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Das elektronische Artilleriefeuerleitsystem (III)

Anwendung in Lehre und Praxis

Ein komplexes System wie das Elektronische Artilleriefeuerleitsystem (EAFLS) benötigt während seiner Entstehung Fachwissen unterschiedlichster Art. Das Ziel des Projektes war dabei die Entwicklung eines Produktes, dessen Handhabung mit einem möglichst geringen Aufwand erlernbar ist. Deshalb waren während der gesamten Zeit der Entwicklung Anwendervertreter von der Artillerie, gestellt von der Artillerieschule, phasenweise unterstützt durch Vertreter der Artillerieverbände, in alle Schritte mit eingebunden.

Nachdem das EAFLS aus der Sicht der Vertragsfirma und aus jener des Kommandos Führungsunterstützung bereits in den beiden vorangegangenen TRUPPENDIENST-Heften ausführlich dargestellt wurde, sind nun die Anwendervertreter am Wort.

Die Entwicklung des EAFLS wurde durch eine Projektsteuergruppe koordiniert, in die folgende Dienststellen eingebunden waren: - Projektleitung: Rüstungsdirektion - Amt für Rüstung und Wehrtechnik, Abteilung Waffensysteme und Munition; - Software: Rüstungsdirektion - Amt für Rüstung und Wehrtechnik, Abteilung Munitionstechnik; - Technische Umsetzung: Kommando Führungsunterstützung, Abteilung Einsatzorientierte Applikationen, Referat Gefechtsfeld- & Feuerleitsysteme; - Anwendervertreter: Artillerieschule.

Zusätzlich wurden je nach Bedarf und Notwendigkeit weitere Mitglieder als Fachorgane zeitlich befristet in das Projekt eingebunden.

An den Funktionen innerhalb der Projektgruppe hat sich nichts geändert, sehr wohl jedoch gab es Fluktuationen bei den handelnden Personen. Dennoch ist es gelungen, die Kontinuität in der Entwicklung des EAFLS über den gesamten Zeitraum zu wahren.

Aufgaben des Anwendervertreters

Die Aufgaben des Anwendervertreters in der Projektsteuergruppe sind unterschiedlich. In erster Linie ist er das Bindeglied zwischen der Truppe (Artillerie) und den für Entwicklung und Umsetzung verantwortlichen militärischen Stellen.

Aufgrund des 2005 abgeschlossenen Softwarepflegevertrages erfolgt beim EAFLS ein jährliches Update der Software. Damit kann auf geänderte Rahmenbedingungen und internationale Erfordernisse reagiert werden. Änderungsanträge oder die Meldung von Softwarefehlern legt die Truppe anhand des Formblattes "SW-Problemmeldung" an den Anwendervertreter vor. Diese Meldungen werden durch den Anwendervertreter auf die Notwendigkeit und praktische Umsetzbarkeit überprüft und in einer Systemsteuersitzung, die vierteljährlich stattfindet, eingebracht. Das Kommando Führungsunterstützung überprüft diese Anträge auf technische Machbarkeit und beauftragt die Firma ESL, Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Aus diesen wählt die Systemsteuergruppe den zweckmäßigsten Vorschlag aus. Auf Basis dieser Entscheidung entwickelt die Firma ESL die notwendige Software. Diese Software (Beta-Version) wird in einem Labortest vorab technisch überprüft, nötigenfalls verbessert, neuerlich überprüft und danach für den Feldtest freigegeben. Für den Feldtest wird in Absprache mit den Artillerieverbänden ein Referenzbataillon festgelegt. Dieses Bataillon bekommt diese neue bzw. modifizierte Software in die EAFLS-Geräte geladen und das Bataillon unterzieht die Software nach vorgegebenen Prüfkriterien einer praktischen Überprüfung. Den Abschluss bildet eine Überprüfung im scharfen Schuss, die letztendlich für die Einführung der Software ausschlaggebend ist. Nach dem positiven Abschluss der technischen Überprüfung im Labor und der praktischen Überprüfung erfolgt die Freigabe dieser Software durch die Systemsteuergruppe. In Abstimmung mit den Artillerieverbänden wird danach die Software in die EAFLS-Einsatzgeräte geladen und steht ab diesem Zeitpunkt der Truppe zur Verfügung.

Die Einweisung für die Artillerieverbände in die Neuerungen der Software erfolgt an der Artillerieschule durch die Anwendervertreter während eines Informationstages, bei der auf die Besonderheiten der neu entwickelten Software eingegangen wird.

