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Psychologie: Notfallpsychologie und das Peersystem im ÖBH

Der Eingang der Notfallpsychologie in die österreichische Militärpsychologie hat mit Februar 1998 mit dem ersten Critical Incident Stress Management-Seminar begonnen. Dieses wurde speziell für Militärpsychologen in Kooperation mit der Deutschen Bundeswehr angeboten. Zahlreiche weitere Ausbildungen folgten. Zurzeit verfügt das Bundesheer über 15 Notfallpsychologen, und weitere 11 Psychologen befinden sich in Ausbildung.

Die Notfallpsychologie stellt einen Teil der psychologischen Versorgung im Ressort dar. Das Repertoire an notfallpsychologischen Interventionen reicht hiebei von Schulungen zur Stärkung der psychischen Stabilität über Akutinterventionen und Stabilisierungsmaßnahmen bis hin zu Diagnosestellung und Behandlung von psychischen Symptomen und Störungen.

Um eine flächendeckende psychologische Erstversorgung gewährleisten zu können, bedient sich die Notfallpsychologie so genannter Peers. Das sind Bedienstete, die eine Ausbildung im Critical Incident Stress Management (CISM) absolviert haben. Dieses von Mitchell & Everly erstellte Programm wurde vom Psychologischen Dienst den Anforderungen des Österrei­chischen Bundesheeres entsprechend angepasst, weiterentwickelt und vor zehn Jahren im Ressortbereich etabliert. CISM stellt im Betreuungskonzept des Psychologischen Dienstes, nach der psychologischen Selbst- und Kameradenhilfe, die niederschwelligste Form der psychologischen Unterstützung dar und dient ausschließlich der Bewältigung potenziell traumatisierender Ereignisse, so genannter Critical Incidents. Insgesamt verfügt das Bundesheer zurzeit über 279 Peers und 102 Peeranwärter. Diese sind über viele Dienststellen und Kommanden verteilt und in ganz Österreich disloziert, um rasch psychische Ersthilfe leisten zu können.

Das CISM-Konzept wurde Ende der 1970er Jahre entwickelt und wird heute von Fachleuten teils heftig und sehr kontroversiell diskutiert. Gerade eine Methode des CISM, das Debriefing, ist unter Verdacht geraten, dass sein Einsatz mehr Schaden bei den Betroffenen anrichten könne als Nutzen bringe, wie ­z. B. die Gefahr von Flashbacks und Retraumatisierungen. Daher wurden die neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesem Thema gesichtet, aufbereitet und zusammengefasst, um Ableitungen für die Peerausbildung des ÖBH treffen zu können. Die Studienlage stellt sich sehr heterogen dar. Die Bandbreite der Aussagen über das Debriefing schwankt von wirksam über ineffektiv bis schädlich. Die meisten bzw. führenden Fachleute sprechen sich jedoch für das Debriefing aus. Eingeschränkt wird aber, dass es keine präventive Wirkung zur Verhinderung von Posttraumatischen Belastungsstörungen hat, sondern der Reduktion der akuten Stress- und Belastungssymptome, sowie der Langzeitbelastungen durch Stresssymp­tomatiken dient. Es werden auch explizite Empfehlungen zur Durchführung eines Debriefings ausgesprochen. Die Hauptforderungen sind: Leitung des Debriefings durch einen erfahrenen Psychologen unter der Mithilfe von mehreren Peers, Freiwilligkeit, homogene Gruppen (die Teilnehmer sollten ähnliches erlebt haben und gleich betroffen sein), maximal 15 Personen.

Ein Vergleich der Peerausbildung des ÖBH mit der des Österrei­­- chischen Roten Kreuzes und anderer Einsatzorganisationen (Feuerwehren etc.) sowie der Empfehlungen der österreichweiten Plattform Krisenintervention zeigt, dass die Ausbildungen ähnlich strukturiert sind und im Wesentlichen die gleichen Ausbildungsinhalte abdecken.

Durch den Fachdienst wurde auch eine Auswertung der Evaluierung der CISM-Seminare seit 2007 vorgenommen. Insgesamt wurden ca. 500 Fragebogen ausgewertet. 97 Prozent der Befragten gaben an, dass die Ziele und Lehrinhalte der Veranstaltung erreicht und Zusammenhänge und Querverbindungen hergestellt wurden. Die verwendete Methodik und didaktische Herangehensweise sowie das Engagement der Vortragenden des Psychologischen Dienstes wurden als vorbildlich beurteilt. Weiters wurde angegeben, dass es die Vortragenden verstanden, ein positives Klima und eine gute Atmosphäre während der Seminare zu schaffen. Die Teilnehmer sehen die Peerausbildung mit einer Zustimmung von über 98 Prozent als sehr wertvoll für sich an.

Insgesamt rangiert die Peerausbildung des ÖBH auf hohem Niveau und im Einklang mit den empfohlenen Standards. Dennoch werden das Curriculum und die Lehr- und Lernbehelfe zum Zwecke der Verbesserung und Qualitätssicherung überarbeitet, und eine Evaluierung der Peereinsätze wird angedacht.


Major dhmfD Mag. Gerald Moser

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