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Phönix Das Führungsinformationssystem des ÖBH

Beim Führungsinformationssystem "Phönix" handelt es sich um eine Eigenentwicklung des Österreichischen Bundesheeres (ÖBH). Es ist nicht nur ein modernes Werkzeug zur Unterstützung der Stabsarbeit in allen Führungsebenen und in allen Einsatzphasen, sondern es trägt zur Fähigkeit einer "Vernetzten Operationsführung" bei.

Nach einem zweijährigen Probebetrieb bei der 3. Panzergrenadierbrigade und erfolgreichen Tests in mehreren internationalen Übungen wurde Ende Dezember 2012 das Führungsinformationssystem "Phönix" zur Nutzung freigegeben. Seit Jänner 2013 wird dieses zukunftsweisende Informationssystem nun schrittweise im gesamten Bundesheer eingeführt. Bis Ende 2013 wird "Phönix" im Streitkräfteführungskommando, in allen Brigade- und Bataillonskommanden sowie im Jagdkommando ausgerollt. Danach werden auch die Auslandskontingente, die Militärkommanden, das Lagezentrum der Einsatzsektion sowie die Akademien und Schulen ausgestattet.

Trotz einer relativ weit fortgeschrittenen internationalen Standardisierung sind Führungsinformationssysteme keine Konfektionsware, sondern müssen an die vorhandene Informations- und Kommunikationsinfrastruktur, an geltende nationale Vorschriften und an die organisatorischen und kulturellen Besonderheiten einer Armee angepasst sein. Das gesamte erforderliche Wissen für die Entwicklung eines solchen Systems wurde innerhalb des Führungsunterstützungszentrums aufgebaut. Damit sind sowohl die Implementierung von Schnittstellen zu den Partnern und die Integration in die Systemlandschaft des Bundesheeres als auch die laufende Anpassung an neue Anforderungen, d. h. eine Weiterentwicklung und langfristige "Kampfwertsteigerung", auf effiziente Weise möglich.

Drehscheibe des militärischen Informationsverbundes

Führungsinformationssysteme (Command and Control Information Systems - C2IS) unterstützen die Stabsarbeit in allen Einsatzphasen und sind zu unverzichtbaren Hilfsmitteln moderner Streitkräfte geworden. Solche Systeme stellen sowohl auf der taktischen als auch auf der operativen Führungsebene die Informationsdrehscheiben im Verbund Aufklärung - Führung - Wirkung dar. Sie dienen der Bereitstellung, Verarbeitung, Darstellung und Übertragung von Informationen im militärischen Führungsverfahren und tragen maßgeblich zur Beschleunigung und qualitativen Verbesserung von Führungsentscheidungen bei. Die wichtigste Funktion eines Führungsinformationssystems ist das Führungsebenen übergreifende, gemeinsame Lagebild (Common Operational Picture), wobei in vielen Fällen auch eine satellitengestützte Positionsverfolgung der eigenen Kräfte möglich ist (Friendly Force Tracking). Daneben unterstützen Führungsinformationssysteme in unterschiedlichem Ausmaß auch die Planung und die Befehlsgebung. In einem experimentellen Stadium befinden sich neueste Entwicklungen, die simulationsbasierte Planungs-und Entscheidungsunterstützung mit Hilfe von Methoden und Verfahren der Künstlichen Intelligenz ermöglichen.

Flexibel und zuverlässig

Das österreichische Führungsinformationssystem "Phönix" ist modular aufgebaut und zeichnet sich durch seine hohe Flexibilität und Zuverlässigkeit aus. Mit hoher Redundanz ausgelegt und auf Standard-Hardware lauffähig, verfügt es über keine zentrale Komponente und damit keinen "Single Point of Failure". Jeder Knoten dieses Informationsnetzwerkes kann im Prinzip jede Funktion erfüllen und daher auch unabhängig von anderen Knoten betrieben werden. Information kann zwischen den Knoten des Systems über beliebige Routen verteilt werden. Selbst ein großflächiger Netzwerkausfall führt daher nicht zum Totalausfall des Gesamtsystems. In diesem Informationsnetzwerk ist auch eine Art Reparaturmechanismus eingebaut. Nach der Wiederherstellung unterbrochener Verbindungen erfolgt eine automatische Synchronisation zwi­schen allen betroffenen Netzwerkknoten entsprechend der voreingestellten Verbindungsrelationen.

