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"Übe wie du kämpfst" Live Simulation

Übungsplätze

Im Jahr 2005 bewilligte das Eidgenössische Parlament den Kredit zur Errichtung der zwei heute bestehenden Simulationsplattformen des Ausbildungszentrums Heer (AZH). Die eine befindet sich in der Westschweiz (GAZ WEST) und die andere in der Ostschweiz (GAZ OST).

Beide Plattformen verfügen über je eine Anlage SIMUG (Simulationsunterstützung für Gefechtsübungen) und SIM KIUG (Simulationsunterstützung für den Kampf im überbauten Gelände). Erstere dient dabei primär der Unterstützung und Führung von Übungen im offenen Gelände, während die Anlage SIM KIUG, wie es der Name selbst bereits sagt, vorwiegend auf das Anlegen von Übungen im verbauten (urbanen) Gelände ausgerichtet ist. Aufgrund weitläufigerer Dimensionen auf dem Übungsplatz Bure (ca. 45 km südwestlich von Basel) trainieren dort größtenteils die mechanisierten Verbände des Heeres. Die Infanterie konzentriert sich mehrheitlich auf die Anlage auf dem Übungsplatz Walen- stadt/St. Luzisteig (im südlichen Liechtenstein), benutzt aber auch die Anlage in Bure.

Die Übungsanlagen sind grundsätzlich auf Zugs- beziehungsweise (verstärkte) Kompanieübungen ausgerichtet. Das Trainieren auf Ebene Bataillon ist ebenfalls möglich. Verständlicherweise stellen dabei die Zugsübungen jeweils die Vorbereitungsphase für Übungen auf der nächsthöheren Stufe dar. Volltruppenübungen auf Bataillonsebene bilden eher die Ausnahme, sind jedoch systemtechnisch möglich.

Möglichkeiten von SIMUG/SIM KIUG

Auf beiden Simulationsanlagen ist eine lückenlose Erfassung sämtlicher sich in der Übung befindlichen Soldaten und Kader, inklusive Funktionserkennung, Waffensysteme sowie Fahrzeuge mittels Satellitennavigation (GPS) und Funkortung, möglich.

Sowohl Truppe, Waffen wie auch Kraftfahrzeuge sind mit LASSIM-(Laserschuss-Simulations-)Komponenten ausgerüstet. Dies erlaubt dem System beispielsweise Standorte, respektive Bewegungen von Personen und Fahrzeugen in Echtzeit zu erkennen oder auch wann, wo, wer auf wen/was mit welcher Waffe geschossen hat und welche Wirkung daraus resultiert.

Dank der Ultraschall-Ortung ist es in der Anlage SIM KIUG sogar möglich, Bewegungen einzelner Personen und Fahrzeuge innerhalb von Gebäuden mit einer Ortungsgenauigkeit von +/- 0,5 m zu verfolgen.

Persönliche Ausrüstung und Bewaffnung

Die persönliche Ausrüstung und Bewaffnung (PAB) spielt dabei eine äußerst wichtige Rolle. Denn nicht nur die Erfassung sechs differenzierter Verletzungsstufen - von leicht verletzt über schwerstverletzt bis hin zum Ausfall - an zehn verschiedenen Körperstellen, die der Simulator erkennen und unterscheiden kann, ist möglich, sondern auch deren Behebung durch Selbst- und Kameradenhilfe (bei den zwei untersten Stufen). Weiters werden sämtliche in die Übung involvierten Personen namentlich im System erfasst, und es können bis zu sechzehn verschiedene Waffen mit ihrer persönlichen Ausrüstung kombiniert werden.

Mobile Taktische Führung

Die Mobile Taktische Führung (MTF) ist ein äußerst effizientes Hilfs- mittel für den Übungsleiter, das ihm auch außerhalb der Leitzentrale im Feld oder in einer Ortschaft erlaubt, die Übung während der gesamten Dauer zu überwachen.

Durch das stets aktuelle Bild über die Lage der eigenen übenden Truppen sowie der Gegenseite bzw. des Gegners wird die Steuerung der Übung extrem vereinfacht. Denn mit Hilfe des MTF (siehe nebenstehendes Bild) hat der Übungsleiter jederzeit den Überblick über alle Abläufe, was ihm ermöglicht, die Übung zielgerichtet zu beeinflussen. So kann er beispielsweise anhand der auf dem MTF erkannten Situation eine Reaktion der übenden Truppe mit einem bestimmten Verhalten der OPFOR (Opposing Force) provozieren. Des Weiteren ermöglicht die MTF dem Übungsleiter, sich auf den Verbandsführer zu konzentrieren, ohne gleichzeitig den Rest des Verbandes aus den Augen zu verlieren.

