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Luftzielschießen an der Ostseeküste

Seit 2003 übt die Fliegerabwehrtruppe des Bundesheeres an der Ostsee. Aus Sicherheitsgründen ist das Luftzielschießen in Österreich nicht möglich. Die gute Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundeswehr und die Ostseeküste bieten günstige Vorraussetzungen für das Scharfschießen mit Kanone und Lenkwaffe.

Eine Fliegerabwehrbatterie des Österreichischen Bundesheeres befindet sich vom 07. bis zum 19. Oktober 2013 am Truppenübungsplatz Todendorf der Deutschen Bundeswehr in Schleswig-Holstein. Sie führt ein Luftzielschießen mit je drei Feuereinheiten (FE) 35-mm-Zwillingsfliegerabwehrkanone (ZFlAK) und leichter Fliegerabwehrlenkwaffe (lFAL) "Mistral" durch. Die FE beim Kanonensystem sind zwei Geschütze mit einem Feuerleitgerät, bei der lFAL entspricht jeder Werfer eine FE. Übungen im scharfen Schuss hält man nicht alleine ab, um den Ausbildungsstand der Soldaten zu überprüfen bzw. ihnen Gelegenheit zu geben, ihrer Schießverpflichtung nachzukommen. Es wird auch das Zusammenspiel der verschiedenen Systeme getestet, trainiert und optimiert. Der Datenverbund zwischen Aufklärungs- und Zielzuweisungsradar (AZR) mit der Taktischen Einsatzzentrale des Fliegerabwehrverbandes und den Feuerleitgeräten für das Kanonensystem bzw. dem Zieldatenempfänger für die "Mistral" spielen eine entscheidende Rolle. So übt die Truppe die wesentlichen Schritte der Fliegerabwehr, von der Bedrohungsanalyse mittels Sensoren (Radar) beginnend, bis zur Bekämpfung von feindlichen Luftfahrzeugen. Zusätzlich überprüft die Truppe auch die Handhabung und Einsatzfähigkeit des Gerätes im scharfen Schuss.

Insgesamt verlegen inklusive Schießübungsleitung 112 Soldatinnen und Soldaten mittels Eisenbahntransport bzw. C-130 "Herkules" auf den Flugabwehrschießplatz.

Warum an der Ostsee?

Leider ist es gegenwärtig nicht möglich, mit den Kanonen diese Übungen im scharfen Schuss in Österreich durchzuführen. Es gibt zwar einen Fliegerabwehrschießplatz am Truppenübungsplatz Allentsteig, dort darf aber zurzeit nicht mit bezünderter Munition (Explosivstoffe in der Granate) auf Luftziele geschossen werden. Die Gefahr von Blindgängern in einem großen Streuungsbereich lässt das nicht zu. Auch wenn jene Granaten, die ihr Ziel verfehlen, nach einer bestimmten Flugzeit sich noch hoch in der Luft selbst zerstören, kann ein Versagen dieses Mechanismus nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Übungsmunition (Geschosse ohne Explosivstoff) steht zurzeit nicht zur Verfügung. Die lFAL darf in Österreich überhaupt nicht verschossen werden, da die Sicherheitsbereiche selbst am Truppenübungsplatz Allentsteig nicht groß genug sind. Da die Soldaten aber in regelmäßigen Abständen ihre Schießverpflichtung erfüllen müssen, um ihr Handwerk nicht zu verlernen, übt eine gemischte Fliegerabwehrbatterie und eine Schießübungsleitung, die den Ablauf organisiert und koordiniert, auf einem Flugabwehrschießplatz der Deutschen Bundeswehr. Das Personal hiezu stellen das Fliegerabwehrbataillon 2 aus Zeltweg sowie das Fliegerabwehrbataillon 3 aus Salzburg und die Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule aus Langenlebarn. Die PC-6-Schleppflugzeuge für die Zieldarstellung kommen vom Luftunterstützungsgeschwader, ebenfalls Langenlebarn.