Das EAFLS-Trainingssystem ETS

An der Artillerieschule finden unterschiedlichste Laufbahn- und Fortbildungskurse sowie Fachseminare statt. In allen Kursen und Seminaren ist das EAFLS ein Ausbildungsschwergewicht. Da in den verschiedenen Kursen und Fachgebieten unterschiedliche Ausbildungsthemen vermittelt werden müssen, sind die speziellen Ausbildungsinhalte (z. B. im Beobachtungsdienst, im Geschützdienst, im Rechendienst, in der Feuerleitung) gleichzeitig bzw. parallel zu vermitteln. Die optimale Umsetzung dieser Ausbildungserfordernisse ist seit November 2004 mit der Implementierung des ETS an der Artillerieschule in Baden möglich.

Das EAFLS wird grundsätzlich in den dafür vorgesehenen Gefechtsfahrzeugen verwendet. Darüber hinaus bietet das System die Möglichkeit, Teile davon auch außerhalb der Gefechtsfahrzeuge zu betreiben. Dieser Vorteil wird beim ETS genutzt.

Raumbedarf und Raumausstattung

Das ETS besteht aus der Feuerleit- und Administrationszentrale, sechs Lehrsälen und dem Beobachtertrainingssystem (BTS). An der Artillerieschule wurden die Lehrsäle und der Raum, in dem sich das BTS befindet, miteinander vernetzt.

Mit allen notwendigen Elektroarbeiten, wie Kabelverlegung oder die Herstellung der Stromversorgung wurde eine zivile Elektrofirma beauftragt.

Ein elementarer Teil des Systems ist die Stromversorgung. Für die Feuerleit- und Geschützleitgeräte ATC gibt es ein 220-Volt-Stromnetz. Für die Beobachter- und Kommandantengeräte COMPACT sowie die Geschützgeräte GCU wurde eine 24-Volt-Anlage in den Lehrsälen installiert.

Darüber hinaus wurde die Lehrsaalausstattung um das Schulungssystem CATTS (Computer Aided Training and Test System) erweitert. CATTS wurde als Test- und Prüfungssystem für das EAFLS konzipiert und zur Nutzung als Ausbildungs- und Trainingsanlage weiterentwickelt. Es bedient sich überwiegend jener Software, die in den EAFLS-Komponenten verwendet wird und bedarf somit keiner gesonderten Softwarewartung und -anpassung.

Alle Lehrsäle sind mit den jeweils erforderlichen EAFLS-Geräten ausgestattet, die über einen speziellen Portserver mit dem CATTS verkabelt sind.

In jedem Lehrsaal gibt es überdies einen Operator-Platz. Dieser besteht aus einem Computer mit drei 17-Zoll-Flachbildschirmen, einem Datenprojektor (Beamer), Verkabelungen und Schaltboxen.

Funktionen des CATTS

Überwachung (Monitoring)

Der Bildschirminhalt jeder EAFLS-Komponente kann bei Bedarf in Echtzeit auf dem Bildschirm des Computers angezeigt werden. Durch die Verfügbarkeit von drei Bildschirmen hat der Operator/Ausbilder während der Ausbildung den optimalen Überblick über die vernetzten EAFLS-Komponenten.

Fernbedienung (Remote Control)

Von jedem Lehrsaal-Computer aus können sowohl alle im eigenen Lehrsaal befindlichen EAFLS-Komponenten, als auch alle anderen Geräte, die sich in den anderen Lehrsälen befinden, ferngesteuert werden. Der Administrator hat zusätzlich die Möglichkeit, die Tastatur an den EAFLS-Komponenten zu sperren, um ein koordiniertes Vorgehen während der Ausbildung sicherzustellen.

Datenprojektion über den Beamer

Bildschirminhalte können jederzeit über einen Beamer angezeigt werden. Damit ist es für den Ausbildungsleiter möglich, Arbeitsschritte vorzuzeigen oder Fehler aufzuzeigen, ohne dass er oder ein Auszubildender seinen Arbeitsplatz verlassen muss.

Makros

Makros dienen zur Vorbereitung des Systems. Um zu verhindern, dass bei Schulungen zeitaufwändig alle möglichen Grunddaten an den Geräten neu eingegeben werden müssen (Feuerstellungsräume, Munitionsbestand, Wetterdaten etc.), können diese Daten als Makros vorgestaffelt erstellt, abgespeichert und bei Bedarf jederzeit eingespielt werden.

Videos

Videos dienen zur Nachbereitung der Ausbildung und zur Dokumentation von Prüfungen. Jede Feuerleitausbildung kann auf Video aufgezeichnet und zur Abschlussbesprechung herangezogen werden. Durch den Ausbildungsleiter können während der Videoaufnahme so genannte Lesezeichen (Bookmarks) gesetzt werden, um wichtige Stellen später rascher aufzufinden und bei Bedarf analysieren zu können.