Videoüberwachung

Auf beiden Übungsanlagen (SIMUG und SIM KIUG) stehen mobile Videoteams zur Verfügung, die von der Übungsleitung eingesetzt werden, um sowohl technisches wie auch taktisches Verhalten in Live-Bildern festhalten zu können. Da insbesondere beim Kampf im verbauten Gelände oft eine Vielzahl von Aktionen gleichzeitig läuft, verfügen die Anlagen in den Ortskampfanlagen neben den mobilen Teams zusätzlich über fix installierte Kameras, die eine permanente Videoüberwachung bei Tag und Nacht in und um die Gebäude ermöglichen.

Leitzentrale

Die Leitzentrale ist das wesentliche Steuerungselement der Simulationsplattform. Personell ist die Leitzentrale mit zwei bis drei Angestellten aus der Industrie - zur technischen Unterstützung - und mit, je nach Größe des übenden Verbandes, vier bis sechs Berufsmilitärs besetzt.

Neben der Möglichkeit der Einflussnahme auf die Übung durch Führung von Artilleriefeuer, Legen von Minenfeldern oder die Neutralisation von Fahrzeugen sowie einzelner Personen bis hin zu ganzen Verbänden laufen in der Leitzentrale während einer Übung sämtliche Informationen zusammen und werden für die anschließende Übungsbesprechung analysiert und verarbeitet. Die Ausbildungssteuerung/-auswertung erfolgt somit nach dem "Mehr-Augen-Prinzip".

Da die Übungsüberwachung durch die Übungsleitung im Gelände und parallel durch die Leitzentrale stattfindet, werden technische und taktische Fehlverhalten in Kraft, Raum, Zeit und Information lückenlos aufgedeckt. Diese können der Truppe in der anschließenden Übungsbesprechung aufgezeigt werden. Dazu werden in der Leitzentrale die während der Übung aufgezeichneten Videosequenzen und Funkgespräche sowie die erstellten Replays und Snapshots (Wiedergaben und Momentaufnahmen aus der computersimulierten Überwachung der Übung), ausgerichtet auf die Zielsetzungen des Übungsleiters, für die Übungsauswertung analysiert und verarbeitet. Diese werden anschließend mit den vom Übungsleiter im Gelände gewonnenen Eindrücken abgeglichen und für die Übungsbesprechung vorbereitet.

Übungsbesprechung

Auf allen Übungsanlagen (SIMUG und SIM KIUG) stehen Lehrsäle für bis zu 200 Personen zur Verfügung. Diese bieten bei Übungen in Kompaniestärke die Gelegenheit, die durchgeführte Übung mit der gesamten Truppe zu besprechen. Dabei stehen sowohl der Dialog zwischen dem Übungsleiter und dem übenden Verband als auch das Ziel, dass Letzterer in der Lage ist, selbstständig Lehren aus der Übung zu ziehen, im Zentrum.

Analog einer After Action Review (siehe TD 4/2013, "After Action Review mit Simulationssystemen") verläuft die Übungsbesprechung grundsätzlich in vier Schritten. Vorweg werden die Zielsetzungen der Übung noch einmal wiederholt. Nach der darauffolgenden, chronologischen Aufarbeitung der Geschehnisse erfolgt ein Vergleich des "Soll-Ist-Zustandes", also die Beurteilung des Erreichens der Ziele der Übung. Im vierten und letzten Schritt ziehen Truppe und Kader ihre Lehren und folgern daraus die Konsequenzen für nachfolgende Übungen.

Mehrwert der Live-Simulation

Erfahrungswerte haben gezeigt, dass der Lerneffekt auf der Simulationsplattform gegenüber einer Übung ohne eine Live-Simulation, je nach Ebene des übenden Verbandes, zwei- bis viermal größer ist. Der Mehrwert dieser Simulationsplattform ist in verschiedenen Bereichen. Diese sind Gefechtsfelddarstellung, Schulung der Übungsleitung und Qualität der Übungsauswertung.