Zieldarstellung

Mit dem Kanonensystem feuert die Bedienung des Feuerleitgerätes bzw. der Richtunteroffizier (RiUO) der ZFlAK auf einen Schleppsack. Ein Flugzeug zieht dieses Ziel an einem 1 200 Meter langen Stahlseil hinter sich her. In der ersten Woche übt die Fliegerabwehrtruppe die Bekämpfung von so genannten langsamen Zielen: eine propellerbetriebene PC-6, die etwa mit 180 km/h fliegt, zieht den Schleppsack. In der zweiten Woche erfolgt das lFAL-Schießen. Dabei gibt es für die Zieldarstellung grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Ein Lear-Jet zieht ein Schleppziel an einem 6 000 Meter langen Seil. Für die lFAL wurde dabei das eigens für solche Schießen modifizierte Schleppziel SK-6 eingesetzt, das mit einem GPS ausgestattet war. Dadurch konnte beim Schießen mit der Mistral nicht nur das Schleppflugzeug, sondern auch das Schleppziel selbst und die Zielwege dargestellt werden. Damit werden höchste Sicherheitsstandards für alle am Gefechtsschießen Beteiligten sichergestellt.

Der Schleppkörper, der relativ klein ist, wird dabei mit Rauchpatronen ausgerüstet, damit er vom RiUO überhaupt gesehen wird. Außerdem ist er mit Flares (Täuschkörper) als Hitzequelle ausgestattet. Diese simulieren die Hitze des Triebwerkes eines Luftfahrzeuges, die der Suchkopf der Lenkwaffe erfassen kann. Rauch und Flare werden über Funk vom Boden aus ausgelöst.

Oder aber man schießt auf Drohnen (unbemannte Luftfahrzeuge), wobei der Zünder der Waffe bei der Drohne und beim Schleppziel auf Verzögerung gestellt wird. Dadurch wird aus Gründen der Sparsamkeit das Ziel nicht direkt bekämpft, sondern der Schuss auch in unmittelbarer Nähe des Zieles als Treffer gewertet. Somit kann das Ziel wieder verwendet werden.

Die dennoch auftretenden Kosten einer solchen Auslandsübung sind durch den Erfahrungsgewinn und vor allem durch das Sicherstellen des Funktionierens der Waffensysteme im scharfen Schuss gerechtfertigt.

Die Höhe über Grund des Schleppzieles variiert zwischen 200 und 600 Metern. Der Learjet ist auch in der Lage, erstens eine schnelle Zieldarstellung (250 km/h) durchzuführen und zweitens zwei Schleppsäcke gleichzeitig zu setzen, wobei eine Seillänge von 1 500 bis 2 500 Metern zur Auswahl steht. Damit können die Bedienungen der Feuerleitgeräte einen Zielwechsel auf eine anfliegende Rotte üben.

Trefferauswertung

Um die Leistungen der Soldaten überprüfen zu können, wird direkt vor dem Schleppsack/Schleppkörper ein Indikator montiert, der feststellen kann, wie nah oder fern zum Ziel die einzelnen Schüsse liegen. Dieser Indikator hat sechs Mikrofone eingebaut. Diese registrieren die Schallwellen, welche an der Spitze der Geschosse entstehen, wenn sie mit Überschallgeschwindigkeit fliegen bzw. es zum Explosionsknall der lFAL kommt. Damit kann zentimetergenau festgestellt werden, wo die einzelnen Schüsse das Ziel passieren. Hochgerechnet auf die Dimensionen eines Luftfahrzeuges ergibt das ein Trefferbild. Der Indikator sendet seine Ergebnisse sofort an eine Bodenstation. So kann die Truppe nach jedem Anflug eines Zieles ohne Zeitverzug über ihre Schießleistung informiert werden und, wenn notwendig, ihre Lehren daraus ziehen, um eine Verbesserung zu erreichen. Zusätzlich findet eine visuelle Beobachtung der Trefferlage statt.