NORA-Simulator

Der NORA-Simulator (Navigations- Orientierungs- und Richtanlage) ermöglicht das Einspielen von Daten, wie sie normalerweise von der NORA an die GCU (Gun Control Unit) übermittelt werden.

Ballistik-Daten

Ballistik-Daten können während der Ausbildung ebenfalls aufgezeichnet werden, um Fehler in der Ballistiksoftware erkennen und analysieren zu können. Diese Funktion dient nur der Ballistikanalyse und für Softwaretestungen.

Anwendungsmöglichkeiten

Das ETS wird vorrangig für die Schulung an den EAFLS-Komponenten im Rahmen von Kursen und Seminaren eingesetzt. Darüber hinaus wird die Anlage für Tests bei der Weiterentwicklung der Hard- und Software verwendet. Durch die Vernetzung mehrerer Lehrsäle sind Feuerleitübungen bis zu Bataillonsgröße möglich.

Somit kann ein artilleristisches Scharfschießen mit den Realdaten bereits vorgeplant werden, um einen optimalen Verlauf während des Schießens sicherzustellen. Ebenso kann ein Scharfschießen witterungsunabhängig mit allen Teilnehmern nachbereitet und können Fehler besprochen werden. Durch die Einbindung des BTS ist eine realistische Darstellung des Gefechtsfeldes für die Beobachter sichergestellt.

Vorteile

Der Vorteil des ETS liegt in der Einsparung von Ausbildungspersonal sowie der effizienten Ausbildung durch Nutzung der Funktionen Überwachung und Fernbedienung. Durch das Einspielen von Makros kann die Ausbildungszeit bestens genützt und durch die Aufzeichnung von Videos kann eine Übung oder ein Ausbildungsthema optimal nachbereitet werden. Bei Feuerleitübungen, bei denen einzelne Komponenten nicht besetzt werden können, kann über die Operatoren-Plätze die Steuerung dieser Komponenten übernommen werden. Somit kann ein Gerätebediener mehrere Komponenten über seinen Computerarbeitsplatz steuern.

Zusammenfassung

Die Zusammenarbeit mit zivilen Firmen gestaltete sich vor allem am Anfang schwierig, da den zivilen Partnern die militärische Terminologie und die taktischen Grundlagen fehlten. Dieses Manko wurde im Verlauf des Projektes zunehmend ausgeräumt. Vor allem auch deswegen, weil in entscheidenden Phasen militärische Fachorgane in die Entwicklung eng mit eingebunden waren.

Bei einem Wechsel von Projektmitgliedern muss die Weitergabe des vorhandenen Wissens sichergestellt werden. Das ist aber nur dann gewährleistet, wenn eine lückenlose Dokumentation vorhanden ist.

Die Einbindung der Truppe in das Projekt hat sich als positiv erwiesen, weil dadurch nicht an den Bedürfnissen der späteren Nutzer "vorbeientwickelt" wurde.

Ein regelmäßiger Informationsaustausch mit den Artillerieverbänden bringt ein Feedback hinsichtlich auftretender Probleme und Fehler im Truppenbetrieb.

Speziell bei einem so umfangreichen Projekt wie der Einführung des EAFLS mit allen zusätzlichen Schulungskomponenten ist eine durchdachte Logistik mit klaren Abläufen eine nicht zu vernachlässigende Größe.

Bei der Entwicklung und Einführung eines derart komplexen Systems ist von Beginn an auf eine adäquate Ausbildungsausstattung, die entsprechende Infrastruktur und auf ein bestens geschultes Ausbildungspersonal zu achten.

Erfahrung mit dem EAFLS aus der Sicht der Truppe Die Entwicklung der Software, beginnend mit dem Batteriesystem, mehreren Softwareversionen über mehrere Jahre bis hin zum Bataillonssystem hat viel an Ressourcen und Zeit in Anspruch genommen. Andererseits stand dadurch ein langer Zeitraum zur Verfügung, um sich mit den Geräten und ihren manchmal auftretenden Eigenheiten vertraut zu machen.

Die Einbindung von Vertretern der Truppe bei der Entwicklung und die ständige Testung der Softwareversionen im scharfen Schuss durch verschiedene Verbände war ein richtiger Weg. Nur so konnten Fehler frühzeitig erkannt und abgestellt werden. Bei Labortests können manche Probleme nicht erkannt werden, die vielleicht nur in der praktischen Anwendung im Gelände unter verschiedensten Umfeldbedingungen (Wettereinflüsse, unterschiedliche Qualität von Funkgeräten, Einbau in Gefechtsfahrzeuge etc.) auftreten.