Gefechtsfelddarstellung

Oft werden bei der Truppe mangelnde Kenntnisse in Bezug auf die Wirkungen verschiedener Waffensysteme festgestellt. Mit der Simulationsplattform kann das Gefechtsfeld realitätsnahe dargestellt werden, was zu einem besseren Verständnis des Gefechtes durch die Truppe führt. Dies wird unter anderem erreicht durch:

  • die realitätsnahen Verwundungsmöglichkeiten und deren vom System verlangten Behandlung - die Folgen einer Nichtbehandlung sind vom System verursachte Ausfälle, die in der Leitzentrale ausgewertet werden können;
  • die Möglichkeit mittels Beschuss Ausfälle von Gefechtsfahrzeugen und deren Besatzung zu simulieren - die Auswirkungen werden vom System auf die sich im Fahrzeug befindliche Truppe übertragen;
  • den Einsatz von Steilfeuer mit Feuerführung und Feuerleitung in der Leitzentrale, das im Gelände Wirkung erzielt;
  • die in der Anlage SIM KIUG instrumentierten, auf Beschuss reagierenden Effektoren an Häusern - daraus resultiert, abhängig vom Waffensystem, der Munitionssorte und der Einsatzdistanz, auch eine Wirkung im innern der Gebäude, was durch Blitzlicht, Rauch und akustische Effekte unterstützt wird;
  • die Schulungsmöglichkeit der zeitlichen Dimension von Steilfeuer, Annäherung in größeren Verbänden und dergleichen;
  • das Aufzeigen der hohen Anforderungen von "Feuer und Bewegung" mit dem Ziel, keine eigenen Verluste zu erleiden - mit dem System kann sowohl das Gefahrenpotenzial für das so genannte "Friendly-Fire" wie auch dessen Auswertung aufgezeigt werden.

Schulung der Übungsleitung

Im Bereich Anlegen und Durchführen von Übungen generiert die Simulationsplattform einen weiteren Mehrwert. Einerseits haben der Übungsleiter und deren Gehilfen durch die Hilfsmittel der Plattform stets ein aktuelles Lagebild und können somit die Übung durch das Aufzeigen möglicher Schwachpunkte/taktischer Fehler oder die Provokation zum Handeln (Belohnung und Bestrafung) effizienter in die gewünschte Richtung steuern.

Andererseits wird aufgezeigt, welche Wirkung die Beeinflussung der Übung durch gezielte Steuerung der OPFOR durch die Übungsleiter tatsächlich hat. Dies führt bei den Übungsleitern zu einem besseren Verständnis der Gefechtsverläufe und steigert somit die Qualität künftiger Übungen. Während der Vorbereitung der Übungsbesprechung profitieren die Mitglieder der Übungsleitung von der Erfahrung des Berufspersonals der Simulationsplattform. Dies ändert sich in taktischen/technischen Angelegenheiten wie auch im Bereich Anlegen und Durchführen von Übungen.

Qualität der Übungsauswertung

Gegenüber älteren Simulationssystemen und anderen Übungsanlagen bieten die Möglichkeiten der neuen Simulationsplattformen gleich mehrere Vorteile:

- Die Übungsüberwachung durch erfahrene Berufsmilitärs in der Leitzentrale und im Gelände ermöglicht eine qualitativ hochstehende Übungsauswertung.

- Systemtechnisch kann durch re- dundante Überwachung das Prinzip "Bottom Up/Top down" umgesetzt werden. Stufenunabhängig kann die Gefechtstechnik und das taktisches Vorgehen gleichzeitig überprüft werden, was zu einer Leistungssteigerung des Verbandes auf allen Ebenen führt.

- Eine professionelle Übungsbesprechung (analog einer After Action Review) steigert die Leistungsbereitschaft der Truppe. Denn erstens gibt sich die heutige Gesellschaft - und damit auch der Militärangehörige - nicht mehr zufrieden mit nur wage oder kaum belegbaren Kritiken. Und Zweitens sind sowohl schulische als auch berufliche Ausbildungen heutzutage vermehrt auf Multimedia-Produktionen ausgerichtet. Beiden Argumenten wird in der Übungsbesprechung auf den Plattformen Rechnung getragen.

Das heutige Einsatzumfeld

Das heutige Einsatzumfeld wird von verschiedenen Faktoren geprägt. Die Verhältnismäßigkeit, festgehalten in den so genannten Rules of Engagement (ROE), ist ein ständiger Begleiter militärischer Aktionen. Die Vielzahl von oft nur schwer erkennbaren Akteuren, wie involvierte Zivilisten, selbsternannte Bürgerwehren, Polizei, Grenzwache, guerillaartige Gruppierungen bis hin zu terroristischen Zellen, stellt einen weiteren Faktor dar. Nicht zuletzt führt auch die notwendige Fähigkeit, innerhalb verschiedener Bedrohungsszenarien adäquat reagieren zu können, zur Komplexität des heutigen Einsatzumfeldes.