Ein charakteristisches Merkmal des Führungsinformationssystems "Phönix" ist seine hervorragende Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Aufbau- und Ablauforganisationen. Während bei vielen Führungsinformationssystemen anderer Nationen eine Konfigurations­änderung des Systems nicht während des laufenden Betriebes erfolgen kann und manchmal sogar durch die Herstellerfirma durchgeführt werden muss, kann "Phönix" durch den Anwender während der Laufzeit angepasst werden. Eine weitere einsatzwichtige Funktion des Informationssystems "Phönix" ist sein "Gedächtnis". Jegliche Information, die im Zuge eines Einsatzes oder einer Übung in das System eingegeben wird, wird gespeichert und kann durch Standardanwender weder gelöscht noch nachträglich manipuliert werden.

Lagedarstellung

Zur Lagedarstellung und auch für die grafischen Beilagen zu Plänen und Befehlen werden digitale Karten unterschiedlicher Maßstäbe genutzt, die durch das Institut für Militärisches Geowesen des Führungsunterstützungs­zentrums in der Einsatzvorbereitung zur Verfügung gestellt werden. Neben digitalem Kartenmaterial können auch georeferenzierte Luft- oder Satellitenbilder hinterlegt werden, um auf diese Weise ein realistisches Bild des Einsatzraumes zu gewinnen.

Im Führungsinformationssystem wird die geografische Information mit der taktischen bzw. operativen Information verknüpft. Im Gegensatz zur traditionellen Lagekarte steht diese im elektronischen System in strukturierter Form in einer dahinterliegenden Datenbank zur Verfügung und kann daher in nahezu beliebiger Art und Weise geordnet, verknüpft, dargestellt und verteilt werden. Unter anderem können Positions- und Statusänderungen von Organisationselementen entsprechend den eingestellten Informationsaus- tau­sch­beziehungen in nahezu Echtzeit für alle berechtigten Anwender sichtbar gemacht werden. Das klassische Meldewesen kann dadurch teilweise ersetzt werden, weil gleichzeitig auch so genannte "Reporting Data" also eine Metainformation über den Erstellungs­zeitpunkt und den Urheber einer Meldung, über deren Zuverlässigkeit oder Vertraulichkeit etc., übermittelt werden.

Neue Aufgaben für den S6-Dienst

Insgesamt ist festzustellen, dass durch den Einsatz moderner Führungsinformationssysteme die Stabsarbeit zwar nicht grundlegend, aber doch in den konkreten Abläufen einem merkbaren Anpassungsprozess unterworfen ist. Auch hat sich das erforderliche Qualifikationsprofil, das für die Offiziere und Unteroffiziere des S6-Dienstes gilt, erheblich erweitert. Zusätzlich zum Spektrum der bisherigen Aufgaben kommt dem S6-Dienst nun auch die Administration des Führungsinformationssystems im Gefechtsstand sowie die anspruchsvolle Aufgabe des Informationsmanagements zu, damit jedes Stabsmitglied und jeder Kommandant genau zur richtigen Zeit über die richtige Information verfügt.

Interoperabilität

Für Österreich als Mitglied der Europäischen Union und Partner der NATO ist die multinationale Zusammenarbeitsfähigkeit des Bundesheeres von zentraler Bedeutung. Ein besonderes Merkmal ist daher die Interoperabilität des Führungsinformationssystems. Mit "Phönix" können mit Führungsinformationssystemen anderer Armeen Informationen ausgetauscht werden, so dass ein gemeinsames Lagebild entstehen kann bzw. Pläne und Befehle innerhalb einer multinationalen Koalition verteilt und richtig interpretiert werden können.