Übungen

Die Soldaten schießen nicht einfach nur auf ein sie immer in gleicher Weise überfliegendes Luftziel. Das Ziel fliegt direkt über die Feuerstellung hinweg oder bewegt sich schräg bzw. parallel, von links oder rechts kommend, vor den eigenen Stellungen. Bei den Schießübungen werden dabei verschiedene Verfahren zur Zielerfassung, je nach den technischen Möglichkeiten der Geräte, angewendet. So werden alle darstellbaren Szenarien geübt. Immer wieder eine Herausforderung ist auch die Übernahme des Feuerkampfes durch den RiUO. Für den Fall, dass das Feuerleitgerät ausfällt, kann er auch selbsttätig mit der ZFlAK Ziele bekämpfen.

Der lFAL-Schütze wiederum hat verschiedene Visiereinrichtungen für Tag oder Nacht (Wärmebildgerät) oder auch ein Notvisier zur Verfügung. So ergeben sich für alle am Feuerkampf beteiligten vielfältige Anforderungen, die geübt werden müssen.

Rückblick

Während in Todendorf die Fliegerabwehrtruppe "nur" stationär auf dem Schießplatz den scharfen Schuss übt, konnte in den Jahren 2003, 2005 und 2007 auf dem Truppenübungsplatz Ustka in Polen (ebenfalls an der Ostsee) auch Feuer und Bewegung geübt werden. Der großzügig angelegte Platz bietet in Europa die einzige Möglichkeit, ein Scharfschießen gleichzeitig mit Fliegerabwehrkanonen und Fliegerabwehrlenkwaffen bei einem beweglichen Einsatz der Feuereinheiten durchzuführen. Damit bindet die Übungsleitung ein Luftzielschießen in einen taktischen Übungsablauf ein. Ein solches Vorhaben ist auf österreichischen Truppenübungsplätzen leider nicht möglich, da die Durchführung eines solchen Gefechtsschießens auf Luftziele umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen zwingend erforderlich macht. Diese Sicherheitsmaßnahmen können in Österreich aufgrund der flächenmäßigen Einschränkungen der Übungsplätze nicht eingehalten werden.

In Ustka kamen zu den genannten Systemen auch noch die bis zum Jahr 2005 in Dienst gestellten 20-mm-Fliegerabwehrkanonen zum Einsatz. Bei diesem System bildeten vier Geschütze eine FE. In Ustka schoss man nicht nur das Kanonen- und das Lenkwaffensytem bei Tag und Nacht, die Truppe übte auch die Fliegerabwehr aller Truppen mit dem überschweren 12,7-mm-Maschinengewehr. Auch war die Truppenstärke mit 380 Mann weit umfangreicher. Aus Kostengründen ist das leider nicht mehr möglich. In Ustka wurde auch das erste Mal aus der Bewegung heraus auf einen überraschend auftretenden Feind (Klappscheiben auf 15 Meter langen Stangen, die Hubschrauber darstellten) mit der ZFlAK auf Rädern - nicht abgeprotzt wie beim regulären Stellungsbezug - geschossen. Die 20-mm-FlAK nutzte diese Zieldarstellung ebenfalls zum Training des Feuerkampfes.

Diese Übungen in Ustka weckten auch internationales Interesse: Beobachter aus der Bundesrepublik Deutschland, der Schweiz, Ungarn und Slowenien (Dienstgrade Oberfeldwebel bis Oberstleutnant im Generalstab) nahmen zum Beispiel im Jahr 2005 teil. Der Transport nach Ustka erfolgte mit einem Heereskraftfahrzeug für das Vorkommando, das die Ankunft des Hauptkontingentes vorbereitete und drei Sonderzügen der ÖBB, mit denen das Gerät, bis hin zu leicht gepanzerten Kampffahrzeugen für die lFAL, transportiert wurde. Die Züge fuhren von Langenlebarn, Zeltweg und Hörsching aus ab. Mit C-130 "Herkules" des damaligen Fliegerregimentes 3 in Hörsching wurde die Masse des Kontingentes nach Polen transportiert. Vorab wurde auch die Verlegung eines Sicherungselementes Fliegerabwehr, ausgerüstet mit lFAL "Mistral", erstmalig mittels Lufttransport durch C-130 "Herkules" durchgeführt, um das gesicherte Anlanden des Hauptkontingentes zu gewährleisten. Damit bewies die Fliegerabwehrtruppe ihre Verlegefähigkeit für Auslandseinsätze.