Da mag es vielleicht dem einen oder anderen fragwürdig erscheinen, ob gerade eine Simulationsplattform all dem gerecht werden kann. Die Antwort ist einfach, muss jedoch im Gesamtrahmen betrachtet werden. So vermag die computersimulierte Unterstützung die Verhältnismäßigkeit wohl nur schwer aufzuzeigen, jedoch kann diese gut mit Videoaufnahmen, Fotos und/oder aufgezeichneten Funkgesprächen dargestellt und somit kompensiert werden. Des Weiteren liegt gerade einer der Vorteile solcher Plattformen in der Vielzahl der Erfassungs- und Auswertungsmöglichkeiten, wobei es darum geht, diese in ein entsprechendes Gleichgewicht zu bringen. So können beispielsweise übungstechnisch acht verschiedene Parteien auf dem System geladen werden, was neben dem übenden Verband noch eine große Zahl von "Mit- und Gegenspielern", darstellbar in verschiedenen Situationen, ermöglicht.

Dies erlaubt dem Übungsleiter nicht nur ein zeitgemäßes Bild der Akteure darzustellen, sondern er kann diese dank der Simulationsplattform permanent überwachen und zielgerichtet steuern.

Genau diese Vielzahl von Erfassungs- und Auswertungsmöglichkeiten ist, insbesondere im Zusammenhang mit dem heute primär asymmetrisch geprägten Einsatzumfeld, von eminenter Bedeutung, da sie während den Übungen erlaubt, die durch dieses Umfeld sowohl auf gefechtstechnischer wie auch taktischer Stufe entstandene Komplexität festzuhalten, zu analysieren und auszuwerten.

Bei einer Zugsübung könnte die Lage wie folgt aussehen:

Der Zug hat die Aufgabe, einen Ortsteil zu durchsuchen und die sich dort befindenden Akteure der Gegenseite festzunehmen. Die verschiedenen Elemente des Zuges wurden während der Aktion durchmischt, und somit ist ein koordiniertes Weiterstoßen kaum möglich. Außerdem musste der Zug mehrere Ausfälle in Kauf nehmen, was eine Weiterführung des Auftrages in Frage stellt.

Das Aufzeigen dieser Situation ermöglicht der Truppe zu erkennen, wie wichtig die Koordination - klare Zuweisung von Aufträgen und räumlicher Verantwortlichkeiten - der verschiedenen sich im Einsatz befindlichen Elemente ist.

Betreffend der Festnahme mehrerer Personen wurde eine Videosequenz erstellt. Der Übungsleiter kann der Truppe nun während der Übungsnachbesprechung dieses Szenario noch einmal eins zu eins vor Augen führen und das Vorgehen bezüglich Technik, Verhältnismäßigkeit und der im Gesamtrahmen gesehenen taktischen Richtigkeit beurteilen.

Eine Infanteriegruppe ist in ein weiteres Haus vorgedrungen, um von dort aus die Feuerunterstützung vorzubereiten. Durch die Aufnahmen der im Haus installierten Kameras ist der Übungsleiter in der Lage, die gefechtstechnischen sowie taktischen Prinzipien dieser Phase zu analysieren und anschließend nachzubesprechen.

Live-Simulation versus Gefechtsschießen

Die Live-Simulation ist ein gutes Mittel für die Ausbildung von Verbänden und als solches unverzichtbar. Die Vorteile wie qualitativ hochstehende Übungsauswertung, Schulung von Verbänden bei gleichzeitiger Möglichkeit, die Übungsleiter selbst aus-, beziehungsweise weiterzubilden, und die Berücksichtigung des nicht zu verachtenden Kostendruckes, der sich auf Streitkräfte in globalem Ausmaß auswirkt, werden wohl vermehrt zu einer Schwergewichtsbildung in diesem Ausbildungsbereich führen. Selbstverständlich ist diese Ausbildungsform nicht als "Ultima Ratio" anzusehen. Gefechtsschießen bilden nach wie vor einen unverzichtbaren Bestandteil der Ausbildung. Denn die psychische Wirkung des Feuers sowie der Einfluss der äußeren Faktoren auf die Ballistik und auf das Treffen von Zielen müssen weiterhin geschult werden. Jedoch bietet die Simulationsplattform sonst kaum erreichbare Qualitäten an, um eben gerade andere Übungsformen vor- und nachzubereiten, beziehungsweise jene Übungen mittels Umsetzung des auf der Simulationsplattform Gelernten zu verbessern.


Autoren:

Oberst i Gst M. Bellwald, Kdt Ausbildungszentrum Heer (AZH).

Oberstlt P. Pellegatta, Kdt Gefechtsausbildungszentrum (GAZ) Ost.

Hptm M. Lampert, BO Regie Simulationsunterstützung für den Kampf im überbauten Gelände (SIM KIUG) GAZ Ost.

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