Die Interoperabilität von "Phönix" wird durch eine konsequente Ausrichtung an modernste Standards der NATO und des Multilateralen Interoperabilitätsprogrammes (MIP) erreicht. MIP ist eine multilaterale Organisation von 29 Nationen und dem NATO Allied Command Transformation, woran Österreich seit mehreren Jahren als assoziiertes Mitglied aktiv beteiligt ist. In diesem Interoperabilitätsprogramm entstehen in gemeinsamer Arbeit technische Spezifikationen, die dann in den nationalen Führungsinformationssystemen zu implementieren sind und in mehrstufigen Testreihen und in internationalen Interoperabilitätsübungen überprüft werden. Für das Führungsunterstützungszentrum des Bundesheers ist die aktive Beteiligung am MIP daher eine höchst effiziente Form, das für die Entwicklung eines Führungsinformationssystems notwendige Spezialwissen aufzubauen und aktuell zu halten. Gleichzeitig können vorhandene technische Spezifikationen genutzt und auf eine bestehende Testinfrastruktur und Testorganisation zurückgegriffen werden.

Internationale Interoperabilitätsübungen

Eine der jährlich stattfindenden Interoperabilitätsübungen ist NATO CWIX (Coalition Warrior Interoperability Exercise). CWIX gilt als wichtigste internationale Plattform für die Überprüfung der Interoperabilität von militärischen Informationssystemen. Sie ist als multinationale Stabsübung organisiert, bei der die technische und organisatorische Zusammenarbeitsfähigkeit in einem realistischen Einsatzszenario und mit festgelegten Testabläufen überprüft wird. Nur durch solche umfassenden und systematischen Tests mit möglichen Partnern in zukünftigen internationalen Einsätzen können rechtzeitig die notwendigen Erkenntnisse für die Entwicklung und Weiterentwicklung der Informationssysteme (technische Interoperabilität) sowie hinsichtlich der organisatorischen und menschlichen Aspekte zur multinationalen Zusammenarbeit (Humaninteroperabilität) gewonnen werden.

Nach 2011 und 2012 nahm das Österreichische Bundesheer heuer zum dritten Mal im Rahmen der NATO-Partnerschaft für den Frieden mit dem Führungsinformationssystem an CWIX teil. Dabei bewährte sich "Phönix" erfolgreich in der Zusammenarbeit eines österreichischen Aufklärungsbataillonskommandos mit einem übergeordneten polnischen Brigadekommando und mit den Bataillonen aus Deutschland, den Niederlanden, Polen, Tschechien und Schweden.

Eine weitere internationale Übung, an der das Bundesheer auch 2013 wieder mit "Phönix" teilnahm, ist "Combined Endeavor" (CE). Seit 1995 findet jährlich unter der Leitung von United States European Command (USEUCOM) diese weltweit größte Interoperabilitätsübung für Führungsunterstützungskräfte statt. Im Gegensatz zu CWIX wird bei CE neben den Informationssystemen auch die Kommunikationsinfrastruktur in das Übungsszenario einbezogen. 43 verschiedene Nationen und Organisationen aus Europa und Nordamerika nutzen dieses Umfeld, um ihre militärischen Kommunikations- und Informationssysteme in unterschiedlichen multinationalen Einsatznetzwerken zu überprüfen und die Verfahren für die Zusammenarbeit zu optimieren.