Die frühzeitige Verteilung der Geräte an die Truppe - wenn auch mit nicht vollwertiger Software - führte durch die ständige Arbeit mit dem System zu einer kontinuierlichen Vertiefung des Wissens um die Benutzung des EAFLS. Dies brachte den Vorteil mit sich, dass bei der Einführung und der offiziellen Truppenfreigabe keine langwierigen Software- und Geräteeinschulungen notwendig waren.

Das System ist - abgesehen vom Alter der Hardware - grundsätzlich sehr bedienerfreundlich. Die bisherigen Erfahrungen mit Rekruten haben gezeigt, dass eine Gerätegrundschulung in zwei Ausbildungswochen zu bewältigen ist. Dies bringt den Vorteil mit sich, dass die restliche Zeit für die Ausbildung von Verfahrensabläufen und die Perfektionierung in den Ausbildungsabschnitten genutzt werden kann.

Präzision und Feuergeschwindigkeit

Durch die Einführung des EAFLS konnte die Treffergenauigkeit und die Präzision im Ziel um ein Vielfaches gesteigert werden und durch die Einbindung des Radiowettersondensystems (RWSS) in den Datenverbund stehen die Wetterdaten jederzeit mit hoher Qualität zur Verfügung. Die Berücksichtigung der Vermeidbaren Abweichungen und Witterungseinflüsse (VAWE) in der Ermittlung der Schießdaten bringt eine hohe Ersttrefferwahrscheinlichkeit.

Mit dem zum EAFLS gehörenden Drucker besteht die Möglichkeit, Feueranforderungen, Feuerkommandos und vor allem Ergebnisberichte nachhaltig zu dokumentieren. Damit ergibt sich eine transparente und nachvollziehbare Auswertung eines Scharfschießens. Die dadurch gewonnenen Erfahrungswerte können in die nächste Ausbildung eingearbeitet werden und führen damit zu einer stetigen Verbesserung des Systems Artillerie.

Durch die Einführung des EAFLS wurden die Verzugszeiten nicht wesentlich verbessert, jedoch ermöglicht dieses System eine planbare Kontinuität in den zeitlichen Abläufen. Der menschliche Faktor als mögliche Fehlerquelle kann auch bei Verwendung des EAFLS nicht völlig ausgeschaltet werden, wird aber durch die Verwaltung von Sicherheitsdaten wesentlich unterstützt.

Schlussbemerkungen

Der rasanten technischen Weiterentwicklung der letzten Jahre konnte durch den Softwarepflegevertrag mit der Vertragsfirma ESL Rechnung getragen werden. Es wird jedoch notwendig sein, auch die Hardware auf den neuesten Stand zu bringen. Nur damit kann sichergestellt werden, dass das System Artillerie weiterhin auf dem heutigen Gefechtsfeld bestehen kann.

Auch die Einbindung in die Strukturen des neuen Aufklärungs- und Artilleriebataillons sollte mit der Weiterentwicklung der bestehenden Software und neuer Hardware kein Problem bedeuten.

Der Entwicklung eines zukünftigen Führungs- und Informationssystems kommt ein hoher Stellenwert zu. Das EAFLS als Waffeneinsatzsystem sollte in der Lage sein, die notwendigen Daten dafür bereitzustellen und zu verarbeiten.

Um sich bei internationalen Einsätzen beteiligen zu können, ist der Datenaustausch und die Koordination des Feuers mit Artillerieverbänden anderer Streitkräfte erforderlich. Die Artillery Systems Cooperation Activities (ASCA) (siehe TRUPPENDIENST, Heft 5/2006, S. 439) bieten dafür den notwendigen Ansatz.

In enger Zusammenarbeit der Verantwortlichen unterschiedlicher Dienststellen ist es gelungen, einen einsatzfähigen Datenverbund für die Artillerie zu schaffen. Das EAFLS mit seiner Software ist ein ausgereiftes Feuerleitsystem, welches auch internationalen Vergleichen standhält.

___________________________________ ___________________________________ Autor: Major Franz Unger, Jahrgang 1968. 1991 Ausmusterung als Artillerieoffizier nach Baden zum Panzerartilleriebataillon 9; Verwendung als 1. Offizier, Batteriekommandant und Feuerleitoffizier/Bataillon und stellvertretender S3. 2003 Versetzung zur Artillerieschule als Hauptlehroffizier für Rechendienst und Feuerleitung. Seit 2004 Anwendervertreter für das Elektronische Artilleriefeuerleitsystem. 2005 Abschluss des Lehrganges für Projektmanagement.

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