern "Saurer" aus.

Das Luftzielschießen gliedert sich in - das Schulschießen mit drei Übungen mit dem Kaliber 7,62 mm, - das Schulschießen mit drei Übungen mit dem Kaliber 12,7 mm und - das Schulschießen mit vier Übungen mit dem Kaliber 20 mm.

Dabei ist es zweckmäßig, die Übungen zum Erlernen der schießtechnischen Grundlagen mehrmals zu wiederholen.

Als Ziel wird ein Schleppsack eingesetzt, der mit einer Seillänge von ca. 900 m von einer Schleppmaschine vom Typ Pilatus PC-6 "Turbo Porter" mit einer Geschwindigkeit von 60 m/s und einer Zielhöhe von 200 m über Grund gezogen wird. Beim Luftzielschießen werden nur Überflüge bekämpft.

Die Auswertung des Luftzielschießens erfolgt durch das Doppeltrefferauswertesystem (DTAS). Dieses zeigt die Ablage der Treffer um den unmittelbar vor dem Schleppsack angebrachten "Miss Distance Indicator" (MDI) an.

Der Radius um den MDI, innerhalb dessen die Geschoßdurchgänge gemessen werden, beträgt - beim Kaliber 7,62 mm acht Meter - beim Kaliber 12,7 mm vier Meter und - beim Kaliber 20 mm vier Meter.

Die Geschoßdurchgänge innerhalb dieses Radius werden als erfolgreiche Bekämpfung gewertet.

Fliegerabwehr-Lücke?

Die Erfahrungen anderer Armeen und die Ergebnisse der bereits durchgeführten Seminare zeigen, dass das Thema Fliegerabwehr aller Truppen im Österreichischen Bundesheer zu Unrecht stiefmütterlich behandelt wird.

Dieses Seminar soll das Kaderpersonal der kleinen Verbände motivieren, aktive Fliegerabwehr mit den vorhandenen Waffen auf den Fliegerabwehrschießplätzen als einen Höhepunkt der Ausbildung durchzuführen.

Die Fliegerabwehrschule will in Zukunft diesem Thema mehr Aufmerksamkeit widmen, um allen Soldaten ein Instrument zu zeigen, das einerseits das Vertrauen in die Infanteriewaffen stärkt und andererseits die Fliegerabwehr-Lücke, die durch den Wegfall der 20-mm-MK-Züge aufgetreten ist, verkleinert.

___________________________________ __________________________________ Autor: Major Johannes Walzl, Jahrgang 1969. Einrückungstermin Oktober 1987, 1992 Ausmusterung als Leutnant zum Fliegerabwehrbataillon 11; 1995 bis 2001 Lehroffizier an der Fliegerabwehrschule; seit 2001 Referent in der Grundlagenabteilung.

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