Einsatz und Übungen in Österreich

Neben den internationalen Interoperabilitätsübungen wurde auch bereits eine Reihe nationaler Stabs- und Truppenübungen mit dem Führungsinformationssystem "Phönix" absolviert. Einen Höhepunkt unter den ungefähr zehn bisher in Österreich mit "Phönix" durchgeführten Übungen stellte dabei im Juni 2012 das Kampfgruppenschießen der 3. Panzergrenadierbrigade auf dem Truppenübungsplatz Allentsteig dar. Als zentrales Element der Führungsunterstützung kam "Phönix" erstmals gemeinsam mit einem ebenfalls vom Führungsunterstützungszentrum entwickelten Prototypsystem für ein "Friendly Force Tracking" zum Einsatz. Dabei wurden die GPS-Positionsdaten der eigenen Gefechtsfahrzeuge erfasst und mittels des digitalen Truppenfunksystems CONRAD automatisch in das Führungsinformationssystem "Phönix" übertragen. Im Leitungsgefechtsstand und praktisch zeitgleich auch in der Sicherheitskanzlei des Truppenübungsplatzes stand immer ein aktuelles gemeinsames Lagebild zur Verfügung. Damit wurde mit "Phönix" nicht nur die taktische Führung des Gefechtes unterstützt, sondern auch ein wichtiger Beitrag zur Erhöhung der Sicherheit beim Scharfschießen geleistet.

Beim großen Hochwasser im Juni 2013 hat sich das Führungsinformationssystem "Phönix" zum ersten Mal auch in einem Assistenzeinsatz des Bundesheeres im Inland bewährt.

Zusammenfassung und Ausblick

Das Österreichische Bundesheer verfügt mit dem Führungsinformationssystem "Phönix" über ein modernes Softwaresystem für die militärische Stabsarbeit auf allen Führungsebenen, das im internationalen Vergleich seine hohe Leistungsfähigkeit bereits unter Beweis stellen konnte. In einem stark technologisch geprägten militärischen Umfeld trägt es wesentlich zur Inter­operabilität, d. h. zur Zusammenarbeitsfähigkeit unserer Streitkräfte in multinationalen Einsätzen bei.

Nicht zuletzt durch die aktive Beteiligung am Multilateralen Interoperabilitätsprogramm konnte im Führungsunterstützungszentrum innerhalb weniger Jahre ein umfassendes Know-how im Zusammenhang mit Führungsinformationssystemen aufgebaut werden. Da die Softwarearchitektur von "Phönix" ausschließlich auf eigenentwickelten Komponenten sowie auf einer so genannten "Open Source Software" beruht, ist eine Anpassung an neue Anforderungen bzw. die Weiterentwicklung des Systems sehr kosteneffizient möglich.

In einem bereits geplanten nächsten Entwicklungsschritt wird das bestehende Prototypsystem "Friendly Force Tracking" für die Verwendung mit Satellitenkommunikationssystemen erweitert und voll in das Führungsinformationssystem integriert. Der dringende Bedarf nach automatisierter Bestimmung und Übertragung von Positionsdaten auch weit über die Reichweite eines UKW-Truppenfunksystems hinaus ist nicht zuletzt auf die österreichische Beteiligung an der EU-Battle Group mit einem Versorgungsbataillon zurückzuführen.

Neben der zwingend erforderlichen Erhaltung der Interoperabilität durch laufende Anpassung an die jeweils aktuellen internationalen Standards stehen in weiteren Entwicklungsschritten Funktionserweiterungen für den Einsatz in operationsführenden Kommanden und Lagezentren sowie die verstärkte Integration mit bestehenden bzw. noch zu beschaffenden Kommunikations- und Informationssystemen im Vordergrund, um dem Ziel einer "Vernetzten Operationsführung" noch besser gerecht zu werden.


Autor: Dr. Manfred Pöckl, Jahrgang 1968; 1986 bis 1992 Studium der Technischen Physik an der TU Wien; 1992 bis 1995 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Allgemeine Physik der TU Wien; 1995 Promotion zum Dr. techn.; 1996 Grundwehrdienst im Kommando Fliegerdivision; 1996 bis 2004 Softwareingenieur in der Siemens Programm- und Systementwicklung; 2005 bis 2010 Chefanalytiker im Kommando Führungsunterstützung; Seit 2011 Leiter der Abteilung Einsatzorientierte Applikationen im Führungsunterstützungszentrum.

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