Die Trefferergebnisse konnten sich sehen lassen. Sowohl die Anzahl der bekämpften Luftziele (ein Treffer pro Salve genügt) als auch die Treffer bei einem einzelnen Zielanflug waren ausgezeichnet. Ein herausragendes Beispiel: Eine Bedienmannschaft erzielte in Ustka bei einer Salve von 39 Schuss aus einer Feuereinheit mit 35-mm-ZFlAK dokumentierte 37 Treffer.

Die Truppenübungsplätze bei Ustka und Todendorf bieten den Vorteil, dass sie direkt an der Ostseeküste gelegen sind und dass daher vom Land aus über das leicht je nach Bedarf abzusperrende Seegebiet mit scharfer Munition geübt werden kann. Der Luftraum wird bei derartigen Übungen für den zivilen Flugverkehr ebenfalls gesperrt.

Nur im scharfen Schuss kann auch überprüft werden, ob die Bewaffnung und Ausrüstung des Bundesheeres auch hält, was die Herstellerfirmen versprochen haben. Verschossen wird dabei jene Munition, die ohnehin aufgrund ihres Alters zur Entsorgung an die Herstellerfirmen gegen Entgelt zurückgegeben werden müsste, da die chemischen Treibladungen ähnlich wie Lebensmittel ein Ablaufdatum haben.

Das Air Defence-Symposium 2010

Im Jahr 2010 nahm das Institut Fliegerabwehr der FlFlATS am International Army Air Defense-Symposium in Todendorf mit einer Feuereinheit 35-mm-ZFlAK teil.

Dort kamen von der Deutschen Bundeswehr die Systeme "Gepard" (Flugabwehrkanonenpanzer), "Stinger" (lFAL), "Stinger auf Gepard" und auf "Ozelot" 2 (gepanzerte Kampffahrzeuge) als Waffenplattform zum Einsatz. Die Zieldarstellung erfolgte auf Schleppziele, gezogen von PC-9-Flächenflugzeuge und auf Drohnen der Deutschen Bundeswehr.

Ungefähr 350 ausländische Gäste aus 36 Nationen nahmen am Symposium teil. Im Vergleich mit dem "Gepard" der Bundeswehr, dem einzigen anderen Kanonensystem des Symposiums, konnte die österreichische FE die besseren Trefferergebnisse im ausgezeichneten Bereich erzielen. Das zeigt, dass unsere Fliegerabwehrtruppe sich im internationalen Vergleich nicht verstecken muss. Treffergebnisse mit der ZFlAK bei über 80 und mit der "Mistral" bei über 90 Prozent sind keine Seltenheit.

Auf einen Blick

Somit wurde mehrmals bewiesen, dass die Fliegerabwehrtruppe des Bundesheeres in der Lage ist, sich auf Auslandseinsätze vorzubereiten, diese durchzuführen und letztendlich bei Notwendigkeit einen angreifenden Luftfeind im scharfen Schuss zu bekämpfen und damit den Schutz auf dem Gefechtsfeld eingesetzter Truppen gewährleisten zu können.


Autor: Major Andreas Ledermann, Jahrgang 1969, Einrückungstermin Jänner 1987; Reifeprüfung am Bundesrealgymnasium für Berufstätige 1995. Von 2001 bis 2007 als S1/S2/S5 an der Fliegerabwehrschule in Langenlebarn. Mit Aufstellung der Flieger- & Fliegerabwehrtruppenschule Sicherheitsoffizier and der Flieger- und Fliegerabwehrschule (FlFlATS). Seit 1. Juli 2013 mit den Aufgaben des Referates Öffentlichkeitsarbeit an der FlFlATS betraut.

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